Dieser Wein zaubert ein Lächeln ins Gesicht!

Blaufränkisch ist schon seit längerer Zeit eine meiner Lieblingssorten. Und wenn ein Wein so gelungen ist wie der Ungerberg 2015 von Pittnauer, dann ist Blaufränkisch einfach umwerfend gut!

„Dieser Wein hat mir nur schon beim Schnuppern ein Lächeln ins Gesicht gezaubert“, das waren die Worte eines Weinfreundes, der zu einer spannenden Blinddegustation geladen hatte – noch bevor bekannt war, um welchen Wein es sich handelt. Das Degustationsformat war ungewöhnlich, aber extrem spannend, da die Weine bunt gemischt nach Herkunft, Sorte und Jahrgang gereicht wurden. Ich wusste nicht, was mich erwartet, aber eine solche wirkliche Blinddegustation ist fordernd und macht, auch wenn ich durchaus Erfolge beim Zuordnen hatte, auch etwas demütig in Bezug auf das eigene Weinwissen ….

Trotz teils auch deutlich teurerer „Konkurrenz“ stach ein Wein aus allen hervor, eben der Ungerberg 2015 des Weingutes Pittnauer aus Gols. Der Wein befindet sich in der ersten Trinkreife und wirkt einfach berührend – eben, zaubert ein Lächeln ins Gesicht!

Bio-dynamisch – und „weniger ist mehr“ im Keller

Gerhard und Brigitte Pittnauer – Mitglieder bei Pannobile – bewirtschaften ihr rund 18 Hektar grosses Gut seit rund 15 Jahren nach bio-dynamischen Grundsätzen und halten sich im Keller so weit wie möglich mit Eingriffen zurück. Der Ungerberg, bekannterweise eine Top-Lage (auch wenn der Ausdruck „Berg“ masslos übertrieben ist), bringt auf perfekte Art Finesse, Druck und Tiefe gleichzeitig – und das bei einem vorbildlich tiefen Alkoholgehalt von nur 12,5 % vol.!

Die Etiketten des Gutes sind künstlerisch gestaltet; den Text zum Ungerberg konnte ich zwar teils entziffern, aber die Bedeutung ist wohl Geheimnis des Künstlers.

Blaufränkisch, Ried Ungerberg, Pittnauer, 2015
Mittleres, schon leicht gereiftes Rubin; sehr feine, vielschichtige, füllige Nase mit roter Frucht, „süssliche“ Anflüge und auch florale Noten; im Mund zuerst sehr feingliedrig und elegant wirkend, dann aber auch mit viel Druck, tolles Tannin, gute Säure, „saftig“, sehr langer Abgang. Toller, berührender Wein. 18 Punkte.
Ich durfte den Rest der Flasche nach Hause nehmen und konnte ihn am Abend zufällig zu einem Schmorbraten geniessen – der Wein wirkte zum Essen noch grossartiger und hielt auch der konzentrierten Sauce problemlos Stand. Ich wäre geneigt gewesen, noch einen halben Punkt in der Bewertung nachzubessern ….

Der Wein ist sogar noch im Handel erhältlich:
Weingut Gerhard Pittnauer Blaufränkisch Ried Ungerberg 2015, Bio, 0,75 l – 9Weine (neunweine.ch)

pittnauer.wine (die Site des Weingutes ist leider noch nicht aktiv, man kann sich aber für einen Newsletter anmelden)

sylvia petz * Agentur für organisierten Genuss – Trophée Gourmet A la Carte für G. & B. Pittnauer (sylvia-petz.at) (ein schönes Kurzportrait des Weingutes)

Und ein anderer herrlicher Ungerberg:

Hier noch ein Link auf einen früheren Beitrag in meinem Blog über einen anderen herausragenden Wein vom Ungerberg – ebenfalls bio-dynamisch! (Dort gibt es auch zwei Bilder vom Ungerberg).
Ungerberg 2012 von Paul Achs: Blaufränkisch vom Feinsten! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)


Interessennachweis:
Der Wein wurde im Rahmen einer privaten Degustation bei einem Weinfreund blind degustiert.

Marokko – auch beim Wein eine tolle Überraschung!

Die Mannschaft Marokkos bringt die Fussballwelt gerade zum Staunen. Ein Syrah aus Marokko brachte mich während des Fussballspiels auch dazu. Selbst, wenn er eher an Radfahren erinnert!

Seit einigen Monaten stand im Keller eine Flasche Syrah aus Marokko, die ich gekauft hatte, um wieder einmal einen „exotischen“ Wein zu probieren. Das gestrige Menu mit einem Lammfilet passte dann sehr gut dazu, aber noch mehr natürlich das anstehende Fussballspiel an der WM.

Fast 100-jähriges Weingut

Ouled Thaleb ist das älteste noch existierende Weingut Marokkos, das 1923 gegründet wurde und 1927 die erste Ernte einfuhr. Es befindet sich in Ben Silmane, nordöstlich von Casablanca und etwa 40 Kilometer vom Atlantik entfernt auf rund 500 m.ü.M. Der Betrieb wurde während der Kolonialzeit nicht etwa von Fanzosen, sondern von einer belgischen Firma gegründet. Heute gehörte es der Gruppe Thalvin-Ebertec bzw. der Diana-Holding, welche u.a. in der Speiseöl- und Fischindustrie und eben auch im Weinbau tätig ist und unter anderem 7 verschiedene Weingüter in Marokko besitzt.

Ouled Thaleb ist ein vergleichsweise riesiges Gut, rund 800 Hektar stehen heute unter Reben. Es ist damit der zweitgrösste Betrieb in Marokko. Man wundert sich überhaupt über die Ausmasse – das grösste Gut umfasst 2’500 Hektar – und das in einem muslimischen Land.

Hermitage lässt grüssen – und die Radfahrer auch

Dass der Wein auf der Etikette des Syrah ein Tandem zeigt und auch so heisst, kommt nicht von ungefähr. Tandem entstand aus der Begegnung zwischen Jacques Poulain, einem Oenologen aus Bordeaux, der das Gut seit 1997 führt, und Alain Graillot , einem Winzer aus Crozes Hermitage. Dieser hatte sein Gut seinen Söhnen überlassen, um sich als beratender Oenologe zu betätigen. So verwundert es nicht, dass der Syrah aus Marokko durchaus an Weine von der Rhone erinnert. Gemäss Etikette lernten sich die beiden übrigens auf einer Radtour kennen; der Name des Weines spielt also darauf an.

Trau keinen Angaben im Netz

Alle diese Aussagen basieren allein auf Online-Recherchen, und da kam dann doch auch einiges an Unklarheit zusammen. Trauen Sie also den Angaben nicht zu sehr. Denn was da alles zu lesen ist, ist an Differenz fast nicht zu überbieten. Gesichert ist, wie auch auf der Etikette vermerkt, dass Alain Graillot an diesem Wein beteiligt ist. Dann aber beginnt es schon – gemäss Etikette begegnete er radfahrenderweise dem Besitzer von Thalvin bzw. Ouled Thaleb. Das Ganze gehört aber offensichtlich zur Diana-Holding, wie aus deren Homepage zu ersehen ist. Weiter geht es damit, dass die Angaben von internationalen Weinhändlern über die Grösse der Domaine von 200 bis 800 Hektar variieren. Und auch die Bewirtschaftung wird unterschiedlich beschrieben, bei den einen handelt es sich um einen Biobetrieb, bei anderen wird „konventionell“ gearbeitet (die Wahrheit dürfte sein, dass der Betrieb sich in Umstellung befindet). Und die Böden von Ouled Thaleb werden einerseits als „wie im Médoc“ beschrieben, andererseits „wie in Crozes Hermitage“. Und einige sehen das Gut quasi direkt am Meer, andere im hohen Altlas – hier liegt die Realität etwa in der Mitte.

