Chenin Blanc – viel zu unbekannte Spitzensorte, egal ob von der Loire oder aus Südafrika.

Die Chenin Blanc ist, ähnlich wie der Riesling, ein Universalgenie. Aus der Sorte können tolle Schaumweine, herausragende trockene Weisse mit enormen Alterungspotential, vielschichtige feinherbe Weissweine und auch geniale Süssweine entstehen. Und vor allem: Wenn man die Chenin Blanc am richtigen Ort pflanzt und den Ertrag reguliert, entstehen Spitzenweine.

Anlass zu meinem heutigen Blog war ein Post in den sozialen Medien, in welchem sich ein Weinfreund sehr überrascht von die Qualität von Weinen aus der Chenin Blanc zeigte und gleichzeitig feststellte, dass jene aus Südafrika nicht ganz mit den Vertretern des Loiretals mithalten konnten.

Ich hatte schon vor zwei Jahren einmal einen Vergleich Loire/Südafrika publiziert (Clau de Nell vs. Stellenrust), der unentschieden endete (Link siehe unten, darin kann auch mehr über die Sorte Chenin Blanc nachgelesen werden). Die Aussage des Weinfreundes war für mich zwar insofern verständlich, als er ausgerechnet Weine der Domaine Huet, einem Leuchtturm an der Loire, als Beweis für die Überlegenheit der Loire-Weine heranzog. Trotzdem reizte mich der Post, in den Keller zu steigen, um wieder einmal selbst einen Vergleich zu machen.

Natürlich fiel meine Wahl für die Loire auf Vouvray und auf die Domaine Huet, vertreten mit dem Le Haut-Lieu sec 2021. Aus Südafrika wählte ich, weil ich den Wein endlich mal probieren wollte, den Duwweltjie von Thistle & Weed aus dem Jahr 2020.

Kultstatus trotz Besitzerwechsel gehalten

Die Domaine Huet hier näher vorzustellen, ist wohl Wasser in die Loire getragen (kurz: 1928 mit der Hauptparzelle „Le Haut Lieu“ gegründet, seit den 1990er-Jahren bio-dynamisch arbeitend, seit einiger Zeit mit Kultstatus, den die Domaine auch nach dem Besitzerwechsel zur amerikanischen Familie Hwang 2003 und dem Ausscheiden des letzten Familienmitgliedes der Huet’s 2012 nicht verlor).

Etiketten wie aus einer anderen Zeit. Auch die Reben für den „Duwweltjie“ stammen aus alten Zeiten, nämlich aus dem Jahr 1961.

Unkraut und Wildnis als Programm

Kaum bekannt ist hingegen das in Paarl ansässige Weingut Thistle & Weed. Es wurde auch erst im Jahr 2015 gegründet und verfügt über recht weit verstreute Reben u.A. in Stellenbosch, Simonsberg, Swartland und eben in Paarl, wo der Duwweltjie herkommt. Der Name des Gutes ist quasi Programm, denn alle Weine werden nach einem Unkraut benannt, wobei der Ausdruck Beikraut bei diesem Weingut wohl passender wäre. Duwweltjie steht für Teufelsdorn (Tribulus terrestris), der vor allem an trockenen Lagen wächst. Die Busch-Reben an dieser Lage wurden 1961 gepflanzt und ergeben mit ihren knorrigen Stöcken bestes Traubenmaterial.

Nicht Winemakers sondern Storytellers

Für das Gut haben sich Etienne Terblanche als Winzer und Stephanie Wiid als Oenologin zusammengetan. Ihre Philosophie ist auf der Homepage schön ausgedrückt: We’re not winemakers we’re winegrowers or rather, storytellers. There is nothing more exciting or nerve-wracking than to stand back and to see the story of place unfold in every bottle. Zumindest mit dem Duwweltjie beweisen sie in der Flasche, dass die Philosophie mehr als nur leere Worte ist. Ich werde mir alle Weine von Thistle & Weed besorgen und bin gespannt, ob das ganze Sortiment so begeisternd ist. Mehr zu den Betreibern der jungen Domaine finden Sie auf der Homepage des Gutes, Link unten.

Loire vs. Paarl: Unentschieden auf hohem Niveau!

Degustationsnotizen:

Chenin Blanc, Duwweltjie, WO Paarl, Thistle & Weed, 2000
Helles Strohgelb; sehr fruchtig mit Lychees und Aprikosen, weissen Johannisbeeren, etwas Anis; eher tiefe Säure aber unglaubliche Frische, sehr rund und harmonisch fliessend, leichter, schöner Bittertouch, feurig (aber nicht alkoholisch), sehr „lebendig“ wirkend, langer , fruchtbetonter Abgang. 17,5 Punkte.

Chenin Blanc, Le Haut Lieu sec, Vouvray AOC, Domaine Huet, 2021
Mittleres Gelb; leicht hefiger Auftakt, Brotrinde, auch fruchtbetont mit Nuancen von Zitrus, Granatapfel umd Stachelbeere; sehr schöne, hohe, aber nicht aggressive Säure, eleganter Körper, etwas „Naturwein-Touch“ (aber dabei sehr sauber), fruchtiger Nachhall im Abgang. Steht noch am Anfang seiner Entwicklung. 17,5 Punkte.

Links zu den Weingütern:

Boutique Winemakers South Africa | Thistle and Weed
Domaine Huet

Und zum erwähnten früheren Beitrag:

Frankreich oder Südafrika? Beides, wenn es um Chenin blanc geht! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Bezugsquellen (unter anderen; weitere können problemlos im Netz recherchiert werden:

Thistle and Weed Chenin Blanc Duwweltjie – TOP SALE – 2020 (kapweine.ch)
Thistle and Weed | Stellenbosch (suedafrika-weinversand.de)

Le Haut-Lieu sec 2022, 75 cl – Huet | Online kaufen (martel.ch)
Huet: Vouvray Le Haut-Lieu sec 2022 – Lobenbergs Gute Weine (gute-weine.de)


Interessennachweis: Beide Weine wurden im Weinhandel gekauft.

Liesch Weine: still und heimlich an die absolute Spitze der Bündner Herrschaft!

Die kleine Region der grossen Weine“ oder „das Burgund der Schweiz“: Die Bündner Herrschaft bringt in der Tat grossartige Tropfen hervor. Und meines Erachtens gibt es kein zweites Weinbaugebiet in der Schweiz, das auf sehr hohem Niveau ein so homogenes Qualitätsniveau erreicht. Und trotzdem gibt es auch hier immer wieder Entdeckungen! Liesch Weine zum Beispiel, von Parker hoch beehrt aber zu wenig bekannt.

Starten Sie mal eine Wein-Onlinesuche mit den Namen Gantenbein, Donatsch oder Studach. Der Treffer gibt es sehr viele. Und dann machen Sie das mit Liesch Weine: Das Resultat ist viel bescheidener, und dann muss sich Liesch Weine, der Betrieb, dem dieser Beitrag gewidmet ist, die Treffer erst noch mit einem zweiten Produzenten namens Liesch teilen. Dabei haben die Brüder Ueli und Jürg Liesch mit ihren Weinen klammheimlich ein Niveau erreicht, das sie meines Erachtens mit an die absolute Spitze in Graubünden bringt!

Betrieb unter dem Radar der Weinwelt, aber dem Navi und Google bekannt

Man muss nicht nur im Inernet suchen. Auch für einen Besuch auf dem Weingut ist ein Navi empfehlenswert, um auf Anhieb beim Gut „Treib“ der Familien Liesch zu landen. Vor fast 100 Jahren siedelte der Grossvater der heutigen Eigentümer aus Malans aus und baute die landwirtschaftliche Siedlung, die damals als Mischbetrieb geführt wurde. Reben gab es nur wenige, und die Trauben wurden verkauft. Die nächste Generation setzte dann schon etwas mehr auf den Wein. In den 1960er Jahren wurden rund drei Hektar bepflanzt. Ausgebaut wurde der Wein bis 1984 in Malans in einem Gemeinschaftstorkel. Es gab damals zwei Sorten und zwei Weine, natürlich die klassischen Blauburgunder und Müller Thurgau (zu jener Zeit noch Riesling X Sylvaner genannt).

Prächtige Weinlandschaft in den Alpen: Blick vom Weingut das Rheintal abwärts.

Die heutigen Winzer, das sind die Brüder Ueli und Jürg Liesch, haben – mit Ausnahme einiger Ausgleichsflächen – die ganzen sieben Hektar des Gutes mit Reben bestockt – etwa 2/3 mit roten und 1/3 mit weissen Trauben. Aus zwei Sorten sind inzwischen acht geworden (Kleinflächen mitgezählt noch mehr). Und die Anzahl Weine stieg von zwei auf 14!

Wenigstens Stephan Reinhardt hat Liesch Weine für Parker entdeckt

Vor allem aber: Auch wenn Liesch Weine noch immer zu den etwas weniger bekannten Produzenten zählt, qualitativ wurde hier innerhalb kurzer Zeit ein Quantensprung vollbracht. Von zwei auf 94 sozusagen, nämlich von zwei Weinen im Jahr 1990 auf 94 Parker-Punkte im Jahr 2023 (und 93 sowie 92+ noch dazu!).

Diese Leistung der Brüder Liesch kann nicht hoch genug einschätzt werden. Beide haben Winzer gelernt, und beide haben ein Praxisjahr im Anderson Valley in Kalifornien absolviert. Ansonsten sind sie weintechnologisch «Self-Made-Men» und beziehen ihr parkergekröntes Wissen aus der Praxis, aus Selbststudium und aus dem Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, etwa mit den Mitstreitern der Vereinigung «Pinot Rhein».

Jürg und Ueli Liesch: Zwei überaus sympathische, geerdete Weinhandwerker, die gleichzeitig auch enthusiastische Weinkünstler sind. Es gibt übrigens keine Arbeitsteilung, beide können und machen alles auf dem Betrieb – und kommen auch nach 30 Jahren noch gut zusammen aus!

Das innere Feuer brennt, um „fines wines“ zu kreieren!

Immer dazulernen, nie stehenbleiben! Ich kenne einige Winzer in ähnlichem Alter wie die Liesch’s, die langsam genug haben und nur noch den Ruhestand herbeisehnen. Jürg und Ueli Liesch sind neugierig geblieben, und genau deshalb macht die Arbeit noch immer Spass. So war einer der Gründe, im Jahr 2020 auf biologischen Anbau umzustellen, auch die Suche nach einer weiteren Herausforderung. Die neue Bewirtschaftungsmethode wurde zwar aus Überzeugung, aber nicht als Dogma gewählt. Ueli Liesch gibt zu bedenken, «dass heute durchaus auch konventionell arbeitende Winzer mit der notwendigen Aufmerksamkeit ökologisch sinnvolle Weine produzieren können».

Sozusagen Patin der Bio-Umstellung war das Projekt «Bio Vision 2020» von „graubündenWEIN“, mit dem sehr hohe ökologische Ziele gesetzt wurden und das auch Unterstützung bot. Die Umstellung bei Liesch’s gelang bisher sehr gut, selbst im extrem schwierigen Jahr 2021. Dabei half allerdings auch die relativ flache Lage des Weinguts, die es erlaubte, die Rebzeilen trotz Nässe fast immer für die nötigen Spritzungen zu befahren.

Hier der Blick rheinaufwärts in Richtung Chur. Ganz flach sind die Rebzeilen nicht, und die sanfte Neigung erinnert ein wenig an die besten Lagen im Burgund.

Der Boden als Kapital – und das Klima wohl auch

Von wegen: Wirklich flach ist es auch in den Reben der Liesch’s nicht, und in der Bündner Herrschaft braucht man auch keinen steilen Rebberg, der Boden ist hier das eigentliche Kapital. Es genügt ein Blick in die Höhe in Richtung Vilan und zum Einschnitt des Älplibachs um festzustellen, dass die Reben hier auf einem sanften Schuttkegel wachsen und von Ton, Silt, Sand und Schiefer im Untergrund profitieren.

Hier geht der Blick nach Osten, ganz links ist der Einschnitt des Älplibachs zu erkennen.

Immer mehr zum Vorteil wird angesichts des Klimawandels auch die Höhenlage von rund 550 m.ü.M. Auch wenn es hier mit dem Fön zuweilen sehr warm werden kann, bietet die Lage in einem Alpental klimatische Vorteile. Was die Brüder Liesch indessen feststellen ist, dass das Klima bzw. das Wetter unregelmässiger wurde. Im vergangenen Jahr ging sogar ein Hagelzug über die Herrschaft, etwas, das man bisher praktisch nicht kannte.

