Sind Weine aus wurzelechten Reben besser? Dieser Barbera regt zum Nachdenken an!

Die Reblaus hat im vorletzten Jahrhundert in Europa zu einer Zäsur im Rebbau geführt. Wenig bekannt ist, dass einzelne Rebanlagen wurzelecht bis heute überlebt haben. So eine kleine Fläche im Piemont, von welcher der „Pre-Phylloxera“ von Elio Cogno stammt – ein grandioser Barbera, der qualitative Fragen zum heute üblichen Aufpfropfen von Reben aufwirft.

Es war ganz grundsätzlich eine spezielle Degustation, welche Divo anfangs März in Zürich durchführte. Gereicht wurden zwölf Weine, die allesamt aus wurzelechten Reben gewonnen wurden. Geleitet wurde die Degustation von José Vouillamoz, dem „Rebsorten-Professor“ (in der Realität trägt er „nur“ den Doktortitel), dem wir dank seiner wissenschaftlichen Arbeiten enorm viel Wissen über die Herkunft und Verwandtschaft von Rebsorten verdanken. Vouillamoz ist heute Vizedirektor bei Divo, und in dieser Eigenschaft verfasste er auch einen Grossteil der im vergangenen Herbst erschienenen Broschüre „Wurzelecht“ von Divo (Link dazu siehe am Schluss des Artikels).

Kleiner Schädling – verheerende Wirkung
Da in dieser Veröffentlichung sehr professionell die Geschichte der Phylloxera, des aus Amerika eingeschleppten Schädlings mit deutschem Namen „Reblaus“, eingegangen wird, an dieser Stelle nur kurz:
Ab Ende der 1860-er Jahre bis anfangs des 20. Jahrhunderts verbreitete sich der Schädling in ganz Europa. Die Reblaus befällt dabei die Blätter; viel schlimmer ist aber ihre Wirkung im Boden, wo sie die Wurzeln der Reben angreift und so innert kurzer Zeit einen ganzen Rebberg vernichten kann. Die Zerstörungen in den europäischen Rebbergen waren in jener Zeit verheerend.
Das Gegenmittel wurde indessen bereits 1874 gefunden. Da die amerikanischen Rebsorten gegen den Schädling immun sind, können die europäischen Sorten auf amerikanische Unterlagen aufgepfropft werden, womit die Reblaus keine Schäden mehr anrichten kann. Aus diesem Grund gibt es heute in Europa keine Reben mehr, welche auf den eigenen, europäischen Unterlagen wachsen.

„Gallische Rebberge“ leisten Widerstand
Keine? Nicht ganz! Es gibt da noch einige wenige „gallische Rebberge“, welche dem Eindringling erfolgreich trotzen. So wurden einige Inseln ganz verschont (die Balearen und Zypern beispielsweise), und es gibt in ganz Europa auch immer wieder kleine Bestände, die unbefallen blieben und bleiben. Der Schlüssel dazu liegt in den Böden, da die Reblaus sich in sandiger Umgebung mit wenig Lehmanteil nicht wohl fühlt.

Bessere Weine aus wurzelchten Rebbergen?
Ob Weine aus wurzelechten Reben besser sind als andere, lässt sich bisher zumindest wissenschaftlich nicht beweisen (dazu bedürfte es einer systematischen Vergleichsanlage über viele Jahre, wozu offenbar das Geld fehlt). Sicher ist indessen, dass durch aus Aufpfropfen von klonalen Reben auf ein paar wenige Typen von Unterlagen die genetische Vielfalt leidet. Vor dem Auftreten der Reblaus war es nämlich üblich, die Reben mittels Stecklingen aus dem Rebberg oder durch Ableger bzw. Vergraben der bestehenden Reben zu verjüngen. Durch diese massale Vermehrung blieb die genetische Vielfalt erhalten.

Zudem kann als absolut sicher angenommen werden, dass die Unterlage der Reben einen grossen Einfluss aus das Gedeihen der Pfanze und damit die Qualität hat. Der Beweis für diese These ist, dass die Wahl der richtigen amerikanischen Unterlage noch heute eine Herausforderung ist, und dass es sogar Fälle gab, in denen eine bestimmte Rebsorte auf einer bekannten Unterlage auf besonderen Böden schlicht nicht gedieh. So gesehen erscheint es logisch, dass auch die „Original-Unterlage“ einen Einfluss auf die Qualität haben muss. Und zumindest abwegig ist es nicht anzunehmen, dass dieser positiv sein könnte.

Blick über die Reblandschaft der Langhe bei Alba (Symbolbild)

Sehr hohes Niveau der „Wurzelechten“
Ausnahmslos alle der zwölf degustierten wurzelechten Weine überzeugten, und auf den einen oder anderen werde ich später noch zurückkommen, zum Beispiel den grandiosen Heida Veritas 2019 der St. Jodern-Kellerei aus dem Wallis. Am allermeisten beeindruckt hat mich aber ein Barbera von Reben, die im Piemont noch vor dem Eintreffen der Reblaus gepflanzt wurden. Es mag sein, dass allein das Wissen um das Alter der Reben eine gewisse wohlwollende Ehrfurcht erzeugte. Allerdings habe ich nach der Degustation eine Flasche nachbestellt und zuhause nochmals genossen, und der Eindruck war wiederum gleich hervorragend. Die Trauben dazu werden aus einer nur 25 Aren kleinen Anlage bei La Morra gewonnen, welche einen sandigen, kalkigen und eisenhaltigen Untergrund aufweisen, was die Reblaus offensichtlich abhält.

Pre-Phylloxera, Barbera d’Alba 2018, Azienda Agricola Cogno
Dunkles, fast undurchdringliches Purpur; in der Nase sehr vielschichtig, würzig (Thymian, Lorbeer), blumig (Glyzine) und fruchtig (Brombeeren, Dörrpflaumen, dunkle Kirschen); im Mund kräftig und druckvoll, gleichzeitig aber enorm elegant und sehr frisch, für einen Barbera viel Tannin, aber von grosser Feinheit; spürbare, aber doch zurückhaltende Säure, trotz hohem Alkoholgehalt (14,5 % vol.) kein bisschen breit oder brandig, der Wein rinnt tänzerisch durch den Gaumen, sehr langer Abgang. Toller, berührender Wein. Macht jetzt schon Spass, hat aber noch viel Reserve! 18 Punkte.

Anzumerken ist noch, dass ich diesen Wein blind kaum als Barbera erkannt hätte. Wenn man mir ihn blind z.B. als Bordeaux vorgesetzt hätte, wäre ich jedenfalls kaum ins Grübeln gekommen. Es mag sein, dass dies am Methusalem-Alter der Rebstöcke liegt oder eben an den wurzelechten Unterlagen. Tatsache ist zudem, dass die Barbera-Reben auf dieser Parzelle genetisch mit den heutigen Stöcken nicht ganz identisch sind.

Barbera d’Alba DOC „Pre-Phylloxera“ – Elvio Cogno

Erhältlich u.a. in Deutschland bei http://www.winecom.de und in der Schweiz bei http://www.divo.ch

Und hier noch der Link auf die hochspannende Broschüre von Divo zu wurzelechten Reben:
Wurzelecht | DIVO

Und wer sich noch mehr für die Arbeiten des José Vouillamoz interessiert, hier zwei Links:
JoseVouillamoz.com – World’s leading authories on origin of grape varieties
Schweizer Rebsorten | Haupt – Online Buchshop


Interessennachweis:
Die Teilnahme an der Degustation sowie auch die nachfolgende Bestellung einer Einzelflasche zur Nachdegustation wurden vom Autor zu normalen Konditionen bezahlt.