Egal – den Wein kann man sehr geniessen

Sicherheit könnte da wohl nur eine Recherche vor Ort geben, aber eine solche Reise steht gerade nicht an. Aber egal, die Qualität des Weines ist jedenfalls sehr gut, es ist erstaunlich, wie auf diesem Breitengrad ein so frischer und eleganter Syrah gedeihen kann.

Ich hätte ja auch noch ein paar Flaschen portugisischen Weins im Keller gehabt, aber dieser Syrah aus Marokko traf genau das Momentum – wie die Fussballer des Landes. Er verteidigte sich auch sehr erfolgreich gegen gebratenen Knoblauch und Rosmarin und verdient sich damit die Qualifikation für einen Blogbeitrag absolut.

Es gibt sicher noch bessere Mannschaften (sorry, Weine) auf dieser Welt, aber für den Moment macht der Tandem einfach total Spass.

Degustationsnotiz Domaine Ouled Thaleb, Syrah „Tandem“ 2019
Mittleres Purpur; Duft nach Brombeeren, Pflaumen und getrockneten Zwetschgen, weissem Pfeffer und Thymian; im Mund erstaunlich frisch, mit knackiger, gut eingebundener Säure, viel feines Tannin, „saftig“ und fruchtig, eher auf der eleganten Seite, mittlerer Abgang. Richtig schöner Wein, der tatsächlich als Crozes Hermitage durchginge. Jetzt toll zu trinken, dürfte aber auch noch ein paar Jahre reifen können. 16,5 Punkte.

Bezugsquelle CH, allerdings mit Nachfolgejahrgang (in D habe ich leider keinen Anbieter gefunden):

Tandem Syrah 2020 75.0 cl kaufen bei Schubi Wein


Interessennachweis: Der Wein wurde im Handel gekauft.

Frankreich oder Südafrika? Beides, wenn es um Chenin blanc geht!

Chenin blanc ist eine jener weissen Sorten, die leider viel zu wenig Beachtung erhalten. Dabei ergibt diese Rebe auf sehr hohem Niveau einfach alles: Vom Schaumwein bis zum Süsswein, und dazwischen tolle trockene wie auch feinherbe Weine. Hier zwei besonders gelungene Chenin blanc aus Frankreich und Südafrika.

Hand auf’s Herz: Wie oft im Jahr trinken Sie einen Chenin blanc? Selten bis nie? Sorry, aber Sie verpassen grossartigen Genuss! Für mich persönlich gehört sie zu den allerbesten Weissweinsorten und ich vergleiche sie gerne mit dem Riesling, der auch ein Alleskönner auf höchsten Niveau ist. Selbst geschmacklich gibt es gewisse Parallelen. Vielleicht bringt der Riesling etwas elegantere Weine hervor, während die Chenin blanc in der Regel voluminöser und kräftiger daherkommt. Eine Verwandtschaft zwischen den Sorten besteht nach heutigem Wissen nicht – belassen wir es also bei einer von mir frei erfundenen „Seelenverwandtschaft“.

Der erste Nachweis der Sorte stammt aus dem 9. Jahrhundert im Anjou – also an der mittleren Loire, wo die Sorte heute noch die wichtigste Stellung einnimmt (Quelle: Pierre Galet, Cépages et Vignobles de France). Das grösste Anbaugebiet befindet sich allerdings in Südafrika, wo mit rund 17’000 Hektar mehr als die Hälfte der weltweiten Anbaufläche gepflegt wird. Frankreich folgt mit rund 9’500 Hektar.

Eine Art Vermächtnis der grossen Weinpersönlichkeit Anne-Claude Leflaive

Ich habe kürzlich einen besonders gelungenen Wein aus Südafrika im Glas gehabt, was mich spontan daran erinnerte, dass noch eine Flasche von der Loire im Keller steht, die ich schon lange probieren wollte – ein Clau de nell, dem heute 12 Hektar grossen Loire-Weingut der leider verstorbenen grossen Weinpersönlichkeit Anne-Claude Leflaife. Sie kaufte das rund 25 Km westlich von Saumur gelegene Anwesen im Jahr 2008 zusammen mit ihrem Ehemann Christian Jacques, der das Gut heute noch führt, und rettete es damit vor dem Bankrott. Wie im Burgund wird auch hier nach den Prinzipien der Biodynamie gearbeitet. Anne-Claude Leflaive war es auch, welche den Anbau der Chenin blanc auf dem Gut wünschte. 2015 konnte der erste Jahrgang geerntet werden. Damit war es der im gleichen Jahr verstorbenen „Grande Dame“ leider nicht mehr vergönnt, ihren eigenen Chenin blanc zu verkosten.

Zwei nicht gleichnamige Brüder mit grossem Sozialengagement

Der südafrikanische Wein, der mich begeisterte, stammt vom Weingut Stellenrust, das im Vergleich mit Clau de nell riesengross ist: 250 Hektar stehen hier unter Reben. Das südlich von Stellenbosch gelegene Gut befindet sich in Familienbesitz und wird auch durch die Besitzer Tertius Boshoff und Kobie van der Westhuizen geführt. Die Reben für den degustierten Wein sind 55 Jahre alt. Stellenrust, das gesamthaft 400 Hektar gross ist, machte auch durch soziales Engegement auf sich aufmerksam: Man beteiligte 55 Arbeiterfamilien als Mehrheitsaktionäre an 100 Hektar Farmland, die sie als eigene Parzelle bewirtschaften, ernten und ausbauen dürfen. So initialisierte man eines der besten und erfolgreichsten „black empowerment projects“ auf dem ganzen Kontinent (Quelle: eggerssohn.com)

Degustationsnotizen:

Stellenrust 55 Barrel Fermented Chenin blanc, 2019
Eher helles Gelb, „süssliche“ Frucht nach Papaya und Quitte, etwas rauchig; im Mund rund und sehr dicht, tolle, gut eingebundene Säure, welche ein schönes Wechselspiel mit einer leichten Restsüsse (4,1 g) eingeht, langer Abgang. Sehr schöner, etwas opulenter, aber trotzdem frischer Wein. 17,5 Punkte.

Clau de nell, Chenin blanc, 2020
Mittleres Gelb, fruchtig (Wassermelone) und würzig (reife Koriandersamen), frisches Gras, wirkt etwas „wild“; enorme mineralische Frische im Mund, schöne Säure, dezente Frucht“süsse“, schöne Struktur, leichter, aber nicht störender Medizinalton im langen Abgang (verschwand nach einem Tag in der Flasche). Frischebetonter, etwas wilder und doch eleganter Wein, der noch sehr viel Reserven hat. 17,5 Punkte.

Fazit: Da standen zwei Chenin blanc nebeneinander, die unterschiedlicher kaum sein könnten, die aber beide grossartig sind. Einerseits der schöne und gehaltvolle Schmeichler aus Südafrika, der wohl allen gefällt. Andererseits der biodynamische Loire-Wein, der durch seine etwas wilde Art manchen nicht auf den ersten Schluck zugänglich sein dürfte, der aber ungemein vielschichtig ist. Er kommt mir vor wie eine Person im perfekten Anzug oder Kostüm, die etwas künstlerisch zerzauste Haare hat. Ich persönlich finde ihn grossartig.

Die beiden Weine zeigen perfekt, wie unterschiedlich Weine aus dieser Sorte gekeltert werden können. Und dabei ist das ja nur ein ganz kleiner Ausschnitt. Wer Chenin blanc auslässt, ist wirklich selber schuld!

Accueil – Clau de nell
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Bezugsquellen u.a.:
Schweiz: Kapweine und Paul Ullrich für Stellenrust / Gerstl für Clau de nell
Deutschland: Eggerssohn und Ludwig von Kapf / Lobenberg und Vinaturel


Interessennachweis: Beide Weine wurden im Weinhandel gekauft.

Ein herrlicher Riesling vom Schweizer Weingut des Jahres.

