Zwei wunderschöne, bezahlbare Chablis 1er Crus.

Chablis gehört geographisch und weintechnisch zum Burgund. Auch wenn die Weine noch nicht ganz die preislichen Ausschläge der Côte d’Or mitmachen, sind sie inzwischen ebenfalls sehr teuer geworden. Da tut es richtig gut, gleich zwei hervorragende Prèmier Crus zu entdecken, die noch bezahlbar sind.

Der Beitrag über einen Wein der Domaine Jean-Marc Brocard war schon halb geschrieben, als der Weinfreund und von mir hoch geschätzte Bloggerkollege Adrian van Velsen – Betreiber des ältesten Weinblogs der Schweiz, vvwine.ch – ein Mail an Freunde versandte, in dem er den Prèmier Cru 2020 Montée de Tonnerre von Dampt Frères wärmstens empfahl und ihn mit 92 Punkten bedachte.

Chablis: Nicht nur gut, sondern auch landschaftlich schön. Hier am linken Ufer des Serein.

Das hatte mich dazu bewogen, zuzuwarten (ich entschuldige mich dafür – der Wein war damals für CHF 22.50 bei Coop erhältlich), denn Dampt Frères ist ein Gut in Chablis, das ich nicht kenne, aber das schon länger auf meiner „to-visit-liste“ steht. Die hierzulande wenig bekannte Domaine ist mir nämlich im „Guide Hachette“ seit Jahren immer wieder mit hervorragenden Bewertungen aufgefallen. Ich schlug Adrian deshalb einen Weintausch vor – eine Flasche Dampt Frères, Montée de Tonnerre gegen einen Jean-Marc Brocard, Montmains. Auch wenn die Jahrgänge nicht identisch sind (2020 gegen 2019), so war die Gegenüberstellung doch spannend. Beide Weine sind hervorragend gelungen und beide sind, angesichts des inzwischen auch in Chablis steil nach oben zeigenden Preisniveaus, mit knapp unter bzw. über CHF/EURO 30.00 auch noch erschwinglich. Ich mag den Ausdruck eigentlich nicht, aber hier drängt sich die Aussage über ein sehr gutes Preis-/Leistungsverhältnis auf.

Links oder rechts ist hier keine Frage der Politik
Auch wenn beide klar als Chablis erkennbar sind, so weisen sie doch je eine eigenständige Stilistik auf. Zudem liegen die beiden 1er Cru-Lagen nicht auf der gleichen Seite des Serein, des Flüsschens, das sich durch Chablis schlängelt und bei Auxerre in die Yonne mündet. Montée de Tonnerre liegt rechtsufrig wie auch alle Grands Crus, grenzt auch fast direkt an den Grand Cru Le Clos und gilt als eine der besten 1er-Cru-Lagen. Die linksseitigen (und damit tendenziell nördlich gerichteten) Lagen, zu denen Montmains gehört, gelten generell als etwas weniger gesucht, aber auch hier gibt es eine ganze Reihe von renommierten Prèmiers Crus (nebst Montmains etwa Vaillons, Vosgros und Vau de Vey).

Hohes Umweltbewusstsein
Beiden Gütern gemeinsam ist auch der Blick auf eine gesunde Umwelt und Weinproduktion. Während Brocard schon länger biologisch produziert, weisen Dampt Frères seit zwei Jahrzehnten das Label „Haute Valeur Environnementale (HVE)“ auf. Auf der Seite chablis.fr wird das Gut jetzt sogar auch als biologisch zertifiziert ausgewiesen.

Wie auch immer, wer nach hervorragenden, aber noch bezahlbaren Chardonnays aus Chablis sucht, ist bei beiden Weinen bzw. Gütern bestens bedient! Ich habe beiden je 17 Punkte verteilt (und liege damit vielleicht gar etwas tief) und beide sind uneingeschränkt empfehlenswert. Unter dem Strich würde ich aber wohl den Montmains ganz leicht bevorzogen, weil er meinem „Idealtyp“ eines Chablis (fruchtig, „stählern“, mineralisch, elegant) vielleicht noch eine Nuance mehr entspricht. Allerdings ist der Vergleich aufgrund verschiedener Jahrgänge auch nicht ganz fair . und eben: richtig toll sind beide!

Chablis Montée de Tonnerre, 1er Cru, 2020, Dampt Frères
Mittleres, gänzendes Strohgelb; anfangs eher verhalten, mit etwas Luft dezente Frucht nach Mirabelle und Papaya, wirkt schon in der Nase mineralisch; im Mund ebenfalls sehr mineralischer Auftrakt, dann auch sehr fruchtbetont, füllig und breit ausladend, aber trotzdem elegant, spürbarer, aber nicht störender Alkohol, schöne, gut eingebundene Säure, mittlerer Abgang. Toller Chablis! 17 Punkte.

Chablis Montmains, 1er Cru, 2019, Jean-Marc Brocard
Helles, eher blasses Gelb; zuerst sehr zurückhaltend in der Nase, etwas Banane; dann zunehmend fruchtiger mit Zitrus, Reineclaude und etwas Ananas; im Mund sehr mineralisch, mundfüllende Fruchtsüsse, eher filigran, schöne Säure, ganz leichter, aber sehr schöner Bittertouch, mittlerer, sehr fruchtbetonter Abgang. Ebenfalls ein toller Chablis, 17 Punkte.

Vignoble Dampt Frères – Les vins légendaires des 3 vallées – 89700 Collan
Vignoble Dampt Frères, Caveau de dégustation | Viticulteur à COLLAN – Les vins de Chablis

Domaine Jean-Marc Brocard, owner – grower in Chablis

Zu Vater und Sohn Brocard habe ich auch schon mal einen Beitrag in meinem Blog veröffentlicht, siehe hier:
Beobachten, nachdenken, lernen! Brocard in Chablis – still und (bio)dynamisch an die Spitze! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Bezugsquellen (u.a.)
CH:
Jean-Marc Brocard – Wein kaufen – de.millesima.ch
Weissweine aus dem Burgund | VINSmotions

D:
JEAN-MARC BROCARD kaufen | vinatis.de
Jean Marc Brocard | Hawesko

Und natürlich der Link auf den Blog von Adrian van Velsen, immer lesenswert!
www.vvwine.ch


Interessennachweis:
Der Wein von Brocard wurde im Handel gekauft, jener von Dampt in einem Tausch gegen eine Flasche Brocard von vvWine erworben.


Lucente – Licht und Wärme aus der Toskana für dunkle Wintertage.

Die Tenuta Luce delle vite in Montalcino produziert hervorragende, aber auch teure Weine wie den Luce oder den Luce Brunello. Indessen bietet das der Familie Frescobaldi gehörende Gut auch eine Klasse tiefer mit dem „Lucente“ einen tollen Wert – so richtig, um in diesen kalten Tagen den warmen Süden Einzug halten zu lassen.

Frecobaldi – zusammen mit Antinori ist das der ganz grosse Familienname im Weinbereich Italiens. Das Familienunternehmen hat eine schon fast unwirklich lange Geschichte, denn die ersten dokumentarisch gesicherten Hinweise auf Weinbau datieren von 1308. Reich wurden die Frescobaldis allerdings ursprünglich mit Finanzgeschäften und dem Textilhandel.

Weine für Katharina von Medici und für Michelangelo

Die Frescobaldis, bzw. korrekt de‘ Frescobaldis, belieferten in der Folge den fanzösischen (unter Katharina von Medici) und den englischen Königshof mit Weinen und unterhielten Geschäftsbeziehungen mit den Fugger’s aus Augsburg. Sogar Michelangelo soll mit den Frescobaldis Kunstwerke gegen Wein getauscht haben (Quelle: Wikipedia).

Die Familie behauptet sich nun aber seit Jahrhunderten im Weinbau, und zwar auf enorm hohem Qualitäts- und auch Innovationsniveau. Schon im vorletzten Jahrhundert wurden beispielsweise in Pomino (etwa 40 Km östlich von Florenz in einem Seitental des Arno) auch Chardonnay- und Pinot blanc-Pflanzen angebaut. Es verwundert deshalb nicht und hat eben schon eine lange Tradition, wenn heute der „Benefizio Riserva“ mit Reben aus dem Jahr 1973 einen Massstab für Chardonnay-Weine aus Italien darstellt. Im gleichen Gebiet des Chianti-Rufina werden auf dem Castello di Nipozzano seit über 150 Jahren auch Cabernet Sauvignon und Petit Verdot angepflanzt. Daraus entsteht seit 1983 mit dem Mormoreto ein hervorragender Wein, der als eine Art „Super-Toscan“ auf eine längere Geschichte zurückblicken kann als die meisten anderen. Dass dem Mormoreto seit einigen Jahren auch etwas Sangiovese beigemischt wird, unterstreicht nur, dass die Frescobaldis nicht einfach nur Neuerungen suchten, sondern auch den traditionellen Sorten treu geblieben sind.

Tradition erhält man am besten mit Innovation – das gilt auch beim Wein

Von wegen Sangiovese: Das traditonelle Gegenstück zum Mormoreto ist der Montesodi vom Castello di Nipozzano, ein grandioser Sangiovese. Und der klassische Castello di Nipozzano ist für mich, vor allem auch im Preis-/Leistungsvergleich, einer der am meisten verkannten Chiantis – vielleicht deshalb und zu Unrecht, weil er ein Chianti Rufina und nicht Classico ist.