Grenache aus 1200 m Höhe. Faszinierend!

Schnell: Wo liegt der höchste Rebberg Europas? Nein, auch wenn es aus Schweizer Sicht schön wäre, eben nicht im Wallis. Da wachsen die Reben auf stolzen 1’150 m, doch in Sizilien, an den Hängen des Ätna, wird diese Höhe noch getoppt, zum Beispiel von alten Grenache-Reben, die auf 1’200 m gedeihen. Und der Wein daraus ist vorzüglich und einzigartig!

Genau genommen halten aber auch diese Reben nicht den Europarekord. In den spanischen Pyrenäen und im Südtirol soll es Reben geben, die auf über 1’300 m gedeihen. Aber eigentlich geht es ja nicht um Rekorde, sondern um Qualität. Und die ist beim heute beschriebenen Wein vom Ätna aussergewöhnlich.

Hong Kong – Los Angeles – Randazzo am Ätna

Sehr speziell ist auch die Geschichte, die hinter diesem Wein steckt. Zwar ist ein grosser Teil der Reben schon jahrzehntealt – 60-100 Jahre. Grenache (bzw. Cannonau) ist am Ätna ohnehin keine seltene Sorte. Aber so richtig spannend wird es ab dem Jahr 2015, als Stef Yim das Gut mit den verstreuten Rebparzellen übernahm. Stef ist Amerikaner mit einer japanischen Mutter und wuchs in Hong Kong auf. In Kalifornien startete er seine Berufskarriere als Sommelier, bevor er eine Pause brauchte und nach Europa zog. Er arbeitete u.a. in Südfrankreich. Die Weine vom Ätna und generell aus vulkanischem Boden hatten ihn aber schon länger in vielen Degustationen begeistert, und so verliebte er sich auch in die Gegend und die vinologischen Möglichkeiten und blieb quasi am Ätna hängen. Er arbeitet biologisch und die Weine werden auf den Wildhefen vergoren und möglichst zurückhaltend geschwefelt.

Der Ätna aus der Perspektive der Weinberge. Tanz mit dem Feuer? (Bild ab Homepage von Sciara)

Bei Sciara werden die meisten Weine nach der Höhenlage bezeichnet, in der sie wachsen. So gibt es einen „760“ (Jahrgang 2020: sehr feine helle Frucht, feine Tannine und toller Säure, sehr elegant, 16,5 Punkte) und einen „980“ (Jahr 2020: dunklere Beeren, würzig, viel Tannin und sehr druckvoll mit viel Eleganz, 17 Punkte). Die beiden Weine werden grossmehrheitlich bzw. ganz aus der Sorte Nerello Mascalese hergestellt und bestechen durch eine eigenständige und sehr elegante Art. Zusätzlich produziert das Gut auch einen Wein aus wurzelechten Reben sowie einen Weisswein.

Tages- und Nachtunterschied: 35 Grad!

Der speziellste Wein (wobei ich die beiden letzten nicht probiert habe) ist aber der „1200 metri“. Das ist aufgrund der Aromen unverkennbar Grenache – aber im Mund würde man niemals auf diese Sorte tippen. Er wirkt wie ein „cool climate-Wein“ und überzeugt durch eine umwerfende Fruchtigkeit und Frische. Cool climate ist freilich hier nicht richtig. Zwar wird es auf dieser Höhe kühl bzw. im Winter kalt – aber in Sizilien wird es eben auch heiss. Es gibt zuweilen Tage in der Vegetation, in denen das Thermometer um 35 Grad schwankt!

1200 metri, 2020, IGT Etna Rosso, Sciara, 100 % Grenache spagnolo (Cannonau)
(kein DOC-Wein, da diese nur bis in eine Höhe von 800 m gilt)
Mittleres Rot; dezent würzig (u.a. Lorbeer und Wacholder), helle und dunkle Frucht, etwas Rhabarber; im Mund ganz anders, als man einen Grenache erwarten würde: eher schlank und sehr elegant, enorm fruchtbetont, extreme Frische, prägnante, aber gut eingebundene Säure, recht viel Tannin. Völlig untypischer, „cooler“, aber interessanter Grenache. Speziell, aber grossartig. 17,5 Punkte.

PS. Für alle mitlesenden Schweizer Weinhändlerinnen und Weinhändler: Sciara hat noch keine Vertretung. Das wäre doch eine Chance auf eine echte Rarität (vom „1200“ gibt es z.B. nur rund 1000 Flaschen)

Und noch ein PS für alle: Man kann auf dem Gut auch übernachten.

Home | mysite (sciaraetna.com)

Und hier ein spannender und ausführlicher Hintergrundartikel:
Stef Yim of Sciara: A Mount Etna Natural Wine Journey from Hong Kong via California (grapecollective.com)


Interessennachweis:
Der Wein wurde auf Einladung von Vinum im Rahmen von „Vini d’Italia von Gambero Rosso“ in Zürich zuerst an der Masterclass-Degustation und danach nochmals am Degustationstisch des Gutes in der „Walk around“-Degustation verkostet.


Dieser Wein zaubert ein Lächeln ins Gesicht!

Blaufränkisch ist schon seit längerer Zeit eine meiner Lieblingssorten. Und wenn ein Wein so gelungen ist wie der Ungerberg 2015 von Pittnauer, dann ist Blaufränkisch einfach umwerfend gut!

„Dieser Wein hat mir nur schon beim Schnuppern ein Lächeln ins Gesicht gezaubert“, das waren die Worte eines Weinfreundes, der zu einer spannenden Blinddegustation geladen hatte – noch bevor bekannt war, um welchen Wein es sich handelt. Das Degustationsformat war ungewöhnlich, aber extrem spannend, da die Weine bunt gemischt nach Herkunft, Sorte und Jahrgang gereicht wurden. Ich wusste nicht, was mich erwartet, aber eine solche wirkliche Blinddegustation ist fordernd und macht, auch wenn ich durchaus Erfolge beim Zuordnen hatte, auch etwas demütig in Bezug auf das eigene Weinwissen ….

Trotz teils auch deutlich teurerer „Konkurrenz“ stach ein Wein aus allen hervor, eben der Ungerberg 2015 des Weingutes Pittnauer aus Gols. Der Wein befindet sich in der ersten Trinkreife und wirkt einfach berührend – eben, zaubert ein Lächeln ins Gesicht!

Bio-dynamisch – und „weniger ist mehr“ im Keller

Gerhard und Brigitte Pittnauer – Mitglieder bei Pannobile – bewirtschaften ihr rund 18 Hektar grosses Gut seit rund 15 Jahren nach bio-dynamischen Grundsätzen und halten sich im Keller so weit wie möglich mit Eingriffen zurück. Der Ungerberg, bekannterweise eine Top-Lage (auch wenn der Ausdruck „Berg“ masslos übertrieben ist), bringt auf perfekte Art Finesse, Druck und Tiefe gleichzeitig – und das bei einem vorbildlich tiefen Alkoholgehalt von nur 12,5 % vol.!

Die Etiketten des Gutes sind künstlerisch gestaltet; den Text zum Ungerberg konnte ich zwar teils entziffern, aber die Bedeutung ist wohl Geheimnis des Künstlers.

