Chenin Blanc – viel zu unbekannte Spitzensorte, egal ob von der Loire oder aus Südafrika.

Die Chenin Blanc ist, ähnlich wie der Riesling, ein Universalgenie. Aus der Sorte können tolle Schaumweine, herausragende trockene Weisse mit enormen Alterungspotential, vielschichtige feinherbe Weissweine und auch geniale Süssweine entstehen. Und vor allem: Wenn man die Chenin Blanc am richtigen Ort pflanzt und den Ertrag reguliert, entstehen Spitzenweine.

Anlass zu meinem heutigen Blog war ein Post in den sozialen Medien, in welchem sich ein Weinfreund sehr überrascht von die Qualität von Weinen aus der Chenin Blanc zeigte und gleichzeitig feststellte, dass jene aus Südafrika nicht ganz mit den Vertretern des Loiretals mithalten konnten.

Ich hatte schon vor zwei Jahren einmal einen Vergleich Loire/Südafrika publiziert (Clau de Nell vs. Stellenrust), der unentschieden endete (Link siehe unten, darin kann auch mehr über die Sorte Chenin Blanc nachgelesen werden). Die Aussage des Weinfreundes war für mich zwar insofern verständlich, als er ausgerechnet Weine der Domaine Huet, einem Leuchtturm an der Loire, als Beweis für die Überlegenheit der Loire-Weine heranzog. Trotzdem reizte mich der Post, in den Keller zu steigen, um wieder einmal selbst einen Vergleich zu machen.

Natürlich fiel meine Wahl für die Loire auf Vouvray und auf die Domaine Huet, vertreten mit dem Le Haut-Lieu sec 2021. Aus Südafrika wählte ich, weil ich den Wein endlich mal probieren wollte, den Duwweltjie von Thistle & Weed aus dem Jahr 2020.

Kultstatus trotz Besitzerwechsel gehalten

Die Domaine Huet hier näher vorzustellen, ist wohl Wasser in die Loire getragen (kurz: 1928 mit der Hauptparzelle „Le Haut Lieu“ gegründet, seit den 1990er-Jahren bio-dynamisch arbeitend, seit einiger Zeit mit Kultstatus, den die Domaine auch nach dem Besitzerwechsel zur amerikanischen Familie Hwang 2003 und dem Ausscheiden des letzten Familienmitgliedes der Huet’s 2012 nicht verlor).

Etiketten wie aus einer anderen Zeit. Auch die Reben für den „Duwweltjie“ stammen aus alten Zeiten, nämlich aus dem Jahr 1961.

Unkraut und Wildnis als Programm

Kaum bekannt ist hingegen das in Paarl ansässige Weingut Thistle & Weed. Es wurde auch erst im Jahr 2015 gegründet und verfügt über recht weit verstreute Reben u.A. in Stellenbosch, Simonsberg, Swartland und eben in Paarl, wo der Duwweltjie herkommt. Der Name des Gutes ist quasi Programm, denn alle Weine werden nach einem Unkraut benannt, wobei der Ausdruck Beikraut bei diesem Weingut wohl passender wäre. Duwweltjie steht für Teufelsdorn (Tribulus terrestris), der vor allem an trockenen Lagen wächst. Die Busch-Reben an dieser Lage wurden 1961 gepflanzt und ergeben mit ihren knorrigen Stöcken bestes Traubenmaterial.

Nicht Winemakers sondern Storytellers

Für das Gut haben sich Etienne Terblanche als Winzer und Stephanie Wiid als Oenologin zusammengetan. Ihre Philosophie ist auf der Homepage schön ausgedrückt: We’re not winemakers we’re winegrowers or rather, storytellers. There is nothing more exciting or nerve-wracking than to stand back and to see the story of place unfold in every bottle. Zumindest mit dem Duwweltjie beweisen sie in der Flasche, dass die Philosophie mehr als nur leere Worte ist. Ich werde mir alle Weine von Thistle & Weed besorgen und bin gespannt, ob das ganze Sortiment so begeisternd ist. Mehr zu den Betreibern der jungen Domaine finden Sie auf der Homepage des Gutes, Link unten.

Loire vs. Paarl: Unentschieden auf hohem Niveau!

Degustationsnotizen:

Chenin Blanc, Duwweltjie, WO Paarl, Thistle & Weed, 2000
Helles Strohgelb; sehr fruchtig mit Lychees und Aprikosen, weissen Johannisbeeren, etwas Anis; eher tiefe Säure aber unglaubliche Frische, sehr rund und harmonisch fliessend, leichter, schöner Bittertouch, feurig (aber nicht alkoholisch), sehr „lebendig“ wirkend, langer , fruchtbetonter Abgang. 17,5 Punkte.

Chenin Blanc, Le Haut Lieu sec, Vouvray AOC, Domaine Huet, 2021
Mittleres Gelb; leicht hefiger Auftakt, Brotrinde, auch fruchtbetont mit Nuancen von Zitrus, Granatapfel umd Stachelbeere; sehr schöne, hohe, aber nicht aggressive Säure, eleganter Körper, etwas „Naturwein-Touch“ (aber dabei sehr sauber), fruchtiger Nachhall im Abgang. Steht noch am Anfang seiner Entwicklung. 17,5 Punkte.

Links zu den Weingütern:

Boutique Winemakers South Africa | Thistle and Weed
Domaine Huet

Und zum erwähnten früheren Beitrag:

Frankreich oder Südafrika? Beides, wenn es um Chenin blanc geht! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Bezugsquellen (unter anderen; weitere können problemlos im Netz recherchiert werden:

Thistle and Weed Chenin Blanc Duwweltjie – TOP SALE – 2020 (kapweine.ch)
Thistle and Weed | Stellenbosch (suedafrika-weinversand.de)

Le Haut-Lieu sec 2022, 75 cl – Huet | Online kaufen (martel.ch)
Huet: Vouvray Le Haut-Lieu sec 2022 – Lobenbergs Gute Weine (gute-weine.de)


Interessennachweis: Beide Weine wurden im Weinhandel gekauft.

Sagenhafter Pinot noir von der Loire!

Ein Pinot noir, der aber gar nicht so heisst und der auch nicht aus Sancerre stammt, sondern rund 400 Kilometer flussabwärts bei der Stadt Nantes wächst. Und ein Wein, dessen Geschichte sagenumwoben ist, genau wie die Eiche, in der er ausgebaut wird!

Eigentlich heisst die Rebsorte ja Berligou. Diese galt lange als eigentständige Rebe, doch zeigten die heute möglichen Analysen, dass es sich um einen speziellen Pinot noir-Klon handelt. Der Sage nach soll die Übergabe der Pinot-Reben ein Geschenk des burgundischen Herzogs Karl der Kühne an die bretonischen Herzöge gewesen sein. Der Anbau des Berligou muss also auf die Zeit vor 1477 zurückgehen. Er soll am Hof sehr geschätzt worden sein, verschwand dann aber vom Bild der Loire-Rebsorten, bis er vor rund 100 Jahren wiederentdeckt wurde. Eine kleine Renaissance erlebt die Sorte aber erst in unserer Zeit.

Die Loire, der letzte Wildfluss Mitteleuropas. Hinter jeder Biegung wartet die nächste Überraschung – auch beim Wein!

Das Eichenfass von König Arthur und dem Zauberer Merlin

2011 pflanzte die Domaine Poiron-Dabin die Berligou-Reben. Inzwischen findet sich der Saft dieser wiederentdeckten Sorte in vier verschiedenen Weinen, einem Schaumwein, einem Rosé, einer Assemblage und dem reinsortigen Roten Berligou „Le Rouge des Ducs de Bretagne“. Dieser wird ein Jahr in Barriques ausgebaut – und jetzt wird es erst richtig sagenumwoben: Das Eichenholz für diese Fässer stammt nämlich aus dem Forêt de Brocéliande, diesem bretonischen Wald, der Schauplatz der mittelalterlichen Sage um König Arthur, Zauberer Merlin, Fee Viviane und Ritter Lancelot sein soll.

15 verschiedene Rebsorten in der Muscadet-Hochburg!

Der Wein ist aber nicht einfach nur der Sagen wegen spannend – er ist auch richtig gut! Erstaunlich, dass an der unteren Loire ein so feiner Pinot gedeihen kann. Eigentlich ist das Gebiet ja vor allem für den Muscadet bekannt, und die Domaine Poiron-Dabin bietet auch mehrere Weine dieser unterschätzten Sorte an. Allerdings hat man sehr diversifiziert, es werden 15 verschiedene Sorten angepflanzt, unter anderem auch Malbec, den man ja auch nicht gerade an der Loire suchen würde!

Die Geschichte der in Château-Thébaud nahe der Stadt Nantes gelegenen Domaine geht auf das Jahr 1858 zurück. Der heutige Name des Gutes entstand im Jahr 1962, als Jean Poiron Thérèse Dabin heiratete. Das Paar vergrösserte die Rebfläche durch mehrere Zukäufe und legte damit die Basis für das heute rund 70 Hektar umfassende Weingut, welches von den beiden Söhnen Laurent und Jean-Michel nach den Prinzipien des Labels HVE (Haute Valeure Environnemental) geführt wird.

Degustationsnotiz

Berligou 2019, Le Rouge des Ducs de Bretagne, Poiron-Dabin

Mittleres Rubin; fruchtige Nase, Erdbeeren, Himbeeren, auch Anflüge von schwarzen Beeren und etwas Kaffee; im Mund mit schöner Säure und feinen, aber eher zurückhaltenden Tanninen, rund und „saftig“, fruchtbetont, Holzausbau ist kaum merklich, mittlerer Abgang. Spannender, sehr schöner und auch bezahlbarer Pinot (sorry: Berligou). 17 Punkte.

Domaine Poiron Dabin – muscadet – pinot gris – gros plant – vins du pays nantais – vins de loire (poiron-dabin.com)

Bezugsquelle Schweiz (Jahrgang 2020)
Berligou, Le Rouge des Ducs de Bretagne 2020 – Divo


Interessennachweis: Der Wein wurde im Weinhandel gekauft.
Kleines, schönes Detail: Der Berligou steckte als Einzelflasche in einem Degustationskarton und stand dann lange in meinem Keller herum. Ich wusste nicht einmal mehr, wo ich ihn gekauft hatte, das musste ich zuerst wieder recherchieren. Irgendwann wollte ich ihn probieren und war begeistert. Das sind tolle Erlebnisse!