Sangiovese – das steht auch für Montalcino, selbst wenn die Traube bzw. der meistens eingesetzte Klon hier Brunello heisst. Und auch hier stellt die Familie Frescobaldi auf der Tenuta CastelGiocondo, etwas westlich des Städtchens gelegen, einen grossartigen Brunello di Montalcino her. Dieser Wein war übrigens der erste Brunello, den ich in meinem Leben probieren konnte, und die Erinnerung an dieses Erlebnis ist heute noch sehr lebendig.

Blick über Montalcino in die südtoskanische Landschaft. Die Tenuta Luce delle vite befindet sich einige Kilometer westlich von hier.

Luce und Lucente – und die Geburtshilfe von Robert Mondavi

Der heute vorgestellte Wein stammt auch aus dieser Gegend, ist aber kein Brunello und enthält nebst Sangiovese auch Merlot. Anfangs der 1990er Jahre wurde die Tenuta Luce als joint venture der Familien Frescobaldi und Mondavi gegründet – aber 2005 von Lamberto Frescobaldi ganz übernommen. Das Weingut befindet sich in der Nähe von CastelGiocondo und besitzt auch einen Teil Land in den Gemarkungen von Montalcino (und deshalb gibt es nebst dem „Luce“ auch einen „Luce Brunello“). Der „Luce“ ist der erste Wein, der in Montalcino aus einer Assemblage von Sangiovese und Merlot hergestellt wurde. Er ist grossartig (auch wenn einzelne Kritiker das früher zuweilen anders sahen), hat aber auch seinen (dreistelligen) Preis.

Der „Lucente“ ist so etwas wie sein kleiner Bruder und wird in beachtlicher Menge hergestellt (6-stellige Flaschenzahl). Ihn als Zweitwein abzutun, würde ihm aber nicht gerecht. Der Lucente ist ein wirklich toller Wein, der nicht nur, aber gerade in dunklen und kalten Winterzeiten mit seiner eleganten und gleichzeitig kraftvollen Fülle so richtig Licht ins Dunkel bringt. Und mit rund 30 Franken ist er auch noch bezahlbar.

Von wegen Licht: damit sind wir bei der Etikette. Als dem Zeitgeist entspechend kann man diese ja nicht gerade bezeichnen. Das ist auch nicht verwunderlich, wurde doch das Symbol der Sonne ähnlich gestaltet, wie jenes, das sich am Hochaltar der Kirche Santo Spirito in Florenz befindet – einer Kirche übrigens, die einst auf einem Landbesitz der Familie Frescobaldi erreichtet wurde. So steht die Etikette also auch als Symbol für das – bei aller Innovationskraft – weiterhin bestehende Traditionsverständnis der Frescobaldis. Und wer weiss, vielleicht schlägt das Pendel zurück und eines Tages entspricht sogar die Etikette wieder dem Zeitgeist. Der Wein tut es jedenfalls schon heute.

Lucente 2020, Tenuta Luce delle vite, Toskana IGT
Dunkles, dichtes Purpur; feiner Duft nach Dörrpflaumen, Cassis, Brombeeren, Bergheu, leichter Vanille-Touch; im Mund sehr dicht und mundfüllend, rund und ausgewogen, viel feines Tannin, schön angepasste Säure und tolle Frische; ein Powerwein, der aber auch eine sehr sanfte, elegante Seite hat. Alles andere aus „nur“ ein Zweitwein. 17 Punkte.

Tenuta Luce – Toskanische Weine von Montalcino
Man kann hier übrigens auch übernachten.

Und mehr über Frescobaldi und die weiteren Güter der Familie hier:
Innovatives Traditionsweingut Toskana | Frescobaldi


Interessennachweis: Der Lucente 2020 wurde mir von der Tenuta Luce delle vite zu Degustationszwecken frei von jeder Verpflichtung gratis zur Verfügung gestellt.

Bündner Herrschaft: geniale «Garagen-Weine» aus dem Profikeller.

Auch in einem eigentlich kleinräumigen, übersichtlichen Gebiet wie der Bündner Herrschaft kann man noch Unbekanntes entdecken. Und der Newcomer Fadri Itin etabliert sich qualitativ gleich in der Spitze.

Wunderbarer Wein aus herrlicher Gegend, die Bündner Herrschaft zwischen Maienfeld und Fläsch. (Symbolbild ohne direkten Bezug zum Winzer)

Wenn man Neues entdecken will, hält man sich am besten an Freunde und Bekannte in der entsprechenden Gegend. Oder an Sommeliers und Restaurantinhaber. Oder an Weinfreaks, die schon alles wissen. Und in der neuen Zeit genügt es manchmal auch, sich auf die Algorithmen der Social Media zu verlassen. Kürzlich erschien auf Instagram ein Beitrag eines Fadri Itin, der Wein präsentierte. Nach etwas Recherche bestellte ich je eine Flasche Chardonnay und Pinot noir – und war rundum begeistert. So macht Neues entdecken total Spass!

Fadri Itin an der Arbeit (Bild mit freundlicher Genehmigung ab seiner Homepage)

Aber der Reihe nach: Man sagt, dass hinter jeder Leistung eines erfolgreichen Mannes eine starke Frau steht. In Fadri’s Fall sind es eigentlich gleich zwei. Denn Winzer werden, das wäre ihm gar nicht in den Sinn gekommen – wie auch, wenn man in Trin bei Flims aufwächst, wo es Weiden und Steine, aber keine Reben gibt. Seine Mutter fand aber während der Berufswahl, «schnuppere doch mal bei einem Winzer». Obwohl seine erste Schnupperlehre – im Kanton Zürich! – ihn nicht begeisterte, folgten zwei weitere bei Hanspeter Lampert und Andrea Davaz, und danach war seine Berufswahl klar. Seine Lehre absolvierte er dann auch in diesen beiden Betrieben, womit eine qualitativ sehr gute Grundlage gelegt wurde. Allerdings hatte er da bereits Auslanderfahrung, er verbrachte vor der Lehre einige Zeit in Neuseeland und konnte da bei einem «kleinen» Betrieb mit 10 Hektar Reben mithelfen und erste Erfahrungen sammeln. Nach dieser Stage war für ihn erst recht klar, dass er den richtigen Beruf lernen würde.

Heute arbeitet Fadri Itin auf Schloss Salenegg in Maienfeld, gemäss Organigramm auf der Homepage als Winzer, gemäss Fadri aber auch als Helfer im Keller. Schloss Salenegg ist eine Referenz in der Herrschaft. Das Gut produzierte schon vor Jahrzehnten hervorragende Weine, welche sich vom damaligen schmalbrüstigen Einheitsbrei der Gegend wohltuend abhoben. Meiner Meinung nach hat das Gut dann aber einige Jahre ein wenig den Anschluss verpasst, plötzlich spielten Donatsch, Gantenbein, Studach und Co, die erste und bessere Geige. Inzwischen hat Schloss Salenegg aber nachgezogen und gehört wieder zu den qualitativ wichtigsten Adressen in der Herrschaft. Hier arbeiten zu können, ist also durchaus schon ein Privileg. (Und die Weine des Gutes probieren zu können übrigens auch!).

Schloss Salenegg in Maienfeld – das Wirkungsfeld von Fadri Itin. Die Weine des Gutes sind hervorragend und mehr als eine (Wieder-)Entdeckung wert.

Mit der Besitzerin von Schloss Salenegg, Helene von Gugelberg, kommt nun die zweite wichtige Frau ins Spiel. Fadri ist augenscheinlich voller Kraft und ehrgeizig, weshalb er auch seinen eigenen Wein herstellen wollte. Auf seine Bitte, etwas von den von ihm gepflegten Trauben von Schloss Salenegg kaufen zu dürfen, reagierte Helene von Gugelberg positiv. Und damit Fadri seine Barriques nicht in einer Garage aufstellen muss, darf er auch gleich noch den Keller des Weinschlosses mitbenutzen.

Der Jahrgang 2020 war sein Erstling, inzwischen gärt aber bereits der 2022-er. Auch wenn er auf Salenegg vinifizieren darf – seinen Wein macht er allein und so, wie er es gut findet. Wenn es um die Weine von Salenegg geht, ist der Kellermeister und Betriebsleiter Silas Hörler sein Chef, der befiehlt und entscheidet, bei seinen eigenen lässt er sich aber nicht dreinreden. Immerhin, fachlicher Austausch unter den beiden findet trotzdem statt, so holte Fadri sich u.a. bei Silas Rat als es darum ging, die besten Barriques anzuschaffen.

So gut, wie Fadris Weine gelungen sind, ist nicht auszuschliessen, dass sie in einer Blinddegustation einmal gar besser abschneiden könnten als jene von Schloss Salenegg. Auf die Frage, wie dann wohl der Kellermeister des Schlosses reagieren würde, sagt Fadri: «Ich weiss es natürlich nicht, aber ich denke er würde sagen, gut gemacht!» Die menschliche Chemie scheint auf Salenegg zu stimmen.

Allerdings dürften die Gelegenheiten zu Blinddegustationen ohnehin begrenzt sein. Fadri Itin ist sich bewusst, dass er nicht ständig bei Frau von Gugelberg stehen und um noch mehr Menge bitten kann. Und anderweitig Trauben oder gar Rebland in der Herrschaft zu erhalten, ist sehr schwierig. So ist Fadris Ziel, jedes Jahr je drei Barriques Chardonnay und Pinot noir herstellen zu können, was rund 900 Flaschen pro Sorte ergibt.