Blaufränkisch, Ried Ungerberg, Pittnauer, 2015
Mittleres, schon leicht gereiftes Rubin; sehr feine, vielschichtige, füllige Nase mit roter Frucht, „süssliche“ Anflüge und auch florale Noten; im Mund zuerst sehr feingliedrig und elegant wirkend, dann aber auch mit viel Druck, tolles Tannin, gute Säure, „saftig“, sehr langer Abgang. Toller, berührender Wein. 18 Punkte.
Ich durfte den Rest der Flasche nach Hause nehmen und konnte ihn am Abend zufällig zu einem Schmorbraten geniessen – der Wein wirkte zum Essen noch grossartiger und hielt auch der konzentrierten Sauce problemlos Stand. Ich wäre geneigt gewesen, noch einen halben Punkt in der Bewertung nachzubessern ….

Der Wein ist sogar noch im Handel erhältlich:
Weingut Gerhard Pittnauer Blaufränkisch Ried Ungerberg 2015, Bio, 0,75 l – 9Weine (neunweine.ch)

pittnauer.wine (die Site des Weingutes ist leider noch nicht aktiv, man kann sich aber für einen Newsletter anmelden)

sylvia petz * Agentur für organisierten Genuss – Trophée Gourmet A la Carte für G. & B. Pittnauer (sylvia-petz.at) (ein schönes Kurzportrait des Weingutes)

Und ein anderer herrlicher Ungerberg:

Hier noch ein Link auf einen früheren Beitrag in meinem Blog über einen anderen herausragenden Wein vom Ungerberg – ebenfalls bio-dynamisch! (Dort gibt es auch zwei Bilder vom Ungerberg).
Ungerberg 2012 von Paul Achs: Blaufränkisch vom Feinsten! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)


Interessennachweis:
Der Wein wurde im Rahmen einer privaten Degustation bei einem Weinfreund blind degustiert.

Marokko – auch beim Wein eine tolle Überraschung!

Die Mannschaft Marokkos bringt die Fussballwelt gerade zum Staunen. Ein Syrah aus Marokko brachte mich während des Fussballspiels auch dazu. Selbst, wenn er eher an Radfahren erinnert!

Seit einigen Monaten stand im Keller eine Flasche Syrah aus Marokko, die ich gekauft hatte, um wieder einmal einen „exotischen“ Wein zu probieren. Das gestrige Menu mit einem Lammfilet passte dann sehr gut dazu, aber noch mehr natürlich das anstehende Fussballspiel an der WM.

Fast 100-jähriges Weingut

Ouled Thaleb ist das älteste noch existierende Weingut Marokkos, das 1923 gegründet wurde und 1927 die erste Ernte einfuhr. Es befindet sich in Ben Silmane, nordöstlich von Casablanca und etwa 40 Kilometer vom Atlantik entfernt auf rund 500 m.ü.M. Der Betrieb wurde während der Kolonialzeit nicht etwa von Fanzosen, sondern von einer belgischen Firma gegründet. Heute gehörte es der Gruppe Thalvin-Ebertec bzw. der Diana-Holding, welche u.a. in der Speiseöl- und Fischindustrie und eben auch im Weinbau tätig ist und unter anderem 7 verschiedene Weingüter in Marokko besitzt.

Ouled Thaleb ist ein vergleichsweise riesiges Gut, rund 800 Hektar stehen heute unter Reben. Es ist damit der zweitgrösste Betrieb in Marokko. Man wundert sich überhaupt über die Ausmasse – das grösste Gut umfasst 2’500 Hektar – und das in einem muslimischen Land.

Hermitage lässt grüssen – und die Radfahrer auch

Dass der Wein auf der Etikette des Syrah ein Tandem zeigt und auch so heisst, kommt nicht von ungefähr. Tandem entstand aus der Begegnung zwischen Jacques Poulain, einem Oenologen aus Bordeaux, der das Gut seit 1997 führt, und Alain Graillot , einem Winzer aus Crozes Hermitage. Dieser hatte sein Gut seinen Söhnen überlassen, um sich als beratender Oenologe zu betätigen. So verwundert es nicht, dass der Syrah aus Marokko durchaus an Weine von der Rhone erinnert. Gemäss Etikette lernten sich die beiden übrigens auf einer Radtour kennen; der Name des Weines spielt also darauf an.

Trau keinen Angaben im Netz

Alle diese Aussagen basieren allein auf Online-Recherchen, und da kam dann doch auch einiges an Unklarheit zusammen. Trauen Sie also den Angaben nicht zu sehr. Denn was da alles zu lesen ist, ist an Differenz fast nicht zu überbieten. Gesichert ist, wie auch auf der Etikette vermerkt, dass Alain Graillot an diesem Wein beteiligt ist. Dann aber beginnt es schon – gemäss Etikette begegnete er radfahrenderweise dem Besitzer von Thalvin bzw. Ouled Thaleb. Das Ganze gehört aber offensichtlich zur Diana-Holding, wie aus deren Homepage zu ersehen ist. Weiter geht es damit, dass die Angaben von internationalen Weinhändlern über die Grösse der Domaine von 200 bis 800 Hektar variieren. Und auch die Bewirtschaftung wird unterschiedlich beschrieben, bei den einen handelt es sich um einen Biobetrieb, bei anderen wird „konventionell“ gearbeitet (die Wahrheit dürfte sein, dass der Betrieb sich in Umstellung befindet). Und die Böden von Ouled Thaleb werden einerseits als „wie im Médoc“ beschrieben, andererseits „wie in Crozes Hermitage“. Und einige sehen das Gut quasi direkt am Meer, andere im hohen Altlas – hier liegt die Realität etwa in der Mitte.

Egal – den Wein kann man sehr geniessen

Sicherheit könnte da wohl nur eine Recherche vor Ort geben, aber eine solche Reise steht gerade nicht an. Aber egal, die Qualität des Weines ist jedenfalls sehr gut, es ist erstaunlich, wie auf diesem Breitengrad ein so frischer und eleganter Syrah gedeihen kann.

Ich hätte ja auch noch ein paar Flaschen portugisischen Weins im Keller gehabt, aber dieser Syrah aus Marokko traf genau das Momentum – wie die Fussballer des Landes. Er verteidigte sich auch sehr erfolgreich gegen gebratenen Knoblauch und Rosmarin und verdient sich damit die Qualifikation für einen Blogbeitrag absolut.

Es gibt sicher noch bessere Mannschaften (sorry, Weine) auf dieser Welt, aber für den Moment macht der Tandem einfach total Spass.

Degustationsnotiz Domaine Ouled Thaleb, Syrah „Tandem“ 2019
Mittleres Purpur; Duft nach Brombeeren, Pflaumen und getrockneten Zwetschgen, weissem Pfeffer und Thymian; im Mund erstaunlich frisch, mit knackiger, gut eingebundener Säure, viel feines Tannin, „saftig“ und fruchtig, eher auf der eleganten Seite, mittlerer Abgang. Richtig schöner Wein, der tatsächlich als Crozes Hermitage durchginge. Jetzt toll zu trinken, dürfte aber auch noch ein paar Jahre reifen können. 16,5 Punkte.

Bezugsquelle CH, allerdings mit Nachfolgejahrgang (in D habe ich leider keinen Anbieter gefunden):

Tandem Syrah 2020 75.0 cl kaufen bei Schubi Wein


Interessennachweis: Der Wein wurde im Handel gekauft.

Dem Tod von der Baggerschaufel gesprungen!

Der älteste in der Schweiz angebaute Pinot noir heisst heute Servagnin – und wäre, trotz 600 Jahren Geschichte, beinahe ausgestorben. Zum Glück blieb er uns erhalten. Hier die abenteuerliche Geschichte und ein toller Wein!