Vorgestern wurde das Weingut „Cave du Rhodan – Mounir Weine“ aus Salgesch zum Schweizer Weingut des Jahres 2022 gekürt. Das ist für Kenner natürlich keine Überraschung und hochverdient. Mir gibt es den perfekten Anlass, über einen schon vor einigen Monaten degustierten (Rhein-)Riesling des Gutes zu berichten, der den Vertretern vom Rhein das (Rhone-)Wasser absolut reichen kann.

Cave du Rhodan ist wohl jenes Weingut, über das ich schon am meisten geschrieben habe (Links siehe am Schluss des Artikels). Im Frühjahr konnte ich einen Riesling des Gutes probieren, dessen Qualität mich begeisterte. Die Degustationsnotizen liegen seither herum, ich habe sie bisher noch nicht gepostet, weil ich ja nicht immer „nur“ über die gleichen Produzenten schreiben will.

Dass das Weingut von Sandra und Olivier Mounir nun aber am Grand Prix des Vins Suisse, einem von Vinum und Vinea gemeinsam durchgeführten hochkarätigen Wettbewerb, zum „Weingut des Jahres 2022“ erkoren wurde, gibt sicher den perfekten Anlass, über den Riesling zu berichten, Denn die Qualität hat es in sich.

Riesling von der Rhone? Aber klar!

Riesling gehört an den Rhein und seine Nebenflüsse! Allenfalls noch an die Donau in Oesterreich. Aber an die Rhone? So abwegig ist das aber gar nicht, denn im Wallis gedeiht, klug angesetzt, bearbeitet und vinifiziert, ja fast das ganze Konzert der bekannten Rebsorten. Und das Gut Desfayes-Crettenand hat schon vor über drei Jahrzehnten gezeigt, dass man im Wallis sehr wohl honorigen Riesling produzieren kann.

Symbolbild: Walliser Weinlandschaft zwischen Salgesch und Sierre. Aufgenommen übrigens an der Rue de la Petite Arvine, unweit der Gemeindegrenze!

Die Reben für den Riesling „Diversitas“ wurden erst 2015 gepfanzt und werden biologisch bewirtschaftet. Ausgebaut wird der Wein je zu einem Drittel im Holzfass, in der Amphore und im Stahltank. Ich habe für die Degustation bewusst einen deutschen Rielsing des gleichen Jahrgangs aus dem Keller geholt. Die Wahl fiel auf den „Tonschiefer“ 2019 von Dönhoff. Dieser ist zwar nicht die alleroberste Klasse dieses Spitzenweingutes, aber ist immer ausgesprochen gelungen und stellte schon mal eine richtige Hürde dar.

Rhone vs. Nahe: 1 : 1 (oder 35 : 34,5)

Das Resultat dieses Vergleichs: Der Diversitas von der Rhone obsiegt klar! Natürlich hinken solche Vergleiche immer ein wenig, voeliegend um so mehr, als die Stilistik doch ziemlich verschieden ausfällt. Trotzden: Der Tonschiefer ist ein wunderschöner Wein, aber der Diversitas ist dichter und vielschichtiger.

Entsprechend wurde die Latte danach deutlich höher gelegt. Als Vergleich diente nun ein Grosses Gewächs aus dem Jahr 2018 (also ein Jahr gereifter als der Diversitas), der Goldloch von Diel. Wie schon bei Dönhoff bekam es die Cave du Rhodan also wieder mit einem der ganz grossen Namen zu tun.

Nun, in diesem Vergleich behielt Deutschland ganz knapp die Oberhand. Allerdings braucht sich der Diversitas selbst hier nicht zu verstecken, letzlich waren es Nuancen, welche in meiner Wertung den Ausschlag für Diel gaben. Auch in diesem Vergleich bringt der Diversitas mehr Dichte und Konzentration mit, aber das Grosse Gewächs von Diel war eine Spur finessreicher, komplexer, eleganter und wohl halt auch „Riesling-typischer“. Der Goldloch 2018 ist ein absolut grossartiges Gewächs (96 Punkte James Suckling), und wenn da ein – noch dazu günstigerer – Wein aus dem Wallis praktisch mithält, dann gibt es nur eines: Chapeau, Sandra und Olivier Mounir. Und herzliche Gratulation zu diesem Riesling und natürlich zum Schweizer Weingut des Jahres!

Die Degustationsnotizen:

Riesling Diversitas 2019, Caves du Rhodan
Helles Gelb, dezente, aber sehr vielschichtige Nase, Stachelbeere, neckische Anfüge von Ananas und Lychee, auch etwas grüne Noten, etwas Muskat; im Mund mit aussergewöhnlicher Frische, mineralisch, sehr dicht gewobener Körper, „saftg“, schön angepasste Söure, ganz leicht spürbares Holz, das aber sehr gut eingebunden ist, den relativ hohen Alkoholgehalt (13,5 %) spürt man überhaupt nicht. Langer Abgang. Eigenständiger aber nicht untypischer Riesling, toll gemacht! 17,5 Punkte.

Tonschiefer 2019, Dönhoff
Helles Gelb; gradlinie Nase, zuerst mit etwas Petrol, mit etwas Luft dann weisse Johannisbeeren, Stachelbeeren und Fliederduft; im Mund recht dicht mit enormer Fruchtigkeit und einem Touch von Fruchtsüsse, prägnante, aber schöne Säure. Mittlerer Abgang. Schöner, erfreulicher Wein. 16,5 Punkte.

Dorsheim Goldloch 2018, GG, Schlossgut Diel
Mittleres Gelb mit grünen Reflexen; feine Nase mit Stachelbeere, Aprikose und weissem Pfirsich, würzige Noten; im Mund mieralisch, dicht, finessereich und fruchtig, mundfüllend aber trotzdem nicht langweilig „rund“ wirkend, langer Abgang. Grossartiger Wein, 18 Punkte.

Link zum Weingut:
Walliser Weine aus Salgesch direkt beim Winzer kaufen | Cave du Rhodan

Und zum Grand Prix du Vin Suisse 2022:
https://www.vinum.eu/fileadmin/user_upload/Awards/GPVS/GPVS_2022/GPVS_2022_Pressemitteilung_Die_Gewinner_und_alle_Resultate.pdf

Hier die Links auf frühere Artikel:
Handeln statt jammern! Cave du Rhodan ist erneut innovativ. Und ein toller Pinot dazu. – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
Domaine Trong der Cave du Rhodan: (bio-)dynamisch an die Spitze! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
Corona macht erfinderisch: spannende Online-Degustationen zum Mitmachen! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
Walliser Weine: Spitzenklasse! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)


Interessennachweis:
Der Diversitas der Cave du Rhodan wurde mir als Dankesgeste nach meinem Artikel über den Pinot noir zusammen mit einer Flasche jenes Weines ohne jede Verpflichtung zugestellt. Die beiden deutschen Rieslinge wurden im Handel gekauft.

Franciacorta: Die heimliche Schweizer Liebe denkt an die Umwelt und das Klima.

Raten Sie mal: In welches Land werden am meisten Weine aus der Franciacorta exportiert? USA? Japan? Deutschland? Belgien? Grossbritannien? Alles falsch! Die Reihenfolge stimmt zwar, aber deutlich davor steht die Schweiz mit einem Anteil von fast jeder vierten Flasche! Vielleicht kann man da sagen: „Champagner predigen und Franciacorta trinken“? Wobei das angesichts des Qualitäts- und Preisniveaus auch ganz vernünftig wäre. Und erst recht aufgrund des weltrekordverdächtigen Bio-Anteils in der Franciacorta.