Die Weine des Fadri Itin werden also in einer Gegend der raren Weine wohl immer eine Super-Rarität bleiben. Trotzdem muss man als Neuling den Wein ja auch zuerst einmal verkaufen können. Zwar fragte er anfangs in einem ihm bekannten Restaurant erfolgreich nach, ob seine Weine ins Sortiment aufgenommen würden. Dann aber ging alles fast wie von selbst, und inzwischen verfügt Fadri von den aktuellen Jahrgängen (2020 bzw. 2021) nur noch über je rund 100 Flaschen. Wer also noch probieren will, muss sich beeilen!

Cool gemacht: Profil und Fingerabdruck kombiniert.

Fadri verfügt auch über eine professionell gestaltete, wenn auch informationsmässig noch etwas karge Homepage mit Webshop. Überhaupt ist der Auftritt sehr professionell und selbstbewusst. Die Etiketten zeigen sein Konterfei – in der Form eines Fingerabdruckes gestaltet-, als wollte er sagen: «Da bin ich, dafür signiere ich». Auch wenn das sehr selbstbewusst daher kommt, überheblich wirkt Fadri im Gespräch überhaupt nicht, eher bescheiden und geerdet.

Aber es war ihm wichtig, das Produkt und das Marketing hochwertig auszugestalten: «Wenn ich schon so etwas mache, dann richtig, und ich will mich auch optisch freuen können, wenn eine meiner Flaschen auf dem Tisch steht.“

Die Flasche überzeugt aber nicht nur optisch, sondern und vor allem auch durch ihren Inhalt. Es sind beides grossartige Weine, die auch einen eigenständigen Stil aufweisen und sich meiner Wahrnehmung nach eher an Burgund als an anderen Herrschäftlern orientieren.

Auf jeden Fall war da ein junger Mann am Werk, der augenscheinlich über enorm viel Feingefühl und Können in der Weinbereitung verfügt. Diese Raritäten muss man einfach weiterverfolgen!

Degustationsnotizen:

Polischet, Chardonnay Maienfeld, 2021

Helles Gelb ; in der Nase vielschichtig fruchtbetont (u.a. Aprikose, Lychee), auch würzige Anflüge, «mineralisch», spürbares neues Holz; im Mund tolle Frische, schöne Säure, eher filigran aber mit spürbarem Fruchtextrakt im Abgang, feine Tanninspuren spürbar, das Holz ist im Mund sehr gut eingebunden; langer Abgang. Rundum gelungener, toller Wein. (Wenn man, allerdings auf extrem hohem Niveau, etwas kritisieren wollte, dann vielleicht die ausgeprägte Frucht»süsse», die in einem sonst sehr «nördlichen Chardonnay» etwas an einen südlichen erinnert). 17-17,5 Punkte.

Sgraflin, Pinot noir Maienfeld, 2020

Mittleres, glänzendes Rot ; sowohl helle als auch dunkle Beerenaromen, etwas Gewürznelken; im Mund dicht und rund, viel Tannin, das aber sehr gut eingebunden ist, mittlere, harmonische Säure, ganz leichter, sehr schöner Bittertouch, fruchtbetont, burgundisches «Feuer» im sehr langen Abgang. Ein Wurf von einem Pinot, erinnert mich an einen Volnay, wobei es durchaus ein 1er-Cru sein könnte! 18 Punkte.

«Sgraflin» und «Politschet», Mauerläufer und Zaunkönig in romanisch, Fadris Muttersprache. Die Weinnamen stellen eine Hommage an seinen Arbeitsweg in der Lehrzeit dar, auf dem ihn das Vogelgezwischter jeweils begleitete.

FadriItin-Wein.ch

Schloss Salenegg Maienfeld: Weingut und Essigmanufaktur (schloss-salenegg.ch)


Interessennachweis: Die beiden Weine wurden vom Autor zu normalen Konditionen gekauft und degustiert/genossen. Das Gespräch mit Fadri Itin fand erst anschliessend statt.

Refosco von Castello di Buttrio: Toller Botschafter für das Friaul.

Das Friaul ist eine jener Weingegenden, die chronisch unterschätzt werden. Das Gebiet im Nordosten Italiens hat aber ganz viel zu bieten, vor allem auch hervorragende autochthone Sorten.

Mit rund 20’000 Hektar Fläche ist das Friaul zwar ein recht grosses Weinbaugebiet, bekannt sind die Weine hierzulande aber nicht besonders (zum Vergleich: Die Pfalz weist eine um rund 1’000 Hektar höhere Fläche auf, die bestockte Fläche im Wallis ist rund viermal kleiner). Am ehesten noch finden sich Pinot Grigio in den Gestellen hiesiger Weinhändler, oder dann andere internationale Sorten wie Sauvignon Blanc und Merlot, wobei letzterer in dieser Ecke Italiens schon seit rund 170 Jahren kultiviert wird.

Tolle Landschaft gleich hinter dem Castello: friulanische Weingärten mit Blick auf Udine und die Alpen.

So richtig entdeckenswert sind aber die wirklich einheimischen Sorten wie die Ribolla Gialla und Friulano (weiss), die Schiopettino und die Pignolo (rot) oder eben die Refosco (mit vollem Namen „Refosco dal Peduncolo Rosso“). Die meisten dieser Sorten lassen sich im Friaul bis ins 13. bzw. 14. Jahrhundert zurückverfolgen und sind, abgesehen von Pflanzungen im direkt angrenzenden Gebiet von Goriska Brda in Slowenien, autochthon.

Wir genossen kürzlich ein paar Tage Ferien auf dem Castello di Buttrio, welches nicht nur einen Weinbaubetrieb, sondern auch ein Hotel und eine Osteria betreibt (beide sehr empfehlenswert, wenn auch nicht gerade billig). So hatte ich die Möglichkeit, die meisten Weine des Gutes in Ruhe zu probieren, sei es zum Apéro oder zum Nachtessen. Spätestens am zweiten Abend, nach dem Genuss einer Flasche Refosco dal Peduncolo rosso 2018 war auch klar, dass ich über das Gut schreiben würde.

Ein Paradestück des Gutes: Das „Amphitheater“ direkt neben dem Castello.

Mit diesem Wein schloss sich für mich persönlich auch ein wenig ein Kreis. Meinen ersten Schluck Refosco genoss ich vor über 30 Jahren an einer Einkaufsdegustation bei Divo, und der Wein „elektrisierte“ mich: etwas wild, aber ungemein spannend und enorm ausdrucksstark! Und jener Wein stammte aus Buttrio, von Girolamo Dorigo, der damals als Nebenerwerbswinzer Massstäbe setzte (und dessen Gut heute von Sohn Alessio geführt wird).

Zurück zu den Weinen des Castello: Das Sortiment weist ein hohes und gleichmässiges Qualitätsniveau auf. Bei etwas näherer Betrachtung wurde dann auch klar, weshalb. Die Eigentümerin des Castello ist Alessandra Felluga, und sie ist die Tochter von Marco Felluga, einer Legende des Weinbaus im Friaul. Nebst seinen Betrieben Azienda Marco Felluga und Russiz Superiore kaufte er 1994 auch das damals heruntergekommende Castello di Buttrio (das inzwischen sehr stilvoll restauriert wurde). Seit 2007 führt Tochter Alessandra das Gut (während für die beiden anderen Betriebe heute Marco’s Enkelin Ilaria verantwortlich ist, da Sohn Roberto im letzten Jahr viel zu früh verstarb). Der Rebbauzweig des Castello di Buttrio ist heute 26 Hektar gross.

Refosco dal Puduncolo Rosso 2018, Castello di Buttrio (DOC Friuli Colli Orientali)
Dunkles Purpur; dunkle Frucht nach Brombeer und Dörrzwetschgen, Tabak, würzige Anflüge von Korianderfrucht; im Mund mineralisch-frisch, kräftige Tannine und angepasste Säure, Alkohol kaum spürbar. Wirkt im Mund enorm präsent, stürmisch-kraftvoll und trotzdem ausgewogen. Charakterwein der tollen Art. 17 Punkte.

Und hier noch ein paar Hinweise auf weiter schöne Weine des Gutes (aus der Erinnerung und ohne spezielle Degustationsnotiz, ich hatte schliesslich Ferien vor Ort …):

Ribolla Gialla:
Sehr verhalten, aber tolle, dichte Struktur mit stützender Säure und viel Mineralik. Dürfte in 1-2 Jahren noch zulegen. 16,5 Punkte.

Sauvignon blanc:
Enorm fruchtiger Wein, ohne irgendwelche exotischen Exzesse, schöner Trinkfluss; sehr sortentypisch. 16 Punkte

Friulano:
Schöne Frucht, im Mund ausgeprägt mineralisch und fast ein wenig asketisch. Nicht jedermann’s Sache, meine schon. 16,5 Punkte.

Chardonnay:
Aus dem Stahltank, aber lange auf der Feinhefe gelagert. Enorm fruchtbetont (u.a. mit Ananas, aber ohne exotisch zu wirken), sehr dicht, rund, schöne Säure. Toller Chardonnay; Man könnte sich diesen Wein auch gut vorstellen, wenn er in der Barrique gewesen wäre. 16,5 Punkte.