Um als unsichere Legende abgetan zu werden, sind die Geschehnisse noch zu jung. Dennoch sind bereits verschiedene, allerdings im Kern ähnliche Varianten im Umlauf. Besonders gut gefällt mir jene von Vinum (9/22) und die geht so: Der Salvagnin (bzw. Servagnin, siehe dazu später) galt im vorigen Jahrhundert als unzeitgemäss und kapriziös, also wurde er nach und nach durch andere Sorten bzw. Klone ersetzt. Als die letzte Rebfläche gerodet wurde, war das dem Baggerfahrer dann doch zu viel des Frevels. Also nahm er ein paar Stöcke nach Hause und pflanzte sie in seinem Garten. Dort überlebten je nach Quelle einer oder einige Stöcke, und aus diesen bzw. diesem gewann 1963 der Winzer Pierre-Alain Tardy die ersten Zweige, um die Sorte wieder neu zu lancieren.

Pinot aus dem Privatgarten

Als gesichert gilt jedenfalls, dass der Gartenbesitzer Werner Kaiser hiess und tatsächlich bei einem Bauunternehmen arbeitete. Da auch die Rodung der letzten Parzelle mit Salvagnin/Servagnin als wissentlicher Akt dargestellt wird, kann als sicher angenommen werden, dass es sich beim Rettungsversuch für die Sorte um eine bewusste Handlung des Werner Kaiser handelte. Er war sich denn später auch sicher, Pierre-Alain Tardy tatsächlich die von ihm gesuchte Sorte zur Verfügung stellen zu können.

Inzwischen bauen wieder 20 Winzer die Sorte auf rund sieben Hektar rund um Morges an, und die Qualitäten des fast ausgestorbenen Salvagnin/Servagnin werden heute wieder hoch geschätzt. Wenn man etwas weiter in der Geschichte zurückblättert, ist das auch gar nicht so verwunderlich:

Pest- oder Wirtschaftsflüchtende?

In die Schweiz gebracht, genauer nach Saint-Prex bei Morges, wurde die Sorte im Jahr 1420 durch Marie de Bourgogne, die Gemahlin eines Herzogs von Sayoyen. Je nach Quelle flüchtete sie vor der Pest – oder aber aus finanziellen Gründen. Jedenfalls wurde sie am Genfersee gut aufgenommen und als Dank für die Gastfreundschaft liess sei einige Setzlinge des Salvagnin aus dem Burgund nach Morges kommen. Salvagnin ist eine alte Bezeichnung für den Pinot noir – und damit gilt als gesichert, dass die Region Morges die erste in der (späteren) Schweiz war, in der Pinot noir angepflanzt wurde.

Die „Côte“ und der Genfersee vom Signal de Bougy aus gesehen. (St. Prex und Morges befinden sich links ausserhalb des Fotos)

Nun gilt es noch die Namensgebung aufzulösen: Die Rebe fand unter dem Namen Salvagnin de Morges oder Salvagnin de Saint-Prex, aber auch als Pinot Salvagnin und als Servagnin Verbreitung – bis zum Niedergang in den vorigen zwei Jahrhunderten. Nach der „Wiedergeburt“, welche gegen Ende des letzten Jahrhunderts speziell durch Raoul Cruchon (Domaine Henri Cruchon, Morges, heute einer der Top-Betriebe der Region) vorangetrieben wurde, konnte er nicht unter dem ursprünglich am meisten verwendeten Namen „Salvagnin“ auf dem Markt gebracht werden. Dieser Name wird nämlich inzwischen als Gattungsbezeichnung für einen in der Regel eher einfachen Wein aus dem Waadtland genutzt, welcher – als Pendant zum Dôle im Wallis – meist aus einer Mischung von Pinot noir und Gamay oder auch nur aus Pinot besteht. Mit etwas Graben im Archiv wurde aber schliesslich auch die frühere Bezeichnung Servagnin gefunden, und so heisst heute eben ein Salvagnin de Morges oder de Saint-Prex neu „Servagnin“.

Kürzlich bin ich im Keller auf eine jener „irgendwann zu Degustieren“-Flaschen gestossen, welche oft eher enttäuschen, hin und wieder aber auch ein echtes Highlight darstellen. Und beim Servagnin von Perey vins war es definitiv „hin und wieder“. Welch wunderschöner Pinot (sorry, Servagnin)!

Perey vignerons-encaveurs, sind eigentlich zwei Güter, die Domaine de la Balle in Vufflens-le-Château, und die Domaine des Abesses in Echandes, die allerdings nur etwa drei Kilometer auseinander domiziliert sind. Zusammen ergeben sich so rund 10,5 Hektar Reben. Der Servagnin wird aus Trauben beider Güter komponiert.

Die Etiketten erscheinen übrigens für alle Servagnin gleich, nur der Zusatz unterhalb gibt den Hinweis auf den jeweiligen Produzenten. Das ist meines Erachtens sehr gutes Marketing – wer sagt denn, Winzer könnten nicht gemeinsam etwas Tolles schaffen!?

Servagnin, Morges Crand Cru, 2019, Perey
Relativ dunkles Rot; eher verhaltene, aber sehr vielschichtige Nase mit fruchtigen Noten von Johannis- und Himbeeren, würzige Anflüge, aber auch Noten von Dörrpflaumen. Im Mund ausgesprochen dicht, schöne, feine Tannine, angepasste Säure, „saftig“ und mundfüllend, trotz Kraft auch mit einer gewissen Eleganz, langer Abgang. Würde man blind vielleicht durch seine Fülle nicht gleich als Pinot einschätzen, aber ein sehr schöner, erfreulicher Wein. 16,5 Punkte.

Accueil | Perey Vignerons-Encaveurs | Vufflens-le-Château | Vins vaudois la Côte (vins-perey.ch)

Es gibt auch die Möglichkeit, einen Degustationskarton mit Servagnin’s zu bestellen, allerdings weiss man nicht, welche Güter im Karton vertreten sind. Zum Kennenlernen ist das aber sicher eine sehr gute Möglichkeit:

Coffrets autour du Servagnin – Vins de Morges


Interessennachweis: Der Wein wurde im vorigen Jahr durch die Organisation „Vins de Morges“ im Rahmen der Lancierung des Projektes „Winify“ zu Degustationszwecken gratis zur Verfügung gestellt.

Das Projekt „Winify“ liess mich persönlich – auch augrund fehlender Informationen zum Zusammenspiel von Wein und Musik – etwas ratlos. Die Idee an sich finde ich cool, aber ich würde halt schon gerne wissen, weshalb jetzt gerade die ausgewählte Musik zum Wein besonders passen soll bzw., was sich der/die Person gedacht hat, als sie die Playlist zusammenstellte.

Sie können es aber gerne persönlich nachprobieren, hören kann man auch ohne Wein zu bestellen: WINIFY – Vins de Morges

Und übrigens: Im Paket zu Winify enthalten war auch ein Flasche Chasselas von der Domaine des Vaugues (Les Ecoussons 2020) in Chigny. Auch dieser Wein hat mich qualitativ überzeugt. Die Region westlich von Lausanne ist eine Entdeckung wert!

Ein herrlicher Riesling vom Schweizer Weingut des Jahres.

Vorgestern wurde das Weingut „Cave du Rhodan – Mounir Weine“ aus Salgesch zum Schweizer Weingut des Jahres 2022 gekürt. Das ist für Kenner natürlich keine Überraschung und hochverdient. Mir gibt es den perfekten Anlass, über einen schon vor einigen Monaten degustierten (Rhein-)Riesling des Gutes zu berichten, der den Vertretern vom Rhein das (Rhone-)Wasser absolut reichen kann.