Vielleicht ist es ja aufgrund der Umsätze in der Schweiz unnötig, aber dennoch: Die Franciacorta liegt am Südufer des Iseosees nördlich von Brescia, dem zu Unrecht unbekanntesten der grossen oberitalienischen Seen. Und Nomen ist manchmal tatsächlich Omen: Das „Francia“ geht zurück auf die Zisterzienser-Mönche aus Cluny (südliches Burgund, unbedingt sehenswert!), die sich in der Gegend vor bald tausend Jahren niederliessen und von der Steuer befreit waren (Francea Curtes = steuerbefreite Hof-/Gerichtszone). Und der Bezug zu Frankeich passt natürlich auch heute: Hier wird hochstehender Schaumwein nach der gleiche Methode wie in der Champagne hergestellt, und auch die Sortenwahl ist fast identisch. Chardonnay und Pinot noir herrschen vor, nur als Nebensorte ist hier Pinot blanc und nicht Pinot meunier zugelassen.

Wunderschöne Gegend: Blick aus Norden auf den Iseosee und Iseo; am Südufer beginnt die Zone für den Franciacorta DOCG.

Im Gegensatz zum französischen Vorbild ist die Geschichte der Schaumweine aus der Franciacorta allerdings noch sehr jung. Die erste Flasche wurde nämlich erst vor rund 50 Jahren (1961) produziert. Schon sechs Jahre später erhielt das Gebiet aber die DOC, doch erst anfangs der 1990-er Jahre kam wirklich Schwung in das Gebiet: Der Name wurde urheberrechtlich geschützt und es wurden neue Produktionsvorschriften erlassen. 1995 wurde das Gebiet schliesslich in den DOCG-Status erhoben. Heute beträgt die Anbaufläche knapp 3’000 Hektar, und über hundert Betriebe verkaufen knapp 14 Millionen Flaschen im Jahr (1980 waren es noch 9 Betriebe mit rund 200’000 Flaschen!). Die Weine der Franciacorta brauchen sich heute im Durchschnitt durchaus nicht mehr vor jenen aus dem französischen Vorbild zu verstecken.

Bio – nicht die Zukunft, sondern die Gegenwart

Im biologischen Weinbau ist die Franciacorta vermutlich Weltmeister. Rund zwei Drittel der Rebflächen werden hier bereits zertifiziert biologisch bewirtschaftet oder sind in Umstellung. Zwar gibt es noch nicht so viele Flaschen mit dem Bio-Label auf dem Markt. Das liegt daran, dass es Weingüter gibt, die noch nicht die ganze Fläche umgestellt haben und die Biotrauben nicht separat verarbeiten wollen. Zudem lagert der Wein jahrelang, bevor er auf dem Markt kommt – der Markt hinkt deshalb der Realität im Rebberg hinterher.

Erbamat, die Sorte der Zukunft, die dem Klimawandel trotzen soll

Offensichtlich ist man sich am Iseosee, wo die Weine auf einer Meereshöhe von 200 bis 400 Meter wachsen (die Champagne liegt zwar noch tiefer, aber auch etwa 500 Kilometer nördlicher und hat keinen Mittelmeereinfluss) bewusst, dass der Klimawandel einen grossen Einfluss auf den Weinbau haben kann. Vermutlich kommt hier auch die fehlende Tradition zu Hilfe, wenn es um Neuerungen geht. Jedenfalls wurde eine neue Traubensorte zugelassen, die Erbamat. Während Chardonnay und Pinot noir heute schon im August geerntet werden müssen, braucht die Erbamat rund einen Monat länger bis zur Reife. Sie ist seit dem 15. Jahrhundert beurkundet, erlangte aber nie eine grosse Bedeutung und wurde bis vor Kurzem nur noch auf wenigen Hektar in Norditalien angebaut. Sie ist sehr säurebetont, weist einen tiefen Ph-Wert auf und ist relativ neutral im Aroma. Die Hoffnung ist deshalb, dass die Erbamat den Weinen Frische verleihen wird, ohne das aromatische Profil der Franciacorta-Weine deutlich zu verändern. Aktuell ist sie erst bis zu einem Anteil von 10 % erlaubt, womit ihr Potential langsam getestet werden soll. Bisher haben auch erst 10 Weingüter diese Sorte effektiv angepflanzt. Es gibt auch noch kaum Weine mit Erbamat-Anteilen auf dem Markt (siehe dazu weiter unten), aber es wird spannend zu beobachten sein, wie sich das entwickelt. Sieht man den rasanten Aufschwung in der Franciacorta der letzten 50 Jahren an, dürfte es nicht lange dauern, bis wir Schaumweine mit Erbamat-Anteil geniessen!

Verschiedene Schaumwein-Typen

Die Bezeichnung und die dafür zulässigen Rebsorten, die Lagerung, der Druck und die Dosage sind in der Franciacorta klar geregelt. Abgesehen von den Jahrgangsweinen und den Riservas gibt es drei Typen:

„Franciacorta“ steht für einen Grundwein aus Chardonnay, Pinot noir, Pinot blanc (höchstens 50 %) und Erbamat (höchstens 10 %), wobei sortenreine Weine aus Chardonnay oder Pinot noir möglich sind. Die Flaschen müssen nach der zweiten Gärung mindestens 18 Monate in der Flasche reifen und der Druck liegt zwischen 5 und 6 Atmosphären. Zudem kann dieser Wein in der Dosage mit Zero, Extra Brut, Brut, Extra Dry, Dry und Demi Sec hergestellt werden. Die möglichen Varianten aus Traubensorten und Dosage sind also fast unerschöpflich.

„Franciacorta Satèn“ ist eine Exklusivität der Gegend. Er darf nur aus Chardonnay (mind. 50 %) und Pinot blanc (höchstens 50 %) hergestellt werden, muss 2 Jahre in der Flasche lagern und darf nur als Brut auf den Markt kommen (wobei es durchaus tiefere Zuckerwerte gibt, die Bezeichnung lautet dann aber trotzdem Brut). Der entscheidende Unterschied liegt aber im Druck der Flasche; dieser muss unter 5 Atmosphären liegen – der Satèn sprudelt also etwas weniger und wirkt dadurch runder und „weiniger“.

„Franciacorta Rosé“ schliesslich kann wieder aus allen vier Traubensorten bestehen, vorgeschrieben sind aber mindestens 35 % Pinot noir. Die Flaschenlagerung muss 2 Jahre dauern. Die übrigen Vorschriften entsprechen jenen des „Franciacorta“.

Kleine Degustation in Zürich

Sehr sympathisch, professionell und unterhaltsam gleichzeitig: Sommelier Nicola Mattana.

Die allermeisten Betriebe der Region sind Mitglied im „Consortio per la tutela del Franciacorta“. Und dort ist man sich natürlich der Bedeutung des Schweizer Marktes bewusst. Kürzlich fand deshalb auf Einladung des Konsortiums eine kleine Präsentation und Degustation im „Signau House & Garden“ in Zürich statt (das „Signau“ ist übrigens ein Hotel in toller, aber ruhiger Lage mit einem wunderschönen Garten – eine echte Oase beim Kreuzplatz, relativ nahe des Stadtzentrums). Präsentiert wurden je ein Wein der drei Grundtypen, und die Präsentation lebte vor allem auch vom Charme und dem Fachwissen des beigezogenen Sommeliers Nicola Mattana.

Besonders gefallen hat mir dabei der Franciacorta „Golf 1927“ von Barone Pizzini:

Helles Gelb, zurückhaltende, feine Perlage; dezente, frische Frucht mit etwas Brioche und leichtem, schönem Hefeton; im Mund feingliedrig und elegant, trocken aber nicht knochentrocken wirkend (4 g RZ und 8 mg Säure). Schöner Schaumwein, der trotz Schwergewicht auf der Eleganz durchaus auch gehaltvoll ist. 16,5 Punkte.

Und wenn wir schon bei Barone Pizzini sind: Dieses Haus war nicht nur der erste Bio-Betrieb, sondern auch der erste, der im vergangenen Jahr mit dem „Animante“ einen Franciacorta mit einem Anteil der Rebsorte Erbamat auf dem Markt brachte (der Anteil beträgt noch bescheidene 3 %). Falls Sie danach suchen, achten Sie auf das Datum der Flaschenfüllung vom April 2019 oder später. Vorausgegangen waren die Pflanzung der Sorte auf rund einer Hektar im Jahr 2008 und viele Versuche in der Vinifikation. Daraus resultierten Weine, die leider nie auf dem Markt erscheinen durften, da ihr Erbamat-Anteil zu hoch war (erlaubt sind 10 %, siehe oben), aus denen aber sehr viel Wissen über das Verhalten der Erbamat gewonnen werden konnte.