Frische und Eleganz als Credo

In den Weinen spürt man freilich bisher nichts von Klimaerwärmung. Liesch’s legen grossen Wert auf Frische und Eleganz, und diesen Stil merkt man quer durch das ganze Sortiment. Ein Glück wohl, dass heute Stephan Reinhardt für Parker unterwegs ist, vom legendären opulenten „Parker-Stil“ ist hier nämlich gar nichts zu bemerken.

Blitzsauberer Keller. In weiteren, kleineren Räumen gibt es zudem Barriquelager.

Obwohl das Weingut noch nicht zu den bekanntesten gehört, Absatzprobleme gibt es keine. Und dies, obwohl Liesch’s inzwischen auch eher gehobene Preise verlangen können (in Bezug auf Preis/Leistung und im Vergleich mit den Imageträgern der Herrschaft sind die Weine aber immer noch sehr preiswert). Die Absatzkanäle verteilen sich paritätisch auf den Handel, die Gastronomie und auf Private. Wobei aus einem Gastronomiekunden regelmässig auch ein Privatkunde wird. So kommt es immer öfter vor, dass ein Liesch-Wein in einem Bündner Hotel so gut gefällt, dass auf dem Heimweg noch ein Stopp im Weingut eingelegt wird. Relativ hoch ist dabei der Anteil ausländischer Gäste und so sagt Jürg Liesch mit einem Augenzwinkern, «exportieren wir sehr wohl Weine, auch wenn im Ausland noch kein Händler vorhanden ist».

Auch wenn der Hof der Liesch’s etwas abgelegen ist: Diese Geschichte zeigt, dann man den Weg ins Weingut Treib findet – und es lohnt sich!

Degustationsnotizen

Sauvignon blanc 2022
(Aus nur 15 a, je hälftig in Holz und im Stahl ausgebaut)
Helles Gelb; tolle, sehr feine und vielschichtige, fruchtige Nase, keine übertriebene exotische Töne; im Mund knackige, schöne Säure, guter Körper, sehr mineralisch und frisch, langer Abgang. Toller, knackiger SB. 17 Punkte.

Chardonnay 2022
Schönes, mittleres Strohgelb; sehr fruchtbetont (Zitrus, grüner Apfel), auch florale Anflüge; im Mund noch recht holzbetont, aber sehr schöner Holzton, frisch, schöne Säure, auch guter Schmelz, langer Abgang. (mindestens) 17 Punkte.

Pinot noir Tradiziun 2022
(1 Woche Kaltmazeration, im Stahltank ausgebaut)
Mittleres Rubin; wunderschöne Pinot-Nase mit eher dunkler aber auch heller Frucht; tolle Struktur, schöne Säure, sehr frisch und «saftig». Hier von einem «Basis-Pinot» zu sprechen, ist eigentlich schon fast frech, aber wenn ich dabei bleibe: einen besseren muss man ziemlich weit suchen! 17 Punkte.

Pinot noir Prezius 2021
(Barriqueausbau, 1/3 Neuholz, 2/3 zwei- und dreijährig)
Mittleres, glänzendes Rubin; sehr fruchtbetonte Nase (Himbeere, Johannisbeere, Jostabeere), florale Anflüge (Flieder), Holz in der Nase nur in Nuancen spürbar; enorme Frische im Mund, viel feines Tannin, angepasste Säure, Holz im Mund spürbar aber nicht dominant, «saftig», eher filigran aber mit «Feuer», elegant. Toller Pinot auf Spitzenniveau! 18 Punkte.

Merlot 2021
Relativ helles Rot; helle Frucht, auch etwas Cassis, Pfeffer; im Mund extreme Frische, sehr feine Tannine, präsente, aber nicht übertriebene Säure, sehr langer Abgang. Sehr spannender, eleganter, frisch-fruchtiger «cool-climat» Merlot. Bemerkenswert! 17,5 Punkte.

Pinot Auslese 2011 (entspricht dem heutigen „Armonia“)
Jugendliches Rot; noch immer sehr fruchtbetont (helle Aromen); auch im Mund fruchtig und noch total frisch, mürbe Tannine, viel Schmelz, langer Abgang. Sehr schöner, eleganter Pinot der beweist, dass die Liesch-Weine ein grosses Alterungspotential aufweisen. 17,5 Punkte.

Dieser Wein ist gereift, aber noch keineswegs müde, er wird auch in drei bis fünf Jahren noch Spass machen. Der beste Beweis, dass die Weinwelt die Liesch-Weine schon viel früher hätte entdecken können und müssen!

„Bio-Liesch“ gilt nun für zwei Betriebe

Zu ergänzen ist, wie im Einstieg zum Artikel angetönt, noch Folgendes: Es gibt in Malans noch ein zweites Weingut mit dem Namen Liesch, nämlich Louis Liesch (Liesch Bioweine). Dieser Betrieb, der schon länger biologisch wirtschaftet, bringt ebenfalls bemerkenswerte Weine hervor, darf aber nicht mit «Liesch Weine» verwechselt werden.

Startseite – Liesch Weine (liesch-weine.ch)
Pinot Rhein
Biovision 2020 von graubündenWEIN – der Schritt in eine nachhaltige Zukunft | Deutschschweiz (swisswine.ch)


Interessennachweis:
Die Weine wurden (mit Ausnahme des Merlot, von dem ich eine Flasche mit nach Hause erhielt, da eben erst abgefüllt) Ende Januar 2024 bei einem Besuch auf dem Weingut degustiert.

Reinhold Messner und Martin Aurich: Zwei Gentlemen sichern die Zukunft des Weinguts Castel Juval.

Schloss Juval, Unterortl, ist eine Referenz im Südtiroler Weinbau. Es gehört(e) Reinhold Messner und wurde von Gisela und Martin Aurich seit anfangs der 1990er Jahren aufgebaut und zu einem der besten Güter im Südtirol entwickelt. Vor ein paar Jahren fand ein Besitzerwechsel statt und jetzt steht ein Pächterwechsel bevor. Beides ist mit Bedacht geplant.

Erinnern Sie sich, jemals eine Story über das Weingut von Reinhold Messner gelesen oder gehört zu haben? Ich jedenfalls nicht, weder in der Weinpresse (einen kleinen Beitrag in Falstaff ausgenommen), noch in Tageszeitungen oder im TV, wo Messner ja nicht so selten zu erleben ist. Andere Prominente leisten sich ein Weingut, um möglichst oft im Gerede zu sein. Reinhold Messner hat es aufbauen lassen um zu zeigen, dass Berglandwirtschaft eine Zukunft hat. Auf seiner Homepage stellt er diverse seiner Projekte vor und bringt seine tiefe Überzeugung zum Ausdruck, dass – gerade in einer globalisierten, uniformen Welt – eine Verzahnung von Berglandwirtschaft und Tourismus eine Chance hat, jedenfalls dann, wenn die Produzenten auch versuchen, in geschlossenen Kreisläufen zu vermarkten (Link siehe unten).

Berglandwirtschaft, wie sie Reinhold Messner vorschwebt, in der herrlichen Landschaft des Vinschgaus bei Naturns.

Das ideale Pächterpaar, Gisela und Martin Aurich.

Er hätte für sein Weinbauprojekt keine besseren Pächter finden können als Gisela und Martin Aurich. Sie haben das Weingut von Null aus aufgebaut und innert der letzten drei Jahrezehnte zum besten im Vinschgau und wohl auch zum spannendsten im ganzen Südtirol gemacht. Wenn man am Berg unterhalb von Schloss Juval steht und die gepflegen Rebterrassen zwischen Felsen sieht und sich vorstellt, welche Arbeit dahinter stecken muss, bekommt man Ehrfurcht. Und wenn dann noch Martin Aurich auf die tiefer gelegenen Blauburgunderreben zeigt und sagt, dass man hier vor 30 Jahren nicht ins Tal gesehen habe, weil alles verbuscht und verwaldet war, dann bleibt nur ein grosses Staunen über die Schaffenskraft des Ehepaars Aurich.

Sogar im Keller des Weinguts grüsst der Fels, um den herumgebaut wurde!

Zum Gelingen beigetragen hat freilich auch der Verpächter Reinhold Messner. Martin Aurich findet nur lobende Worte für ihn, weil er jederzeit Gentleman und fairer Verpächter war, der anfangs finanziell auch auf den Aufbau des Gutes Rücksicht genommen und ihn zudem habe machen lassen. Sogar davon, dass sich nicht der ganze Hang zum Anbau von Rotweinsorten eignet, habe er den Rotweinfan Messner überzeugen können.

Wie der Vater, so der Sohn: Messners haben zu Lebzeiten von Reinhold Klarheit geschaffen, seit ein paar Jahren gehört der Betrieb dem Sohn Simon (und das Schloss Juval selbst einer Tochter). Auch Simon Messner hat Aurich bei der Suche nach einem nachfolgenden Pächter völlig vertraut und freie Hand gelassen – aber davon später.

Von Berlin über Geisenheim ins Südtirol – um hier zu bleiben

Am Anfang steht der Aufbau des Gutes Unterort. Martin Aurich ist Berliner und hat in Geisenheim Getränke-Technologie studiert. Später verschlug es ihn ins Südtirol, wo er als zweite Station auf dem Landesweingut und Versuchszentrum Laimburg als Versuchsleiter für Weinbereitung den schmerzhaften aber lohnenden Wandel hin zum Qualitätsweinbau namhaft mitgestaltet hat (es war die Zeit, in welcher vor allem die Schweizer, die zuvor jeden noch so jämmerlichen Vernatsch aus Südtirol wegtranken, sich plötzlich anderen Gewächsen zuwandten. Dass der Vernatsch deshalb zu Unrecht in Verruf gekommen ist, bleibt ein anderes Thema, das ich hier im Blog schon aufgenommen habe (Link siehe unten). In Laimburg entdeckte Aurich, der zuvor mit Fruchtsäften arbeitete, seine Passion für Wein, und als sich die Gelegenheit ergab, den Hof Unterortl von Castel Juval zu pachten und aufzubauen, griffen er und seine Frau zu.

Der sympathische Martin Aurich, der das Gut Castel Juval, Unterortl, zusammen mit seiner Frau Gisela zu einem Bijou und einer qualitativen Hochburg aufgebaut hat.

Zusammen ins Tal schauen und reifen Riesling geniessen.

Es ist kaum denkbar, dass Martin Aurich dieses Wunderwerk von Betriebsaufbau in den Reben und im Keller ohne die tatkräftige Mithilfe bzw. die Unterstützung seiner Frau Gisela hätte vornehmen können. Und offensichtlich sind die beiden auch ein tolles Team. Es gibt eine wunderschöne Passage in einem Interview mit Martin Aurich (Link siehe unten), in dem dieser gefragt wird, wie er sich einen schönen Tagesausklang vorstelle und – verkürzt – antwortet, „bei einer Flasche reifem Riesling ins Tal zu schauen, wenn meine Frau dabei ist und wir gemeinsam über Wein diskutieren und philosophieren können“.

Martin Aurich, der Gentleman. Genau das bekommt man auch zu hören, wenn man im Tal über ihn Auskunft will – und manchmal auch ungefragt. Ob Winzerkollege, Weinkenner, Ladenbesitzer, Fremdenführer oder Passant: Alle finden, das Vinschgau bzw. Naturns und Kastelbell hätten Aurich sehr viel zu verdanken – für das, was er erschaffen, aber auch für das, was er an Wissen und Engagement weitergegeben habe. Ähnliche Töne hört man übrigens über Reinhold Messner.

Bio ganz ohne Aufhebens – das passt!

Zudem ist anzumerken, dass Aurich’s das Gut inzwischen auf biologischen Rebbau umgestellt haben, ganz ohne Aufhebens und ohne Deklaration. Aber sicher auch ganz im Sinne von Reinhold Messner, der sich schon lange für Umweltschutz einsetzt und einst auch (parteiloser) Europaabgeordneter für die Grünen war.

Bergweinbau – typischer Ausschnitt aus dem Weingut.

Perfektes Terroir mit viel Geschichte, ideales Klima.