Cave du Rhodan ist wohl jenes Weingut, über das ich schon am meisten geschrieben habe (Links siehe am Schluss des Artikels). Im Frühjahr konnte ich einen Riesling des Gutes probieren, dessen Qualität mich begeisterte. Die Degustationsnotizen liegen seither herum, ich habe sie bisher noch nicht gepostet, weil ich ja nicht immer „nur“ über die gleichen Produzenten schreiben will.

Dass das Weingut von Sandra und Olivier Mounir nun aber am Grand Prix des Vins Suisse, einem von Vinum und Vinea gemeinsam durchgeführten hochkarätigen Wettbewerb, zum „Weingut des Jahres 2022“ erkoren wurde, gibt sicher den perfekten Anlass, über den Riesling zu berichten, Denn die Qualität hat es in sich.

Riesling von der Rhone? Aber klar!

Riesling gehört an den Rhein und seine Nebenflüsse! Allenfalls noch an die Donau in Oesterreich. Aber an die Rhone? So abwegig ist das aber gar nicht, denn im Wallis gedeiht, klug angesetzt, bearbeitet und vinifiziert, ja fast das ganze Konzert der bekannten Rebsorten. Und das Gut Desfayes-Crettenand hat schon vor über drei Jahrzehnten gezeigt, dass man im Wallis sehr wohl honorigen Riesling produzieren kann.

Symbolbild: Walliser Weinlandschaft zwischen Salgesch und Sierre. Aufgenommen übrigens an der Rue de la Petite Arvine, unweit der Gemeindegrenze!

Die Reben für den Riesling „Diversitas“ wurden erst 2015 gepfanzt und werden biologisch bewirtschaftet. Ausgebaut wird der Wein je zu einem Drittel im Holzfass, in der Amphore und im Stahltank. Ich habe für die Degustation bewusst einen deutschen Rielsing des gleichen Jahrgangs aus dem Keller geholt. Die Wahl fiel auf den „Tonschiefer“ 2019 von Dönhoff. Dieser ist zwar nicht die alleroberste Klasse dieses Spitzenweingutes, aber ist immer ausgesprochen gelungen und stellte schon mal eine richtige Hürde dar.

Rhone vs. Nahe: 1 : 1 (oder 35 : 34,5)

Das Resultat dieses Vergleichs: Der Diversitas von der Rhone obsiegt klar! Natürlich hinken solche Vergleiche immer ein wenig, voeliegend um so mehr, als die Stilistik doch ziemlich verschieden ausfällt. Trotzden: Der Tonschiefer ist ein wunderschöner Wein, aber der Diversitas ist dichter und vielschichtiger.

Entsprechend wurde die Latte danach deutlich höher gelegt. Als Vergleich diente nun ein Grosses Gewächs aus dem Jahr 2018 (also ein Jahr gereifter als der Diversitas), der Goldloch von Diel. Wie schon bei Dönhoff bekam es die Cave du Rhodan also wieder mit einem der ganz grossen Namen zu tun.

Nun, in diesem Vergleich behielt Deutschland ganz knapp die Oberhand. Allerdings braucht sich der Diversitas selbst hier nicht zu verstecken, letzlich waren es Nuancen, welche in meiner Wertung den Ausschlag für Diel gaben. Auch in diesem Vergleich bringt der Diversitas mehr Dichte und Konzentration mit, aber das Grosse Gewächs von Diel war eine Spur finessreicher, komplexer, eleganter und wohl halt auch „Riesling-typischer“. Der Goldloch 2018 ist ein absolut grossartiges Gewächs (96 Punkte James Suckling), und wenn da ein – noch dazu günstigerer – Wein aus dem Wallis praktisch mithält, dann gibt es nur eines: Chapeau, Sandra und Olivier Mounir. Und herzliche Gratulation zu diesem Riesling und natürlich zum Schweizer Weingut des Jahres!

Die Degustationsnotizen:

Riesling Diversitas 2019, Caves du Rhodan
Helles Gelb, dezente, aber sehr vielschichtige Nase, Stachelbeere, neckische Anfüge von Ananas und Lychee, auch etwas grüne Noten, etwas Muskat; im Mund mit aussergewöhnlicher Frische, mineralisch, sehr dicht gewobener Körper, „saftg“, schön angepasste Söure, ganz leicht spürbares Holz, das aber sehr gut eingebunden ist, den relativ hohen Alkoholgehalt (13,5 %) spürt man überhaupt nicht. Langer Abgang. Eigenständiger aber nicht untypischer Riesling, toll gemacht! 17,5 Punkte.

Tonschiefer 2019, Dönhoff
Helles Gelb; gradlinie Nase, zuerst mit etwas Petrol, mit etwas Luft dann weisse Johannisbeeren, Stachelbeeren und Fliederduft; im Mund recht dicht mit enormer Fruchtigkeit und einem Touch von Fruchtsüsse, prägnante, aber schöne Säure. Mittlerer Abgang. Schöner, erfreulicher Wein. 16,5 Punkte.

Dorsheim Goldloch 2018, GG, Schlossgut Diel
Mittleres Gelb mit grünen Reflexen; feine Nase mit Stachelbeere, Aprikose und weissem Pfirsich, würzige Noten; im Mund mieralisch, dicht, finessereich und fruchtig, mundfüllend aber trotzdem nicht langweilig „rund“ wirkend, langer Abgang. Grossartiger Wein, 18 Punkte.

Link zum Weingut:
Walliser Weine aus Salgesch direkt beim Winzer kaufen | Cave du Rhodan

Und zum Grand Prix du Vin Suisse 2022:
https://www.vinum.eu/fileadmin/user_upload/Awards/GPVS/GPVS_2022/GPVS_2022_Pressemitteilung_Die_Gewinner_und_alle_Resultate.pdf

Hier die Links auf frühere Artikel:
Handeln statt jammern! Cave du Rhodan ist erneut innovativ. Und ein toller Pinot dazu. – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
Domaine Trong der Cave du Rhodan: (bio-)dynamisch an die Spitze! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
Corona macht erfinderisch: spannende Online-Degustationen zum Mitmachen! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
Walliser Weine: Spitzenklasse! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)


Interessennachweis:
Der Diversitas der Cave du Rhodan wurde mir als Dankesgeste nach meinem Artikel über den Pinot noir zusammen mit einer Flasche jenes Weines ohne jede Verpflichtung zugestellt. Die beiden deutschen Rieslinge wurden im Handel gekauft.

Bündner Herrschaft: geniale «Garagen-Weine» aus dem Profikeller.

Auch in einem eigentlich kleinräumigen, übersichtlichen Gebiet wie der Bündner Herrschaft kann man noch Unbekanntes entdecken. Und der Newcomer Fadri Itin etabliert sich qualitativ gleich in der Spitze.

Wunderbarer Wein aus herrlicher Gegend, die Bündner Herrschaft zwischen Maienfeld und Fläsch. (Symbolbild ohne direkten Bezug zum Winzer)

Wenn man Neues entdecken will, hält man sich am besten an Freunde und Bekannte in der entsprechenden Gegend. Oder an Sommeliers und Restaurantinhaber. Oder an Weinfreaks, die schon alles wissen. Und in der neuen Zeit genügt es manchmal auch, sich auf die Algorithmen der Social Media zu verlassen. Kürzlich erschien auf Instagram ein Beitrag eines Fadri Itin, der Wein präsentierte. Nach etwas Recherche bestellte ich je eine Flasche Chardonnay und Pinot noir – und war rundum begeistert. So macht Neues entdecken total Spass!