Vorbildliche Information auf den Flaschen

Toll ist übrigens, dass auf fast allen Flaschen aus der Franciacorte die technischen Daten wie Säure und Zuckergehalt vor allem aber auch das Datum der Flaschenfüllung und des Dégorgements angegeben werden. Da könnten sich viele Francesi ein Vorbild nehmen!

Franciacorta: Nach uns die Zukunft! Das italienische „Qualitäts-Schaumweinzentrum“ auf dem Weg zur Nachhaltigkeit.

Ach ja, und übrigens gibt es aus der Franciacorta auch stille Weine, ein Beispiel siehe hier:
Ca‘ del Bosco – eine Perle mit mehr als nur Perlen – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Links:
Consorzio tutela del Franciacorta, Strada del Franciacorta
Barone Pizzini: Organic Winery in Franciacorta


Interessennachweis:
Dieser Artikel entstand aufgrund der Anregung im Rahmen der oben beschriebenen Einladung des Consortio per la tutela del Franciacorta, im Weiteren aber ohne jede Einflussnahmen oder Verpflichtungen des/gegenüber dem Konsortium oder einzelner Produzenten.

Grillo und Italien? Wenn es um Wein geht, kann das grossartig sein! 50 Anni Grillo von Massimo Maggio.

Wer heute Grillo hört, denkt vielleicht als erstes an die verkachelte italienische Politik. Es mag tröstlich sein: Politiker kommen und gehen, Reben bleiben, auch wenn sie Hochs und Tiefs erleben.

Der vorstehende Lead stammt aus einer Weinbeschreibung von Delinat zum „50 Anni Grillo“ von Massimo Maggio, dem Wein, um den es in diesem Beitrag geht. Dieser Weisswein aus der fast nur in Sizilien vorkommenden Traubensorte Grillo hat mich begeistert.

Ganz grundsätzlich beobachte ich Delinat und dessen Weine praktisch seit es die Firma gibt, also bereits Jahrzehnte. Und eigentlich gibt es keine sympathischere Weinhandlung, denn hier geht es nicht einfach um Weinhandel, sondern vor allem auch um biologischen Anbau und seit einiger Zeit ganz besonders auch um Nachhaltigkeit und Biodiversität. Das Gut von Massimo Maggio ist beispielsweise mit 3 „Schnecken“ ausgezeichnet, was bedeutet, dass es nicht nur die Richtlinien von Delinat zum biologischen Landbau und zur ökologischen Vielfalt einhalten muss, sondern auch 100 % des Energieverbrauchs aus regenerierbaren Quellen bezieht.

So gesehen, erfüllt eigentlich jeder Delinat-Wein die Prämisse meines Weinblogs: „alles ausser gewöhnlich“. Und Delinat verfügt auch über viele Weine, die rundum begeistern. Einige habe ich hier schon früher schon mal beschrieben:

Roches d’Aric: reinste biologische Medizin! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
Extrem lehrreich: „single variedad Rioja“ – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Ich verschweige allerdings auch nicht, dass mich degustativ längst nicht alle Weine von Delinat begeistern (auch wenn alle immer mindestens korrekt sind). Das liegt teilweise daran, dass viele Weine bewusst keine grossen Gewächse sind, dafür sehr preiswert und – im Gegensatz zu den Anfängen der Bioweine – in jedem Fall sauber und süffig. Das liegt aber auch daran, dass ein recht hoher Anteil der Weissweine mit Restsüsse ausgebaut sind. Das liegt ja durchaus im Trend und trifft den Geschmack vieler – meinen aber ganz einfach nicht, und deshalb habe ich bei aller Sympathie vor einigen Jahren auch die Degustationspakete abbestellt.

Nun habe ich aber kürzlich im Verkaufsladen in Winterthur ein paar Einzelflaschen gekauft, und die bisher probierten haben mich überzeugt. Geradezu begeistert war ich eben von diesem Grillo:

Das Weingut Maggiovini in der Nähe von Ragusa auf Sizilien. 100 % der nötigen Energie stammt aus erneuerbaren Quellen (Bild ab Homepag des Gutes).

50 Anni Grillo 2020, Massimo Maggio
Mittleres Gelb; sehr fruchtige, fast etwas süsslich wirkende Nase; Papaya, Aprikose, Reineclaude, leichter Holzton; im Mund frisch, dichte Struktur, schöne Säure, fruchtbetont, spürbares, aber sehr schön integriertes neues Holz, langer Abgang. Sehr überzeugender Wein. 16,5 Punkte.
PS: Und das zu einem Preis von CHF 11.30!

Alles Weitere zu diesem Wein und zum Betrieb brauche ich nicht abzuschreiben, das können Sie gut selbst direkt hier lesen:
50 Anni Grillo | Bio Weisswein | jetzt online bestellen | Delinat

Und hier noch der Link zum Weingut selbst:
Maggio Vini • azienda vitivinicola siciliana


Interessennachweis: Der Wein wurde direkt im Delinat-Laden zu normalen Konditionen gekauft.

Alkoholfreier Schaumwein von Thomson & Scott: Nüchtern betrachtet erstaunlich gut!

Alkoholfreier Wein? Das war für mich bis vor Kurzem ziemlich undenkbar. Zwar habe ich inzwischen einige sehr gute Biere ohne Alkohol kennengelernt, aber Wein? Nachfolgend zwei Schaumweine, die zum Umdenken anregen.

In der „NZZ am Sonntag“ vom 10. April 2022 erschien ein Artikel, der kein gutes Haar am Alkohol lässt und ihn zusammen mit Asbest und Tabak in die Gruppe 1 der karzinogenen Stoffe einreiht. Schon geringe Mengen seien schädlich, und es wird eine Studie zitiert, gemäss der die These, dass kleine Mengen Alkohols gesundheitsförderlich seien, zu den Akten zu legen sei.

Dass Alkohol per se schädlich ist, dürfen auch der grössten Weinfreunde in nüchternem Zustand nicht bezweifeln. Immerhin scheint der Autor des erwähnten Artikels aber wirklich nur nach schlechten Nachrichten gesucht zu haben. Diverse Studien, die bei massvollem Genuss von Wein einen positiven Einfluss auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen nachwiesen, werden etwas gewagt mit der These abgetan, sie litten an methodischen Schwächen, weil der Alkoholkonsum mit anderen Faktoren korreliere und beispielsweise die Gruppe der gemässigten Geniesser auch anderweitig zum Masshalten neige – mithin also einen generell gesünderen Lebensstil pflege als die Durchschnittsbevölkerung.

Wie dem auch sei, als Winzer würde mich die Entwicklung beunruhigen. Persönlich rechne ich damit, dass der Alkohol in den nächsten Jahrzehnten noch vermehrt in den Fokus des Gesundheitspolitiker gelangen wird – ganz grundsätzlich ja wohl auch zu Recht.

In diesem Kontext kam mir eine Anfrage gerade gelegen, ob ich zwei alkoholfreie Schaumweine, die wirklich mit Genuss getrunken werden könnten, probieren würde. Weil ich allerdings aufgrund länger zurückliegender, schlechter Erfahrungen sehr skeptisch war, betonte ich die Selbstverständlichkeit ganz speziell, dass ich nur darüber schreiben würde, wenn ich tatsächlich selbst überzeugt sei.

Nun, nach dem Degustieren ganz nüchtern: Ja, die Weine sind gut und eine echte Alternative! Freilich können sich beide nicht mit grossen (oder auch nur durchschnittlichen) alkoholhaltigen Gewächsen messen, und beide weisen einen zwar nicht störenden, aber doch etwas speziellen Geschmack in Richtung essigsaurer Tonerde auf.