Sieht man von den Strapazen beim Anlegen der Weinberge und auch bei deren Bearbeitung ab, dann freilich kann man sich kaum einen besseren Platz zum Weinmachen vorstellen – und das merkt man den Weinen auch an. Da ist schon mal die Geschichte. Auf dem Juvalhügel wurden (und werden, eine Terrassierung musste deshalb kurzfristig unterbrochen werden) Menschenspuren aus prähistorischer Zeit gefunden. Und auch Ötzi soll hier vor seinem Tod jahrelang gehaust haben.

Der Untergrund aus Gneis eignet sich perfekt zum Anbau von Reben und die Meereshöhe zwischen rund 600 und 850 m erweist sich immer mehr als Vorteil. Wasser, das hier aufgrund tiefer Niederschlagsmengen knapp ist, wird aus dem Schnalstal zugeleitet. Und schliesslich spielt das Mikroklima eine wichtige Rolle und macht Unterortl zum vermutlich besten Ort im Vinschgau, um Wein zu produzieren. Tagsüber ist es sonnig und warm bis heiss (das Klima ist dem Siziliens vergleichbar), aber in der Nacht ziehen kalte Winde aus dem Schnalstal, an dessen Eingang das Weingut liegt, ins Tal und sorgen für Abkühlung und für eine ideale und für die hohe Qualität wichtige Temperaturschwankung zwischen Tag und Nacht.

Riesling- und Weissburgunder-Hochburg – und ein geschmacklicher Ausflug ins Piemont

Heute werden auf Unterortl vor allem Blauburgunder (tiefe Lagen), Riesling (mittere Höhe) und Weissburgunder (oberste Terrassen) angebaut. Zudem gibt es etwas Johanniter und auch Müller Thurgau. Auf meine Frage, warum um Himmels Willen ausgerechnet diese Sorte, antwortete Martin Aurich verschmitzt „ja, ich verstehe die Frage, aber ich war überzeugt, dass man hier aus der Sorte etwas machen kann“. Die spätere Degustation bestätigte dies wunderbar. Schliesslich gibt es seit Kurzem je rund 400 Stöcke Zeigelt, Divico und Gamaret, welche eine kräftige, dunkle Cuvée ergeben, womit sich Aurich noch einen Wunsch erfüllt hat. Er mag nämlich Barbera und Dolcetto sehr, und diese Cuvée ginge blind ohne Weiteres als das durch, zumindest als Dolcetto. Dass es offenbar etwas Überzeugungsarbeit braucht, um diesen Wein zu vermarkten, ist eigentlich unverständlich. Aber vermutlich liegt es daran, dass der Wein so ganz anders ist als der Rest des Sortimentes, so dass sich die Kundschaft zuerst daran gewöhnen muss.

Blick auf die Blauburgunder-Lagen und ins Tal der Etsch. Die Landschaft mit der Felswand im Hintergrund erinnert mich sehr an Chamoson im Wallis.

Ein Pächterwechsel, von langer Hand vorbereitet.

Im Herbst geht nun aber die Ära Aurich zu Ende. Das Ehepaar hat sich vor ein paar Jahren ein Haus im Tal gebaut und wird sich in Rente zurückziehen (wobei ich eher an eine Art „Unruhestand“ mit neuen Projekten glaube …). Für die Suche nach einer Nachfolge auf dem Betrieb waren Aurich’s selbst verantwortlich. Wer ein solches Bijou aufgebaut hat, will ja auch sichergestellt haben, dass es in gute Hände übergeben wird. Und solche wurden augenscheinlich gefunden. Mittels einer Anzeige in einer Publikation von Geisenheim stiess Aurich auf das Schweizer Ehepaar Burki. Dieses ist inzwischen bereits im Betrieb tätig. Man arbeitet ein ganzes Rebjahr gemeinsam, damit ein idealer Übergang sichergestellt ist. Bei meinem Besuch hatte ich die Gelegenheit, Christine Burki kennenzulernen. Raphael war verhindert – er war gerade daran, eine Lektion in Italienisch zu besuchen! Lustigerweise habe ich die Beiden dann nur ein paar Tage später in Zürich an einer Burgunderdegustation angetroffen. Somit kenne ich nun auch Raphael, und das Thema Burgund ist insofern spannend, als wohl beim Blauburgunder das grösste Steigerungspotenzial auf Unterortl vorhanden ist.

Erfreulicherweise konnte ich den bekannten Weinjournalisten und Weinbuchautor Martin Kilchmann dafür gewinnen, ein paar Informationen über Burki’s zu schreiben. Kilchmann ist nicht nur ein begnadeter Journalist und profunder Kenner des Südtirols, sondern auch mit Raphael Burki befreundet. Schon 1995 schrieb Kilchmann ein Buch über Südtiroler Weine und 2009 ein weiteres über Südtirols Freie Weinbauern, letzteres ist zumindest gebraucht noch erhältlich und lebt auch von tollen Fotos des Weinfotografen Jörg Wilczek

Hier die Vorstellung der Burki’s durch Martin Kilchmann:


Raphael und Christine Burki – die neuen Pächter auf Unterortl

Raphael Burki tritt die Pacht auf Unterortl zusammen mit seiner Frau Christine, einer gelernten Zimmerin im Holzbau, mit einem reich gefüllten Rucksack an: 1976 in Luzern geboren, durchläuft er eine Elektrikerlehre, macht die Wirtschaftsmatura und lässt sich an der Fachhochschule Luzern zum Informatiker ausbilden. Danach erliegt er endgültig dem Weinvirus und studiert nach Praktikas bei Ruedi Baumann in Oberhallau, Hansueli Kesselring in Weinfelden und Karlheinz Johner im Kaiserstuhl von 2006 bis 2008 Önologie in Geisenheim. Ab 2008 wird er verantwortlicher Weinmacher bei Toni Ottiger am Vierwaldstättersee. Gemeinsam mit Ottiger führte er das Weingut in die Elite des Schweizer Weinbaus und ins Mémoire des Vins Suisses.

2009 wird er darüber hinaus zum Pendler zwischen zwei Weinwelten: Er übernimmt auf Johner Estate in Wairarapa auf der neuseeländischen Nordinsel den Posten des Winemakers. Daneben verfolgt er down under auch eigene Weinziele und holt sich mit einem Chardonnay und Pinot noir Lime Hill Höchstnoten bei den renommierten Weinkritikern des Landes.

Hin- und hergerissen zwischen einer definitiven Niederlassung in Europa oder Neuseeland stossen Raphael und Christine vor zwei Jahren auf ein interessantes Stelleninserat: Im Vinschgau sucht Pächter Martin Aurich für das von ihm erfolgreich bewirtschaftete, hoch gelegene Weingut Castel Juval Nachfolger. Die Nähe zur Schweiz, die hervorragend exponierten Rebberge, der spannende Sortenspiegel – Riesling und Pinot noir gehören zu Burkis absoluten Lieblingen – faszinieren die beiden. Nach einem langen, vertrauensvollen Prozess des Kennenlernens kommt es schliesslich zum Vertragsabschluss. Italien, Südtirol, das Vinschgau, ja auch die Schweiz dürfen sich auf weitere fabelhafte Weine aus Unterortl freuen.

Martin Kilchmann


Perfekter „Generationenwechsel“

Somit treten fast gleichzeitig der Verpächter und die Pächter des Weingutes ab. Geregelt wurde das alles mit Bedacht und von langer Hand vorbereitet – und augenscheinlich folgen auf Pächter- und Verpächterseite ebenso vertrauenswürdige Personen. Von Gentleman zu Gentleman bzw. Gentlewoman zu Gentlewoman. Ich habe Burki’s schon „angedroht“, sie in zwei Jahren zu besuchen um festzustellen, wie sich das Gut entwickelt.

Die (meisten) Weine des Guts in Kurzbeschreibungen:

„Schaufenster“ im Degustationsraum inkl. Gestein aus den Rebbergen.

Glimmer 2022 (Johanniter und Müller Thurgau als gemischter Satz)
Sehr fruchtbetont, Bergamotte; knackige, tolle Säure, dabei aber rund und ausgesprochen trinkfreudig, spannender Einstiegswein. 16 Punkte.

Müller Thurgau, Hanns Singkmoser zu Jufal, 2022
Zitrus, grüner Apfel; enorme Frische, schöner Körper und köstlicher, mittlerer Abgang. Toller Wein, wenn bloss alle Müller Thurgau so wären, dann verlöre die Sorte ihr schlechtes Image. 16,5 Punkte.

Weissburgunder 2022
Zitrus, reifer Apfel, etwas Banane; druckvoll, frisch, langer Abgang. Prototyp eines charaktervollen und typischen Pinot blanc! 16,5 Punkte.

Weissburgunder Himmelsleiter 2021
Quitten, grüner Apfel, Birne (Gute Luise), etwas Zitrus; im Mund mit umwerfender mineralischer Frische, sehr vielschichtig, schöner Körper, langer Abgang. Grossartig und mit viel Potential. 17,5 Punkte.

Riesling Gletscherschliff 2022 (aus eher jüngeren Reben)
Weisser Pfirsich, Aprikose, etwas Zitrus; im Mund frisch und sehr „saftig“, toller „Gutsriesling“, der süffig aber nicht anspruchslos ist. 16 Punkte.

Riesling Unterortl 2022
Gelber Pfirsich, Grapefuit, Anflug von exotischen Früchten (Papaya, Ananas), im Mund sehr dicht, ausgesprochen frisch und mineralisch, langer Abgang. Klasse Riesling! 17,5 Punkte.

Riesling Weingarten Windbichel 2021
Gelber Pfirsich, Aprikose, etwas Ananas und generell sehr vielschichtige Fruchtdüfte; grandiose Dichte (fast zum Abbeissen), enorme Frische, auch im Mund sehr fruchtbetont, fast nicht endender Abgang. Ein Traum-Riesling, einem GG ebenbürtig! 18,5 Punkte.

Blauburgunder Riserva 2020
Mittleres Rubin; eher verhalten, aber sehr feine Anflüge von Johannisbeeren und Himbeeren, etwas Leder; im Mund mit viel feinem Tannin, elegant, frisch mit langem Abgang. Holz praktisch nicht spürbar! Nobler Pinot mit Lagerpotential. 17 Punkte.

Gneis 2021 (Zweigelt, Divico, Gamaret)
Dunkles Purpur; ausladender Duft von dunklen Früchten, würzig; im Mund rund, schöne Tannine, sehr „saftig“ und „trinkig“, mittlerer Abgang. Das Ziel, einen süffigen barbera- oder dolcetto-ähnlichen Wein herzustellen, ist voll erfüllt. Perfekt zu Pastagerichten! 16 Punkte.

Schliesslich sei auf die Brände des Gutes hingewiesen, eine Passion von Martin Aurich. Ich habe sie nicht probiert, aber sie sollen grossartig sein.

Weingut & Hofbrennerei Unterrotl | Castel Juval (unterortl.it)

Bezugsquellen:
Ganz im Sinne von Reinhold Messner zur idealen Wertschöpfung am besten einen Besuch des Vinschgau und Einkauf auf dem Gut (das Fahrverbot darf für einen Besuch unbeachtet bleiben) planen. Wem das kurzfristig zu weit ist – die meisten Weine sind u.a. hier erhältlich:
Für Deutschland/Oesterreich:
Weingut Unterortl Castel Juval Onlineshop I Meraner Weinhaus
Für die Schweiz:
Weißwein – von aromatisch bis erfrischend online kaufen Schweiz » Pur Alps®

Weitere Links zum Thema:

Der Bergbauer / Reinhold Messner (reinhold-messner.de)
Simon Messner im Interview: „Das Verhältnis zu meinem Vater war nie ganz einfach“ (planetoutdoor.de)
Martin Aurich – Goldene Rose Karthaus, Val Senales/Trentino Alto Adige
Urlaub in Naturns Offizielle Seite ☀️ unvergessliche Ferien (merano-suedtirol.it)
Martin Kilchmann – Weinautor
Südtirols freie Weinbauern. – Gelebte Weinkultur in den Alpen. 9783852564821 (buchfreund.de)

Und der erwähnte Link zu einem Beitrag in meinem Blog zu grossartigen Vernatsch:
Weine zum Verna(t)schen und eine Weinkarte zum Verlieben! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Traumhafte Ecke auf dem Weingut.