Das Familienweingut Poiron-Dabin: Traditionen, Raritäten und Entdeckungen – Weinerlebnisse in der Region Loire (an-den-vier-enden-der-welt.de)

Liesch Weine: still und heimlich an die absolute Spitze der Bündner Herrschaft!

Die kleine Region der grossen Weine“ oder „das Burgund der Schweiz“: Die Bündner Herrschaft bringt in der Tat grossartige Tropfen hervor. Und meines Erachtens gibt es kein zweites Weinbaugebiet in der Schweiz, das auf sehr hohem Niveau ein so homogenes Qualitätsniveau erreicht. Und trotzdem gibt es auch hier immer wieder Entdeckungen! Liesch Weine zum Beispiel, von Parker hoch beehrt aber zu wenig bekannt.

Starten Sie mal eine Wein-Onlinesuche mit den Namen Gantenbein, Donatsch oder Studach. Der Treffer gibt es sehr viele. Und dann machen Sie das mit Liesch Weine: Das Resultat ist viel bescheidener, und dann muss sich Liesch Weine, der Betrieb, dem dieser Beitrag gewidmet ist, die Treffer erst noch mit einem zweiten Produzenten namens Liesch teilen. Dabei haben die Brüder Ueli und Jürg Liesch mit ihren Weinen klammheimlich ein Niveau erreicht, das sie meines Erachtens mit an die absolute Spitze in Graubünden bringt!

Betrieb unter dem Radar der Weinwelt, aber dem Navi und Google bekannt

Man muss nicht nur im Inernet suchen. Auch für einen Besuch auf dem Weingut ist ein Navi empfehlenswert, um auf Anhieb beim Gut „Treib“ der Familien Liesch zu landen. Vor fast 100 Jahren siedelte der Grossvater der heutigen Eigentümer aus Malans aus und baute die landwirtschaftliche Siedlung, die damals als Mischbetrieb geführt wurde. Reben gab es nur wenige, und die Trauben wurden verkauft. Die nächste Generation setzte dann schon etwas mehr auf den Wein. In den 1960er Jahren wurden rund drei Hektar bepflanzt. Ausgebaut wurde der Wein bis 1984 in Malans in einem Gemeinschaftstorkel. Es gab damals zwei Sorten und zwei Weine, natürlich die klassischen Blauburgunder und Müller Thurgau (zu jener Zeit noch Riesling X Sylvaner genannt).

Prächtige Weinlandschaft in den Alpen: Blick vom Weingut das Rheintal abwärts.

Die heutigen Winzer, das sind die Brüder Ueli und Jürg Liesch, haben – mit Ausnahme einiger Ausgleichsflächen – die ganzen sieben Hektar des Gutes mit Reben bestockt – etwa 2/3 mit roten und 1/3 mit weissen Trauben. Aus zwei Sorten sind inzwischen acht geworden (Kleinflächen mitgezählt noch mehr). Und die Anzahl Weine stieg von zwei auf 14!

Wenigstens Stephan Reinhardt hat Liesch Weine für Parker entdeckt

Vor allem aber: Auch wenn Liesch Weine noch immer zu den etwas weniger bekannten Produzenten zählt, qualitativ wurde hier innerhalb kurzer Zeit ein Quantensprung vollbracht. Von zwei auf 94 sozusagen, nämlich von zwei Weinen im Jahr 1990 auf 94 Parker-Punkte im Jahr 2023 (und 93 sowie 92+ noch dazu!).

Diese Leistung der Brüder Liesch kann nicht hoch genug einschätzt werden. Beide haben Winzer gelernt, und beide haben ein Praxisjahr im Anderson Valley in Kalifornien absolviert. Ansonsten sind sie weintechnologisch «Self-Made-Men» und beziehen ihr parkergekröntes Wissen aus der Praxis, aus Selbststudium und aus dem Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, etwa mit den Mitstreitern der Vereinigung «Pinot Rhein».

Jürg und Ueli Liesch: Zwei überaus sympathische, geerdete Weinhandwerker, die gleichzeitig auch enthusiastische Weinkünstler sind. Es gibt übrigens keine Arbeitsteilung, beide können und machen alles auf dem Betrieb – und kommen auch nach 30 Jahren noch gut zusammen aus!

Das innere Feuer brennt, um „fines wines“ zu kreieren!

Immer dazulernen, nie stehenbleiben! Ich kenne einige Winzer in ähnlichem Alter wie die Liesch’s, die langsam genug haben und nur noch den Ruhestand herbeisehnen. Jürg und Ueli Liesch sind neugierig geblieben, und genau deshalb macht die Arbeit noch immer Spass. So war einer der Gründe, im Jahr 2020 auf biologischen Anbau umzustellen, auch die Suche nach einer weiteren Herausforderung. Die neue Bewirtschaftungsmethode wurde zwar aus Überzeugung, aber nicht als Dogma gewählt. Ueli Liesch gibt zu bedenken, «dass heute durchaus auch konventionell arbeitende Winzer mit der notwendigen Aufmerksamkeit ökologisch sinnvolle Weine produzieren können».

Sozusagen Patin der Bio-Umstellung war das Projekt «Bio Vision 2020» von „graubündenWEIN“, mit dem sehr hohe ökologische Ziele gesetzt wurden und das auch Unterstützung bot. Die Umstellung bei Liesch’s gelang bisher sehr gut, selbst im extrem schwierigen Jahr 2021. Dabei half allerdings auch die relativ flache Lage des Weinguts, die es erlaubte, die Rebzeilen trotz Nässe fast immer für die nötigen Spritzungen zu befahren.

Hier der Blick rheinaufwärts in Richtung Chur. Ganz flach sind die Rebzeilen nicht, und die sanfte Neigung erinnert ein wenig an die besten Lagen im Burgund.

Der Boden als Kapital – und das Klima wohl auch

Von wegen: Wirklich flach ist es auch in den Reben der Liesch’s nicht, und in der Bündner Herrschaft braucht man auch keinen steilen Rebberg, der Boden ist hier das eigentliche Kapital. Es genügt ein Blick in die Höhe in Richtung Vilan und zum Einschnitt des Älplibachs um festzustellen, dass die Reben hier auf einem sanften Schuttkegel wachsen und von Ton, Silt, Sand und Schiefer im Untergrund profitieren.

Hier geht der Blick nach Osten, ganz links ist der Einschnitt des Älplibachs zu erkennen.

Immer mehr zum Vorteil wird angesichts des Klimawandels auch die Höhenlage von rund 550 m.ü.M. Auch wenn es hier mit dem Fön zuweilen sehr warm werden kann, bietet die Lage in einem Alpental klimatische Vorteile. Was die Brüder Liesch indessen feststellen ist, dass das Klima bzw. das Wetter unregelmässiger wurde. Im vergangenen Jahr ging sogar ein Hagelzug über die Herrschaft, etwas, das man bisher praktisch nicht kannte.

Frische und Eleganz als Credo

In den Weinen spürt man freilich bisher nichts von Klimaerwärmung. Liesch’s legen grossen Wert auf Frische und Eleganz, und diesen Stil merkt man quer durch das ganze Sortiment. Ein Glück wohl, dass heute Stephan Reinhardt für Parker unterwegs ist, vom legendären opulenten „Parker-Stil“ ist hier nämlich gar nichts zu bemerken.

Blitzsauberer Keller. In weiteren, kleineren Räumen gibt es zudem Barriquelager.

Obwohl das Weingut noch nicht zu den bekanntesten gehört, Absatzprobleme gibt es keine. Und dies, obwohl Liesch’s inzwischen auch eher gehobene Preise verlangen können (in Bezug auf Preis/Leistung und im Vergleich mit den Imageträgern der Herrschaft sind die Weine aber immer noch sehr preiswert). Die Absatzkanäle verteilen sich paritätisch auf den Handel, die Gastronomie und auf Private. Wobei aus einem Gastronomiekunden regelmässig auch ein Privatkunde wird. So kommt es immer öfter vor, dass ein Liesch-Wein in einem Bündner Hotel so gut gefällt, dass auf dem Heimweg noch ein Stopp im Weingut eingelegt wird. Relativ hoch ist dabei der Anteil ausländischer Gäste und so sagt Jürg Liesch mit einem Augenzwinkern, «exportieren wir sehr wohl Weine, auch wenn im Ausland noch kein Händler vorhanden ist».

Auch wenn der Hof der Liesch’s etwas abgelegen ist: Diese Geschichte zeigt, dann man den Weg ins Weingut Treib findet – und es lohnt sich!

Degustationsnotizen

Sauvignon blanc 2022
(Aus nur 15 a, je hälftig in Holz und im Stahl ausgebaut)
Helles Gelb; tolle, sehr feine und vielschichtige, fruchtige Nase, keine übertriebene exotische Töne; im Mund knackige, schöne Säure, guter Körper, sehr mineralisch und frisch, langer Abgang. Toller, knackiger SB. 17 Punkte.

Chardonnay 2022
Schönes, mittleres Strohgelb; sehr fruchtbetont (Zitrus, grüner Apfel), auch florale Anflüge; im Mund noch recht holzbetont, aber sehr schöner Holzton, frisch, schöne Säure, auch guter Schmelz, langer Abgang. (mindestens) 17 Punkte.

Pinot noir Tradiziun 2022
(1 Woche Kaltmazeration, im Stahltank ausgebaut)
Mittleres Rubin; wunderschöne Pinot-Nase mit eher dunkler aber auch heller Frucht; tolle Struktur, schöne Säure, sehr frisch und «saftig». Hier von einem «Basis-Pinot» zu sprechen, ist eigentlich schon fast frech, aber wenn ich dabei bleibe: einen besseren muss man ziemlich weit suchen! 17 Punkte.

Pinot noir Prezius 2021
(Barriqueausbau, 1/3 Neuholz, 2/3 zwei- und dreijährig)
Mittleres, glänzendes Rubin; sehr fruchtbetonte Nase (Himbeere, Johannisbeere, Jostabeere), florale Anflüge (Flieder), Holz in der Nase nur in Nuancen spürbar; enorme Frische im Mund, viel feines Tannin, angepasste Säure, Holz im Mund spürbar aber nicht dominant, «saftig», eher filigran aber mit «Feuer», elegant. Toller Pinot auf Spitzenniveau! 18 Punkte.