Ebenfalls gut sind der Pinot Grigio und der Merlot, wobei es hier spannendere Weine gibt. Nicht degustiert habe ich die Riservas des Hauses.

Homepage | Castello di Buttrio

Das Castello aus der Ebene. Tolles Anwesen. Leider beginnt gleich links des Fotos die Industriezone, die man optisch besser ausblendet, wenn man hier logiert und geniesst.

Hier noch Links auf frühere Beiträge zum Friaul und zu Slowenien:
Viva l’Italia! Pignolo – aber kein bisschen kleinlich! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
Brda in Slowenien: Sollte man sich merken! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)


Interessennachweis:
Alle Weine wurden zu normalen Konditionen vor Ort bestellt und bezahlt.

Franciacorta: Die heimliche Schweizer Liebe denkt an die Umwelt und das Klima.

Raten Sie mal: In welches Land werden am meisten Weine aus der Franciacorta exportiert? USA? Japan? Deutschland? Belgien? Grossbritannien? Alles falsch! Die Reihenfolge stimmt zwar, aber deutlich davor steht die Schweiz mit einem Anteil von fast jeder vierten Flasche! Vielleicht kann man da sagen: „Champagner predigen und Franciacorta trinken“? Wobei das angesichts des Qualitäts- und Preisniveaus auch ganz vernünftig wäre. Und erst recht aufgrund des weltrekordverdächtigen Bio-Anteils in der Franciacorta.

Vielleicht ist es ja aufgrund der Umsätze in der Schweiz unnötig, aber dennoch: Die Franciacorta liegt am Südufer des Iseosees nördlich von Brescia, dem zu Unrecht unbekanntesten der grossen oberitalienischen Seen. Und Nomen ist manchmal tatsächlich Omen: Das „Francia“ geht zurück auf die Zisterzienser-Mönche aus Cluny (südliches Burgund, unbedingt sehenswert!), die sich in der Gegend vor bald tausend Jahren niederliessen und von der Steuer befreit waren (Francea Curtes = steuerbefreite Hof-/Gerichtszone). Und der Bezug zu Frankeich passt natürlich auch heute: Hier wird hochstehender Schaumwein nach der gleiche Methode wie in der Champagne hergestellt, und auch die Sortenwahl ist fast identisch. Chardonnay und Pinot noir herrschen vor, nur als Nebensorte ist hier Pinot blanc und nicht Pinot meunier zugelassen.

Wunderschöne Gegend: Blick aus Norden auf den Iseosee und Iseo; am Südufer beginnt die Zone für den Franciacorta DOCG.

Im Gegensatz zum französischen Vorbild ist die Geschichte der Schaumweine aus der Franciacorta allerdings noch sehr jung. Die erste Flasche wurde nämlich erst vor rund 50 Jahren (1961) produziert. Schon sechs Jahre später erhielt das Gebiet aber die DOC, doch erst anfangs der 1990-er Jahre kam wirklich Schwung in das Gebiet: Der Name wurde urheberrechtlich geschützt und es wurden neue Produktionsvorschriften erlassen. 1995 wurde das Gebiet schliesslich in den DOCG-Status erhoben. Heute beträgt die Anbaufläche knapp 3’000 Hektar, und über hundert Betriebe verkaufen knapp 14 Millionen Flaschen im Jahr (1980 waren es noch 9 Betriebe mit rund 200’000 Flaschen!). Die Weine der Franciacorta brauchen sich heute im Durchschnitt durchaus nicht mehr vor jenen aus dem französischen Vorbild zu verstecken.

Bio – nicht die Zukunft, sondern die Gegenwart

Im biologischen Weinbau ist die Franciacorta vermutlich Weltmeister. Rund zwei Drittel der Rebflächen werden hier bereits zertifiziert biologisch bewirtschaftet oder sind in Umstellung. Zwar gibt es noch nicht so viele Flaschen mit dem Bio-Label auf dem Markt. Das liegt daran, dass es Weingüter gibt, die noch nicht die ganze Fläche umgestellt haben und die Biotrauben nicht separat verarbeiten wollen. Zudem lagert der Wein jahrelang, bevor er auf dem Markt kommt – der Markt hinkt deshalb der Realität im Rebberg hinterher.

Erbamat, die Sorte der Zukunft, die dem Klimawandel trotzen soll

Offensichtlich ist man sich am Iseosee, wo die Weine auf einer Meereshöhe von 200 bis 400 Meter wachsen (die Champagne liegt zwar noch tiefer, aber auch etwa 500 Kilometer nördlicher und hat keinen Mittelmeereinfluss) bewusst, dass der Klimawandel einen grossen Einfluss auf den Weinbau haben kann. Vermutlich kommt hier auch die fehlende Tradition zu Hilfe, wenn es um Neuerungen geht. Jedenfalls wurde eine neue Traubensorte zugelassen, die Erbamat. Während Chardonnay und Pinot noir heute schon im August geerntet werden müssen, braucht die Erbamat rund einen Monat länger bis zur Reife. Sie ist seit dem 15. Jahrhundert beurkundet, erlangte aber nie eine grosse Bedeutung und wurde bis vor Kurzem nur noch auf wenigen Hektar in Norditalien angebaut. Sie ist sehr säurebetont, weist einen tiefen Ph-Wert auf und ist relativ neutral im Aroma. Die Hoffnung ist deshalb, dass die Erbamat den Weinen Frische verleihen wird, ohne das aromatische Profil der Franciacorta-Weine deutlich zu verändern. Aktuell ist sie erst bis zu einem Anteil von 10 % erlaubt, womit ihr Potential langsam getestet werden soll. Bisher haben auch erst 10 Weingüter diese Sorte effektiv angepflanzt. Es gibt auch noch kaum Weine mit Erbamat-Anteilen auf dem Markt (siehe dazu weiter unten), aber es wird spannend zu beobachten sein, wie sich das entwickelt. Sieht man den rasanten Aufschwung in der Franciacorta der letzten 50 Jahren an, dürfte es nicht lange dauern, bis wir Schaumweine mit Erbamat-Anteil geniessen!

Verschiedene Schaumwein-Typen

Die Bezeichnung und die dafür zulässigen Rebsorten, die Lagerung, der Druck und die Dosage sind in der Franciacorta klar geregelt. Abgesehen von den Jahrgangsweinen und den Riservas gibt es drei Typen:

„Franciacorta“ steht für einen Grundwein aus Chardonnay, Pinot noir, Pinot blanc (höchstens 50 %) und Erbamat (höchstens 10 %), wobei sortenreine Weine aus Chardonnay oder Pinot noir möglich sind. Die Flaschen müssen nach der zweiten Gärung mindestens 18 Monate in der Flasche reifen und der Druck liegt zwischen 5 und 6 Atmosphären. Zudem kann dieser Wein in der Dosage mit Zero, Extra Brut, Brut, Extra Dry, Dry und Demi Sec hergestellt werden. Die möglichen Varianten aus Traubensorten und Dosage sind also fast unerschöpflich.

„Franciacorta Satèn“ ist eine Exklusivität der Gegend. Er darf nur aus Chardonnay (mind. 50 %) und Pinot blanc (höchstens 50 %) hergestellt werden, muss 2 Jahre in der Flasche lagern und darf nur als Brut auf den Markt kommen (wobei es durchaus tiefere Zuckerwerte gibt, die Bezeichnung lautet dann aber trotzdem Brut). Der entscheidende Unterschied liegt aber im Druck der Flasche; dieser muss unter 5 Atmosphären liegen – der Satèn sprudelt also etwas weniger und wirkt dadurch runder und „weiniger“.

„Franciacorta Rosé“ schliesslich kann wieder aus allen vier Traubensorten bestehen, vorgeschrieben sind aber mindestens 35 % Pinot noir. Die Flaschenlagerung muss 2 Jahre dauern. Die übrigen Vorschriften entsprechen jenen des „Franciacorta“.

Kleine Degustation in Zürich

Sehr sympathisch, professionell und unterhaltsam gleichzeitig: Sommelier Nicola Mattana.

Die allermeisten Betriebe der Region sind Mitglied im „Consortio per la tutela del Franciacorta“. Und dort ist man sich natürlich der Bedeutung des Schweizer Marktes bewusst. Kürzlich fand deshalb auf Einladung des Konsortiums eine kleine Präsentation und Degustation im „Signau House & Garden“ in Zürich statt (das „Signau“ ist übrigens ein Hotel in toller, aber ruhiger Lage mit einem wunderschönen Garten – eine echte Oase beim Kreuzplatz, relativ nahe des Stadtzentrums). Präsentiert wurden je ein Wein der drei Grundtypen, und die Präsentation lebte vor allem auch vom Charme und dem Fachwissen des beigezogenen Sommeliers Nicola Mattana.

Besonders gefallen hat mir dabei der Franciacorta „Golf 1927“ von Barone Pizzini:

Helles Gelb, zurückhaltende, feine Perlage; dezente, frische Frucht mit etwas Brioche und leichtem, schönem Hefeton; im Mund feingliedrig und elegant, trocken aber nicht knochentrocken wirkend (4 g RZ und 8 mg Säure). Schöner Schaumwein, der trotz Schwergewicht auf der Eleganz durchaus auch gehaltvoll ist. 16,5 Punkte.