Interessennachweis:
Dieser Beitrag wurde ermöglicht dank einer Pressereise auf Einladung der Tourismusgenossenschaft Naturns mit Kost und Logis im rundum hervorragenden Hotel Schulerhof in Plaus. Die ganze Reise und der Besuch auf dem Weingut erfolgten indessen individuell und ohne jede Verpflichtung.

Château Mangot, Saint-Émilion: Ganz rational zu einem emotional berührenden Weinerlebnis!

Ein Mann auf einer Weinmission: Ein Weinfreund suchte nach rationalen Gesichtspunkten die berühmte Nadel im Heuhaufen, sprich den unterbewertetsten Wein aus Saint-Émilion oder ganz Bordeaux – und findet mit Château Mangot ein Gut, dessen Weine emotional berühren!

Nutzwertanalyse. Value Investing Style. Eigentlich müsste einem Weinliebhaber der kalte Schweiss herunterlaufen. Wie kann man so technokratisch an einen Wein herangehen? Nun, mein Weinfreund Dominic Oberer hat genau das getan. Kein Wunder zwar, er ist Ökonom, lic. oec. publ. BWL UZH und dipl. Wirtschaftspädagoge HSG. Aber er ist auch charaktervollen Weinen nicht abgeneigt. Und seine Mission war, nach der berühmten „Stecknadel im Weinfass“ zu suchen, ohne den Wein vorher im Glas gehabt zu haben.

Unesco-Weltkulturerbe Saint-Emilion: wunderschöner Ort, wunderbare Weine.

«Nowadays people know the price of everything an the value of nothing».

Das Zitat wird Oscar Wilde zugeschrieben. Und was im vorletzten Jahrhundert galt, stimmt heute wohl noch viel mehr. Jeder Weinfreund kennt den Preis einer Flasche Ausone oder Cheval Blanc, aber kaum jemand weiss, dass es noch massiv unterschätzte Weinwerte gibt, die man entdecken müsste. Und so machte sich Dominic auf die Suche. Man kann das gerne von Warren Buffet inspiriert „Value Investing Style» nennen, vinologischer Entdeckergeist wäre aber ebenso richtig:

„Der Preis ist, was zu zahlst – der Wert ist, was du kriegst“.

Er hat dabei gezielt folgende Wertetreiber analysiert, die seiner Meinung nach für die Qualität im Glas essentiell sind:
1. Bio oder Biodynamie. Gibt nicht zwingend bessere, aber oft «lebendigere» Weine und zeigt, dass der Winzer umweltmässig sensibilisiert ist.
2. Terroirqualität. Durch Studium der Lage und einem Blick auf gute Nachbarn.
3. Önologischer Berater. Gerade in Bordeaux nicht mehr Michel Rolland mit seinem Stil, sondern Thomas Duclos als Mann der Stunde.
4. Jahrgangsqualität. Mit 2019 als Paradejahrgang und 2020 auf hohem Niveau und fast ebenbürtig.
5. Sympathie des Weinguts. Eindruck im telefonischen und elektronischen Kontakt.

Aus diesem Vorgehen kristallisierten sich sechs Weingüter als Favoriten heraus, aus denen nach einer Nutzwertanalyse mit der Bewertung der Wertetreiber ein Gut besonders hervorstach:

Blick auf das Anwesen von Château Mangot (Bild: ab Medienservice auf Homepage)

Die Stecknadel im Weinfass: Château Mangot

Dominic ist so schon vor einigen Jahren auf Château Mangot gestossen. Er ging das Klumpenrisiko ein und bestellte nach intensiver Analyse, ohne den Wein je im Glas gehabt zu haben, kistenweise Weine dieses Gutes, als die Subskriptions- und Sekundärmarktpreise noch erheblich tiefer waren als heute. Ich hätte diesen Beitrag eigentlich auch früher schreiben müssen, denn inzwischen haben auch andere entdeckt, welche Trouvaille Château Mangot darstellt. Trotzdem dürfte der Name für einige eher Neuland sein, jedenfalls sind die Weine in unseren Breitengraden noch nicht inflationär bei Händlern erhältlich.

Perfektes Terroir

Château Mangot liegt in einer Gegend, in welche sich ein klassicher Besucher von Saint-Émilion eher nicht verirrt. Das Gut befindet sich rund fünf Kilometer östlich, ganz an der Grenze der Appellation. Wer aber die geologische Karte von Saint-Émilion studiert wird feststellen, dass genau in diesem abgelegenen Winkel nochmals auf einer kleinen Fläche der genau gleiche wertvolle Untergrund wie in den Coteaux von Saint-Émilion vorherrscht: lehm- und kalkhaltiger Boden mit hartem Asterien-Kalkstein-Untergrund. Kleinräumig bestehen je nach Lage und Meereshöhe auf dem Gut allerdings verschiedene Untergründe, was auf der Homepage des Châteaux sehr schön dargestellt ist (Link siehe unten). Ein perfekter Boden für grosse Weine besteht hier auf jeden Fall! Die 34 Hektar des Weinguts stellen einen zusammenhängenden Besitz dar; die Wege sind also kurz.

Perfektes Terroir! (Bild: ab Medienservice auf Homepage)

In drei Generationen an die Spitze.

Château Mangot weist eine jahrhundertealte Geschichte auf und befindet sich seit rund 70 Jahren in Besitz der Familie Petit bzw. Todeschini (Anne-Marie Petit heiratete 1981 Jean Guy Todeschini). Das Ehepaar restrukturierte das Anwesen in den 1990er Jahren mit Terrassierungen, Drainagen und Neupflanzungen und 2001 wurden sämtliche Gebäude modernisiert. Sie legten damit die ideale Basis für den Eintritt ihrer beiden Söhne Karl und Yann im Jahr 2008. Karl studierte Oenologie und Winzer und hatte bereits breite Erfahrungen im Bordelais (u.a. Beau-Séjour-Bécot und Ausone), Kalifornien und in der Toskana gesammelt. Yann, der jüngere der Brüder, aber aufgrund seiner Körpergrösse auch „le Grand“ genannt, ist Agrar-Ingenieur. Auch er studierte zusätzlich Oenologie und sammelte praktische Erfahrungen in Kalifornien. Er war auch die treibende Kraft hinter der Umstellung des Betriebes auf den Bioanbau und später hin zur Biodynamie.

Die Brüder Yann und Karl Todeschini (Bild: ab Medienservice auf Homepage)

Thomas Duclos: Der Berater für die feinen Nuancen.

An Können und Erfahrung fehlt es den beiden Brüdern also nicht. Trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb), haben sie sich ab 2016 die Dienste von Thomas Duclot gesichert. Duclot wird schon fast ein wenig als «Shooting-Star» gefeiert, der Figaro titelt vom «aufgehenden Stern» und der SudOuest schreibt, Duclos stelle «die personifizierte Moderne in der Oenologie» dar. Tatsächlich liest sich die Kundenliste von Duclos wie das «who ist who» von Bordeaux-Schlössern,  die auf Eleganz und Finesse und nicht mehr auf den bombastischen «Parker-Stil» setzen. So ist er etwa für Giscours, Bellefont Belcier, Canon, Jean Faure, Troplong-Mondot und Beau-Séjour-Bécot tätig. Bei den beiden letzteren ersetzte er Michel Rolland. Zudem ist er Teil des renommierten Beraterkollektivs «Oenoteam» und profitiert da vom Austausch mit anderen namhaften Oenologen.

In den Vordergrund stellen will sich Duclos aber nicht – er ist ein Mann der leisen aber klugen Töne. Und schon gar nicht will er einen «Duclos-Styl» kreieren. Im Gegenteil, sein Credo lautet, dass ein Wein sein Terroir ausdrücken sollte; perfekt ist er für ihn, wenn man in einer Blinddegustation seine Herkunft und Identität erkennt. Lesen Sie dazu das äusserst interessante Interview mit Duclos in «Inside La PLACE», Link siehe unten.

Neu im „Adelsstand“: seit 2022 Grand Cru Classé.

Die Qualität wird anerkannt: Seit 2022 ist bei Mangot das „Classé“ dazugekommen. Als Grand Cru Classé gehört man nun zur Elite von nur 85 klassierten Gütern in Saint-Emilion.

Saint-Émilion: Eine Legende kehrt zurück!

Château Mangot steht mit seiner Entwicklung stellvertretend für die Appellation Saint-Émilion. Trotz Klimaerwärmung schaffen es immer mehr Weingüter, frische und elegante Weine zu keltern. Thomas Duclos ist überzeugt, dass dies weiterhin gelingen wird. Auf die Frage, welches die Zukunftssorten in Bordeaux seien, meinte er: «Die Antwort ist einfach: Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc!».

Der Titel dieses Abschnitts ist übrigens schamlos geklaut: Der eben von Vinum frisch erkorene Berichterstatter für Bordeaux, Adrian van Velsen (nochmals herzliche Gratulation an dieser Stelle – das ist eine sehr gute Wahl!), hat schon im letzten Jahr mit dieser Überschrift eine tolle Reportage geschrieben, welche die Entwicklung sehr schön aufzeigt. Link siehe unten.

Saint-Émilion nimmt aber auch in Bezug auf eine nachhaltige Produktion eine führende Rolle ein. Bereits rund 20 % aller Betriebe bewirtschaften ihre Flächen biologisch (oder gar biodynamisch), und ca. 45 % besitzen das Label HVE (Haute Valeur Environnemental). Vorbildlich ist, dass in den AOP’s Umweltschutz seit dem letzten Jahr verpflichtend vorgeschrieben ist. Das bedeutet, dass entweder biologisch bewirtschaftet werden oder eines der Labels Label HVE, Terra Vitis, Agriconfiance oder auch SME de Bordeaux vorhanden sein muss (Quelle: meininger.de/vitisphere.com). Selbst wenn man sich die Frage stellen kann, ob mit gewissen Labels nicht eher Greenwashing betrieben wird – allein die Tatsache, dass man die Umweltproblematik bewusst angeht, ist visionär.

Degustationsnotizen

Nachstehend finden Sie Notizen aus zwei Blinddegustationen von «Château Mangot» und «Todeschini Dystique». Letzterer trägt je nach Jahrgang eine Nummer, beginnend mit dem Jahrgang 2008, als er erstmals vinifiziert wurde. Obwohl schon der «normale», merlotlastige Mangot grossartig ist, bringt der Dystique nochmals eine Steigerung. Er enthält 40 % Cabernet Franc, wird aus Trauben einer Mikroselektion produziert und reift zu einem Drittel in Amphoren.

Château Mangot, 2019
Mittleres Rubin; üppige dunkle Fruchttöne, insbes. Cassis und Brombeere, würzig; sehr viel feines Tannin, schöne, saftige Säure, sehr dicht und druckvoll bei gleichzeitig äusserst elegantem Gesamteindruck, langer Abgang. Vielversprechend! 18 Punkte.

Todeschini, „Distique 12“, 2019
Mittleres Purpur; wirkt zuerst etwas „wild“ in der Nase, viel Würze, Himbeere und Hagebutten, auch blumige Anflüge; im Mund sehr sehr jung wirkend, aktuell noch etwas aggressive Tannine und Säure, enorme Frische, sehr dicht, extrem vielschichtiger, „lebendiger“ Wein mit fast unendlichem Abgang. Grossartig! 18,5 Punkte.

Quintessenz: Hervorragende Bordeaux müssen nicht teuer sein.

Tatsächlich hat die rationale Suche meines Weinfreundes nach einer Bordelaiser Trouvaille mit Château Mangot ein Gut aufgezeigt, welches herausragende Weine und emotional berührenden Genuss bringt. Das sind Weinwerte zu Konditionen, die auch im internationalen Kontext weiterhin preiswert sind. Damit spiegelt sich in diesem Weingut vieles wieder, was für ganz Bordeaux gilt: Die versnobten Namen sind unbezahlbar geworden, und ganz Bordeaux hat damit letztlich ein Imageproblem. Aber wer sucht, der findet grossartige Weine, die bezüglich Genusswert unschlagbar sind.