Merlot 2021
Relativ helles Rot; helle Frucht, auch etwas Cassis, Pfeffer; im Mund extreme Frische, sehr feine Tannine, präsente, aber nicht übertriebene Säure, sehr langer Abgang. Sehr spannender, eleganter, frisch-fruchtiger «cool-climat» Merlot. Bemerkenswert! 17,5 Punkte.

Pinot Auslese 2011 (entspricht dem heutigen „Armonia“)
Jugendliches Rot; noch immer sehr fruchtbetont (helle Aromen); auch im Mund fruchtig und noch total frisch, mürbe Tannine, viel Schmelz, langer Abgang. Sehr schöner, eleganter Pinot der beweist, dass die Liesch-Weine ein grosses Alterungspotential aufweisen. 17,5 Punkte.

Dieser Wein ist gereift, aber noch keineswegs müde, er wird auch in drei bis fünf Jahren noch Spass machen. Der beste Beweis, dass die Weinwelt die Liesch-Weine schon viel früher hätte entdecken können und müssen!

„Bio-Liesch“ gilt nun für zwei Betriebe

Zu ergänzen ist, wie im Einstieg zum Artikel angetönt, noch Folgendes: Es gibt in Malans noch ein zweites Weingut mit dem Namen Liesch, nämlich Louis Liesch (Liesch Bioweine). Dieser Betrieb, der schon länger biologisch wirtschaftet, bringt ebenfalls bemerkenswerte Weine hervor, darf aber nicht mit «Liesch Weine» verwechselt werden.

Startseite – Liesch Weine (liesch-weine.ch)
Pinot Rhein
Biovision 2020 von graubündenWEIN – der Schritt in eine nachhaltige Zukunft | Deutschschweiz (swisswine.ch)


Interessennachweis:
Die Weine wurden (mit Ausnahme des Merlot, von dem ich eine Flasche mit nach Hause erhielt, da eben erst abgefüllt) Ende Januar 2024 bei einem Besuch auf dem Weingut degustiert.

Reinhold Messner und Martin Aurich: Zwei Gentlemen sichern die Zukunft des Weinguts Castel Juval.

Schloss Juval, Unterortl, ist eine Referenz im Südtiroler Weinbau. Es gehört(e) Reinhold Messner und wurde von Gisela und Martin Aurich seit anfangs der 1990er Jahren aufgebaut und zu einem der besten Güter im Südtirol entwickelt. Vor ein paar Jahren fand ein Besitzerwechsel statt und jetzt steht ein Pächterwechsel bevor. Beides ist mit Bedacht geplant.

Erinnern Sie sich, jemals eine Story über das Weingut von Reinhold Messner gelesen oder gehört zu haben? Ich jedenfalls nicht, weder in der Weinpresse (einen kleinen Beitrag in Falstaff ausgenommen), noch in Tageszeitungen oder im TV, wo Messner ja nicht so selten zu erleben ist. Andere Prominente leisten sich ein Weingut, um möglichst oft im Gerede zu sein. Reinhold Messner hat es aufbauen lassen um zu zeigen, dass Berglandwirtschaft eine Zukunft hat. Auf seiner Homepage stellt er diverse seiner Projekte vor und bringt seine tiefe Überzeugung zum Ausdruck, dass – gerade in einer globalisierten, uniformen Welt – eine Verzahnung von Berglandwirtschaft und Tourismus eine Chance hat, jedenfalls dann, wenn die Produzenten auch versuchen, in geschlossenen Kreisläufen zu vermarkten (Link siehe unten).

Berglandwirtschaft, wie sie Reinhold Messner vorschwebt, in der herrlichen Landschaft des Vinschgaus bei Naturns.

Das ideale Pächterpaar, Gisela und Martin Aurich.

Er hätte für sein Weinbauprojekt keine besseren Pächter finden können als Gisela und Martin Aurich. Sie haben das Weingut von Null aus aufgebaut und innert der letzten drei Jahrezehnte zum besten im Vinschgau und wohl auch zum spannendsten im ganzen Südtirol gemacht. Wenn man am Berg unterhalb von Schloss Juval steht und die gepflegen Rebterrassen zwischen Felsen sieht und sich vorstellt, welche Arbeit dahinter stecken muss, bekommt man Ehrfurcht. Und wenn dann noch Martin Aurich auf die tiefer gelegenen Blauburgunderreben zeigt und sagt, dass man hier vor 30 Jahren nicht ins Tal gesehen habe, weil alles verbuscht und verwaldet war, dann bleibt nur ein grosses Staunen über die Schaffenskraft des Ehepaars Aurich.

Sogar im Keller des Weinguts grüsst der Fels, um den herumgebaut wurde!

Zum Gelingen beigetragen hat freilich auch der Verpächter Reinhold Messner. Martin Aurich findet nur lobende Worte für ihn, weil er jederzeit Gentleman und fairer Verpächter war, der anfangs finanziell auch auf den Aufbau des Gutes Rücksicht genommen und ihn zudem habe machen lassen. Sogar davon, dass sich nicht der ganze Hang zum Anbau von Rotweinsorten eignet, habe er den Rotweinfan Messner überzeugen können.

Wie der Vater, so der Sohn: Messners haben zu Lebzeiten von Reinhold Klarheit geschaffen, seit ein paar Jahren gehört der Betrieb dem Sohn Simon (und das Schloss Juval selbst einer Tochter). Auch Simon Messner hat Aurich bei der Suche nach einem nachfolgenden Pächter völlig vertraut und freie Hand gelassen – aber davon später.

Von Berlin über Geisenheim ins Südtirol – um hier zu bleiben

Am Anfang steht der Aufbau des Gutes Unterort. Martin Aurich ist Berliner und hat in Geisenheim Getränke-Technologie studiert. Später verschlug es ihn ins Südtirol, wo er als zweite Station auf dem Landesweingut und Versuchszentrum Laimburg als Versuchsleiter für Weinbereitung den schmerzhaften aber lohnenden Wandel hin zum Qualitätsweinbau namhaft mitgestaltet hat (es war die Zeit, in welcher vor allem die Schweizer, die zuvor jeden noch so jämmerlichen Vernatsch aus Südtirol wegtranken, sich plötzlich anderen Gewächsen zuwandten. Dass der Vernatsch deshalb zu Unrecht in Verruf gekommen ist, bleibt ein anderes Thema, das ich hier im Blog schon aufgenommen habe (Link siehe unten). In Laimburg entdeckte Aurich, der zuvor mit Fruchtsäften arbeitete, seine Passion für Wein, und als sich die Gelegenheit ergab, den Hof Unterortl von Castel Juval zu pachten und aufzubauen, griffen er und seine Frau zu.

Der sympathische Martin Aurich, der das Gut Castel Juval, Unterortl, zusammen mit seiner Frau Gisela zu einem Bijou und einer qualitativen Hochburg aufgebaut hat.

Zusammen ins Tal schauen und reifen Riesling geniessen.

Es ist kaum denkbar, dass Martin Aurich dieses Wunderwerk von Betriebsaufbau in den Reben und im Keller ohne die tatkräftige Mithilfe bzw. die Unterstützung seiner Frau Gisela hätte vornehmen können. Und offensichtlich sind die beiden auch ein tolles Team. Es gibt eine wunderschöne Passage in einem Interview mit Martin Aurich (Link siehe unten), in dem dieser gefragt wird, wie er sich einen schönen Tagesausklang vorstelle und – verkürzt – antwortet, „bei einer Flasche reifem Riesling ins Tal zu schauen, wenn meine Frau dabei ist und wir gemeinsam über Wein diskutieren und philosophieren können“.

Martin Aurich, der Gentleman. Genau das bekommt man auch zu hören, wenn man im Tal über ihn Auskunft will – und manchmal auch ungefragt. Ob Winzerkollege, Weinkenner, Ladenbesitzer, Fremdenführer oder Passant: Alle finden, das Vinschgau bzw. Naturns und Kastelbell hätten Aurich sehr viel zu verdanken – für das, was er erschaffen, aber auch für das, was er an Wissen und Engagement weitergegeben habe. Ähnliche Töne hört man übrigens über Reinhold Messner.

Bio ganz ohne Aufhebens – das passt!

Zudem ist anzumerken, dass Aurich’s das Gut inzwischen auf biologischen Rebbau umgestellt haben, ganz ohne Aufhebens und ohne Deklaration. Aber sicher auch ganz im Sinne von Reinhold Messner, der sich schon lange für Umweltschutz einsetzt und einst auch (parteiloser) Europaabgeordneter für die Grünen war.

Bergweinbau – typischer Ausschnitt aus dem Weingut.

Perfektes Terroir mit viel Geschichte, ideales Klima.

Sieht man von den Strapazen beim Anlegen der Weinberge und auch bei deren Bearbeitung ab, dann freilich kann man sich kaum einen besseren Platz zum Weinmachen vorstellen – und das merkt man den Weinen auch an. Da ist schon mal die Geschichte. Auf dem Juvalhügel wurden (und werden, eine Terrassierung musste deshalb kurzfristig unterbrochen werden) Menschenspuren aus prähistorischer Zeit gefunden. Und auch Ötzi soll hier vor seinem Tod jahrelang gehaust haben.

Der Untergrund aus Gneis eignet sich perfekt zum Anbau von Reben und die Meereshöhe zwischen rund 600 und 850 m erweist sich immer mehr als Vorteil. Wasser, das hier aufgrund tiefer Niederschlagsmengen knapp ist, wird aus dem Schnalstal zugeleitet. Und schliesslich spielt das Mikroklima eine wichtige Rolle und macht Unterortl zum vermutlich besten Ort im Vinschgau, um Wein zu produzieren. Tagsüber ist es sonnig und warm bis heiss (das Klima ist dem Siziliens vergleichbar), aber in der Nacht ziehen kalte Winde aus dem Schnalstal, an dessen Eingang das Weingut liegt, ins Tal und sorgen für Abkühlung und für eine ideale und für die hohe Qualität wichtige Temperaturschwankung zwischen Tag und Nacht.