Aber ich habe beim Rosé die Probe auf’s Exempel gemacht und einen billigen Champagner aus dem Supermarkt gegenübergestellt (der aber deutlich teurer ist als der alkoholfreie Schaumwein). Während der Champagner zwar mehr Körper und die feinere, anhaltendere Perlage aufwies, war der Thomson & Scott fruchtiger und „sauberer“ (der Supermarkt-Champagner wies unangenehme Noten von saurem Most und leicht fauligem Apfel auf).

Das Resultat: Ich habe den ganzen Abend recht genossvoll alkoholfrei getrunken, und das wäre auch so gewesen, wenn ich danach nicht noch Auto gefahren wäre.

Bitte verstehen Sie mich jetzt richtig: Selbstverständlich ziehe ich grundsätzlich weiterhin einen renommierten alkoholhaltigen Schaumwein vor, an dieses Niveau kommen die Thomson & Scott nicht heran. Aber als Alternative für Momente, in denen man ohne Alkohol bleiben will oder muss, sind diese beiden Weine durchaus eine echte Option.

Die Degustationsnotizen:

„Nougthy“, Thomson & Scott, Chardonnay sparkling, alcohol free
Mittleres Gelb mit leichten Rotreflexen; in der Nase fruchtig, u.a. weisser Pfirsich, und leicht grüne Töne; im Mund schlank aber ausgewogen, erfreulich trocken wirkend (2,9 g Restzucker), spürbare Säure, wenig und schnell zusammenfallende Perlage. Im Abgang Anflug von Hefetönen und ein Touch essigsaure Tonerde. Den fehlenden Alkohol merkt man ein wenig am schlanken Körper, so richtig aber erst im sehr kurzen Abgang.

Noughty, Thomson & Scott, Sparkling rosé, alcohol free
Mitteleres Lachsrot; Duft nach Himbeeren und Anflug von essigsaurer Tonerde sowie reifen, weissen Trauben; schlanker Körper, trotz dezent spürbarer Süsse (5,9 g) durchaus noch recht trocken wirkend, schöne Säure, mehr Kohlensäure als der Chardonnay, dadurch spürbare, etwas grobe Perlage, mittlerer, fruchtbetonter Abgang.

Auf eine Benotung verzichte ich, die beiden Alkoholfreien liegen irgendwie ausser Konkurrenz. Ein „gut“ würde ich ihnen in ihrer Kategorie aber durchaus attestieren.

Und was jetzt auch noch dazu gehört: Die Rücketikette der Weine überquillt fast vor lauter Labels: Organic, Vegan, Halal und Certified B-Corporation.

Bezugsquelle und weitere Informationen:
https://ve-refinery.ch/de


Wie wird alkoholfreier Wein überhaupt hergestellt?

Im Detail kenne ich die Produktionsart dieser beiden Schaumweine zwar nicht, aber generell die besten Resulate für alkoholfreie Weine werden mit dem Vakuumverfahren erzielt (daneben gibt es noch die qualitativ weniger empfohlenen Verfahren der Umkehrosmose und der „Dünnschichtverdampfung“). Dabei wird zuerst ganz „normaler“ Wein produziert. Da Alkohol unter Vakuum schon bei ca. 27 Grad verdampft, kann er mit diesem Verfahren relativ schonend und langsam entfernt werden. Erfunden wurde das Verfahren schon im vorletzten Jahrhundert im Rheingau, aber so richtig in Schwung kommt das Geschäft erst jetzt. Ein so entalkoholisierter Wein ist allerdings – wie beim Bier – auch nie ganz alkoholfrei. Der Restalkohol muss gesetzlich aber unter 0,5 % liegen.
Und noch ein Wort zum alkoholfreien Schaumwein: Dieser kann logischerweise keine zweite Gärung durchlaufen, da ja sonst wieder Alkohol zugefügt würde. Die Kohlensäure wird deshalb nach der Entalkoholisierung wie bei einem Mineralwasser beigefügt.


Interessennachweis:
Von beiden Weinen wurde mir je eine Probeflasche von Victoria Banaszac, ve-refinery.ch, gratis und unverbindlich zugestellt.

Maximilian Greiner – wer sich diesen Namen nicht merkt, ist selber schuld!

A BLACK FOREST LANDWEIN. MADE WITH LOVE“. Was auf jeder Flasche des Weingutes Greiner steht, kann man sehr gut als Programm nehmen. Was Jungwinzer Maximilian Greiner abfüllt, hat Charakter und zeugt von viel Hinwendung. Diesen Namen muss man sich einfach merken, der wird ganz schnell ganz stark im Gerede sein, da bin ich mir sicher!

Greiner ist gelernter Tonnelier und liess sich später auch in Geisenheim ausbilden. Inzwischen ist er nicht nur Winzer (seit Jahrgang 2017), sondern auch schon als Berater für andere Weingüter tätig. Seine Gut befindet sich in Obereggenen, je rund 40 Autominuten von Freiburg im Breisgau und von Basel entfernt. Und Schwarzwald, wenn auch am Rand, stimmt durchaus und ist nicht nur ein Marketing-Gag.

Den Tipp zu diesem Winzer verdanke ich Otto Hintermeister, „Vinotti“ (siehe unten, Bezugsquelle). Bei einem Besuch in seinem Laden schwärmte er von Greiner, und er liess sich auch erweichen, mir von einer kleinen Vorauslieferung je eine Flasche zu verkaufen. Auf dem Weingut selbst war ich leider noch nicht, das werde ich aber mit Sicherheit nachholen – da wächst nicht nur etwas heran – da ist schon etwas Grossartiges da!

Und so ganz am Rand, aber einmal mehr bemerkenswert: Greiner pflegt einen nachhaltigen Umgang mit der Natur und arbeitet nach bio-dynamischen Grundsätzen (gemäss Vinotti demnächst auch zertifiziert). Ich mache keine Religion daraus und berichte auch über konventionell hergestellte Weine, aber es ist schon auffällig, wie oft bei wirklich grossen und vor allem eigenständigen Weinen auch ein entsprechender Umgang mit der Natur, und oft eine bio-dynamische Bewirtschaftung, dahinter stehen! Dem werde ich, sobald ich Zeit habe, einmal noch näher nachgehen.

Weinparade aus dem Schwarzwald: Maximilian Greiners tolle Gewächse!

Chasselas (Gutedel) 2020
Helles, grünliches Gelb; Stachelbeere, weisser Pfirsich, Zitrus, Anflug von Nüssen, leichter Hefeton; eher tiefe Säure, aber enorme Frische, fein strukturiert, geschmacklich dezenter, aber sehr langer Abgang. Vielschichtiger, irgendwie etwas „wilder“ Wein, sehr ausdruckvoll, eine eigene Spielart des Chasselas/Gutedel, erinnert ein wenig an den Stil von Ziereisen. Für mich ein grossartiger Wein, der für Schweizer Chasselas-Trinker aber vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig ist, Preis/Leistung unglaublich. 16,5 Punkte (= sehr gut)

Chardonnay 2018
Mittleres bis helles Strohgelb; dezent exotische Note nach Papaya und Banane, starker Duft nach Apfel („Tobiässler“, falls das noch jemand kennt), süsslicher Anklang von Honig, die ganze Nase aber eher dezent und nobel, auch mit etwas krautigen und hefigen Anklängen; im Mund dichte Struktur, mittlere, gut stützende Säure, fruchtbetont, Holz nur dezent spürbar, dafür merkbare, „neckische“ Fruchtsüsse, leicher Bitterton im langen Abgang. Toller Wein, 17,5 Punkte (= sehr gut)

Rosé Saignée 2019
Glänzendes lachsrot; Enormes, sehr schönes Fruchtbuquet mit Pfirsich, Himbeer, Zwetschen und einem leichten Nuss-Touch; im Mund frisch mit schöner Säure, erstaunliche Struktur mit leicht spürbaren, sehr feinen Tanninen, wunderbar elegant mit sehr langem Abgang. Ein Traumwein, der selbst mich zum Rosé-Fan machen könnte! Süffig und gleichzeitig so gut strukturiert, dass er auch als Essensbegleiter zu vielen Gerichten passt. (17 Punkte = sehr gut – wenn ich mich richtig erinnere, habe ich mein ganzes Leben lang noch nie einem Rosé eine so hohe Note vergeben).