Links:

Château Mangot, mit Direktlink auf die erwähnte Terroirkarte:
Château Mangot Saint Emilion Grand Cru Classé – Château La Brande (chateaumangot.fr)
terroirs-de-mangot.png (1418×997) (chateaumangot.fr)

Thomas Duclos (Interview in E und F
https://www.rcassocies.com/en/2022/05/13/inside-la-place-the-man-who-observes-the-nuances/
Inside La Place – Un homme entier qui relève les nuances – Roland Coiffe & Associés (rcassocies.com)
Oenoteam

Vinum-Artikel von Adrian van Velsen:
https://www.vinum.eu/ch/magazin/reportagen/2023/saint-emilion-reportage-vinum

Und zum Schluss: Ich habe im letzten Jahr über ein anderes Bordeaux-Gut geschrieben, das ebenfalls grosse Weine zu bezahlbaren Preisen hervorbringt, siehe hier:
Gute Bordeaux sind billig! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)


Interessennachweis: Die Weine wurden zweimal in Blinddegustationen (einmal davon „Doppelblind“) beim Weinfreund Dominic Oberer degustiert.


Es gibt übrigens insofern eine Fortsetzung, als ich über die Doppelblinddegustation noch berichten werde – verbunden mit einer Wette von Dominic. Sie können sich ja schon mal überlegen, welcher Wein unter 30 Euro/Franken es mit den Kreszenzen von Château Mangot aufnehmen könnte.

Cuvée Zaccharie von Château Thivin: Gamay auf höchstem Niveau!

Das Beaujolais, früher sehr geschätzt, dann u.A. aufgrund des Hypes um den jämmerlichen „Beaujolais nouveau“ etwas in Verruf gekommen, erfindet sich gerade neu. Viele Winzer bringen heute tolle Weine auf die Flasche und zeigen, dass die Traubensorte Gamay grossartig sein kann.

Komisch, dass ich Gamay wie neu entdecken musste. Als ich begann, mich für Wein zu interessieren, waren Weine aus dem Gebiet unter den ersten, die mir gefielen. Zudem erinnere ich mich, etwas später, gut an einen Beaujolais in einem Lausanner Restaurant, der bereits 15 Jahre alt war – und begeisternd. Aber irgendwie – mag tatächlich sein, dass die jährliche Beaujolais-nouveau-Rally mich abschreckte – begann das Gebiet und mit ihm die Gamay mein Interesse zu verlieren.

Erst durch viele herausragende Gamay’s aus der Schweiz rückte auch das Beaujolais wieder in meinen Fokus. Die lange geplante Weinreise hat zwar noch immer nicht stattgefunden, aber es landen nun doch immer wieder mal Beaujolais in unseren Gläsern. Ich habe auch schon einmal über Château Thivin geschrieben – die Cuvée Zaccharie 2018 fand ich grossartig und schon ein wenig „burgundisch“. Nun habe ich den Jahrgang 2021 genossen, ein klimatisch ganz anderes Jahr und deshalb auch ein Wein mit einer anderen Struktur – aber kein Bisschen weniger gut.

Zugegeben, der Spitzenwein von Château Thivin ist auch nicht mehr billig und kratzt mit rund 37 Franken/Euro auch an der Grenze dessen, über was ich üblicherweise schreibe. Aber vom gleichen Gut gibt es für Preise um rund 20 Franken etwa den „Reverdon“ oder den „Les Sept Vignes“ weitere Weine, die hervorragend sind und die auch schon in dieser Preisklasse helfen, alle Vorurteile gegenüber der Gamay abzubauen.

Château Thivin, Cuvée Zaccharie, Côte de Brouilly, 2021
Mittleres, glänzendes Rubin; sehr fruchtige Nase mit Johannisbeeren und Himbeeren, würzige Noten, etwas Tabak, leichter, schöner Holzton; im Mund äusserst frisch und „saftig“, viel feines Tannin, angepasste Säure, leichter, erfrischender Bitterton, filigraner als 2018, aber trotzdem mit viel „Druck“, sehr langer Abgang. Toller Wein, den man besser als den 2018-er als Gamay erkennen kann (vgl. Link unten), bei dem man aber immer noch Lust hätte, ihn einem guten Wein von der Côte d’Or gegenüberzustellen. 17,5 Punkte.

Auf Château Thivin, dem ältesten, schon im 14. Jahrhundert erwähnten Weingut der Region, wird biologisch gewirtschaftet und auch schon, Gamay hin oder her, mit Piwi experimentiert. Wer mehr über Château Thivin wissen möchte, kann gerne meinen schon erwähnten früheren Blogbeitrag nochmals aufrufen, oder auch die Site des Gutes, die spannend und vorbildlich informativ ist:

Toujours le Gamay! Château Thivin lässt das „jamais“ alt aussehen! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Château Thivin – Côte de Brouilly et Crus du Beaujolais (chateau-thivin.com)

Bezugsquellen Schweiz:
Points de vente dans le Monde – Château Thivin (chateau-thivin.com)

Bezugsquellen Deutschland:
Points de vente dans le Monde – Château Thivin (chateau-thivin.com)


Interessennachweis:
Der Wein wurde im Weinhandel erworben.

Weine zum Verna(t)schen und eine Weinkarte zum Verlieben!

Nur etwa 2,5 Hektar klein – aber qualitativ ganz gross. Das Weingut Oberstein in Tscherms bei Meran ist eine wunderbare Neuentdeckung. Und die Vernatsch des Gutes – und die Sorte ganz generell – eine ebensolche Wiederentdeckung. Der Dank geht an einen weinaffinen Hotelier.

Zum meinem Glück bin ich sozusagen genötigt worden. Wir waren von der Tourismusgenossenschaft Naturns zu einer Pressereise ins Vinschgau eingeladen. Für das Wine and Dine-Galadinner, das im Rahmen des Naturnser Wein- und Gourmetherbstes am letzten Tag unseres Aufenthaltes stattfand, hatte ich uns nicht angemeldet, weil ich die Gastfreundschaft nicht überstrapazieren wollte und überdies 7-Gänger inzwischen fast zu viel des Guten für uns sind. Gegen Abend erhielt ich dann einen Anruf des Chefs (und Sommeliers) Thomas Schuler im familiengeführten Hotel Schulerhof, ich müsse unbedingt teilnehmen, er würde da ein paar Weine zeigen, die mir sicher gefallen würden.

Grandioser Vernatsch

Die „Nötigung“ erwies sich als Glücksfall. Das Essen war auf Sterneniveau und die Weine allesamt aussergewöhnlich gut und authentisch. Thomas hatte mir schon zuvor mehrmals von der Sorte Vernatsch vorgeschwärmt, für die er eine eigentliche Liebe entwickelt habe und die völlig zu Unrecht unterbewertet sei. Und mit dem „arena“ vom Weingut Oberstein trat er dann auch den Beweis an, dass Vernatsch wirklich grossartig sein kann!

Rückblende: Zumindest in der Schweiz, und davon war ich geprägt, kannte man Vernatsch früher vor allem als „Magdalener“ oder „Kalterer“, und es waren dünne, nichtssagende und manchmal sogar richtig schlechte Lückenbüsser, wenn die eigenen Reben wieder mal zu wenig Ertrag abwarfen (was in den 70er- und 80er-Jahren aufgrund des Klimas öfter vorkam). Wer in einer Schenke „einen Römer“ bestellte, erhielt in der Regel einen mässigen Vernatsch im typischen Glas mit grünem Stiel. Die Sorte flog deshalb bei mir weit gehend unter dem Radar der Beachtung.

… macht Wumm! Frische, Eleganz und stille Kraft!

Und dann kommt dieser „arena“ mit einer wunderbar vielfältigen, feinen Nase und einer umwerfenden Frische, Eleganz und Leichtfüssigkeit bei gleichzeitig gehaltvoller Art mit einem fast unendlichen Abgang! Wumm!

Tolles Südtirol! Hier ein Symbolbild aus dem Vinschgau bei Naturns.

Zurück zuhause bestellte ich alle vier Weine des Weingutes, um sie in Ruhe kennenzulernen bzw. im Fall des „arena“ nochmals zu beurteilen. Das Fazit: rundum grossartig!

Oberstein – direkt auf der (tektonischen) Grenze von Europa und Afrika

Das Gut Oberstein liegt in Tscherms, etwa drei Kilometer südlich von Meran, unterhalb des Schloss Lebenberg. Die steilen Hänge bilden eine eigentliche Arena – daher der Name des einen Vernatsch. Aufgrund der Lage direkt auf der Trennlinie der eurasischen und der afrikanischen Platte wurde der harte Granituntergrund in Mineralien – etwa Quarzite, Feldspäte und Glimmer – aufgespaltet, was einen perfekten Untergrund ergibt.

Making good wine is a skill – making fine wine is an art

Die Ausgangslage ist auch mit einer Meereshöhe von 400 – 500 M.ü.M. also gut. Und das Weingut Oberstein hat auch eine lange Geschichte, Joachim Wolf führt es bereits in vierter Generation. Aber erst 2015 begann er im grösseren Stil, selbst einzukeltern. Gearbeitet wird bioydnamisch (nicht zertifiziert) und mit der Philosophie von möglichst wenigen Eingriffen, auch im Keller: „Den Wein begleiten und nicht den Wein produzieren“. In einem Videointerview (Link siehe unten) hält Joachim Wolf (frei nach Robert Mondavi) auch fest, dass ein guter Wein herzustellen ein Handwerk sei, einen grossen Wein zu schaffen, aber eine Kunst. Und ein guter Winzer sei aus seiner Sicht jener, der nie aufhöre, an sich selbst zu arbeiten. Auch Kunst kommt halt von Können.

Die Degustation und der Genuss der vier Weine des Gutes bewiesen, dass es sich bei solchen Aussagen nicht um Plattitüden handelt. Oberstein ist eine Offenbarung; vor dem, was Joachim Wolf hier innert kürzester Zeit geschaffen hat, kann man vor Begeisterung nur den Hut ziehen!

Die grandiosen Vier! Ein rundum begeisterndes Sortiment.

Degustationsnotizen (die beiden Vernatsch wurden blind neben einem anderen guten Wein aus dieser Sorte degustiert):


lapis, Pinot blanc, 2020, Weinberg Dolomiten, IGT
Mittleres bis helles Gelb; anfangs verhalten, leicht reduktiv, mit etwas Luft dann fein-fruchtig (Aprikose, weisser Pfirsich), auch florale Töne; im Mund enorme mineralische Frische, spürbare, schön eingebundene Säure, sehr dicht, sehr langer Abgang. Ein Pinot blanc mit unglaublicher Struktur, aktuell vielleicht noch etwas „wild“ wirkend (unbedingt dekantieren!), aber mit einem grossen Alterungspotential. Ein Geniestreich! 17,5 Punkte.

salis, Sauvignon blanc, 2018, Weinberg Dolomiten, IGT
Mittleres Strohgelb; fruchtige und grüne Töne, ein Hauch von „süsslicher“ Exotik (Papaya), dazu weisse Pflaume, frisch gemähtes Gras, schon in der Nase mineralisch; im Mund sehr mineralisch, ganz leichter, schöner Bittertouch, tolle Struktur, trocken, aber durch die Frucht leicht und betörend süsslich wirkend, langer Abgang. Genial untypischer und doch typischer Sauvignon blanc, würde sich in jeder SB-Degustation sehr gut machen. 17 Punkte.

versal, Vernatsch alte Reben, 2018, Weinberg Dolomiten, IGT
Helles Rubin; verhaltene, feine Frucht, Johannisbeere und Zwetschenkompott, etwas Würze; wirkt im Antrunk eher etwas dünn, bekommt dann aber immer mehr Druck und viel Fruchtigkeit, schöne Säure, feine, reife Tannine, mittlerer Abgang. Macht Spass! Viel mehr als nur ein Basis-Vernatsch. 16,5 Punkte.

arena, 2019, Weinberg Dolomiten, IGT (Vernatsch mit 1-2 % Lagrein im gemischten Satz)
Mittleres, glänzendes Rubin; sehr elegante und noble Nase, feines, breites Fruchtbouquet (Johannisbeeren, Himbeeren, Zwetschgen, Weichselkirschen), grüne und würzige Töne, etwas Schokolade, leichter Holztouch; im Mund mineralisch, sehr elegant und trotz guter Struktur leichtfüssig, viel feines, aber wie die Säure gut eingebundenes Tannin, frisch und „saftig“, eleganter und ausdruckvoller Wein. Begeisternd. 18 Punkte.


Hotel Schulerhof in Plaus/Naturns: Ein Muss für Weinfreunde, die ins Südtirol reisen!