Riesling- und Weissburgunder-Hochburg – und ein geschmacklicher Ausflug ins Piemont

Heute werden auf Unterortl vor allem Blauburgunder (tiefe Lagen), Riesling (mittere Höhe) und Weissburgunder (oberste Terrassen) angebaut. Zudem gibt es etwas Johanniter und auch Müller Thurgau. Auf meine Frage, warum um Himmels Willen ausgerechnet diese Sorte, antwortete Martin Aurich verschmitzt „ja, ich verstehe die Frage, aber ich war überzeugt, dass man hier aus der Sorte etwas machen kann“. Die spätere Degustation bestätigte dies wunderbar. Schliesslich gibt es seit Kurzem je rund 400 Stöcke Zeigelt, Divico und Gamaret, welche eine kräftige, dunkle Cuvée ergeben, womit sich Aurich noch einen Wunsch erfüllt hat. Er mag nämlich Barbera und Dolcetto sehr, und diese Cuvée ginge blind ohne Weiteres als das durch, zumindest als Dolcetto. Dass es offenbar etwas Überzeugungsarbeit braucht, um diesen Wein zu vermarkten, ist eigentlich unverständlich. Aber vermutlich liegt es daran, dass der Wein so ganz anders ist als der Rest des Sortimentes, so dass sich die Kundschaft zuerst daran gewöhnen muss.

Blick auf die Blauburgunder-Lagen und ins Tal der Etsch. Die Landschaft mit der Felswand im Hintergrund erinnert mich sehr an Chamoson im Wallis.

Ein Pächterwechsel, von langer Hand vorbereitet.

Im Herbst geht nun aber die Ära Aurich zu Ende. Das Ehepaar hat sich vor ein paar Jahren ein Haus im Tal gebaut und wird sich in Rente zurückziehen (wobei ich eher an eine Art „Unruhestand“ mit neuen Projekten glaube …). Für die Suche nach einer Nachfolge auf dem Betrieb waren Aurich’s selbst verantwortlich. Wer ein solches Bijou aufgebaut hat, will ja auch sichergestellt haben, dass es in gute Hände übergeben wird. Und solche wurden augenscheinlich gefunden. Mittels einer Anzeige in einer Publikation von Geisenheim stiess Aurich auf das Schweizer Ehepaar Burki. Dieses ist inzwischen bereits im Betrieb tätig. Man arbeitet ein ganzes Rebjahr gemeinsam, damit ein idealer Übergang sichergestellt ist. Bei meinem Besuch hatte ich die Gelegenheit, Christine Burki kennenzulernen. Raphael war verhindert – er war gerade daran, eine Lektion in Italienisch zu besuchen! Lustigerweise habe ich die Beiden dann nur ein paar Tage später in Zürich an einer Burgunderdegustation angetroffen. Somit kenne ich nun auch Raphael, und das Thema Burgund ist insofern spannend, als wohl beim Blauburgunder das grösste Steigerungspotenzial auf Unterortl vorhanden ist.

Erfreulicherweise konnte ich den bekannten Weinjournalisten und Weinbuchautor Martin Kilchmann dafür gewinnen, ein paar Informationen über Burki’s zu schreiben. Kilchmann ist nicht nur ein begnadeter Journalist und profunder Kenner des Südtirols, sondern auch mit Raphael Burki befreundet. Schon 1995 schrieb Kilchmann ein Buch über Südtiroler Weine und 2009 ein weiteres über Südtirols Freie Weinbauern, letzteres ist zumindest gebraucht noch erhältlich und lebt auch von tollen Fotos des Weinfotografen Jörg Wilczek

Hier die Vorstellung der Burki’s durch Martin Kilchmann:


Raphael und Christine Burki – die neuen Pächter auf Unterortl

Raphael Burki tritt die Pacht auf Unterortl zusammen mit seiner Frau Christine, einer gelernten Zimmerin im Holzbau, mit einem reich gefüllten Rucksack an: 1976 in Luzern geboren, durchläuft er eine Elektrikerlehre, macht die Wirtschaftsmatura und lässt sich an der Fachhochschule Luzern zum Informatiker ausbilden. Danach erliegt er endgültig dem Weinvirus und studiert nach Praktikas bei Ruedi Baumann in Oberhallau, Hansueli Kesselring in Weinfelden und Karlheinz Johner im Kaiserstuhl von 2006 bis 2008 Önologie in Geisenheim. Ab 2008 wird er verantwortlicher Weinmacher bei Toni Ottiger am Vierwaldstättersee. Gemeinsam mit Ottiger führte er das Weingut in die Elite des Schweizer Weinbaus und ins Mémoire des Vins Suisses.

2009 wird er darüber hinaus zum Pendler zwischen zwei Weinwelten: Er übernimmt auf Johner Estate in Wairarapa auf der neuseeländischen Nordinsel den Posten des Winemakers. Daneben verfolgt er down under auch eigene Weinziele und holt sich mit einem Chardonnay und Pinot noir Lime Hill Höchstnoten bei den renommierten Weinkritikern des Landes.

Hin- und hergerissen zwischen einer definitiven Niederlassung in Europa oder Neuseeland stossen Raphael und Christine vor zwei Jahren auf ein interessantes Stelleninserat: Im Vinschgau sucht Pächter Martin Aurich für das von ihm erfolgreich bewirtschaftete, hoch gelegene Weingut Castel Juval Nachfolger. Die Nähe zur Schweiz, die hervorragend exponierten Rebberge, der spannende Sortenspiegel – Riesling und Pinot noir gehören zu Burkis absoluten Lieblingen – faszinieren die beiden. Nach einem langen, vertrauensvollen Prozess des Kennenlernens kommt es schliesslich zum Vertragsabschluss. Italien, Südtirol, das Vinschgau, ja auch die Schweiz dürfen sich auf weitere fabelhafte Weine aus Unterortl freuen.

Martin Kilchmann


Perfekter „Generationenwechsel“

Somit treten fast gleichzeitig der Verpächter und die Pächter des Weingutes ab. Geregelt wurde das alles mit Bedacht und von langer Hand vorbereitet – und augenscheinlich folgen auf Pächter- und Verpächterseite ebenso vertrauenswürdige Personen. Von Gentleman zu Gentleman bzw. Gentlewoman zu Gentlewoman. Ich habe Burki’s schon „angedroht“, sie in zwei Jahren zu besuchen um festzustellen, wie sich das Gut entwickelt.

Die (meisten) Weine des Guts in Kurzbeschreibungen:

„Schaufenster“ im Degustationsraum inkl. Gestein aus den Rebbergen.

Glimmer 2022 (Johanniter und Müller Thurgau als gemischter Satz)
Sehr fruchtbetont, Bergamotte; knackige, tolle Säure, dabei aber rund und ausgesprochen trinkfreudig, spannender Einstiegswein. 16 Punkte.

Müller Thurgau, Hanns Singkmoser zu Jufal, 2022
Zitrus, grüner Apfel; enorme Frische, schöner Körper und köstlicher, mittlerer Abgang. Toller Wein, wenn bloss alle Müller Thurgau so wären, dann verlöre die Sorte ihr schlechtes Image. 16,5 Punkte.

Weissburgunder 2022
Zitrus, reifer Apfel, etwas Banane; druckvoll, frisch, langer Abgang. Prototyp eines charaktervollen und typischen Pinot blanc! 16,5 Punkte.

Weissburgunder Himmelsleiter 2021
Quitten, grüner Apfel, Birne (Gute Luise), etwas Zitrus; im Mund mit umwerfender mineralischer Frische, sehr vielschichtig, schöner Körper, langer Abgang. Grossartig und mit viel Potential. 17,5 Punkte.

Riesling Gletscherschliff 2022 (aus eher jüngeren Reben)
Weisser Pfirsich, Aprikose, etwas Zitrus; im Mund frisch und sehr „saftig“, toller „Gutsriesling“, der süffig aber nicht anspruchslos ist. 16 Punkte.

Riesling Unterortl 2022
Gelber Pfirsich, Grapefuit, Anflug von exotischen Früchten (Papaya, Ananas), im Mund sehr dicht, ausgesprochen frisch und mineralisch, langer Abgang. Klasse Riesling! 17,5 Punkte.

Riesling Weingarten Windbichel 2021
Gelber Pfirsich, Aprikose, etwas Ananas und generell sehr vielschichtige Fruchtdüfte; grandiose Dichte (fast zum Abbeissen), enorme Frische, auch im Mund sehr fruchtbetont, fast nicht endender Abgang. Ein Traum-Riesling, einem GG ebenbürtig! 18,5 Punkte.

Blauburgunder Riserva 2020
Mittleres Rubin; eher verhalten, aber sehr feine Anflüge von Johannisbeeren und Himbeeren, etwas Leder; im Mund mit viel feinem Tannin, elegant, frisch mit langem Abgang. Holz praktisch nicht spürbar! Nobler Pinot mit Lagerpotential. 17 Punkte.

Gneis 2021 (Zweigelt, Divico, Gamaret)
Dunkles Purpur; ausladender Duft von dunklen Früchten, würzig; im Mund rund, schöne Tannine, sehr „saftig“ und „trinkig“, mittlerer Abgang. Das Ziel, einen süffigen barbera- oder dolcetto-ähnlichen Wein herzustellen, ist voll erfüllt. Perfekt zu Pastagerichten! 16 Punkte.

Schliesslich sei auf die Brände des Gutes hingewiesen, eine Passion von Martin Aurich. Ich habe sie nicht probiert, aber sie sollen grossartig sein.

Weingut & Hofbrennerei Unterrotl | Castel Juval (unterortl.it)

Bezugsquellen:
Ganz im Sinne von Reinhold Messner zur idealen Wertschöpfung am besten einen Besuch des Vinschgau und Einkauf auf dem Gut (das Fahrverbot darf für einen Besuch unbeachtet bleiben) planen. Wem das kurzfristig zu weit ist – die meisten Weine sind u.a. hier erhältlich:
Für Deutschland/Oesterreich:
Weingut Unterortl Castel Juval Onlineshop I Meraner Weinhaus
Für die Schweiz:
Weißwein – von aromatisch bis erfrischend online kaufen Schweiz » Pur Alps®

Weitere Links zum Thema:

Der Bergbauer / Reinhold Messner (reinhold-messner.de)
Simon Messner im Interview: „Das Verhältnis zu meinem Vater war nie ganz einfach“ (planetoutdoor.de)
Martin Aurich – Goldene Rose Karthaus, Val Senales/Trentino Alto Adige
Urlaub in Naturns Offizielle Seite ☀️ unvergessliche Ferien (merano-suedtirol.it)
Martin Kilchmann – Weinautor
Südtirols freie Weinbauern. – Gelebte Weinkultur in den Alpen. 9783852564821 (buchfreund.de)

Und der erwähnte Link zu einem Beitrag in meinem Blog zu grossartigen Vernatsch:
Weine zum Verna(t)schen und eine Weinkarte zum Verlieben! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Traumhafte Ecke auf dem Weingut.