Fadri Itin an der Arbeit (Bild mit freundlicher Genehmigung ab seiner Homepage)

Aber der Reihe nach: Man sagt, dass hinter jeder Leistung eines erfolgreichen Mannes eine starke Frau steht. In Fadri’s Fall sind es eigentlich gleich zwei. Denn Winzer werden, das wäre ihm gar nicht in den Sinn gekommen – wie auch, wenn man in Trin bei Flims aufwächst, wo es Weiden und Steine, aber keine Reben gibt. Seine Mutter fand aber während der Berufswahl, «schnuppere doch mal bei einem Winzer». Obwohl seine erste Schnupperlehre – im Kanton Zürich! – ihn nicht begeisterte, folgten zwei weitere bei Hanspeter Lampert und Andrea Davaz, und danach war seine Berufswahl klar. Seine Lehre absolvierte er dann auch in diesen beiden Betrieben, womit eine qualitativ sehr gute Grundlage gelegt wurde. Allerdings hatte er da bereits Auslanderfahrung, er verbrachte vor der Lehre einige Zeit in Neuseeland und konnte da bei einem «kleinen» Betrieb mit 10 Hektar Reben mithelfen und erste Erfahrungen sammeln. Nach dieser Stage war für ihn erst recht klar, dass er den richtigen Beruf lernen würde.

Heute arbeitet Fadri Itin auf Schloss Salenegg in Maienfeld, gemäss Organigramm auf der Homepage als Winzer, gemäss Fadri aber auch als Helfer im Keller. Schloss Salenegg ist eine Referenz in der Herrschaft. Das Gut produzierte schon vor Jahrzehnten hervorragende Weine, welche sich vom damaligen schmalbrüstigen Einheitsbrei der Gegend wohltuend abhoben. Meiner Meinung nach hat das Gut dann aber einige Jahre ein wenig den Anschluss verpasst, plötzlich spielten Donatsch, Gantenbein, Studach und Co, die erste und bessere Geige. Inzwischen hat Schloss Salenegg aber nachgezogen und gehört wieder zu den qualitativ wichtigsten Adressen in der Herrschaft. Hier arbeiten zu können, ist also durchaus schon ein Privileg. (Und die Weine des Gutes probieren zu können übrigens auch!).

Schloss Salenegg in Maienfeld – das Wirkungsfeld von Fadri Itin. Die Weine des Gutes sind hervorragend und mehr als eine (Wieder-)Entdeckung wert.

Mit der Besitzerin von Schloss Salenegg, Helene von Gugelberg, kommt nun die zweite wichtige Frau ins Spiel. Fadri ist augenscheinlich voller Kraft und ehrgeizig, weshalb er auch seinen eigenen Wein herstellen wollte. Auf seine Bitte, etwas von den von ihm gepflegten Trauben von Schloss Salenegg kaufen zu dürfen, reagierte Helene von Gugelberg positiv. Und damit Fadri seine Barriques nicht in einer Garage aufstellen muss, darf er auch gleich noch den Keller des Weinschlosses mitbenutzen.

Der Jahrgang 2020 war sein Erstling, inzwischen gärt aber bereits der 2022-er. Auch wenn er auf Salenegg vinifizieren darf – seinen Wein macht er allein und so, wie er es gut findet. Wenn es um die Weine von Salenegg geht, ist der Kellermeister und Betriebsleiter Silas Hörler sein Chef, der befiehlt und entscheidet, bei seinen eigenen lässt er sich aber nicht dreinreden. Immerhin, fachlicher Austausch unter den beiden findet trotzdem statt, so holte Fadri sich u.a. bei Silas Rat als es darum ging, die besten Barriques anzuschaffen.

So gut, wie Fadris Weine gelungen sind, ist nicht auszuschliessen, dass sie in einer Blinddegustation einmal gar besser abschneiden könnten als jene von Schloss Salenegg. Auf die Frage, wie dann wohl der Kellermeister des Schlosses reagieren würde, sagt Fadri: «Ich weiss es natürlich nicht, aber ich denke er würde sagen, gut gemacht!» Die menschliche Chemie scheint auf Salenegg zu stimmen.

Allerdings dürften die Gelegenheiten zu Blinddegustationen ohnehin begrenzt sein. Fadri Itin ist sich bewusst, dass er nicht ständig bei Frau von Gugelberg stehen und um noch mehr Menge bitten kann. Und anderweitig Trauben oder gar Rebland in der Herrschaft zu erhalten, ist sehr schwierig. So ist Fadris Ziel, jedes Jahr je drei Barriques Chardonnay und Pinot noir herstellen zu können, was rund 900 Flaschen pro Sorte ergibt.

Die Weine des Fadri Itin werden also in einer Gegend der raren Weine wohl immer eine Super-Rarität bleiben. Trotzdem muss man als Neuling den Wein ja auch zuerst einmal verkaufen können. Zwar fragte er anfangs in einem ihm bekannten Restaurant erfolgreich nach, ob seine Weine ins Sortiment aufgenommen würden. Dann aber ging alles fast wie von selbst, und inzwischen verfügt Fadri von den aktuellen Jahrgängen (2020 bzw. 2021) nur noch über je rund 100 Flaschen. Wer also noch probieren will, muss sich beeilen!

Cool gemacht: Profil und Fingerabdruck kombiniert.

Fadri verfügt auch über eine professionell gestaltete, wenn auch informationsmässig noch etwas karge Homepage mit Webshop. Überhaupt ist der Auftritt sehr professionell und selbstbewusst. Die Etiketten zeigen sein Konterfei – in der Form eines Fingerabdruckes gestaltet-, als wollte er sagen: «Da bin ich, dafür signiere ich». Auch wenn das sehr selbstbewusst daher kommt, überheblich wirkt Fadri im Gespräch überhaupt nicht, eher bescheiden und geerdet.

Aber es war ihm wichtig, das Produkt und das Marketing hochwertig auszugestalten: «Wenn ich schon so etwas mache, dann richtig, und ich will mich auch optisch freuen können, wenn eine meiner Flaschen auf dem Tisch steht.“

Die Flasche überzeugt aber nicht nur optisch, sondern und vor allem auch durch ihren Inhalt. Es sind beides grossartige Weine, die auch einen eigenständigen Stil aufweisen und sich meiner Wahrnehmung nach eher an Burgund als an anderen Herrschäftlern orientieren.

Auf jeden Fall war da ein junger Mann am Werk, der augenscheinlich über enorm viel Feingefühl und Können in der Weinbereitung verfügt. Diese Raritäten muss man einfach weiterverfolgen!

Degustationsnotizen:

Polischet, Chardonnay Maienfeld, 2021

Helles Gelb ; in der Nase vielschichtig fruchtbetont (u.a. Aprikose, Lychee), auch würzige Anflüge, «mineralisch», spürbares neues Holz; im Mund tolle Frische, schöne Säure, eher filigran aber mit spürbarem Fruchtextrakt im Abgang, feine Tanninspuren spürbar, das Holz ist im Mund sehr gut eingebunden; langer Abgang. Rundum gelungener, toller Wein. (Wenn man, allerdings auf extrem hohem Niveau, etwas kritisieren wollte, dann vielleicht die ausgeprägte Frucht»süsse», die in einem sonst sehr «nördlichen Chardonnay» etwas an einen südlichen erinnert). 17-17,5 Punkte.