Auf Pressereisen (und auch sonst) habe ich schon viele Hotels kennengelernt – aber noch nie über eines geschrieben. Ich führe ja auch einen Wein- und nicht einen Tourismus-Blog. Aber gerade deshalb verliere ich hier ein paar Zeilen über den Schulerhof, der etwa 10 Kilometer westlich von Meran liegt. Es ist ein rundum tolles Hotel mit einer herzlich-freundlichen Gastgeberfamilie. Aber die Erwähnung im Weinblog verdient vor allem der Chef Thomas Schuler, der eben auch Sommelier des Hauses ist. Und als gelernter Koch versteht er es auch vorzüglich, ein spannendes „Foodpairing“ vorzuschlagen.

Sein Weinwissen ist – jedenfalls über das Südtirol, den Rest haben wir gar nie verhandelt – enorm und seine Philosophie, vor allem auf authentische, ehrliche Weine aus der Region zu setzen, zumeist biologisch oder biodynamisch hergestellt, ohne daraus eine Religion zu machen, haben mich beeindruckt. Wer hier als Weinfreund absteigt, hat unmöglich genügend Zeit, um die grosse und geschmackvolle Weinkarte durchzutrinken. Aber am Besten lässt man sich ohnehin von Thomas beraten. Seine Tipps erwiesen sich ohne Ausnahme als Volltreffer!

4 Sterne Hotel in Naturns – Schulerhof


Und die Links zum Weingut:

Weingut Oberstein in Tscherms | Südtirol
Weingut Oberstein – Meine Arena I Pur Produzenten – YouTube (Video)

Bezugsquellen:
D/A:
Weingut Oberstein Onlineshop I Meraner Weinhaus

CH:
Weingut Oberstein – Top Produkte online kaufen Schweiz » Pur Alps®


Interessennachweis:
Die beschriebene Entdeckung des „arena“ erfolgte auf Einladung der Tourismusgenossenschaft Naturns im Rahmen einer Pressereise im Hotel Schulerhof, Plaus/Naturns. Die Weine für die Degustation zuhause wurden im Weinhandel erworben.

http://www.naturns.it

Wein ohne Alkohol – aber mit viel Geschmack! Auf der Spur eines gesellschaftlichen Trends.

Alkoholfreier Wein? Ich weiss, da rümpfen Weinfreunde schon mal vorsorglich die Nase. Und so, wie die Qualitäten früher waren, ist das auch nicht verwunderlich. Aber Umdenken ist angesagt, zumal der Trend zu weniger Alkoholkonsum eindeutig erscheint.

Das Timing hätte nicht besser sein können: Ich war angefragt worden, ob ich ein paar alkoholfreie Weine probieren würde und fand das Thema spannend, zumal ich schon in einem früheren Beitrag über zwei erstaunliche Schaumweine berichtet hatte (Link siehe unten). Das Paket mit vier Flaschen traf genau dann ein, als ich für fünf Tage ein Medikament einnehmen musste, das sich mit Alkohol nicht verträgt. Es war also eine perfekte Gelegenheit, die Weine gleich zu probieren. Um es vorwegzunehmen, ich habe sie nicht nur probiert, sondern auch bis zum letzten Schluck genussvoll getrunken!

In vier Jahrzehnten von untrinkbar zu geschmackvoll

Rückblende: Vor etwa 40 Jahren brachte ein Schweizer Grossverteiler, der keinen Alkohol anbietet, drei alkoholfreie Weine auf dem Markt. Ich habe diese probiert und als untrinkbar, ja scheusslich weggeschüttet. Das ging offenbar nicht nur mir so, denn die Weine waren rasch wieder aus dem Sortiment verschwunden. Alkoholfreies Bier fand ich schon damals halbwegs trinkbar, und heute stehen die besten Exemplare davon meines Erachtens den „richtigen“ Bieren nur noch wenig nach. Der Marktanteil der alkoholfreien Variante liegt denn auch schon bei rund 7 %.

Marktanteil steigend, bei Schäumern schon 5 %

Beim Wein geht die Entwicklung etwas langsamer, aber offensichtlich gab es auch hier einen Qualitätsschub. Und auch mengenmässig holen die Alkoholfreien auf. Bei stillem Wein liegt der Marktanteil zwar noch unter 1 % – was freilich in effektiven Litern doch nicht ganz unerheblich ist -, beim Schaumwein aber sind es bereits rund 5 % (Quelle: eaton.com zu Nielson Haushaltpanel). Das Potential liegt wohl deutlich höher, weil gemäss der zitierten Quelle nur 10 – 15 % der Befragten überhaupt alkoholfreien Wein kannten.

Sehr „weinig“ – und endlich ein überzeugender Roter

Eigentlich ist bei diesen alkoholfreien Weinen alles da, die Düfte stimmen und unterscheiden sich kaum von alkoholhaltigem Wein, im Mund sind Aromen, Säure und – beim Roten – Tannin vorhanden. Wenn man trinkt, dann ist es keine Frage, dass es sich hier um Wein handelt, und – bei den nachstehend beschriebenen – nicht um den Schlechtesten.

Ich hatte schon früher immer mal wieder einige gute weisse Weine ohne Alkohol im Glas, aber noch nie einen wirklich überzeugenden Roten. Der Leonis Blend hat mich diesbezüglich nun sehr positiv überrascht. Der Grundwein ist der „In Signo Leonis“ von Heribert Bayer, und das merkt man am Duft, in der Fülle und auch an der leichten Holzprägung. Wenig überraschend ergeben sich also aus gutem Grundmaterial auch die besseren Alkoholfreien. Gut möglich, dass diesem Umstand früher zu wenig Beachtung geschenkt wurde, nach dem Motto „es gibt ja nur alkoholfreien Wein daraus“.

Gesellschaftlicher Trend

Für mich ist jedenfalls klar, dass die alkoholfreien Weine eine echte Alternative sind, ich bin überzeugt, dass der Trend weiter hin zu solchen Weinen geht. Wer Auto fährt, wer aus gesundheitlichen Gründen auf Alkohol verzichten will bzw. muss oder wer, wie ich, einen alkoholfreien Januar einschaltet, bekommt mit Weinen wie nachstehend beschrieben eine tolle Variante. Es schmeckt rundum nach Wein, es ist gut – einfach nicht ganz so vollendet wie ein Wein mit Alkohol. Meines Erachtens sollte sich jede Winzerin und jeder Winzer die Frage stellen, ob sie/er nicht auf diesen Trend aufspringen müsste. Ich jedenfalls werde mir im Hinblick auf den Januar einen genügenden Vorrat in den Keller legen; einem Softdrink und selbst einem Bier ziehe ich einen guten alkoholfreien Wein vor!

Eine Komponente fehlt halt doch

Trotz dieser Lobesworte hier auch eine „Warnung“. Die Erwartungshaltung sollte trotz allem nicht allzu hoch sein, denn es fehlt mit dem Alkohol halt doch eine wichtige Komponente. Bei vielen Alkoholfreien wird dieses Manko durch eine hohe Süsse ausgeglichen. Wer das mag, ist sicher gut bedient; wer trockene Weine liebt, muss etwas mehr suchen. Die von mir probierten Weine sind alle trocken – und gut. Ich verzichte bei den Degustationsnotizen dennoch bewusst auf eine Benotung, weil der Vergleich einfach noch hinkt. Was ich freilich sagen kann: Im unteren Bereich von „gut“ würde ich die degustierten Weine schon einstufen – und damit jedenfalls vielen Billigweinen mit Alkohol vorziehen.

Aber nochmals: Im Gegensatz zum Bier merkt man durchaus, dass der Alkohol fehlt. Das hat sicher einen Zusammenhang damit, dass Bier weniger Alkohol aufweist als Wein, aber wohl auch, dass die Geschmackskomponenten beim Wein einfach vielfältiger sind, was sich beim Fehlen des Geschmackträgers Alkohol halt stärker auswirkt. Damit wäre dann auch bewiesen – sorry liebe Bierfreunde – dass Wein einfach ein komplexeres Getränk ist.

Degustationsnotizen

Blanc pur, Strauch Sektmanufaktur (alkoholfreier Bio-Wein aus Riesling), Deutschland
Wirkt in der Nase fast wie Traubensaft, sehr fruchtig-süsslich, dezent und (nicht negativ) essigsaure Tonerde, im Mund feine Perlage, fruchtig und saftig, frische Säure, ganz leicht süsslich. Wirkt eher wie Traubensaft als wie Wein, ist aber sehr süffig und gelungen.

Phénomène, SAS Ollivier-Cottenceau (entalkoholisierter Wein), Frankreich
Helles Gelb; eher zurückhaltende Nase, etwas weisser Pfirsich, Zitrus und Veilchen; im Mund sehr fruchtbetont, schöne, saftige Säure, im Antrunk trocken wirkend, dann sehr dezente Restsüsse, rund, fällt lediglich im Abgang etwas schnell zusammen. Fruchtbetonter Tropfen.

Sauvignon blanc, Bergdolt-Reif & Nett (entalkoholisierter Wein), Deutschland
Sehr helles Gelb, dezente Nase nach Mirabellen und Aprikosen, etwas grüner Apfel, dazu auch grüne Töne (Brennessel); dichter Körper, rund, eher zurückhaltende Säure, fruchtig wirkend, mit erstaunlich langem Abgang. Sehr süffig.

Zeronimo, Leonis blend, Heribert Bayer (entalkoholisierter Wein), Österreich
Mittleres Rubin; Cassis, Hagebutten, etwas Boskoop-Apfel, würzig; auch im Mund fruchtig, spürbare, schöne Säure, feines Tannin, relativ kurzer Abgang. Überzeugender Rotwein.

Informationen und Bezugsquelle:

Startseite – ZENOTHEQUE.COM (allgemeine Startseite)
Weine ohne Alkohol: Alkoholfrei-vom-Winzer.de (Startseite Shop)

Und der Link auf den erwähnten früheren Beitrag:
Alkoholfreier Schaumwein von Thomson & Scott: Nüchtern betrachtet erstaunlich gut! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)


Wie wird alkoholfreier bzw. entalkoholisierter Wein hergestellt?

Am Anfang eines alkoholfreien Weines steht ein fertig vergorener, alkoholhaltiger Wein. Der Alkoholentzug kann grundsätzlich mit verschiedenen Techniken erfolgen. Die meisten, und nach allgemeiner Einschätzung auch die besten, entalkoholisierten Weine werden indessen mittels Vakuumdestillation hergestellt. Unter Vakuum verdampft Alkohol schon bei rund 27 Grad, so dass keine Erhitzung des Weines mit unerwünschten Nebenwirkung durch hohe Temperatur notwendig ist. Weil mit der Verdampfung trotzdem auch Aromen entweichen, kann eine Aromenrückgewinnung erfolgen (die natürlichen Aromen werden aufgefangen und dem Wein wieder zugefügt). Das ursprüngliche Aromenspektrum eines Weins bleibt bei diesem Verfahren weit gehend erhalten. Um den Geschmack abzurunden, darf – aber muss nicht, um eine gutes Produkt zu erhalten – entalkoholisierten Weinen anschliessend Süsse in Form von Traubensaft/-konzentrat oder Sacharose sowie allenfalls Kohlensäure beigefügt werden. (Aus vielen Quellen zusammengetragen, u.a. Zenotheque, Kolonne 0, Edeka, Prowein, Merkur).

Nur die Gesetzgebung ist noch komplexer als Wein – aber keinesfalls besser

Der guten Ordnung halber sei auch noch darauf hingewiesen, dass „alkoholfrei“ und auch „entalkoholisiert“ in den meisten Fällen nur juristisch korrekt ist. Das Verfahren zur Entfernung von Alkohol bringt es mit sich, dass fast immer ein kleiner Alkoholanteil erhalten bleibt. Der Gehalt muss aber auf jeden Fall unter 0,5 % vol. liegen. In der EU gibt es seit Kurzem eine neue (dem deutschen Gesetz noch widersprechende) Regelung, gemäss der solcher Wein nicht mehr als alkoholfrei bezeichnet werden darf, sondern entalkoholisiert. Demgegenüber darf Bier mit gleich viel Alkohol weiterhin alkoholfrei genannt werden (Quelle: meiniger.de). Nicht nur Wein, sondern auch die Gesetzgebung ist komplex! Und weniger überzeugend.


Interessennachweis:
Die vier degustierten Weine wurden von Frédéric Chouquet-Stringer von der Zenotheque, Karlsruhe, ohne jede Verpflichtung zur Verfügung gestellt. Auf meinen Wunsch hin handelte es sich um weitgehend trockene Weine.