Und wenn wir schon bei Barone Pizzini sind: Dieses Haus war nicht nur der erste Bio-Betrieb, sondern auch der erste, der im vergangenen Jahr mit dem „Animante“ einen Franciacorta mit einem Anteil der Rebsorte Erbamat auf dem Markt brachte (der Anteil beträgt noch bescheidene 3 %). Falls Sie danach suchen, achten Sie auf das Datum der Flaschenfüllung vom April 2019 oder später. Vorausgegangen waren die Pflanzung der Sorte auf rund einer Hektar im Jahr 2008 und viele Versuche in der Vinifikation. Daraus resultierten Weine, die leider nie auf dem Markt erscheinen durften, da ihr Erbamat-Anteil zu hoch war (erlaubt sind 10 %, siehe oben), aus denen aber sehr viel Wissen über das Verhalten der Erbamat gewonnen werden konnte.

Vorbildliche Information auf den Flaschen

Toll ist übrigens, dass auf fast allen Flaschen aus der Franciacorte die technischen Daten wie Säure und Zuckergehalt vor allem aber auch das Datum der Flaschenfüllung und des Dégorgements angegeben werden. Da könnten sich viele Francesi ein Vorbild nehmen!

Franciacorta: Nach uns die Zukunft! Das italienische „Qualitäts-Schaumweinzentrum“ auf dem Weg zur Nachhaltigkeit.

Ach ja, und übrigens gibt es aus der Franciacorta auch stille Weine, ein Beispiel siehe hier:
Ca‘ del Bosco – eine Perle mit mehr als nur Perlen – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Links:
Consorzio tutela del Franciacorta, Strada del Franciacorta
Barone Pizzini: Organic Winery in Franciacorta


Interessennachweis:
Dieser Artikel entstand aufgrund der Anregung im Rahmen der oben beschriebenen Einladung des Consortio per la tutela del Franciacorta, im Weiteren aber ohne jede Einflussnahmen oder Verpflichtungen des/gegenüber dem Konsortium oder einzelner Produzenten.

Beobachten, nachdenken, lernen! Brocard in Chablis – still und (bio)dynamisch an die Spitze!

Jean-Marc Brocard und Julien Brocard – zwei Domainen aus Chablis mit der gleichen Philosophie und der gleichen Adresse. Vater und Sohn haben es gemeinsam geschafft, an die qualitative Spitze von Chablis zu gelangen. Leider sind sie hierzulande noch viel zu wenig bekannt!

Chablis, dieses in Sachen Weinqualität und Landschaft wunderbare Gebiet im Norden des Burgund bei Auxerre bringt Chardonnay-Weine hervor, die einzigartig sind. Frisch, fruchtbetont, elegant und, wenn gelungen, dicht und ausdrucksvoll. Für mich persönlich „Chardonnay at its best“!

Grand Cru-Lage „Le Clos“ in Chablis: Herrliche Weine, schöne Weinlandschaft.

Die grossen Produzentennamen sind längst bekannt und manchmal auch fast nicht mehr erhältlich bzw. bezahlbar, und selbst Weine von noch etwas weniger bekannten Gütern werden rar (Link zu einem solchen Beitrag in meinem Blog über die Domaine Droin am Schluss des Artikels).

Manchmal entdeckt man bemerkenswerte Weingüter dank Tipps anderer Winzer oder Weinfreunde. Im Fall von Brocard war es ganz einfach Zufall. Weil ich eben bei Droin abgewiesen worden war, nahm ich den „Guide Hachette“ (ich glaube es war die Ausgabe 2013) zur Hand und wählte auf gut Glück ein anderes Gut aus, welches damals mit positiv gewerteten Weinen auffiel und gleich auch noch strategisch ideal auf dem Heimweg lag: Jean-Marc Brocard in Préhy, auf einer Anhöhe südlich von Chablis.

Der Besuch entpuppte sich als Glücksfall! Die Weine begeisterten mich durchwegs, vom einfachen Chablis bis zu den Grands Crus. Und von wegen „einfachem Chablis“, der „Vieilles Vignes“ 2012 war der beste Gemeindewein der Appellation, den ich je im Glas hatte. Leider kaufte ich nur 6 Flaschen, und leider war ich seither auch nie mehr im Gebiet und habe die Entwicklung auch sonst nicht sehr intensiv verfolgt.

Nun bin ich ebenso durch Zufall in einer Weinhandlung auf Weine eines Julien Brocard gestossen. Eine kurze Recherche zeigte, dass es sich dabei um die Linie des Sohnes von Jean Marc Brocard handelt, und dass dieser Julien schon länger auch im elterlichen Betrieb das Sagen hat.

Die Entwicklung der Domaine ist bemerkenswert. Der Ingenieur Jean-Marc Brocard heiratete in eine Weinbaufamilie ein und pflanzte 1973 (dem Geburtsjahr des Sohnes Julien) zudem die ersten Reben in Préhy, wo bald darauf der Weinkeller enstand. Schon 1997 wurde eine erste Parzelle auf bio-dynamischen Weinbau umgestellt, es wurden auch ökologische Nischen geschaffen und Bäume gepflanzt Dabei handelte es sich um die Chablis-Lage „La Boissonneuse“, aus der jetzt einer der Weine aus der Linie „Julien Brocard“ stammt. Wer heute diesen Wein erwirbt, kauft sozusagen ein Vierteljahrhundert Erfahrung in biodynamischem Landbau mit. Bio und Biodynamie sind ja gerade in nördlichen Lagen aufgrund des Klimas nicht einfach umzusetzen. Jean Marc Brocard sagt denn auch in einem Interview, dass beobachten, still nachdenken (wörtlich übersetzt „die Klappe halten“) und lernen die Zutaten zu einer erfolgreichen Entwicklung sind. (Link zum Interview siehe unten).

Nach und nach wurden weitere Flächen umgestellt, und heute sind 60 Hektar biologisch und 40 Hektar bio-dynamisch zertifiziert. Knapp die Hälfte der biodynamischen Weine kommt heute mit dem Label von Julien Brocard auf den Markt.

Ich habe die Möglichkeit genutzt, einen jungen Wein von Julien Brocard und einen etwas gereiften von Jean Marc Brocard nebeneinander zu probieren:

Julien Brocard, 1er Cru Montée de Tonnerre, 2020
Helles Gelb mit leichten Grünreflexen; Duft nach weissen Johannisbeeren, Zitrus und dezent nach Holz; auffallend frisch wirkend, sehr dicht mit guter Säure, elegant, langer Abgang. Schöner, sehr typischer Chablis der noch reifen muss. 17,5 Punkte
.

Jean Marc Brocard, Grand Cru Le Clos 2011
Mittleres Gelb; Duft nach Limetten, Mirabellen, Papaya und etwas Vanille; jugendlich und enorm frisch im Mund, dichte Struktur und eine gewisse „Saftigkeit“, fruchtbetont, rund, mittlerer Abgang. Toller Wein!
17,5 Punkte.
PS: In einem jugendlicherem Stadium hatte dieser Wein auch Anflüge Caramel, die eher störten. Das ist mit der Reife völlig verschwunden!

Bedauernswert ist für uns Weinfreunde nur, dass der Preis des Premier Crus heute schon deutlich über jenem liegt, den ich damals für den Grand Cru bezahlt habe. (Auch der erwähnt „Vieilles Vignes“ ist teurer geworden, wenn er noch so gut ist wie damals, ist es aber immer noch ein „Schnäppchen“).

Links zur Domaine (zu den Domainen):

Vigneron à Chablis, vente vin de Chablis AOC | Domaine Jean-Marc Brocard
Les 7 Lieux – Julien Brocard

Bezugsquellen (u.a.)

CH:
Suchresultate – Baur au Lac Vins
Jean-Marc Brocard – Wein kaufen – de.millesima.ch

D:
Jean-Marc Brocard Chablis 2020 kaufen| Preis und Bewertungen bei Drinks&Co (drinksco.de)
Chablis Sainte Claire von Jean-Marc Brocard online kaufen. | Feinkost Käfer Online (feinkost-kaefer.de)

Und hier die im Text erwähnten Links:
Weine von der „bösen Frau“ – eindrückliche Chablis! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
L’interview « Prenez-en de la graine ! » de Jean-Marc, vigneron en partenariat avec Les Grappes – La Fourche


Intertessennachweis:
Die beiden Weine wurden käuflich erworben, der Le Clos auf dem Gut selbst, der Montée de Tonnerre bei Baur au Lac, Regensdorf. Der Beitrag entstand ohne Wissen des/der Produzenten.

Kleines Meckern zu einem neuen Weinguide – und ein Happy End mit dem Weingut Riehen.

Ein neu erschienener Weinführer über Schweizer Weingüter füllt eine Lücke, gibt aber auch einige Rätsel auf. Dafür wählt er verdientermassen ein Weingut aus Basel zum besten des Jahres. Etwas Kritik von mir – und Applaus zum Schluss.

Kurz vor den Festtagen lag die neuste Ausgabe von Falstaff im Briefkasten, begleitet von einem Restaurant- und – neu – einem Weinführer für die Schweiz. Edel in schwarz/gold/weiss aufgemacht trägt der Wein Guide den Untertitel „Die besten Weingüter der Schweiz“.