Spätburgunder 2018
Helles, glänzendes Rot; zuerst etwas muffig wirkend, sogar leichter Lackton, nach etwas Belüftung dann reintönig, sehr fruchtig und sortentypisch, Himbeere, Johannisbeere, aber auch etwas Tabak und Lorbeer; im Mund spürbare, gut eingebundene Säure, strenge, leicht trocknende, aber feine Tannine, tolle Struktur, „feurig“, trotz einer gewissen Rustikalität sehr elegant, sehr langer Abgang. Zwingend dekantieren! 16 Punkte (= gut am oberen Ende der Skala).

Pinot Noir „Vulkan“ 2018
Mittleres Rot, das schon wir leicht gereift wirkt; wunderbare, vielschichtige Pinot-Nase, Johannisbeere, Himbeere, Walderdbeere, minimaler Holz-Touch; enorm frisch, sehr gehaltvoll und dicht, vollgepackt mit sehr feinen Tanninen, spürbare Säure, gesamthaft sehr ausgewogen. Im Abgang, „burgundisches Feuer“, ohne akoholisch zu wirken. Grosser Wein! 18 Punkte (= hervorragend)

Weissburgunder und Sekt 2018
Nicht beschreiben kann ich leider den Weissburgunder 2018, diese Flasche hatte leider einen Korkfehler. Soweit beurteilbar, ist das aber ebenfalls ein grandioser Wein; seine Struktur ist aussergewöhnlich. Auch den Sekt 2018 beschreibe ich nicht. Aus diesem Jahrgang lässt sich aufgrund der Fein- und Reinheit des Weines ableiten, dass auch der Schaumwein dereinst Furore machen könnte. Mir persönlich war dieser Jahrgang, obwohl ich Säure sehr mag, aber schlicht und einfach zu säurebetont.

Weingut GREINER (weingut-greiner.com)

Und die erwähnte Bezugsquelle in der Schweiz, bis zum 22.8.2021 noch zum Subskiptionspreis:
Weingut Greiner – VINOTTI

Schliesslich noch ein Verweis auf eine andere Homepage, welche die Einstellung von Greiner schön wiedergibt:

Badischer Weinbahnhof (badischer-weinbahnhof.ch)

Marc Kreydenweiss: Elsässer Weine der anderen Art. Gross-Artig!

Die Weine des Marc Kreydenweiss verfolge ich jetzt schon seit 30 Jahren. Während sie damals schon hervorragend waren, habe sie mit den Jahren noch eine Dimension dazu gewonnen: sie sind heute einzigartig! Nicht für jedermann, aber wer diese Art von Weinen (von Riesling) mag, wird im siebten Himmel schweben!

Völlig zu Unrecht sind die Weine des Elsass – auch bei mir – etwas aus dem Fokus geraten. Dabei gibt es immer mehr zu entdecken. Und dazu gibt es die Evergreens, wobei sich diese ebenfalls weiterentwickeln. So wie Marc Kredenweiss aus Andlau.

Als er 1989 auf biodynamischen Weinbau umstellte, war er einer der Pioniere. Und er wurde von der Weinwelt und seinen Winzerkollegen schlichtweg für verrückt erklärt. Dabei schaffte er es von Anfang an, wundervolle Weine herzustellen. Allerdings waren das anfangs der 1990-er Jahre noch Weine, die sich stylistisch kaum von anderen Rieslingen unterschieden. Ich war damals bei Divo tätig, und wir nahmen Kredenweiss ins Sortiment auf, weil er einfach hervorragende Weine herstellte, weit über dem damaligen Standard im Elsass.

Kreydenweiss hat sich aber über die Jahre weiter entwickelt. Und inzwischen ist sein Sohn Antoine für die Domaine verantwortlich, und auch er hat nochmals einen Schub in das Weingut gebracht. Angesichts der beiden nachfolgend beschriebenen Weinen scheint mir sein Statement auf der Website des Gutes geradezu Programm:

„Ma vision est de produire des vins d’expression singulière, des vins de lieux et de terroirs sans concession et artifice, sans dogme et sans limite. Je laisse fermenter les vins naturellement, ils sont élevés sur lies, (parfois jusqu’à 3 ans) avec un minimum de sulfites. J’aime les vins vibrants avec des bouches texturées, des vins qui ne rendent pas indifférents mais qui ne plaisent pas à tout le monde, des vins qui me ressemblent„.

Die beiden Weine, di3 ich hier beschreibe, legen Zeugnis davon ab. Wer sich mit der üblichen „Riesling-Erwartung“ diesen Weinen nähert, wird wohl enttäuscht sein. Da ist nichts von frisch-fruchtigen Noten, vielmehr wirken die Weine in der Nase fast etwas exotisch. Natürlich nicht typisch Riesling, aber mitreissend, spannend, einzigartig. Wer hatte denn schon einen Wein im Glas, der in der Nase wie ein Sauternes (oder eine Riesling-TBA) duftet, dabei aber knochentrocken ist? Und dann im Mund: Auch da nicht das Gewohnte, aber dennoch schon viel mehr der klassische Riesling: kraftvoll und dennoch elegant, enorm frisch, mit sehr langem Abgang.

Zwei Andlauer Grand Crus: Klare Handschrift, deutliche Unterschiede. Gemeinsamkeit? Beide grossartig?

Kastelberg Grand Cru, Riesling, 2015
Mittleres Strohgelb mit orangen Reflexen; „süssliche“ Düfte nach Aprikosen, Mango, Lederapfel (ich weiss, das kennt kaum mehr jemand – eine wundervolle alte Sorte), Waldhonig, dazu Lindenblüten. Erinnert fast ein wenig an einen Sauternes (wobei Botrytis fehlt). Im Mund enorm dicht, extrem frisch, schöne Säure, elegant, fast unendlich langer Abgang, in welchem das einzige Mal der hohe Alkoholgehalt (nicht negativ) spürbar wird. Ein Wahnsinn von einem Wein, wirkt optisch und in der Nase schon sehr gereift, ist aber erst am Anfang seiner Entwicklung. Atypischer Riesling, der nicht allen gefallen wird. Ich finde ihn schlicht grossartig! 18,5 Punkte (= herausragend).
NB: Ich verteilte erst seit einigen Monaten in meinem Blog Noten. So hoch habe ich bisher noch nie bewertet.

Moenchberg Grand Cru, Pinot gris 2016
Helles bis mittleres Strohgelb; exotische Düfte, ohne exotisch zu wirken: Papaya, Passionsfrucht, Honig, Stachelbeere, Holunderblüte; im Mund frisch, druckvoll und gleichzeitig ungemein „tänzerisch“, langer Abgang. Weniger ausladend als der Kastelberg, dafür filigraner und feingliedriger. Toller Wein! 18 Punkte (= ausgezeichnet).

Wie es Antoine Kreydenweiss beschrieb: Die Weine werden nicht jedermann gefallen (es wird ausdrücklich vor grösseren Blindkäufen gewarnt!). Aber wem sich diese Weine erschlossen haben, der wird sich in sie verlieben und eine neue Dimension von Wein – und von Riesling – erleben!

Der Clou zum Schluss: Wo habe ich diese Weine wohl gekauft? Bei einem spezialierten Händler? Bei einem Anbieter, der biodynamische Weine führt? Weit gefehlt: bei Coop! Das lässt ja darauf hoffen, dass solche Weine dereinst mehrheitsfähig werden. (Aktuell ist „nur“ der einfache Riesling 2017 im Angebot).