Sgraflin, Pinot noir Maienfeld, 2020

Mittleres, glänzendes Rot ; sowohl helle als auch dunkle Beerenaromen, etwas Gewürznelken; im Mund dicht und rund, viel Tannin, das aber sehr gut eingebunden ist, mittlere, harmonische Säure, ganz leichter, sehr schöner Bittertouch, fruchtbetont, burgundisches «Feuer» im sehr langen Abgang. Ein Wurf von einem Pinot, erinnert mich an einen Volnay, wobei es durchaus ein 1er-Cru sein könnte! 18 Punkte.

«Sgraflin» und «Politschet», Mauerläufer und Zaunkönig in romanisch, Fadris Muttersprache. Die Weinnamen stellen eine Hommage an seinen Arbeitsweg in der Lehrzeit dar, auf dem ihn das Vogelgezwischter jeweils begleitete.

FadriItin-Wein.ch

Schloss Salenegg Maienfeld: Weingut und Essigmanufaktur (schloss-salenegg.ch)


Interessennachweis: Die beiden Weine wurden vom Autor zu normalen Konditionen gekauft und degustiert/genossen. Das Gespräch mit Fadri Itin fand erst anschliessend statt.

Refosco von Castello di Buttrio: Toller Botschafter für das Friaul.

Das Friaul ist eine jener Weingegenden, die chronisch unterschätzt werden. Das Gebiet im Nordosten Italiens hat aber ganz viel zu bieten, vor allem auch hervorragende autochthone Sorten.

Mit rund 20’000 Hektar Fläche ist das Friaul zwar ein recht grosses Weinbaugebiet, bekannt sind die Weine hierzulande aber nicht besonders (zum Vergleich: Die Pfalz weist eine um rund 1’000 Hektar höhere Fläche auf, die bestockte Fläche im Wallis ist rund viermal kleiner). Am ehesten noch finden sich Pinot Grigio in den Gestellen hiesiger Weinhändler, oder dann andere internationale Sorten wie Sauvignon Blanc und Merlot, wobei letzterer in dieser Ecke Italiens schon seit rund 170 Jahren kultiviert wird.

Tolle Landschaft gleich hinter dem Castello: friulanische Weingärten mit Blick auf Udine und die Alpen.

So richtig entdeckenswert sind aber die wirklich einheimischen Sorten wie die Ribolla Gialla und Friulano (weiss), die Schiopettino und die Pignolo (rot) oder eben die Refosco (mit vollem Namen „Refosco dal Peduncolo Rosso“). Die meisten dieser Sorten lassen sich im Friaul bis ins 13. bzw. 14. Jahrhundert zurückverfolgen und sind, abgesehen von Pflanzungen im direkt angrenzenden Gebiet von Goriska Brda in Slowenien, autochthon.

Wir genossen kürzlich ein paar Tage Ferien auf dem Castello di Buttrio, welches nicht nur einen Weinbaubetrieb, sondern auch ein Hotel und eine Osteria betreibt (beide sehr empfehlenswert, wenn auch nicht gerade billig). So hatte ich die Möglichkeit, die meisten Weine des Gutes in Ruhe zu probieren, sei es zum Apéro oder zum Nachtessen. Spätestens am zweiten Abend, nach dem Genuss einer Flasche Refosco dal Peduncolo rosso 2018 war auch klar, dass ich über das Gut schreiben würde.

Ein Paradestück des Gutes: Das „Amphitheater“ direkt neben dem Castello.

Mit diesem Wein schloss sich für mich persönlich auch ein wenig ein Kreis. Meinen ersten Schluck Refosco genoss ich vor über 30 Jahren an einer Einkaufsdegustation bei Divo, und der Wein „elektrisierte“ mich: etwas wild, aber ungemein spannend und enorm ausdrucksstark! Und jener Wein stammte aus Buttrio, von Girolamo Dorigo, der damals als Nebenerwerbswinzer Massstäbe setzte (und dessen Gut heute von Sohn Alessio geführt wird).

Zurück zu den Weinen des Castello: Das Sortiment weist ein hohes und gleichmässiges Qualitätsniveau auf. Bei etwas näherer Betrachtung wurde dann auch klar, weshalb. Die Eigentümerin des Castello ist Alessandra Felluga, und sie ist die Tochter von Marco Felluga, einer Legende des Weinbaus im Friaul. Nebst seinen Betrieben Azienda Marco Felluga und Russiz Superiore kaufte er 1994 auch das damals heruntergekommende Castello di Buttrio (das inzwischen sehr stilvoll restauriert wurde). Seit 2007 führt Tochter Alessandra das Gut (während für die beiden anderen Betriebe heute Marco’s Enkelin Ilaria verantwortlich ist, da Sohn Roberto im letzten Jahr viel zu früh verstarb). Der Rebbauzweig des Castello di Buttrio ist heute 26 Hektar gross.

Refosco dal Puduncolo Rosso 2018, Castello di Buttrio (DOC Friuli Colli Orientali)
Dunkles Purpur; dunkle Frucht nach Brombeer und Dörrzwetschgen, Tabak, würzige Anflüge von Korianderfrucht; im Mund mineralisch-frisch, kräftige Tannine und angepasste Säure, Alkohol kaum spürbar. Wirkt im Mund enorm präsent, stürmisch-kraftvoll und trotzdem ausgewogen. Charakterwein der tollen Art. 17 Punkte.

Und hier noch ein paar Hinweise auf weiter schöne Weine des Gutes (aus der Erinnerung und ohne spezielle Degustationsnotiz, ich hatte schliesslich Ferien vor Ort …):

Ribolla Gialla:
Sehr verhalten, aber tolle, dichte Struktur mit stützender Säure und viel Mineralik. Dürfte in 1-2 Jahren noch zulegen. 16,5 Punkte.

Sauvignon blanc:
Enorm fruchtiger Wein, ohne irgendwelche exotischen Exzesse, schöner Trinkfluss; sehr sortentypisch. 16 Punkte

Friulano:
Schöne Frucht, im Mund ausgeprägt mineralisch und fast ein wenig asketisch. Nicht jedermann’s Sache, meine schon. 16,5 Punkte.

Chardonnay:
Aus dem Stahltank, aber lange auf der Feinhefe gelagert. Enorm fruchtbetont (u.a. mit Ananas, aber ohne exotisch zu wirken), sehr dicht, rund, schöne Säure. Toller Chardonnay; Man könnte sich diesen Wein auch gut vorstellen, wenn er in der Barrique gewesen wäre. 16,5 Punkte.

Ebenfalls gut sind der Pinot Grigio und der Merlot, wobei es hier spannendere Weine gibt. Nicht degustiert habe ich die Riservas des Hauses.

Homepage | Castello di Buttrio

Das Castello aus der Ebene. Tolles Anwesen. Leider beginnt gleich links des Fotos die Industriezone, die man optisch besser ausblendet, wenn man hier logiert und geniesst.

Hier noch Links auf frühere Beiträge zum Friaul und zu Slowenien:
Viva l’Italia! Pignolo – aber kein bisschen kleinlich! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
Brda in Slowenien: Sollte man sich merken! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)


Interessennachweis:
Alle Weine wurden zu normalen Konditionen vor Ort bestellt und bezahlt.

Grillo und Italien? Wenn es um Wein geht, kann das grossartig sein! 50 Anni Grillo von Massimo Maggio.

Wer heute Grillo hört, denkt vielleicht als erstes an die verkachelte italienische Politik. Es mag tröstlich sein: Politiker kommen und gehen, Reben bleiben, auch wenn sie Hochs und Tiefs erleben.

Der vorstehende Lead stammt aus einer Weinbeschreibung von Delinat zum „50 Anni Grillo“ von Massimo Maggio, dem Wein, um den es in diesem Beitrag geht. Dieser Weisswein aus der fast nur in Sizilien vorkommenden Traubensorte Grillo hat mich begeistert.