Das Alpental Vinschgau: Mikro-Anbaufläche, grosse Weine zum Entdecken!

Das Südiroler Alpental am Oberlauf der Etsch hat rund um den Thermalkurort Naturns alles, was es für grosse Weine braucht: ideale Böden, viel Sonne, zukunftsgerichtete Höhenlagen von 600 – 900 Metern, genügend Wasser – und mehrere begnadete Winzerinnen und Winzer.

Der Vinschgau, eher bekannt als „Apfelkammer“ Europas, hat eine lange Weingeschichte und erlebt weintechnisch seit rund 30 Jahren eine perfekte Renaissance. Das Tal hat nur einen Ausgang nach Süden, wo die Etsch in Richtung Meran und Bozen fliesst, dafür aber untypischerweise gleich drei Strassen nach Norden: den Reschenpass in Richtung Österreich, den Ofenpass durch den Schweizer Nationalpark ins Engadin und – im Sommer als grandiosen Höhepunkt – das Stilfserjoch in die Lombardei. Trotz der Abgeschiedenheit im Herzen der Alpen ist das Tal von München oder Zürich aus in nur rund drei bis vier Stunden zu erreichen.

Wunderbares Alpental! Blick auf die Reben von Schloss Falkenstein und auf die schneegepuderten Berge. Das „Schloss“ bezieht sich hier auf ein modernes Weingut und ein Hotel. Das Anwesen gehörte früher zum Schloss Hochnaturns und wurde als Falknerei genutzt, daher der Name.

Sowohl gegen Norden als auch gegen Westen ist der Vinschgau durch eine Vielzahl von Bergen mit über 3000 Metern Höhe abgeschirmt. Und aus Süden fliesst mediterrane Luft ins Tal. Und von wegen metiterran: Mit rund 500 mm Niederschlag und über 300 Sonnentagen kann der Vinschgau sogar mit Sizilien mithalten! Aber dank einem ausgeklügelten Bewässerungsystem, fast gleich wie im Wallis, wird das Schneewasser von den hohen Bergen ins Tal geleitet, so dass die Reben trotz der Trockenheit genügend Wasser erhalten.

Die berühmte Römerstrasse Via Claudia Augusta

Der Weinbau ist im Südtirol bereits aus einer Zeit um 500 Jahren v. Ch. nachgewiesen. Für den Vinschgau selbst sind belastbare Funde allerdings „erst“ etwa 800 Jahre alt. Es ist aber anzunehmen, dass schon die Römer hier Weinbau betrieben, denn als Teil des damaligen Raetien gelangte der Vinschgau um das Jahr 15 v. Ch. zum römischen Reich, und die Lage an der berühmten römischen Strasse Claudia Augusta lässt vermuten, dass hier auch schon damals Reben gediehen.

Noch im ersten Teil des letzten Jahrhunderts betrug die Anbaufläche im Tal über 200 Hektar. Einen guten Ruf hatten die Weine damals allerdings nicht, und so ist es nicht verwunderlich, dass der aufkommende Anbau von Obst auch zu Lasten des Rebbaus ging. Oder, wie es ein Winzer vor Ort ausdrückte: „Der Golden Delicious hat den Rebbau verdrängt, weil dessen Anbau viel lukrativer war“.

Schloss Hochnaturns, das Wahrzeichen von Naturns.

Höhenrausch: Reben bis auf 1300 Meter über Meer.

Inzwischen wurde das riesige Potential des Rebbaus im Vinschgau aber wieder entdeckt, und seit einigen Jahren werden auch Obstbäume ausgerissen, um Reben Platz zu machen. Heute sind wieder rund 80 Hektar (je nach Quelle auch schon 100) mit Reben bestockt. Die Hauptanbauflächen befinden sich im unteren Teil des Tals um Naturns und Kastelbell. Immerhin bricht der Vinschgau mit einigen Weingärten auch Höhenrekorde im Alpenraum, so gedeihen beim Kloster Marienberg und auf dem Weingut Calvenschlössl in Laatsch Reben bis in eine Höhe von 1300 Metern!

Die Reben beim Benediktinerkloster Marienberg überhalb von Burgeis. Das Kloster liegt auf 1350 Metern, und der Rebberg gehört damit zu den höchstgelegenen im ganzen Alpenraum.

0,01 % der italienischen Rebfläche!

Ich hatte kürzlich die Gelegenheit, das Gebiet auf einer individuellen Pressereise kennenzulernen. Ich kannte vorher lediglich einige Weine von Schloss Falkenstein und hatte schon Positives vom Gut Unterortl gehört, welches sich in Besitz von Reinhold Messner befindet (bzw. befand, es gehört jetzt seinem Sohn). Das ist zwar eine weinmässige Bildungslücke, die aber kaum erstaunlich ist angesichts der Tatsache, dass der Vinschgau nicht einmal 2 % der Rebfläche das ganzen Südtirols ausmacht, und das Südtirol seinerseits wiederum weniger als 1 % der ganzen Rebfläche Italiens.

Sommelier und Sommelière – tippgebend vor Ort

Den Vinschgau als „Mikro-Weinbaugebiet“ zu bezeichnen, ist deshalb sicher erlaubt, und Berichte darüber passen auch sehr gut in meinen Blog mit dem Slogan „alles ausser gewöhnlich“. Aber in Sachen Qualität, sowohl an der Spitze als auch in der Breite, ist das Tal „maxi“. Die Leistungen der Weingüter und deren Weine haben mich echt fasziniert. Dabei war ich ja vorgewarnt: Ich hatte im Vorfeld recherchiert und mit der Sommelière Verena Santer Kontakt, welche „Verenas Weinboutique“ in Naturns führt. Von ihr hatte ich schon viele Tipps erhalten. Ergänzt wurden diese vor Ort durch den Sommelier und Chef unseres Quartiers „Hotel Schulerhof“ in Plaus, Thomas Schuler, ein begnadeter und begeisterter Weinkenner, mit dem der Austausch extrem spannend war. Die alte Weisheit, dass das Entdecken eines neuen Gebietes am besten gelingt, wenn man Fachleute vor Ort beizieht, wurde wieder einmal auf’s Schönste bewiesen.

Abgesehen von der bescheidenen Rebfläche habe ich mich im Vinschgau immer wieder an das Wallis erinnert gefühlt. Dazu trugen natürlich die uralten Bewässerungssysteme bei, im Vinschgau „Waale“ und im Wallis „Bissen“ oder „Suonen“ genannt. Aber auch die kargen Gebirgslandschaften, die Rebzeilen vor Schneebergen und die relative Abgeschiedenheit sind auffallende Parallelen. Der grösste Unterschied besteht vielleicht darin, dass die Sortenvielfalt im Vinschgau etwas bescheidener ausfällt.

Blick auf die Reben und das Schloss von Kastelbell. Zusammen mit dem etwa zehn Kilometer östlich gelegenen Naturs bildet der Ort das Zentrum des Vinschgauer Rebbaus.

Der Riesling-Hotspot südlich des Alpenhauptkamms

Dafür kann der Vinschgau mit einer homogeneren Qualität und mit klaren „Sorten-Positionierungen“ auftrumpfen. Da ist zuerst einmal der Riesling zu nennen. Naturns und Umgebung ist ein aboluter Riesling-Hotspot! Die Geschichte ist zwar noch nicht alt, vor etwa 40 Jahren pflanzte der Befehlhof als erster diese Sorte an. Heute fehlt er auf praktisch keinem Betrieb und die Qualität ist sehr hochstehend. Zu nennen sind etwa – unvollständig – der Pionier Befehlhof, dazu Falkenstein, Himmelreichhof und der Biobetrieb Lehengut, der mit seinem Riesling in diesem Jahr an den Rieslingtagen von Naturns als bester bewertet wurde und dabei unter anderem jenen von Elena Walch übertraf. Gekeltert wurde dieser Wein von Martin Aurich, dem Pächter des Messmer-Gutes Unterortl – und so überrascht es nicht, dass mich sein eigener Riesling Windbichel (ebenfalls bio, wenn auch nicht ausgewiesen) von allen degustierten Weinen am meisten begeistert hat. Der Beweis wird in einer bald folgenden Blinddegustation noch anzutreten sein (ich werde berichten), aber ich habe diesen Riesling als den besten Grossen Gewächsen aus Deutschland ebenbürtig eingestuft!

Ideale Gesteinsböden, perfekte Höhenlage, viel Sonne aber nachts auch kühle Winde – und eine wunderbare Aussicht: Von hier kommt der „Windbichel“, der mich begeistert hat. Die am Rand sichtbare, sehr enge Strasse führt übrigens zu Reinhold Messmers Wohnsitz (und Museum) Schloss Juval.

Grosse Weissburgunder, die zeigen, was die Sorte eigentlich kann

Die zweite wichtige Sorte ist der Weissburgunder, der es im Vinschgau zu echten Höhenflügen schafft! In keinem Weinbaugebiet habe ich bisher ein so hohes, gleichmässig gutes Niveau des Pinot blanc erlebt, dem es offenbar auf diesen Böden und in diesem Höhenniveau besonders gut gefällt und auf den auch alle Winzer besonders stolz sind – sozusagen als Vinschgauer Weinbotschafter. Speziell gefallen (aber damit bin ich schon fast ungerecht gegenüber den nicht genannten) haben mir die Weine von Unterortl (der „Himmelsleiter“ dabei geradezu grandios), Falkenstein, Lehengut und Josmoar.

Angepflanzt werden inzwischen noch eine ganze Reihe anderer weisser Sorten wie Sauvignon blanc (Falkenstein! Ein SB in bestem Stil der Steiermark), Pinot gris, Kerner, Gewürztraminer, Grüner Veltliner und Müller Thurgau (Unterortl! Zeigt, was man aus dieser Sorte machen kann). Nicht zu vergessen sind diverse Piwi-Sorten, und zwar vor allem deshalb, weil der Souvignier gris „Gegenwind“ vom Lehengut schlicht der beste Piwi-Wein ist, den ich je gekostet habe.

Eigenständige und doch typische Pinots

Eher eine zweite, aber nicht unwichtige Geige spielen die Rotweine. Leitsorte ist der Pinot noir, hier fast durchwegs Blauburgunder genannt, der bei allen Betrieben sehr erfreulich und mit einer eleganten, filigranen aber doch gehaltvollen und fruchtigen Art schon fast einen eigenen Vinschgau-Pinot-Stil begründet. Bemerkenswert sind alle BB der schon genannten Güter, dazu auch jener vom Marinushof. Dieses Gut trumpft auch mit einem äusserst dichten und fruchtigen Rosé aus Pinot auf (viel besser geht Rosé nicht), und ganz besonders mit zwei Spielarten des Zweigelt. Sowohl die Variante mit als auch jene ohne Barriqueeinsatz sind begeisternd. Die beiden klassischen Südtiroler Roten, Vernatsch und Lagrein, spielen im Vinschgau bisher eine eher untergeordnete Rolle.

Winzerportraits folgen

Ein Blog eignet sich nur bedingt für eine eigentliche Gebiets-Reportage. Im Gegensatz zu einem Printmedium kann man kaum mit „Kästen“ arbeiten, und zu lange sollte ein Beitrag auch nicht werden. Der Vinschgau bildet deshalb nun den Aufakt zu einer ersten, losen Serie von Beiträgen über das gleiche Gebiet. Dem heutigen Blog werden also weitere folgen, welche vor allem einzelne Weingüter genauer beschreiben. Weitere Serien über andere Gebiete, wie z.B. den Mont Vully oder das Wallis sind übrigens schon länger geplant und werden folgen.