Der Guide ist durchaus lesenswert und kann insbesondere für einen ersten Eindruck über die Elite der Weinschweiz wertvolle Hilfe leisten. Aber eben, über den Ausdruck Elite kann man wohl streiten. Es fiel schon in den letzten Ausgaben der Weinzeitschrift immer mal wieder auf, dass etwa „die besten Pinot noir der Schweiz“ angelobt wurden, allerdings mit einer Produzenten-Auswahl, in der die (vermutlich) wirklich Besten schlicht fehlten. Nichts gegen die jeweiligen Sieger, die anerkannterweise sehr guten Wein kreieren, aber ob sie wirklich die besten sind, blieb dabei leider offen.

Und nun eben dieser neue Weinführer: Mit einem bis vier Sternen werden ausgewählte Güter bewertet und auf jeweils einer bis zwei Seiten mit (wo ich es beurteilen kann, sehr guten) Degustationsnotizen zu einzelnen Weinen ergänzt. Dazu gibt es für jedes Weinbaugebiet eine Auflistung mit einer Kurzbeschreibung „weiterer Weingüter“.

Meine Kritik setzt vor allem bei der Auswahl der portraitierten Betriebe an. So bekommt in der Deutschschweiz etwa „Rimuss & Strada Wein“ eine eigene Seite – wie auch im Wallis das Maison Gilliard. Nichts gegen die beiden Unternehmen, Andrea Davaz hat die verstaubte und verstockte Rimuss schon kräftig positiv aufgemischt und Gilliard bringt tatsächlich einige sehr schöne Weine hervor, der aktuelle Petite Arvine soll gemäss Weinfreund Alexander Ulrich sogar grossartig sein. Trotzdem ist wohl kein Schelm dem auffällt, dass in der parallelen Rezept-Ausgabe des Weinmagazins bzw. im Führer selbst Inserate von Strada und des Gilliard-Besitzers Schuler erschienen. Nicht so direkt beobachtbar, aber vielleicht doch ähnlich gelagert mögen Beschreibungen der Gutsweine von Nauer und Siebe Dupf liegen. Und rätselhaft sind auch die drei Sterne für Provins – allerdings nur so lange bis man feststellt, dass ausschliesslich die Spitzenweine degustiert wurden.

Angesichts solcher Behandlungen erstaunt es schon fast nicht mehr, dass sich absolute Top-Produzenten und -produzentinnen wie von Tscharner, Donatsch, Broger, Besson-Strasser bzw. Marie-Thérèse Chappaz, Sandrine Caloz und Cave du Rhodan mit einem kurzen Eintrag unter „weitere Weingüter“ zufriedenstellen müssen.

Und weiter: Was sollen Portraits von Mikro-Weingütern wie Herbst Wein oder Vogt Weine mit eher „tiefen“ Degustationsnoten, während Vorzeige-Betriebe wie Burkhart, Schmidheiny und gar der Johanniterkeller (Hubacher) völlig fehlen? Und wenn schon ein Kleinbetrieb aus dem Zürcher Weinland: Warum nicht Patrick Thalmann (zur Metzg)?

Nun gut, die Ausgestaltung eines Weinführers bleibt immer ein wenig Ermessenssache, und man kann es als Weintester nie allen recht machen. Und bei aller Kritik: Die meisten der beschriebenen Güter gehören wirklich zur Schweizer Spitze und in diesen Führer.
Zusammengefasst: Ein durchaus gelungener Erstling mit sehr guten Degunotizen, dem in den nächsten Jahren aber noch etwas Feinschliff und vielleicht auch redaktionelle Unabhängigkeit gut tun würden.

Die Kollektion des Jahres – ein Volltreffer, ausgerechnet aus dem Stadtkanton Basel!

Zumindest bei der Wahl der „Kollektion des Jahres“, welche auf das Weingut Riehen fiel, liegen die Macher des Wein Guides aber mit Sicherheit richtig.

Riehen? Den meisten dürfte das rechtsrheinige Dorf, das einwohnermässig eigentlich eine Stadt ist und das zum Kanton Basel-Stadt gehört, wohl vor allem durch die Fondation Beyeler bekannt sein. Aber alle, die schon einmal in der Fondation gewesen sind, haben bei einem Blick aus dem Fenster fast sicher auch die Rebberge ennet des Flüsschens Wiese gesehen – den „Schlipf“, wo die Weine des Weingutes Riehen wachsen. Der Boden gehört der Gemeinde, und diese hatte 2014 ein sehr gutes Händchen, als sie die Reben zur Pacht an Hanspeter Ziereisen, deutscher Spitzenwinzer aus dem 10 Kilometer entfernten Efringen-Kirchen, und Thomas Jost vergaben. Unter „Jost & Zierseisen“ wurden schon damals tolle Weine hergestellt, aber so richtig durchgestartet ist das Gut erst nach dem Ausstieg von Thomas Jost, welcher den Weg für eine Beteiligung der renommierten Weinhändlerfamilie Ullrich (Paul Ullrich AG) und des Betriebsleiters Silas Weiss ermöglichte. Das nun als „Weingut Riehen“ signierende Gut kreiert seither Weine, die in der Tat rundum begeistern.

Der Rebberg Schipf oberhalb Riehen im Frühling 2019. Blick auf Riehen mit der Fondation Beyeler und den Sendeturm Chrischona. Rechts im Bild beginnt die Stadt Basel. Oberhalb liegt auf deutschem Gebiet der Tüllinger Berg, der herrliche Fernsichten auf den Schwarzwald, die Vogesen und den Jura ermöglicht.

Stilistisch sind sie durchaus von der Handschrift von Hanspeter Ziereisen geprägt, was natürlich allein schon Qualität verspricht.
Zu Hanspeter und Edeltraud Ziereisen siehe hier (am Schluss auch mit einem kleinen Hinweis auf das Weingut Riehen):
Ausnahmewinzer Ziereisen: hier ruht nur der Wein! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Die Weine aus Riehen sind aber nicht einfach eine Schweizer Kopie der Ziereisen-Weine. Hanspeter Ziereiesen sagt selbst, dass er den „Schlipf“ erst mit den Jahren so richtig kennenlernte und weiter lernt. Die Konstellation dieses Rebberges ist, obwohl mit ähnlichem Boden versehen und in fast gleicher Exposition nur rund 10 Kilometer von Ziereisens deutschen Reblagen entfernt, doch entscheidend anders. Insbesondere ist es in Riehen in Stadtnähe wärmer und die kühlen Nachtwinde des Schwarzwaldes fallen hier weniger prägnant aus als in Efringen-Kirchen.

Falstaff hat sechs Weine des Jahrgangs 2018 des Gutes degustiert, und die Punkte liegen zwischen 92 und 96, mit einem Durchschnitt von selbst für Falstaff-Verhältnisse sagenhaften 94,3 Punkten!

Ich habe über die Festtage drei der Weine selbst probieren können und stimme, wenn auch „massstab-bedingt“ auf tieferem Punkteniveau, der Beurteilung von Falstaff vollumfänglich zu! Aber aufgepasst: So herausragend die Weine, so „fordernd“ sind sie auch. Die naturnahe Weinbereitung mit Spontanvergärung und ohne Schönung bzw. Filtration bringt zwar augenscheinlich grossartige Tropfen hervor – sie haben aber auch Ecken und Kanten (und Aromen), die vielleicht nicht jedermann gefallen. Ich persönlich finde die Riehen-Weine ganz einfach genial gut!

Mit „handwerklicher Kunst“ zu Spitzenweinen: Die begnadeten „Macherinnen und Macher“, von links: Hanspeter und Edeltraud Ziereisen, Silas Weiss, Jacqueline und Urs Ullrich. (Foto ab Homepage des Weingut Riehen).

L’Unique Rouge 2018 (Pinot noir aus dem grossen Holzfass)
Dichtes, glänzendes Rubin; Tabak, Thymian, Heidelbeeren, Anflüge von Speck und frischen Kartoffelschalen; eher zurückhaltende Säure, dafür vollgepackt mit feinen Tanninen, leichter, schön eingebundener Bittertouch. Im Mund sehr fruchtig. Wirkt einerseits etwas wild und rustikal, hat aber andererseits auch eine elegante, runde Seite. Wird fast mit Sicherheit in 2-3 Jahren noch schöner dastehen! Für nicht einmal CHF 20.00 ein Hammerwein, vielleicht der beste Pinot, den man in der Schweiz zu diesem Preis erhält. 17,5 Punkte. (Falstaff: 94)

L’Unique Blanc 2018, Weissburgunder & Chardonnay
Mittleres Gelb; Zimt, Aprikosen, Williams-Birne, Boskoop-Apfel; sehr dichter, runder Körper, schöne Säure, etwas Tannin (?), mineralisch, mittlerer Abgang. Schöner Wein, man fragt sich höchstens, ob je reinsortig nicht noch spannender wäre? 17 Punkte. (Falstaff: 94).

Le Petit 2018, Sauvignon blanc
Mittleres Gelb; Duft nach Sternfrucht, Mirabellen, Cox-Orange (Apfel) und frisch gemähtem Gras, leichter Anflug von Lebkuchen; im Mund sehr dicht gewoben, schöne Säure, extrem fruchtig im Mund (primär Zitrus), „feurig“, aber keinesfalls alkoholisch, enorm langer, mineralischer Abgang. Herrlicher Wein! 18 Punkte. (Falstaff 95 Punkte, was „Weltklasse“ bedeutet – und meine Zustimmung hat).

Weingut Riehen

Wein Guide Schweiz 2022 – Falstaff Shop Schweiz (CHF 9.90)

Maximilian Greiner – wer sich diesen Namen nicht merkt, ist selber schuld!