The Domain (kreydenweiss.com)

Da tut sich was … die Bündner Herrschaft wird grün!

Zwei Neuigkeiten aus der Bündner Herrschaft haben mich in diesen Tagen erreicht: Das Weingut Luzi Jenny stellt auf biologischen Rebbau um und Möhr-Niggli wurde Fair’n Green zertifiziert. Zwei verschiedene Wege mit dem Ziel, den Weinbau nachhaltiger zu gestalten.

Die Liste der Betriebe, die in der Herrschaft inzwischen biologisch oder bio-dynamisch arbeiten, wird immer länger: Georg Fromm, Jan Luzi, Francisca + Christian Obrecht, Markus und Karin Stäger und seit Kurzem auch Irene Grünenfelder mit Sohn Johannes Hunger. Und schon viel länger gibt es Winzer wie Anti Boner (heute Luzi Boner und Anna Rasi), Gody Clavadetscher (heute Roman Clavadetscher und Valérie Cavin), Louis Liesch und Heiri Müller (dessen Trauben heute von Marco Casanova verarbeitet werden), die auf Bio setzten. Für ein vergleichsweise kleines Weinbaugebiet ist das eine imposante und vielleicht sogar rekordverdächtige Liste, von der ich nicht einmal sicher bin, ob sie vollständig ist (Wegelin z.B. hatte zumindest mal mit Bio experimentiert).

Luzi Jenny – da tut sich was

Nun kommt mit Luzi Jenny aus Jenins ein weiterer Winzer dazu. Der Familienbetrieb von Vater und Sohn Luzi sowie Tilli und Amanda hat in ihrem jüngsten Aussand mit der meinem Artikel titelgebenden Überschrift „da tut sich was …“ über die Zertifizierung als Bio-Betrieb informiert. Mensch und Natur ins Gleichgewicht bringen und auch zu erhalten, lautet das Credo.

Die Weine von Luzi Jenny haben mich schon in den letzten Jahren immer überzeugt, auch wenn mir persönlich die Weissen zuweilen eine Spur zu viel Restsüsse aufwiesen. Ich habe mich oft gefragt, warum dieser Betrieb nicht bekannter ist. Aber vielleicht ändert das ja nun nach der Umstellung auf Bio? Jedenfalls habe ich den Aussand zum Anlass genommen, meine letzte Flasche Zweigelt aus dem Jahr 2013 aus dem Keller zu holen. Der junge Wein hatte mich echt begeistert, aber nun nahm ich an, dass er wohl zu alt sei und nicht mehr viel Freude machen würde. Ich hatte diese eine Flasche nur liegen gelassen, weil mich das Alterungspotential interessierte. Aber siehe da, dieser Zweigelt ist auch nach 8 Jahren von voll im Schuss:

Zweigelt 2013, Luzi Jenny, Jenins
Mittleres Rubin ohne jeden Alterston in der Farbe; leicht reduktiv, zuerst sehr verhalten, mit etwas Luft dann Johannisbeeren und Waldpilze; im Mund „feurig“, schöne Säure und feine, gereifte Tannine, wirkt noch sehr „saftig“ und frisch. Im mittleren Abgang leicht trocknend. Rundum schön gereifter Wein, der noch voll in Form ist. 16,5 Punkte (= sehr gut).

Möhr-Niggli: Fair’n Green

Einen anderen, interessanten Weg gehen Matthias und Sina Gubler-Möhr mit dem Weingut Möhr-Niggli in Maienfeld. Die beiden, die sich in den letzten Jahren zu Recht zu so etwas wie den „Shooting-Stars“ der Herrschaft entwickelten, teilen in ihrem aktuellen Aussand mit, dass sie neu das Zertifikat „Fair’n Green“ erlangt haben. Dieses Label steht in seinen Richtlinen in Bezug auf Pflanzenschutz und Düngung zwar deutlich hinter jenen eines Bio-Betriebes, berücksichtigt aber dafür auch wirtschaftliche und soziale Themen (z.B. Umgang mit Personal und saisonalen Arbeitskräften), enthält Zielsetzungen zum CO2-Ausstoss und zur Biodiversität und umfasst die gesamte Wertschöpfungskette.

Ich kannte das Label bisher nicht, aber ein Blick auf die Homepage und in die Richtlinien macht einen seriösen Eindruck. Auch der Umstand, dass Betriebe wie etwa Georg Breuer und Clemens Busch, oder in der Schweiz das Weingut zum Sternen von Andreas Meier mit dabei sind, wirkt vertrauenserweckend. Die umfangreichen Richtlinien wirken zwar eher wie ein Leitbild denn wie eine verbindliche Vorschrift. Aber wer sich solche Gedanken macht und sich auf ein solches Label einlässt, hat mich Sicherheit einen weiten Horizont und ist auf einem vorbildlichen Weg.

Auch die Broschüre von Möhr-Niggli habe ich zum Anlass genommen, eine Flasche alten Weins hervorzuholen, den „normalen“ Pinot noir aus dem Jahr 2010. Auch dieser Wein erwies sich, engegen meiner Annahme, noch als absolut trinkbar, wobei er aber schon sehr gereift ist:


Pinot noir 2010, Möhr-Niggli (6 Monate Barrique)
Gereiftes, helles Rot mit bräunlichen Reflexen; in der Nase noch erstaunlich fruchtig (Himbeeren und Mango!), leichter Anflug von Champignons; im Mund eher schlank, ziemlich mürbe und deshalb nicht mehr so präsente Tannine, aufgrund der Entwicklung des Weins etwas „spitz“ wirkende Säure, hat gesamthaft aber noch eine schöne Frische. Mittlerer Abgang.

Ich gebe hier keine Note, und ich kannte den Wein auch nicht in einem jungen Stadium (ich habe ihn erst kürzlich auf Ricardo erworben). Zweifellos hat er aber in seinen ersten Jahren enormen Trinkpass gemacht, Dass dieser Pinot nach 10 Jahren nicht mehr in Höchstform ist, überrascht ja nicht. Die besten Weine von Möhr-Niggli können indessen sehr gut altern. Das beweist der seit 2013 hergestellte „Pilgrim“, der sich mit Sicherheit nach 10 Jahren erst so richtig dem Höhepunkt nähern wird. Ich kann aber auch auf den 2009-er Clos Martha aus Baselland verweisen, der mir an einer Degustation zum 10-Jahr-Jubiläum von 15 Spitzenpinots aus der Schweiz am besten gefallen hat! Siehe hier:
Le vin suisse existe – même après dix ans! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Domaine Schwandegg – ein bisschen Natur 😉

Und weil es so gut zum Thema Natur passt, zum Schluss noch ein kleiner Blick in meinen eigenen Hobby-Rebberg. Ich bewirtschafte seit 33 Jahren 4 Aaren Pinot noir (Klon Mariafeld) am Fusse des Schloss Schwandegg in Waltalingen ZH. Der Rebberg ist in Sachen Umwelt und Biodiversität nicht vorbildlich, aber ich arbeite seit zwei Jahren an Verbesserungen. Ein kleiner Lichtblick war schon im letzten Jahr die erstmalige Beobachtung von Zauneidechsen. Und gestern nun konnte ich eine sogar fotographieren. Einfach nur berührend schön!

Eine Freude: Zauneidechse im eigenen Rebberg!

Die Degunotiz meines heute geöffneten 2010-ers erspare ich Ihnen. Aber auch dieser Wein ist noch trinkbar. Freude macht er aber nicht mehr gross.


Biologischer Weinbau aus Liebe zur Natur – Luzi Jenny
MÖHR-NIGGLI Weingut Maienfeld (moehr-niggli.ch)

FAIR’N GREEN | Standard für Nachhaltigkeit (fairandgreen.de)