Interessennachweis:
Dieser Beitrag wurde ermöglicht dank einer Pressereise auf Einladung der Tourismusgenossenschaft Naturns mit Kost und Logis im rundum hervorragenden Hotel Schulerhof in Plaus. Die ganze Reise und der Besuch auf dem Weingut erfolgten indessen individuell und ohne jede Verpflichtung.

Château Mangot, Saint-Émilion: Ganz rational zu einem emotional berührenden Weinerlebnis!

Ein Mann auf einer Weinmission: Ein Weinfreund suchte nach rationalen Gesichtspunkten die berühmte Nadel im Heuhaufen, sprich den unterbewertetsten Wein aus Saint-Émilion oder ganz Bordeaux – und findet mit Château Mangot ein Gut, dessen Weine emotional berühren!

Nutzwertanalyse. Value Investing Style. Eigentlich müsste einem Weinliebhaber der kalte Schweiss herunterlaufen. Wie kann man so technokratisch an einen Wein herangehen? Nun, mein Weinfreund Dominic Oberer hat genau das getan. Kein Wunder zwar, er ist Ökonom, lic. oec. publ. BWL UZH und dipl. Wirtschaftspädagoge HSG. Aber er ist auch charaktervollen Weinen nicht abgeneigt. Und seine Mission war, nach der berühmten „Stecknadel im Weinfass“ zu suchen, ohne den Wein vorher im Glas gehabt zu haben.

Unesco-Weltkulturerbe Saint-Emilion: wunderschöner Ort, wunderbare Weine.

«Nowadays people know the price of everything an the value of nothing».

Das Zitat wird Oscar Wilde zugeschrieben. Und was im vorletzten Jahrhundert galt, stimmt heute wohl noch viel mehr. Jeder Weinfreund kennt den Preis einer Flasche Ausone oder Cheval Blanc, aber kaum jemand weiss, dass es noch massiv unterschätzte Weinwerte gibt, die man entdecken müsste. Und so machte sich Dominic auf die Suche. Man kann das gerne von Warren Buffet inspiriert „Value Investing Style» nennen, vinologischer Entdeckergeist wäre aber ebenso richtig:

„Der Preis ist, was zu zahlst – der Wert ist, was du kriegst“.

Er hat dabei gezielt folgende Wertetreiber analysiert, die seiner Meinung nach für die Qualität im Glas essentiell sind:
1. Bio oder Biodynamie. Gibt nicht zwingend bessere, aber oft «lebendigere» Weine und zeigt, dass der Winzer umweltmässig sensibilisiert ist.
2. Terroirqualität. Durch Studium der Lage und einem Blick auf gute Nachbarn.
3. Önologischer Berater. Gerade in Bordeaux nicht mehr Michel Rolland mit seinem Stil, sondern Thomas Duclos als Mann der Stunde.
4. Jahrgangsqualität. Mit 2019 als Paradejahrgang und 2020 auf hohem Niveau und fast ebenbürtig.
5. Sympathie des Weinguts. Eindruck im telefonischen und elektronischen Kontakt.

Aus diesem Vorgehen kristallisierten sich sechs Weingüter als Favoriten heraus, aus denen nach einer Nutzwertanalyse mit der Bewertung der Wertetreiber ein Gut besonders hervorstach:

Blick auf das Anwesen von Château Mangot (Bild: ab Medienservice auf Homepage)

Die Stecknadel im Weinfass: Château Mangot

Dominic ist so schon vor einigen Jahren auf Château Mangot gestossen. Er ging das Klumpenrisiko ein und bestellte nach intensiver Analyse, ohne den Wein je im Glas gehabt zu haben, kistenweise Weine dieses Gutes, als die Subskriptions- und Sekundärmarktpreise noch erheblich tiefer waren als heute. Ich hätte diesen Beitrag eigentlich auch früher schreiben müssen, denn inzwischen haben auch andere entdeckt, welche Trouvaille Château Mangot darstellt. Trotzdem dürfte der Name für einige eher Neuland sein, jedenfalls sind die Weine in unseren Breitengraden noch nicht inflationär bei Händlern erhältlich.

Perfektes Terroir

Château Mangot liegt in einer Gegend, in welche sich ein klassicher Besucher von Saint-Émilion eher nicht verirrt. Das Gut befindet sich rund fünf Kilometer östlich, ganz an der Grenze der Appellation. Wer aber die geologische Karte von Saint-Émilion studiert wird feststellen, dass genau in diesem abgelegenen Winkel nochmals auf einer kleinen Fläche der genau gleiche wertvolle Untergrund wie in den Coteaux von Saint-Émilion vorherrscht: lehm- und kalkhaltiger Boden mit hartem Asterien-Kalkstein-Untergrund. Kleinräumig bestehen je nach Lage und Meereshöhe auf dem Gut allerdings verschiedene Untergründe, was auf der Homepage des Châteaux sehr schön dargestellt ist (Link siehe unten). Ein perfekter Boden für grosse Weine besteht hier auf jeden Fall! Die 34 Hektar des Weinguts stellen einen zusammenhängenden Besitz dar; die Wege sind also kurz.

Perfektes Terroir! (Bild: ab Medienservice auf Homepage)

In drei Generationen an die Spitze.

Château Mangot weist eine jahrhundertealte Geschichte auf und befindet sich seit rund 70 Jahren in Besitz der Familie Petit bzw. Todeschini (Anne-Marie Petit heiratete 1981 Jean Guy Todeschini). Das Ehepaar restrukturierte das Anwesen in den 1990er Jahren mit Terrassierungen, Drainagen und Neupflanzungen und 2001 wurden sämtliche Gebäude modernisiert. Sie legten damit die ideale Basis für den Eintritt ihrer beiden Söhne Karl und Yann im Jahr 2008. Karl studierte Oenologie und Winzer und hatte bereits breite Erfahrungen im Bordelais (u.a. Beau-Séjour-Bécot und Ausone), Kalifornien und in der Toskana gesammelt. Yann, der jüngere der Brüder, aber aufgrund seiner Körpergrösse auch „le Grand“ genannt, ist Agrar-Ingenieur. Auch er studierte zusätzlich Oenologie und sammelte praktische Erfahrungen in Kalifornien. Er war auch die treibende Kraft hinter der Umstellung des Betriebes auf den Bioanbau und später hin zur Biodynamie.

Die Brüder Yann und Karl Todeschini (Bild: ab Medienservice auf Homepage)

Thomas Duclos: Der Berater für die feinen Nuancen.

An Können und Erfahrung fehlt es den beiden Brüdern also nicht. Trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb), haben sie sich ab 2016 die Dienste von Thomas Duclot gesichert. Duclot wird schon fast ein wenig als «Shooting-Star» gefeiert, der Figaro titelt vom «aufgehenden Stern» und der SudOuest schreibt, Duclos stelle «die personifizierte Moderne in der Oenologie» dar. Tatsächlich liest sich die Kundenliste von Duclos wie das «who ist who» von Bordeaux-Schlössern,  die auf Eleganz und Finesse und nicht mehr auf den bombastischen «Parker-Stil» setzen. So ist er etwa für Giscours, Bellefont Belcier, Canon, Jean Faure, Troplong-Mondot und Beau-Séjour-Bécot tätig. Bei den beiden letzteren ersetzte er Michel Rolland. Zudem ist er Teil des renommierten Beraterkollektivs «Oenoteam» und profitiert da vom Austausch mit anderen namhaften Oenologen.

In den Vordergrund stellen will sich Duclos aber nicht – er ist ein Mann der leisen aber klugen Töne. Und schon gar nicht will er einen «Duclos-Styl» kreieren. Im Gegenteil, sein Credo lautet, dass ein Wein sein Terroir ausdrücken sollte; perfekt ist er für ihn, wenn man in einer Blinddegustation seine Herkunft und Identität erkennt. Lesen Sie dazu das äusserst interessante Interview mit Duclos in «Inside La PLACE», Link siehe unten.

Neu im „Adelsstand“: seit 2022 Grand Cru Classé.

Die Qualität wird anerkannt: Seit 2022 ist bei Mangot das „Classé“ dazugekommen. Als Grand Cru Classé gehört man nun zur Elite von nur 85 klassierten Gütern in Saint-Emilion.

Saint-Émilion: Eine Legende kehrt zurück!

Château Mangot steht mit seiner Entwicklung stellvertretend für die Appellation Saint-Émilion. Trotz Klimaerwärmung schaffen es immer mehr Weingüter, frische und elegante Weine zu keltern. Thomas Duclos ist überzeugt, dass dies weiterhin gelingen wird. Auf die Frage, welches die Zukunftssorten in Bordeaux seien, meinte er: «Die Antwort ist einfach: Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc!».

Der Titel dieses Abschnitts ist übrigens schamlos geklaut: Der eben von Vinum frisch erkorene Berichterstatter für Bordeaux, Adrian van Velsen (nochmals herzliche Gratulation an dieser Stelle – das ist eine sehr gute Wahl!), hat schon im letzten Jahr mit dieser Überschrift eine tolle Reportage geschrieben, welche die Entwicklung sehr schön aufzeigt. Link siehe unten.

Saint-Émilion nimmt aber auch in Bezug auf eine nachhaltige Produktion eine führende Rolle ein. Bereits rund 20 % aller Betriebe bewirtschaften ihre Flächen biologisch (oder gar biodynamisch), und ca. 45 % besitzen das Label HVE (Haute Valeur Environnemental). Vorbildlich ist, dass in den AOP’s Umweltschutz seit dem letzten Jahr verpflichtend vorgeschrieben ist. Das bedeutet, dass entweder biologisch bewirtschaftet werden oder eines der Labels Label HVE, Terra Vitis, Agriconfiance oder auch SME de Bordeaux vorhanden sein muss (Quelle: meininger.de/vitisphere.com). Selbst wenn man sich die Frage stellen kann, ob mit gewissen Labels nicht eher Greenwashing betrieben wird – allein die Tatsache, dass man die Umweltproblematik bewusst angeht, ist visionär.