Ganz grundsätzlich beobachte ich Delinat und dessen Weine praktisch seit es die Firma gibt, also bereits Jahrzehnte. Und eigentlich gibt es keine sympathischere Weinhandlung, denn hier geht es nicht einfach um Weinhandel, sondern vor allem auch um biologischen Anbau und seit einiger Zeit ganz besonders auch um Nachhaltigkeit und Biodiversität. Das Gut von Massimo Maggio ist beispielsweise mit 3 „Schnecken“ ausgezeichnet, was bedeutet, dass es nicht nur die Richtlinien von Delinat zum biologischen Landbau und zur ökologischen Vielfalt einhalten muss, sondern auch 100 % des Energieverbrauchs aus regenerierbaren Quellen bezieht.

So gesehen, erfüllt eigentlich jeder Delinat-Wein die Prämisse meines Weinblogs: „alles ausser gewöhnlich“. Und Delinat verfügt auch über viele Weine, die rundum begeistern. Einige habe ich hier schon früher schon mal beschrieben:

Roches d’Aric: reinste biologische Medizin! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
Extrem lehrreich: „single variedad Rioja“ – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Ich verschweige allerdings auch nicht, dass mich degustativ längst nicht alle Weine von Delinat begeistern (auch wenn alle immer mindestens korrekt sind). Das liegt teilweise daran, dass viele Weine bewusst keine grossen Gewächse sind, dafür sehr preiswert und – im Gegensatz zu den Anfängen der Bioweine – in jedem Fall sauber und süffig. Das liegt aber auch daran, dass ein recht hoher Anteil der Weissweine mit Restsüsse ausgebaut sind. Das liegt ja durchaus im Trend und trifft den Geschmack vieler – meinen aber ganz einfach nicht, und deshalb habe ich bei aller Sympathie vor einigen Jahren auch die Degustationspakete abbestellt.

Nun habe ich aber kürzlich im Verkaufsladen in Winterthur ein paar Einzelflaschen gekauft, und die bisher probierten haben mich überzeugt. Geradezu begeistert war ich eben von diesem Grillo:

Das Weingut Maggiovini in der Nähe von Ragusa auf Sizilien. 100 % der nötigen Energie stammt aus erneuerbaren Quellen (Bild ab Homepag des Gutes).

50 Anni Grillo 2020, Massimo Maggio
Mittleres Gelb; sehr fruchtige, fast etwas süsslich wirkende Nase; Papaya, Aprikose, Reineclaude, leichter Holzton; im Mund frisch, dichte Struktur, schöne Säure, fruchtbetont, spürbares, aber sehr schön integriertes neues Holz, langer Abgang. Sehr überzeugender Wein. 16,5 Punkte.
PS: Und das zu einem Preis von CHF 11.30!

Alles Weitere zu diesem Wein und zum Betrieb brauche ich nicht abzuschreiben, das können Sie gut selbst direkt hier lesen:
50 Anni Grillo | Bio Weisswein | jetzt online bestellen | Delinat

Und hier noch der Link zum Weingut selbst:
Maggio Vini • azienda vitivinicola siciliana


Interessennachweis: Der Wein wurde direkt im Delinat-Laden zu normalen Konditionen gekauft.

„Alte Reben“ von Saalwächter – so grossartig kann Sylvaner sein!

Sylvaner – na ja, viel Positives wird dieser Sorte ja nicht zugeschrieben und „Weinkenner“ meiden sie eher. Ich finde, ganz grundsätzlich zu Unrecht, es gibt viele schöne Sylvaner. Aber was Carsten Saalwächter mit dem 2019er „alte Rebe“ in die Flasche gebracht hat, ist schlicht ergreifend!

Von Carsten Saalwächter war hier schon einmal die Rede:
„La Première“ von Carsten Saalwächter: Ein junger Mann macht Furore! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
Inzwischen konnte ich mir von Weinfreund Florian Bechtold einige Flaschen Nachschub besorgen, und ausgerechnet ein „Basiswein“ hat mich total begeistert. Natürlich konnte ich es auch nicht lassen, den Spätburgunder vom Assmannshäuser Höllenberg 2018 zu probieren, der rote Spitzenwein des Gutes. Dieser zeigt sich akuell ziemlich verschlossen. Aber der Reihe nach:

Es gibt Weine, die fahren ein wie ein Blitz, und genau das ist beim Sylvaner alte Reben 2019 der Fall. Selten habe ich im Mund eine derartige „Frische-Explosion“ erlebt, die den ganzen Mund füllt und nicht mehr abklingen will. Das ist ganz grosse Klasse – und ein Wein notabene, der unter 15 Euro kostet! Hier die ganze Degustationsnotiz:

Carsten Saalwächter, Sylvaner alte Reben, 2019
Mitteleres Gelb; in der Nase zuerst zurückhaltend, etwas Belüftung tut ihm gut, dann schöne Töne von Mirabellen, weissen Johannisbeeren, Rharbarber, leichter Anflug von Holz; im Mund wie beschrieben eine reine Explosion von Frische, total mundfüllend und fast unendlich nachklingend, rassige, aber sehr gut eingebundene Säure, dezente, schöne Bitternote, leicht adstringierend, enorm dicht, langer Abgang. Ein Wurf – begeisternd und berührend! 17,5 Punkte.

Der Höllenberg in Assmannshausen ist wohl die Pinot-Lage in Deutschland schlechthin. Aus dieser Steillage über den Dorf und dem Rhein kommt das rote „Flaggschiff“ von Saalwächter. Der 2018 springt einen in seiner aktuellen Verfassung nicht gerade an. Er ist eher verschlossen, etwas krautig wirkend und braucht viel Luft. Sein Potential zeigt er aber sehr gut. Mir fehlt zwar die Erfahrung mit Saalwächter’s Weinen, aber ich bin überzeugt, dass es sich lohnt, die restlichen Flaschen ein paar Jahre liegen zu lassen um dann einen reifen und begeisternden Wein im Glas zu haben. Was auf jeden Fall für eine hohes Alterungspotential spricht: Es gab einen kleinen Rest in der Flasche, den ich nach einer vollen Woche nochmals probierte – und da war der Wein zugänglicher und noch kein bisschen müde oder gar oxydativ.

Carsten Saalwächter, Assmannshäuser Höllenberg, Spätburgunder 2018
Mittleres Rubin; etwas krautig mit Schwergewicht auf Brennesseln duftend, daneben dezente Frucht nach Johannisbeeren und Brombeeren, leichter Hefe-Touch; im Mund schöne Säure, vollgepackt mit feinen Tanninen, dicht gewoben, sehr vielschichtig, sozusagen ein friedlliches Nebeneinander von Fülle und Wucht mit Eleganz und Filigranität, auch im Mund etwas kräuterig und dezent hefig, sehr langer Abgang. Von wegen Abgang: Da denkt man plötzlich, dass kein bisschen von störendem Alkohol zum Vorschein kommt, also dreht man die Flasche und liest, dass der Wein nur bekömmliche 12,5 % Alkohol ausweist. Für mich ein Wein mit grossartigem Potential, ich sehe ihn bei 18 Punkten oder gar mehr, bin mir aber – aufgrund fehlender Erfahrung – nicht absolut sicher.

Assmannshausen und der steile Höllenberg.

Weingut Saalwächter – Weingut in Familientradition seit 1872 (saalwaechter.de)


Interessennachweis:
Beide Weine wurden zu normalen Konditionen käuflich erworben bei:
florian.bechtold@bechtold-partner.de