A BLACK FOREST LANDWEIN. MADE WITH LOVE“. Was auf jeder Flasche des Weingutes Greiner steht, kann man sehr gut als Programm nehmen. Was Jungwinzer Maximilian Greiner abfüllt, hat Charakter und zeugt von viel Hinwendung. Diesen Namen muss man sich einfach merken, der wird ganz schnell ganz stark im Gerede sein, da bin ich mir sicher!

Greiner ist gelernter Tonnelier und liess sich später auch in Geisenheim ausbilden. Inzwischen ist er nicht nur Winzer (seit Jahrgang 2017), sondern auch schon als Berater für andere Weingüter tätig. Seine Gut befindet sich in Obereggenen, je rund 40 Autominuten von Freiburg im Breisgau und von Basel entfernt. Und Schwarzwald, wenn auch am Rand, stimmt durchaus und ist nicht nur ein Marketing-Gag.

Den Tipp zu diesem Winzer verdanke ich Otto Hintermeister, „Vinotti“ (siehe unten, Bezugsquelle). Bei einem Besuch in seinem Laden schwärmte er von Greiner, und er liess sich auch erweichen, mir von einer kleinen Vorauslieferung je eine Flasche zu verkaufen. Auf dem Weingut selbst war ich leider noch nicht, das werde ich aber mit Sicherheit nachholen – da wächst nicht nur etwas heran – da ist schon etwas Grossartiges da!

Und so ganz am Rand, aber einmal mehr bemerkenswert: Greiner pflegt einen nachhaltigen Umgang mit der Natur und arbeitet nach bio-dynamischen Grundsätzen (gemäss Vinotti demnächst auch zertifiziert). Ich mache keine Religion daraus und berichte auch über konventionell hergestellte Weine, aber es ist schon auffällig, wie oft bei wirklich grossen und vor allem eigenständigen Weinen auch ein entsprechender Umgang mit der Natur, und oft eine bio-dynamische Bewirtschaftung, dahinter stehen! Dem werde ich, sobald ich Zeit habe, einmal noch näher nachgehen.

Weinparade aus dem Schwarzwald: Maximilian Greiners tolle Gewächse!

Chasselas (Gutedel) 2020
Helles, grünliches Gelb; Stachelbeere, weisser Pfirsich, Zitrus, Anflug von Nüssen, leichter Hefeton; eher tiefe Säure, aber enorme Frische, fein strukturiert, geschmacklich dezenter, aber sehr langer Abgang. Vielschichtiger, irgendwie etwas „wilder“ Wein, sehr ausdruckvoll, eine eigene Spielart des Chasselas/Gutedel, erinnert ein wenig an den Stil von Ziereisen. Für mich ein grossartiger Wein, der für Schweizer Chasselas-Trinker aber vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig ist, Preis/Leistung unglaublich. 16,5 Punkte (= sehr gut)

Chardonnay 2018
Mittleres bis helles Strohgelb; dezent exotische Note nach Papaya und Banane, starker Duft nach Apfel („Tobiässler“, falls das noch jemand kennt), süsslicher Anklang von Honig, die ganze Nase aber eher dezent und nobel, auch mit etwas krautigen und hefigen Anklängen; im Mund dichte Struktur, mittlere, gut stützende Säure, fruchtbetont, Holz nur dezent spürbar, dafür merkbare, „neckische“ Fruchtsüsse, leicher Bitterton im langen Abgang. Toller Wein, 17,5 Punkte (= sehr gut)

Rosé Saignée 2019
Glänzendes lachsrot; Enormes, sehr schönes Fruchtbuquet mit Pfirsich, Himbeer, Zwetschen und einem leichten Nuss-Touch; im Mund frisch mit schöner Säure, erstaunliche Struktur mit leicht spürbaren, sehr feinen Tanninen, wunderbar elegant mit sehr langem Abgang. Ein Traumwein, der selbst mich zum Rosé-Fan machen könnte! Süffig und gleichzeitig so gut strukturiert, dass er auch als Essensbegleiter zu vielen Gerichten passt. (17 Punkte = sehr gut – wenn ich mich richtig erinnere, habe ich mein ganzes Leben lang noch nie einem Rosé eine so hohe Note vergeben).

Spätburgunder 2018
Helles, glänzendes Rot; zuerst etwas muffig wirkend, sogar leichter Lackton, nach etwas Belüftung dann reintönig, sehr fruchtig und sortentypisch, Himbeere, Johannisbeere, aber auch etwas Tabak und Lorbeer; im Mund spürbare, gut eingebundene Säure, strenge, leicht trocknende, aber feine Tannine, tolle Struktur, „feurig“, trotz einer gewissen Rustikalität sehr elegant, sehr langer Abgang. Zwingend dekantieren! 16 Punkte (= gut am oberen Ende der Skala).

Pinot Noir „Vulkan“ 2018
Mittleres Rot, das schon wir leicht gereift wirkt; wunderbare, vielschichtige Pinot-Nase, Johannisbeere, Himbeere, Walderdbeere, minimaler Holz-Touch; enorm frisch, sehr gehaltvoll und dicht, vollgepackt mit sehr feinen Tanninen, spürbare Säure, gesamthaft sehr ausgewogen. Im Abgang, „burgundisches Feuer“, ohne akoholisch zu wirken. Grosser Wein! 18 Punkte (= hervorragend)

Weissburgunder und Sekt 2018
Nicht beschreiben kann ich leider den Weissburgunder 2018, diese Flasche hatte leider einen Korkfehler. Soweit beurteilbar, ist das aber ebenfalls ein grandioser Wein; seine Struktur ist aussergewöhnlich. Auch den Sekt 2018 beschreibe ich nicht. Aus diesem Jahrgang lässt sich aufgrund der Fein- und Reinheit des Weines ableiten, dass auch der Schaumwein dereinst Furore machen könnte. Mir persönlich war dieser Jahrgang, obwohl ich Säure sehr mag, aber schlicht und einfach zu säurebetont.

Weingut GREINER (weingut-greiner.com)

Und die erwähnte Bezugsquelle in der Schweiz, bis zum 22.8.2021 noch zum Subskiptionspreis:
Weingut Greiner – VINOTTI

Schliesslich noch ein Verweis auf eine andere Homepage, welche die Einstellung von Greiner schön wiedergibt:

Badischer Weinbahnhof (badischer-weinbahnhof.ch)

Weinwunderland Nord-Mazedonien: Grossartige Weine!

Haben Sie schon einmal einen Wein aus Nordmazedonien getrunken? Offen gesagt, ich bis zur wenigen Tagen nicht. Um so schöner die Entdeckung, dass hier grossartige Gewächse gedeihen, die nach mehr rufen!

Nordmazedonien war mir bisher nur als südlichster Teil von Ex-Jugoslawien bekannt, und als landschaftlich sehr reizvolle Gegend gemäss Schilderungen von Bekannten. Aber Wein? Nie gehört, nie getrunken – und viel verpasst!

Manchmal braucht es einfach Glück, um zu einer Neuentdeckung zu kommen. In der Schweizer FB-Weingruppe „Weinfreunde Schweiz“ (die ich sehr schätze, weil auf hohem Niveau diskutiert wird – qualitativ und bezüglich Anstand), wurden in einem Post drei Personen gesucht, welche zwei Weine aus Nordmazedonien probieren möchten. Ich habe mich spontan gemeldet und mir später auch noch drei weitere Weine dazu empfehlen lassen.

Inzwischen habe ich alle Weine probiert und genossen, und das Fazit: völlig unerwartet umwerfend gut!

Temjanika, Special select 2020, Tikveŝ Winery (Temjanika = Muscat blanc)
Helles Gelb; Zitrus- und Muskatdüfte; erfrischende Säure, schöne Substanz, auch im Mund sehr fruchtbetont, leichter Bittertouch im mittleren Abgang. Wirkt wie eine schöne Assemblage aus Sauvignon blanc und Müller Thurgau. Erfrischender, erfreulicher Wein, der Spass macht. 16 Punkte (= gut am oberen Ende der Skala).

Domaine Bela Voda white, 2019, Tikveŝ Winery (Grenache blanc und Chardonnay)
Helles Gelb; Duft nach weissem Pfirsich, weissen Johannisbeeren und Aprikosen, spürbare Holznote, aber ohne das geringste Toast-Aroma; im Mund sehr elegant, sehr dicht, aber nicht breit, schöne Säure, mit „feurigem“, sehr langem Abgang, trotz hohem Alkoholgehalt ist dieser kaum spürbar. Toller Wein im burgundischen Stil. 18 Punkte (= ausgezeichnet).

Domaine Barovo red, 2017, Tikveŝ Winery (Vranec und Kratosija)
Mittleres bis dunkles Purpur; intensive dunkle Frucht (Pflaumen, Dörrzwetschen, Brombeer), Anflug von Tabak; enorme Frische im Mund, viel Tannin und gute Säure, „feurig“ aber nicht brandig, mittlerer Abgang. Trotz enormem Power mit viel Eleganz und Finesse ausgestattet, würde sich neben fast allen Châteauneuf-du-Pape sehr gut machen. 17,5 Punkte (= ausgezeichnet).