Degustationsnotizen

Nachstehend finden Sie Notizen aus zwei Blinddegustationen von «Château Mangot» und «Todeschini Dystique». Letzterer trägt je nach Jahrgang eine Nummer, beginnend mit dem Jahrgang 2008, als er erstmals vinifiziert wurde. Obwohl schon der «normale», merlotlastige Mangot grossartig ist, bringt der Dystique nochmals eine Steigerung. Er enthält 40 % Cabernet Franc, wird aus Trauben einer Mikroselektion produziert und reift zu einem Drittel in Amphoren.

Château Mangot, 2019
Mittleres Rubin; üppige dunkle Fruchttöne, insbes. Cassis und Brombeere, würzig; sehr viel feines Tannin, schöne, saftige Säure, sehr dicht und druckvoll bei gleichzeitig äusserst elegantem Gesamteindruck, langer Abgang. Vielversprechend! 18 Punkte.

Todeschini, „Distique 12“, 2019
Mittleres Purpur; wirkt zuerst etwas „wild“ in der Nase, viel Würze, Himbeere und Hagebutten, auch blumige Anflüge; im Mund sehr sehr jung wirkend, aktuell noch etwas aggressive Tannine und Säure, enorme Frische, sehr dicht, extrem vielschichtiger, „lebendiger“ Wein mit fast unendlichem Abgang. Grossartig! 18,5 Punkte.

Quintessenz: Hervorragende Bordeaux müssen nicht teuer sein.

Tatsächlich hat die rationale Suche meines Weinfreundes nach einer Bordelaiser Trouvaille mit Château Mangot ein Gut aufgezeigt, welches herausragende Weine und emotional berührenden Genuss bringt. Das sind Weinwerte zu Konditionen, die auch im internationalen Kontext weiterhin preiswert sind. Damit spiegelt sich in diesem Weingut vieles wieder, was für ganz Bordeaux gilt: Die versnobten Namen sind unbezahlbar geworden, und ganz Bordeaux hat damit letztlich ein Imageproblem. Aber wer sucht, der findet grossartige Weine, die bezüglich Genusswert unschlagbar sind.

Links:

Château Mangot, mit Direktlink auf die erwähnte Terroirkarte:
Château Mangot Saint Emilion Grand Cru Classé – Château La Brande (chateaumangot.fr)
terroirs-de-mangot.png (1418×997) (chateaumangot.fr)

Thomas Duclos (Interview in E und F
https://www.rcassocies.com/en/2022/05/13/inside-la-place-the-man-who-observes-the-nuances/
Inside La Place – Un homme entier qui relève les nuances – Roland Coiffe & Associés (rcassocies.com)
Oenoteam

Vinum-Artikel von Adrian van Velsen:
https://www.vinum.eu/ch/magazin/reportagen/2023/saint-emilion-reportage-vinum

Und zum Schluss: Ich habe im letzten Jahr über ein anderes Bordeaux-Gut geschrieben, das ebenfalls grosse Weine zu bezahlbaren Preisen hervorbringt, siehe hier:
Gute Bordeaux sind billig! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)


Interessennachweis: Die Weine wurden zweimal in Blinddegustationen (einmal davon „Doppelblind“) beim Weinfreund Dominic Oberer degustiert.


Es gibt übrigens insofern eine Fortsetzung, als ich über die Doppelblinddegustation noch berichten werde – verbunden mit einer Wette von Dominic. Sie können sich ja schon mal überlegen, welcher Wein unter 30 Euro/Franken es mit den Kreszenzen von Château Mangot aufnehmen könnte.

Castello Syngenta.

Weinmarketing ist so eine Sache. Die Cantina Mascarello in La Morra wirbt mit Syngenta. Ein klein wenig Polemik dazu von mir.
Dafür im zweiten Teil des Beitrags ein Hinweis auf einen schönen Taurasi, für den der Direktvertrieb aber bereits wieder aufgegeben wurde.

Mascarello aus dem Piemont, da denkt man automatisch an teure Weine bester Qualität und somit an Guiseppe oder Bartolo. Es gibt aber auch noch den Produzenten Mascarello Michele & Figli, bei dem ich vor einiger Zeit einen Probekarton gekauft habe. Seither bin ich auf dem E-Mail-Verteiler des Unternehmens, und da erreichte mich diese Woche eine spezielle Nachricht:

Dear Customer,
Mascarello today with Syngenta, in the continuous search for ever superior quality of wines.
On a path towards regenerative agriculture.
In the video, Fabio Mascarello receives Syngenta Marketing Manager Francesco Scrano in our historic cellar in La Morra to learn about the Syngenta offer for the year 2024.

Nachhaltigkeit – mehr als ein Schlagwort?

Nun kann man von Syngenta halten was man will. Tatsächlich gibt es z.B. die schon vor 20 Jahren noch von Novartis gegründete „Syngenta Foundation for Sustainable Agriculture“, welche sich eine nachhaltige Landwirtschaft zum Ziel gesetzt hat. Auch verpflichtete sich Syngenta ausdrücklich den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (Quelle: Wikipedia). Und zumindest gefühlsmässig bekommt man beim Einlesen und dem Studium verschiedener Quellen tatsächlich den Eindruck, als hätte Syngenta gemerkt, dass Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft nicht nur eine Worthülse sein darf, sondern langfristig den eigenen Unternehmenserfolg sichert.

Werbung für chinesischen Staatskonzern.

Bloss: Gerade als Sympathieträger dürfte der Konzern trotzdem kaum dienen, zumal das ursprünglich schweizerische Unternehmen im Jahr 2017 an den chinesischen Staatskonzern Chem China (heute Sinochem) verscherbelt wurde. Kann man damit Werbung für seine Weine machen?

Kann man – ob erfolgreich oder nicht, bleibe dahingestellt! Zumal das Filmchen selbst eher etwas peinlich anmutet. Wenn der Syngenta-Mann seine Produkte vorstellt, wirkt das Ganze fast wie Realsatire – selbst dann, wenn er biologische Mittel vorstellt.

Quintessenz: Ein (eher schlecht gemachter, da durchschaubarer) Werbefilm für Syngenta, aber sicher nicht für Mascarello. Hoffentlich gibt Syngenta wenigstens Sonderkonditionen.

Solide Qualität – aber nicht mehr.

Warum ich überhaupt auf dieses Mascarello-Weingut gekommen bin? Ich wurde angefragt, ob man mir eine Flasche Nebbiolo oder Barbera zur unverbindlichen Probe zustellen dürfe? Ich habe dann den Spiess quasi umgedreht, und käuflich gleich sieben verschiedene Weine bestellt. Berichtet habe ich aber nie darüber. Sie haben einfach meine Kriterien nicht erfüllt, um sie zu empfehlen. Schlecht war zwar keiner, durchaus solide Qualität – aber einfach zu wenig, um mich wirklich zu begeistern.

Marketingmässig spannend war immerhin der Vertriebsweg, der Probekarton wurde mir fertig verzollt direkt von der Cantina frei Haus geliefert. Wer allerdings heute aus der Schweiz bestellen will, wird auf den Importeur Wolfox umgeleitet.


Direktmarkting in die Schweiz scheint steinig.

Es mag Zufall sein, aber möglicherweise ist der Direktvermarktungsweg aus der EU in die Schweiz trotz höherer Wertschöpfung doch ein zu steiniger Weg. Eine fast identische Geschichte erlebte ich vor drei Jahren mit Weinen des Gutes „palma vini“ aus Kampanien. Amodio Palma schrieb mich an; er wohnte in der Schweiz und importierte die Weine damals auch direkt. Inzwischen ist die Homepage aber abgeschaltet, dafür finden sich die Palma-Weine jetzt im Handel.

Ein toller Taurasi von Palma Vini

Ich habe auch darüber nie berichtet, allerdings weisen diese Weine – rot und weiss – ein beachtliches Niveau auf und insbesondere der Taurasi 2015 ist durchaus eine Empfehlung wert, weshalb ich das hier nachhole (Notiz aus 2021):

Taurasi 2015, DOCG, Vini Palma, Mugnano di Napoli

Mittleres Rubin; vielschichtige Nase mit fruchtigen (Kirsche, Brombeere) und floralen (Gylzinie) Noten; im Mund eher filigran, aber mit sehr feinen Tanninen und schöner Säure, für einen Wein aus dem Süden mit erstaunlicher Frische, kaum spürbarer Alkohol, langer Abgang. Sehr gelungener Aglianico! 17 Punkte.


http://www.mascarello.com

https://www.syngentafoundation.org

Zu „palma vini“ habe ich keine funktionierende Homepage gefunden. Bezugsquellen in Deutschland und der Schweiz sind aber im Netz zu finden. Und hier immerhin ein Link auf den Facebook-Account:
Facebook


Interessennachweis: Die Weine wurden auf dem beschriebenen Weg gekauft.

Château Gloria, St. Julien: plötzlich glorios!

Das Gut aus St. Julien im Médoc ist in Bezug auf die Entstehung eines der spannendsten. Und der Wein war auch immer gut. Aber mit den jüngeren Jahrgängen hievt sich das Château plötzlich noch viel höher.

18 Punkte von Jancis Robinson? Das ist schon so etwas wie ein Adelsschlag. Für den Jahrgang 2019 von Château Gloria zückte die kritische Weinkoryphäe diese Note in einer Blinddegustation. Damit wird das Gut von Robinson gleich hoch bewertet wie beispielsweise Léoville-Poyfferé! Das lässt aufhorchen.

Mir selbst wurde der Gloria 2019 vor ein paar Tagen in einer Blinddegustation mit Weinen aus St. Emilion als Pirat „untergejubelt“. Ich war ein klein wenig strenger und habe 17,5 Punkte verteilt. Glorios ist der Wein aber allemal, und zudem in einer Preisklasse (um CHF/Euro 40.00), die für das Médoc noch als anständig bezeichnen werden kann.

Damit kehrt ein Wein, den ich in Jugendzeiten öfter kaufte, dann aber irgendwann etwas „langweilig“ fand, zurück auf meinen Radar. Ich hatte zwar auch diverse Jahrgänge aus der ersten Dekade dieses Jahrhunderts im Glas, alle waren gut, aber keiner wirklich beeindruckend. 2019 ist nun aber wahrlich toll, und die Degustationsnotizen der grossen Weinkritiker für die Folgejahrgänge zeigen, dass es sich nicht um eine Eintagsfliege handelt.

Klassierter Boden ohne Klassierung

Verwunderlich ist das freilich nicht. Die Geschichte des Château begann im Jahr 1939, als Henri Martin, lange Bürgermeister von Bordeaux, die ersten 6000 Stöcke Reben in St. Julien (genauer: Beychevelle) kaufte. Nach und nach erwarb er danach Parzelle um Parzelle, meistens Lagen, die als Cru classé eingestuft sind. Trotzdem gilt Gloria nicht als Cru classé – dafür ist es zu jung (die Klassierung datiert bekanntlich aus 1855), und eine Neuklassierung lässt auf sich warten, wenn sie denn im Médoc je stattfindet.

Reblandschaft im Médoc (Symbolbild)

Aus den 6’000 Stöcken (was wohl etwa einer Hektar entsprach), sind inzwischen 50 Hektar geworden, und Château Gloria produziert heute rund 220’000 Flaschen Wein. Das Gut ist weiter in Familienhand, geführt von Henri Martins Tochter Françoise und Schwiegersohn Jean-Louis Triaud sowie deren Kinder Vanessa und Jean. Zum Besitz der Familie gehört übrigens auch das klassierte Gut St. Pierre, das man wohl auch näher verfolgen sollte!

Château Gloria, 2019
(65 % Cabernet Sauvignon, 25 % Merlot, 5 % Cabernet Franc, 5 % Petit Verdot)
Mittleres Purpur; neues Holz, Zedernduft, dezente, vielschichtige dunkle Frucht, Schokolade, Vanille; auch im Mund holzbetont (aber nicht überzeichnet), vollgepackt mit viel feinem Tannin, angepasste Säure, kraftvoll aber sehr elegant, schöner Wein mit viel Potential. 17,5 Punkte.


Interessennachweis:
Der Wein wurde bei einem Weinfreund im Rahmen einer Blinddegustation verkostet.

Cuvée Zaccharie von Château Thivin: Gamay auf höchstem Niveau!

Das Beaujolais, früher sehr geschätzt, dann u.A. aufgrund des Hypes um den jämmerlichen „Beaujolais nouveau“ etwas in Verruf gekommen, erfindet sich gerade neu. Viele Winzer bringen heute tolle Weine auf die Flasche und zeigen, dass die Traubensorte Gamay grossartig sein kann.

Komisch, dass ich Gamay wie neu entdecken musste. Als ich begann, mich für Wein zu interessieren, waren Weine aus dem Gebiet unter den ersten, die mir gefielen. Zudem erinnere ich mich, etwas später, gut an einen Beaujolais in einem Lausanner Restaurant, der bereits 15 Jahre alt war – und begeisternd. Aber irgendwie – mag tatächlich sein, dass die jährliche Beaujolais-nouveau-Rally mich abschreckte – begann das Gebiet und mit ihm die Gamay mein Interesse zu verlieren.

Erst durch viele herausragende Gamay’s aus der Schweiz rückte auch das Beaujolais wieder in meinen Fokus. Die lange geplante Weinreise hat zwar noch immer nicht stattgefunden, aber es landen nun doch immer wieder mal Beaujolais in unseren Gläsern. Ich habe auch schon einmal über Château Thivin geschrieben – die Cuvée Zaccharie 2018 fand ich grossartig und schon ein wenig „burgundisch“. Nun habe ich den Jahrgang 2021 genossen, ein klimatisch ganz anderes Jahr und deshalb auch ein Wein mit einer anderen Struktur – aber kein Bisschen weniger gut.

Zugegeben, der Spitzenwein von Château Thivin ist auch nicht mehr billig und kratzt mit rund 37 Franken/Euro auch an der Grenze dessen, über was ich üblicherweise schreibe. Aber vom gleichen Gut gibt es für Preise um rund 20 Franken etwa den „Reverdon“ oder den „Les Sept Vignes“ weitere Weine, die hervorragend sind und die auch schon in dieser Preisklasse helfen, alle Vorurteile gegenüber der Gamay abzubauen.

Château Thivin, Cuvée Zaccharie, Côte de Brouilly, 2021
Mittleres, glänzendes Rubin; sehr fruchtige Nase mit Johannisbeeren und Himbeeren, würzige Noten, etwas Tabak, leichter, schöner Holzton; im Mund äusserst frisch und „saftig“, viel feines Tannin, angepasste Säure, leichter, erfrischender Bitterton, filigraner als 2018, aber trotzdem mit viel „Druck“, sehr langer Abgang. Toller Wein, den man besser als den 2018-er als Gamay erkennen kann (vgl. Link unten), bei dem man aber immer noch Lust hätte, ihn einem guten Wein von der Côte d’Or gegenüberzustellen. 17,5 Punkte.

Auf Château Thivin, dem ältesten, schon im 14. Jahrhundert erwähnten Weingut der Region, wird biologisch gewirtschaftet und auch schon, Gamay hin oder her, mit Piwi experimentiert. Wer mehr über Château Thivin wissen möchte, kann gerne meinen schon erwähnten früheren Blogbeitrag nochmals aufrufen, oder auch die Site des Gutes, die spannend und vorbildlich informativ ist:

Toujours le Gamay! Château Thivin lässt das „jamais“ alt aussehen! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Château Thivin – Côte de Brouilly et Crus du Beaujolais (chateau-thivin.com)

Bezugsquellen Schweiz:
Points de vente dans le Monde – Château Thivin (chateau-thivin.com)

Bezugsquellen Deutschland:
Points de vente dans le Monde – Château Thivin (chateau-thivin.com)


Interessennachweis:
Der Wein wurde im Weinhandel erworben.

Alkohol trinken ist schä(n)dlich! Sagt die NZZ.

Die Diskussion über die Schädlichkeit von Alkohol ist definitiv in der Presse und der Gesellschaft angekommen. Dry January ist ein Thema in jedem zwanzigsten Beitrag auf Social Media, dazu gibt es viele Inserate für alkoholfreien Wein, ebensolches Bier oder Gin ohne Alkohol. Und Presse- sowie Blogartikel zum Thema haben Hochkonjunktur. Es ist kaum anzunehmen, dass das Thema plötzlich wieder verschwindet.

In der NZZ bzw. NZZ am Sonntag erschienen anfangs Januar Artikel (Link unten), die glasklar festhielten, eine neue Studie habe gezeigt, dass Alkohol vom ersten Schluck an schädlich sei, und dass die früher behaupteten gesundheitlichen Vorteile von Wein einer wissenschaftlichen Prüfung nicht standhielten. Es sei davon auszugehen, dass rund die Hälfte der Erkrankungen in Zusammenhang mit Alkohol auf Personen mit moderatem Konsum entfielen. Die Liste der möglichen Erkrankungen sei dreistellig, Leberschäden, Diabetes und, als eher neuere Erkenntnis, Krebs seien nur drei Beispiele.

Die Artikel bringen zwar viele korrekte Hinweise, kommen aber in ihrer reisserischen, oberflächlichen und wenig wissenschaftlichen Art kaum für einen Journalistinnenpreis in Frage. Mit wenig Online-Recherche stösst man darauf, dass die gleiche Botschaft Ende des letzten Jahres schon sehr breit publiziert wurde (wer schreibt hier wohl wem ab?).

Studie aus 2018 ist plötzlich der Renner – auch wenn sie gerade korrigiert wurde.

Die Studie, auf welche sich die Publikationen beziehen, stammt allerdings schon aus dem Jahr 2018 und hielt uneingeschränkt fest, dass jeglicher Alkoholkosum schädlich sei. Sie hat damals aber offenbar kaum Beachtung gefunden. Sie wurde kürzlich überarbeitet und lautet nun eigentlich, dass für Personen unter 40 Jahren Alkoholkonsum schon in minimalen Mengen schädlich sei, für Leute über 40 könne hingegen zurückhaltender Genuss sogar gesundheitsfördernd sein! Spannend, was die Presse aus einer solchen Publikation dann macht, und bedenklich, dass in keinem der Presseartikel ein Link auf die wissenschaftliche Publikation enthalten ist (was ich nachstehend für die Presse gerne nachhole ….).

Alkoholkonsum ist zweifelsfrei ein Gesundheitsproblem.

So wenig professionell die erwähnten Artikel in der selbsternannten Qualitätszeitung sind: Dass Alkohol grundsätzlich und insbesondere in hohen Mengen schädlich ist, wird wohl auch der grösste Weinfreund nicht in Abrede stellen. Und dass es Leute, die keinen Alkohol trinken, in der Gesellschaft bisher oft nicht ganz einfach hatten („komm, trink doch wenigstens ein Glas mit“), ebenso. Dass dies schändlich war und ist bedarf hoffentlich keiner Diskussion. Dass wir Weintrinker uns Gedanken über unsere Gesundheit machen sollten, erst recht. Und dass es wohl gescheiter wäre, Wasser statt billigen Massenwein zu trinken, wird hier wohl auch kaum jemand bestreiten.

Trotzdem werde ich mir meinen Genuss von Wein nicht verderben lassen! Wobei, die Frage des Masses stellt sich natürlich, ich habe in letzter Zeit – nicht wegen der erwähnten Artikel – mehr alkoholfreie Tage eingeschaltet, und Dry January findet bei mir schon seit mehr als zwei Jahrzehnten statt; ich bin also sozusagen ein Trendsetter, vielleicht nun auch beim alkoholfreien Wein.

Weinfreunde leben in einer Bubble.

Lernen sollte die Weinwelt aus der aktuellen Entwicklung aber schon: Ich bin mir fast sicher, dass die Alkohol-Diskussion nicht abbrechen wird. Zudem leben wir Weinfreunde wohl auch in einer Bubble. Denn gerade junge Leute interessieren sich nur in den wenigsten Fällen für Spitzenwein. Die geschätzte Bloggerkollegin Nicole Korzonnek schrieb dazu – im Dry January 2024 – treffend: „Kurzum: Die Zielgruppe für alkoholfreie Weine sind per se nicht die passionierten Weinliebhaber, die das Thema in den öffentlichen Diskussionen aber prägen“. (Link unten).