Dioniz, 2016, Dalvina Winery, Vranec Barrique (autochthone Sorte)
Dichtes Purpur; Duft nach Dörrpflaumen, getrockneten Aprikosen und schwarzen Kirschen, Wacholder und Heidelbeeren; im Mund dichter Körper, saftig-fruchtig, vollgepackt mit feinen Tanninen, langer, eleganter Abgang. Hat 15,2 % Alkohol, was man aber kaum merkt! Toller Wein, der auch an die Rhône erinnert, aber mit seiner elegant-kühlen Seite auch einen Touch eines Loire-Cabernets aufweist. Toller Wein, 17,5 Punkte (=ausgezeichnet)

Die überzeugenden Weine aus Nord-Mazedonien. Viermal von Tikveŝ, einmal von Dalvina. Den roten Bela Voda (Vranec und Plavec) in der Mitte habe ich nicht beschrieben, er hatte leider einen Korkschmecker. Aufgrund seiner enormen Substanz im Mund ist er aber ohne Zweifel genau so empfehlenswert.

Auch wenn hierzulande Weine aus Nordmazedonien kaum bekannt sind, so haben sie doch eine sehr lange Geschichte. Rebbau wird hier schon rund 3’000 Jahren betrieben, und das Land kann in Sachen Weinkultur mit dem benachbarten Griechenland durchaus mithalten. Aus der jüngeren Zeit mit der Zugehörigkeit zu Jugoslawien freilich lässt sich nicht viel berichten, ausser, dass der damalige Gliedstaat Mazedonien rund 65 % allen Weins von ganz Jugoslawien lieferte, wenn offenbar auch nur als Massenware.

Inzwischen sind auch weintechnisch wieder bessere Zeiten angebrochen. Auf heute rund 30’000 Hektar (noch 2010 wurden nur 22’000 ha angegeben) wird heute Wein produziert. Und wenn ich auch nicht für die Masse reden kann – an der Spitze, wie hier degustiert, sind die Nordmazedonier tatsächlich – eben, Spitze! Zudem verfügt das Land mit diversen autochthonen Sorten über einen richtigen Schatz an Varietäten. Am bekanntesten ist die Vranec, welche im Land als spontane Kreuzung aus der Kratosija hervorgegangen ist, welche wiederum mit der Zinfandel bzw. Primitivo identisch ist. Mir will allerdings aufgrund der drei probierten, ganz oder teilweise aus Vranec vinifizierten Weine scheinen, dass die Kreuzung einen qualitativen Sprung noch oben ermöglichte. Wenn es denn stimmt, soll Vranec übrigens „wilder Hengst“ bedeuten – passen würde es!

Gemäss Wikipedia gibt es inzwischen wieder rund 40 private Kellereien im Land. Die grösste davon ist jene, die hier vier Weine zur Degustation beisteuerte: Tikveŝ. Sie besitzt selbst rund 1’000 Hektar Reben und hat für weitere 5’000 Hektar Verträge mit den Winzern. Somit wird rund ein Fünftel des Weines aus Nordmazedonien von diesem Betrieb hergestellt. Tikveŝ scheint mir einer der besten Beweise dafür, dass sich Grösse und Qualität nicht ausschliessen müssen. Mit Bela Voda und Barovo sowie Lepovo werden Spitzenweine im Domaine-Prinzip produziert.

Das Weinbaugebiet der Domaine Barovo: auf 800 m Höhe und von Bergen geschützt. (Bild zvg)

Tikveŝ hat sich aber auch den Rat des französichen Spitzen-Oenologen Philippe Cambie (2010 Oenologe des Jahres bei Parker) gesichert, und Cambie wird heute zu Tikveŝ mit den Worten zitiert; „we explore the old vineyards to discover wines that cannot be created anywhere else in the world“. Aber auch Marko Stojakovic, der Chef-Oenologe vor Ort, ist, obwohl noch jung, mit vielen Wassern (sorry, Weinen) gewaschen. So arbeitete er etwa auf Château Palmer in Margaux und Vieux Télégraphe in Châteauneuf-du-Pape. Aber ihn reizte schliesslich die Herausforderung in Nordmazedonien mehr als eine Karriere auf international schon bekannten Weingütern.

Dalvina wiederum ist ein sehr junges, erst 2007 gegründetes Unternehmen, das aber auch schon etwa 800 Hektar Reben sein eigen nennt. Die Winery ist top-modern ausgerüstet, und angesichts des Textes auf der Website „bei jedem Vinifikations-Schritt verfügen wir über die modernsten Ausrüstungen“ könnte man fast Angst vor „Technokraten-Weinen“ erhalten. Aber zumindest der hier probierte wilde Hengst (Vranec) Dionys wirkt überhaupt nicht so. Der Wein hat Persönlichkeit und Charakter.

Für den Moment bleibt eine sehr grosse Freude darüber, aus einem unbekannten Land wirkliche Klasseweine kennengelernt zu haben. Für die Zukunft macht diese Entdeckung Lust auf mehr – und ein Verlangen, das Land dereinst auch mal zu bereisen und die Betriebe zu besuchen!

http://www.tikves.com.mk

https://www.dalvina.com.mk/

Bezugsquelle Schweiz:
https://www.fino-vino.ch/


Die beiden „Bela Voda“ wurden dem Autor gratis, aber ohne jede Verpflichtung zur Verfügung gestellt (vgl. Einstiegstext). Die anderen Weine wurden anschliessend auf ordentlichem Weg käuflich erworben.

Rot zum 1. Mai: Noch eine rote Trouvaille aus der Weissweinhochburg Lavaux.

Auch wenn der Anteil steigt, Rotweine aus dem Lavaux sind nach wie vor rar. Dass sich das Terroir aber für die Produktion grosser Rotweine eignet, zeigt eine spannende Assemblage aus der wenig bekannten Lage Chardonne.

Chardonne – der kleine Ort gibt der Appellation mit einer Fläche von rund 100 Hektar den Namen. Andere Lagen im Lavaux wie Dézalay, St.-Saphorin oder Epesses sind sicher bekannter und deren Rebberge sind teils auch spektakulärer. Aber man tut den Weinen von Chardonne und der auch hier grossartigen Landschaft definitiv Unrecht, wenn man sie nicht beachtet. Und von wegen Bekanntheit: Charonne überblickt das Städtchen Vevey mit dem Hauptsitz von Nestlé. Aber wir reden ja hier von Wein und nicht Mineralwasser oder Kaffee!

Grandios: Blick vom östlichen Rand der Appellation Chardonne über die Reben auf Vevey, den Genfersee und die Dents du Midi.

Wir waren kürzlich für ein paar Tage in einem Hotel der Region (Ausblick siehe oben). Die Weinkarte wies diverse lokale Gewächse auf, die wir natürlich probierten. Auch wenn wir den Wein des ersten Tages hauptsächlich des Wortspiels wegen bestellten – Chardonnay aus Chardonne – konnte schon dieser durchaus gefallen. Es gibt leider keine Degustationsnotiz, weil ich nicht davon ausging, darüber zu berichten, aber es war ein frischer, fruchtiger, nicht im Holz ausgebauter Chardonnay mit schöner Struktur und mineralischem Touch. Irgendwo bei 15,5 oder 16 Punkten, also wirklicht gut. (Von Fabrice Neyroud, La Bacchanale).

Neue rote Assemblagen braucht das Land

Anderntags war Rotwein angesagt: „Cardona“, eine Assemblage aus Gamaret, Garanoir, Gamay und Diolinoir von Jean-François Neyroud-Fonjallaz. Es handelt sich um einen Famlienbetrieb in Chardonne, der nicht nur vor Ort Reben bestitzt, sondern auch in Dézalay, Calamin und St. Saphorin. Die bekanntern Namen sind also auch hier vertreten.

Was mit dem roten Cardona aus Chardonne ins Glas kam, war ganz erstaunlich:

Dunkles Purpur; Duft nach schwarzen Kirschen und Brombeeren, würzige Note, leicht spürbarer Holzton; im Mund ausgewogen, gut bepackt mit sehr feinen Tanninen, gut stützende Säure, schöne Fülle, Holzeinsatz im Mund kaum wahrnehmbar, mittlerer Abgang. Schöner, überzeugender Wein! 16,5 Punkte (= sehr gut).

Hier ist es einem Winzer hervorragend gelungen, eine sortenmässig aussergewöhnliche Assemblage perfekt zusammenzustellen und mit einem gekonnten Holzeinsatz noch eine zusätzliche Ebene einzuflechten. Diese Erfahrung zeigt, dass im Weinbau neue Wege erfolgversprechend sind. Und, dass Rotwein aus dem Lavaux eine grosse Zukunft haben. Zudem: Auch das Wortspiel „Cardona aus Chardonne“ tönt doch gut!

Jean-François Neyroud Fonjallaz-Vigneron-Encaveur-Rte du Vignoble 13 CH-1803 Chardonne/Switzerland Phone+41(21) 921 7173


Ich hatte erst kürzlich einen anderen tollen Rotwein aus dem Lavaux beschrieben. Hier wird ein anderer Ansatz der Assemblage gewählt – beide Wege sind spannend und vielversprechend:

Merlot, Syrah, Cabernet Sauvignon = Dézaley? (!) – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Und weil es da eben so schön ist, hier noch ein Bild:

Blick über den untersten Teil von Dézalay auf den Genfersee. Das gelbe Haus rechts ist der Sitz der Domaine Antoine Bovard, über die ich im oben verlinkten Artikel berichtete. Auffallend sind die begrünten Rebflächen – was noch längst nicht im ganzen Lavaux üblich ist.