Ich bin mir sicher bin, dass es in Zukunft auch wieder Forschungen geben wird, welche die gesundheitsfördernde Wirkung des Weines „beweisen“ werden. Vor allem aber stellt sich die Frage, warum es – meines Wissens – noch keine Studie dazu gibt die aufzeigt, wie gesundheitsfördernd lockeres Geniessen und lustvolles Zusammensein sein kann. Die berühmte Formel, dass Wein, Knoblauch und Olivenöl dazu führen, dass es im mediterranen Raum weniger Herzinfarkte gibt, könnte ja vielleicht auch „nur“ auf die südliche Lebensfreude zurückzuführen sein?

Winzer und Weinhändler, hört die Zeichen

Wie auch immer, die Quintessenz des Vorgesagten ist für mich, dass sich die Akteure der Weinbranche auf einen nie mehr ganz abreissenden Nordwind gefasst machen sollten. Alkohol wird – zumindest was missbräuchliche Mengen anbelangt auch sehr zurecht – unter Beschuss bleiben. Und gerade deshalb dürften alkoholfreie Varianten immer interessanter werden. Wer sich dem verschliesst, wird mit Sicherheit mittel- bis langfristig auf der Verliererseite stehen.

Zum Schluss ein kleines Detail am Rand, das auch nur auf Zufall basieren kann. Nach meinem ersten Beitrag über alkoholfreien Wein wurde ich in den sozialen Medien teilweise schon fast zerrissen – das war 2022. Nach einem Ende 2023 publizierten zweiten Beitrag drehte sich die Diskussion nur noch darum, ob denn entalkoholisierter Wein überhaupt unter der Bezeichnung Wein durchgehen dürfe.

Fünf Prozent Marktanteil in fünf Jahren!?

Ich behaupte einfach mal, dass bis in fünf Jahren niemand mehr solche Fragen stellt – ganz einfach deshalb, weil in der Weinbranche keiner und keine mehr auf fünf Prozent Marktanteil (meine Prognose, aktuell sind es rund 1 %) verzichten will. Winzer und Weinhändler, hört die Botschaft!

Beitrag in der NZZ, leider hinter Paywall, aber Sie verpassen da auch nicht viel …. :
https://www.nzz.ch/wissenschaft/alkohol-schon-geringe-mengen-verursachen-krebs-ld.1767734

Links auf die erwähnte Studie bzw. Beiträge darüber (erster Link 2018, zweiter 2023):
Alcohol use and burden for 195 countries and territories, 1990–2016: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2016 – The LancetTHE LANCET: Alcohol consumption carries signi | EurekAlert!
THE LANCET: Alcohol consumption carries signi | EurekAlert!

Erwähnte Beiträge in meinem Blog:
Alkoholfreier Schaumwein von Thomson & Scott: Nüchtern betrachtet erstaunlich gut! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
Wein ohne Alkohol – aber mit viel Geschmack! Auf der Spur eines gesellschaftlichen Trends. – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Und der Beitrag auf Bottled Grapes (falls Sie den Blog nicht kennen – abonnieren lohnt sich!):
Alkoholfreier Wein: Vom Trend zur festen Größe? | Bottled Grapes (bottled-grapes.de)


Interessennachweis:
Diesmal nur der guten Ordnung halber; es gibt keinerlei Interessen - ausser meinem persönlichen Interesse an dieser Diskussion 🙂


Gewürztraminer. Noch so eine unterschätzte Sorte – und ein überraschendes Food-Pairing.

Zum Jahresende ganz bewusst ein Beitrag über eine verkannte Sorte aus der weinmässig immer noch massiv unterschätzten Schweiz. Ein zehnjähriger Gewürztraminer vom Weingut Haug überzeugt!

Es ist immer wieder erstaunlich, wie viele Weinfreunde über gewisse Rebsorten lästern, nach meiner Beobachtung sogar oft nur aufgrund weniger schlechter Erfahrungen. Der Gewürztraminer ist eines dieser Mauerblümchen und ich bin mir sicher, dass dieser Beitrag in den sozialen Medien zu einigen abschätzigen Bemerkungen über den Gewürztraminer führen wird – wenn überhaupt. Wenn ich über Bordeaux schreibe (ein Beitrag über ein Juwel folgt im neuen Jahr), dann generiert das Klicks bis in vierstellige Zahl – ein Artikel über eine Nischensorte nur ein paar wenige. Schade, was „Weinfreunde“ alles verpassen!

Aber zugegeben, Gewürztraminer ist in meinem Keller auch nicht gerade übervertreten, was vor allem daran liegt, dass die meisten Weine mit Restsüsse ausgebaut werden, was zwar rational beurteilt sehr gut sein kann, aber einfach nicht meinem Geschmack entspricht.

Zehn Jahre und kein bisschen müde

Ein etwas gewagter Versuch für eine Weinbegleitung brachte mich dazu, einen zehnjährigen Gewürztraminer zu öffnen. Nicht nur das Food-Pairing gelang, auch der Wein überzeugte und zeigte einmal mehr, welch grosses Potential Schweizer Weine haben!

Jahrgang 2013 – und an Weihnachten 2023 noch jugendlich frisch – eine Freude!

Der trocken ausgebaute 2013-er vom Weingut Haug in Weiningen im Zürcher Limmattal (nur wenige Kilometer von der Stadt Zürich entfernt) überzeugte total und wirkte noch jugendlich frisch. Ich hatte 2018 schon einmal kurz über das Weingut und den Wein geschrieben (Link siehe unten) und damals auch ein paar Flaschen erworben.

Sellerie, Rote Beete, Ingwer, Balsamico – und der Gewürztraminer passt!

Wir hatten über die Festtage Besuch, und unser Sohn bekochte uns mit einer – wie sich zeigen sollte – umwerfend guten Vorspeise
https://www.instagram.com/p/C1RQfhZs2ZP/?igsh=ZDE1MWVjZGVmZQ==
die es in Sache Weinbegleitung allerdings in sich hatte. Gerösteter Sellerie, Rote Beete-Pürree mit Ingwer, Champignons und Balsamico-Butter-Sauce. So, nun kombinieren Sie das mal schön mit einem passenden Wein! Ich dachte zuerst in Rot, etwa an einen Châteauneuf-du-Pape, entschied mich dann aber zu einem Experiment mit dem Gewürztraminer. Und das ging erstaunlich gut, ja vorzüglich. Die Frucht passte ganz toll zum Sellerie (der durch das Rösten im Backofen seinen penetranten Eigengeschmack etwas verloren hatte), verband sich genial mit Ingwer und hielt dank seiner Kraft auch der Balsamico-Sauce stand. Manchmal lohnt es sich, ausgetretene Pfade zu verlassen und etwas Neues auszuprobieren!

„Metzger-Heiris“ Vermächtnis wird weitergeführt

Das Weingut Haug hat als Selbstkelterer für Schweizer Verhältnisse eine sehr lange Tradition. Als Heinrich Haug („Metzger-Heiri“) 1964 in seinem Mischbetrieb den ersten Wein selbst kelterte, war das eine Sensation – Selbstkelterer gab es damals praktisch nicht. Und dass er 1968 ein eigenes Keltereigebäude bauen liess, erst recht. Der Betrieb blieb in der Familie, wurde von Sohn Hans-Heinrich zum besten im Limmattal entwickelt und wird heute massgeblich vom Enkel Robin betreut, der 2020 vollamtlich in das Weingut einstieg (aber schon viele Jahre zuvor auf dem elterlichen Hof tätig war). Robin Haug lernte Winzer und studierte später in Changins Oenologie. Er ist Mitglied der bemerkenswerten Vereinigung „Junge Schweizer Winzer“ und ist in der Weinbranche bestens bekannt, weil er während neun Jahren den Branchenverband „Deutschschweizer Wein“ leitete. Wer den Zürcher Wein wirklich kennen will, sollte also nicht nur ins Zürcher Weinland und an den Zürichsee pilgern, sondern auch ins Limmattal, wo Robin Haug die Tradition seines Vaters und Grossvaters hervorragend weiterführt.

Robin Haug im Keller des Weingutes in Weinigen, Aufnahme aus 2018.

Tramin im Südtirol – und die Traube des Christkindes.

Der Gewürztraminer ist eine sehr alte Sorte, je nach Quelle soll sie bis zu den Römern zurückzuverfolgen sein, welche sie als „Uva Animea“ aus Nordgriechenland eingeführt haben sollen. Einigermassen gesichert ist seine Existenz in Mitteleuropa bereits im 11. Jahrhundert – im namensgebenden Tramin im Südtirol. (Jancis Robinson, „Reben, Trauben, Weine“ und Pierre Galet, „Cépages de France“). Nach neueren Forschungen soll es sich freilich um eine Mutation des Savagnin blanc handeln und der Ursprung soll nördlich der Alpen liegen. Jedenfalls ist die Sorte inzwischen weltweit verbreitet und wird auf rund 12’000 Hektar angebaut, davon etwa 950 Hektar in Deutschland, 700 in Oesterreich und 50 in der Schweiz. Spitzenreiter ist Frankreich und dort fast ausschliesslich das Elsass mit rund 3’000 Hektar (Wikipedia). Sie tritt auch unter sehr vielen Synonymen auf, am bekanntestens sind Roter Traminer und Gelber Traminer. Und am besten gefällt mir, passend zum Weihnachtsmenu, der Name „Christkindltraube“.

Degustationsnotiz, Gewürztraminer 2013, Weingut Haug, Weiningen
Helles Gelb; gelber Pfirsich, Lychees, Papaya, Rosenblüten, kleiner Anflug von Lebkuchen; im Mund noch äusserst frisch, schöne Säure, trocken, auch im Mund enorm fruchtbetont, rund, schöne Struktur, aussergewöhnlich langer Abgang auf leichter, aber schöner Bitternote endend. Wunderbarer Gewürztraminer, dem man sein Alter überhaupt nicht anmerkt. 16,5 Punkte.

Home Weingut Haug – Weingut Haug – Qualitätsweine aus Weiningen (weingut-haug.ch)

https://www.jsnw.ch/aktivitaeten/ (Junge Schweizer Winzerinnen und Winzer)

1. Mai – auf zu den Winzern! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog) (Link zum erwähnten früheren Beitrag)


Interessennachweis:
Der beschriebene Wein wurde 2018 im Weingut gekauft.