Wein und Wasser in Naturns, dem „neuen“ Thermalkurort im Vinschgau

Naturns – oder NATURns, wie der Ort von der Tourismusgenossenschaft nicht zu Unrecht geschrieben wird – liegt 20 Kilometer westlich von Meran und zählt rund 6000 Einwohner. Die beiden bekanntesten Weingüter des Vinschgau, Castel Juval Unterortl und Falkenstein, sind hier domiziliert (wobei Unterortl streng genommen bereits in der Nachbargemeinde Tschars liegt). Seit Kurzem ist Naturns aber auch ein Thermal-Kurort. Strassenbau kann ja umstritten sein, aber im Fall von Naturs ist es in doppelter Hinsicht ein Gewinn. Einerseits wird das lebendige Städtchen dank zwei Tunnels vom Durchgangsverkehr entlastet, andererseits wurde beim Bau auch eine Thermalquelle entdeckt, die gefasst wurde und die nun fast alle Hotels des Ortes und das Bad mit bestem Wasser versorgen! Dazu muss man wissen, dass der neue Fassungsort unweit von Bad Kochenmoos liegt, einem Ort an der Via Claudia Augusta, den schon die Römer als wärmende Thermalquelle nutzten und der ab dem 17. Jahrhundert bis in die 1960er Jahre als Heilbad genutzt wurde. Nur ist jene Quelle wenig ergiebig. Die beim Strassenbau neu entdeckte Schüttung hingegen bringt viel Wasser von sehr ähnlicher Zusammensetzung und machte Naturns damit sozusagen zum Bad Naturns.

Die ursprüngliche Thermalquelle speist heute noch einen lauschigen öffentlichen Park.

Von Ötzi, der eigentlich Schnalsi heissen müsste!

Bei Naturns zweigt eine Strasse ins hochalpine Schnalstal ab. Dort, am Similaun auf rund 3200 Metern über Meer, wurde 1991 die inzwischen berühmte Mumie des „Ötzi“ gefunden. Zuerst ging man davon aus, dass der Fundort zu Österreich gehört; später wurde dann aber klar, dass der Eismann auf italienischem Boden lag. Deshalb müsste er doch eigentlich nach dem Schnalstal „Schnalsi“ heissen. Immerhin: Die Bergkette wird als Ötztaler Alpen bezeichnet. Der Fundort ist übrigens für erfahrene Berggänger erreichbar.


Urlaub in Naturns Offizielle Seite ☀️ unvergessliche Ferien (merano-suedtirol.it)
Verena’s Wein Boutique | Naturns, Vinschgau, Südtirol (wein-boutique.it)
4 Sterne Hotel in Naturns – Schulerhof
Die Links auf die einzelnen Weingüter folgen in späteren Beiträgen, können aber auch schon jetzt mit einem Suchprogramm problemlos gefunden werden.


Interessennachweis:
Dieser Beitrag wurde ermöglicht dank einer Pressereise auf Einladung der Tourismusgenossenschaft Naturns mit Kost und Logis im rundum hervorragenden Hotel Schulerhof in Plaus. Die ganze Reise und insbesondere die Besuche auf den Weingütern erfolgten indessen individuell und ohne jede Verpflichtung.

Brandneuer Wein aus uralten Reben: Grossartige Neuheiten aus Zyperns höchsten Lagen!

Zypern ist ein völlig unterschätztes Weinland, hier entstehen tolle Tropfen aus wurzelechten Reben. Und wenn diese dann noch sehr alt sind und auf über 1000 Höhenmetern wachsen, dann können sie grossartig werden!

Uralter Bergwein: 100- bis 150-jährige Reben auf Steillagen in mehr als 1000 Metern. (Alle Bilder zvg, Bernhard Furler).

Junges Weingut mit noch jüngerem Projekt – und extrem alten Reben

Spannend, wenn man den ersten Jahrgang eines neuen Weingutes probieren kann! „Vinea Ardua“ hat mit dem Jahrgang 2020 seine ersten Weine auf dem Markt gebracht – grossartige Qualität aus uralten Reben, die in Höhen von 900 bis zu 1300 Metern wachsen. Immerhin muss die Aussage des neuen Weingutes ein wenig zu „neuem Projekt“ relativiert werden. Der Sitz von Vinea Ardua befindet sich nämlich an der gleichen Adresse wie die Santa Irene Winery in Farmakas, einem Bergdorf etwa auf halbem Weg zwischen Nikosia und Limassol, und der Wein wird auch dort vinifiziert. Freilich ist auch dieses Weingut selbst noch jung, denn Santa Irene wurde erst im Jahr 2015 vom Geschäftsmann Daniel Anastasis gegründet, der sein im südafrikanischen Lebensmittelsektor verdientes Geld in dieses Herzensprojekt gesteckt hat. Das Gut umfasst rund 200 Hektar, mit Reben bepflanzt sind aber nur deren 20.

Steil, mühsam, aber mehr als lohnenswert

Der Mann hinter den tollen Weinen: Der Winzer und Oenologe Evangelos Bakalexis. Er war früher beim bekannten Gut Tsiakkas tätig, wollte aber etwas Neues anpacken. Und er posiert vor den uralten Reben des Gutes.

Zusammen mit seinem um 40 Jahre jüngeren Winzer und Önologen Evangelos Bakalexis fand Daniel Anastasis nach einem erfolgreichen Start gerade auch die bisher nicht mehr gepflegten, alten Reben an Steilhängen spannend. Die Hänge und Reben wurden deshalb wieder gepflegt und brachten im Jahr 2020 erstmals (wieder) nutzbaren Ertrag. Bestockt sind diese alten/neuen Flächen hauptsächlich mit der roten Mavro (oder Kypreiko). Daneben gibt es auch etwas weisse Trauben aus der autochthonen Sorte Xynisteri, womit zwei der typischen Reben Zyperns vertreten sind. Die Rebstöcke sind allesamt sehr alt, über 100- und teils bis 150-jährig, und wachsen an nicht terrassierten Hängen mit einer Neigung von bis zu 60 Grad. Der Name Vinea Ardua steht denn auch für „steil“ oder auch „mühsam“.

So gebirgig und spannend kann Zypern sein, wenn man die Strände verlässt.

Erhalt der Kulturlandschaft

Die Mühen der Crew des Weingutes haben sich aber sehr gelohnt! Einerseits sind die Weine von hervorragender Qualität, andererseits wird durch die Arbeit des Gutes auch eine uralte Kulturlandschaft erhalten bzw. wieder hergestellt. In Zypern wird schliesslich schon seit rund 5000 Jahren Rebbau betrieben!

Die auch sehr alten Amphoren, in welchen der Wein vergärt. Ebenfalls ein Kulturgut. Und auf der Wand dahinter Bilder der Reben in dieser tollen Kulturlandschaft.

Moderne Technik – alter Väter Sitte

Gemäss Rücketikette wachsen die Reben biologisch bzw. natürlich („organically“). Zertifiziert ist der Wein zwar nicht, aber man mag das gerne glauben, denn schliesslich überlebten die Reben ja bisher auch sich selbst überlassen. Speziell ist übrigens auch, dass die Rebstöcke, wie praktisch alle auf Zypern, wurzelecht sind, weil die Reblaus die Insel verschont hatte. (Link zu einem Blogbeitrag zu „wurzelecht“ siehe unten). Im Keller wird ebenfalls Wert auf möglichst wenig Eingriffe gelegt. Der Wein vergärt auf den Naturhefen, wird ganz (Aeòneo) bzw. teilweise (Eteòn) in alten Amphoren vergoren, sehr zurückhaltend geschwefelt und ungeschönt und unfiltriert (Aeòneo) bzw. leicht und schonend filtriert (Eteòn) abgefüllt.

16 unscheinbare Prozente

Wie den nachstehenden Degustationsnotizen zu entnehmen ist, ist der rote Aeòneo ein kräftiger, dichter, gleichzeitig aber auch eleganter, rundum gelungener Wein. Er liefert damit ein gewichtiges Argument gegen das „hoher Alkoholgehalt-Bashing“ (das ja oft auch nicht falsch ist). Der Wein weist nämlich 16 Volumenprozente auf, was offenbar auch die Naturhefe mitgemacht hat, denn er wirkt absolut trocken. Der Wein ist auch mit diesem Alkoholgehalt in keiner Art und Weise unangenehm oder gar brandig. Und bekömmlich ist er auch, ich kann es bezeugen (und dabei habe ich ziemlich oft nachgeschenkt)!

Degustationsnotizen

Vinea Ardua, Eteòn 2020 (100 % Xynisteri)
Recht fülliges Gelb; Düfte von Honig, Aprikosen, Flieder und nassem Gras, auch würzige Töne; im Mund knochentrocken mit enormer Frische, mineralisch, sehr dichter Körper, schöne, aber dezent eingebundene Säure, ein kleiner Touch von «Naturwein». Wirkt im Antrunk eher filigran, wird im Mund dann aber immer fülliger und runder, ausgesprochen langer Abgang. Ein rundum begeisternder Erstling! 17 Punkte
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Vinea Ardua, Aeòneo 2020 (100 % Mavro)

Mittleres Rubin; rote und dunkle Frucht, reifer Apfel (Boskoop), sehr würzig und schon in der Nase mineralisch; im Mund ausgesprochene Frische, mineralisch, schöne Säure, enorm viel feines Tannin, fruchtig, dichter Körper; im langen Abgang im positiven Sinn «feurig». Ein elegantes Monument von Wein; trotz 16 % Alkohol wirkt er frisch und nicht alkoholbetont. 17,5 Punkte!

Bezugsquelle und weitere Infos zu Zypern:
Vinea Ardua Angebot – Paphos-Weine GmbH (paphosweine.ch)

Homepage des Projektes:
Premium Wine | Vinea Ardua Vineyards | Farmakas (vineaarduawines.com)
(Ganz am Rand: Eine wunderbar wohltuend ruhige Site, die „nur“ in s/w gehalten ist)

Und hier noch der Link auf einen anderen Artikel in meinem Blog, in dem von einem tollen Wein aus wurzelechten Reben die Rede ist:
Sind Weine aus wurzelechten Reben besser? Dieser Barbera regt zum Nachdenken an! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)


Interessennachweis: Die beiden Weine wurden als Einzelflaschen ohne Verpflichtungen von Paphos-Weine Gmbh zu Degustationszwecken zur Verfügung gestellt.

Plant Robez von Blaise Duboux. Ein grandioser Wein – fast der Autobahn zum Opfer gefallen!

Plant Robert ist eine jener Rebsorten, die beinahe ausgestorben wären. Sie kommt auch heute fast nur im Lavaux vor, inzwischen aber mit gesichertem Bestand. Es wäre jammerschade, wenn es anders gekommen wäre – der Wein von Blaise Duboux zeigt das wunderschön!

Es scheint, als wäre der Genfersee, und insbesondere das Waadtland, so etwas wie eine Wiedergeburtsstätte für beinahe ausgestorbene Rebsorten. Kürzlich habe ich hier über den Servagnin berichtet, einen Pinot-Klon, der sprichwörtlich dem Tod von der Baggerschaufel gesprungen ist (Link siehe unten). Etwas weniger dramatisch ist die Geschichte der Plant Robert. Aber auch diese Sorte (bzw. dieser Klon) stand kurz vor dem Verschwinden, da die letzte noch bestockte Parzelle der Autobahn weichen musste (da haben wir die Verbindung zur Baggerschaufel dann auch!). Zwei Winzer aus Epesses bzw. Cully nahmen das aber zum Anlass, die Sorte zu retten und in etwas grösserem Stil wieder anzubauen. Der Wein wurde zuerst nur offen im Restaurant du Raisin verkauft. (Quelle Wikipedia; ich gehe davon aus, dass es sich um die heute mit 14 Gault Millaut-Punkten bewertete, legendäre Auberge du Raisin in Cully handelt). Heute bauen wieder rund 20 Winzerinnen und Winzer die Sorte auf gegen 8 Hektar Fläche an und verpflichten sich in einer Vereinigung, klare Mindeststandards einzuhalten.

Das Lavaux: Unesco-Weltkulturerbe. Blick auf Epesses und die Grand Cru-Lage Dézaley im Hintergrund.

Ein Gamay mit 3R.

Es kann ganz schön verwirrlich sein, aber die gleiche Rebe hat auf kleinstem Raum drei verschiedene Namen. Sowohl Plant Robert, als auch Plant Robez und Plant Robaz sind gebräuchlich. Man spricht deshalb zuweilen auch von der „3R“. Auch wenn man es beim Geniessen dieser Weine kaum glaubt, es handelt sich dabei um einen ertragsarmen (und genau deshalb so wertvollen aber fast ausgestorbenen) Klon des Gamay, der im vorletzten Jahrhundert erstmals erwähnt und beschrieben wurde. Dass sich dieser ausgerechnet in der „Weissweinhochburg“ des Lavaux erhalten konnte, ist eine Geschichte für sich.

Blaise Duboux – 17 Winzergenerationen!

Wenn der Plant Robert dann noch von einem Ausnahmewinzer wie Blaise Duboux gekeltert wird, muss eigentlich schon fast sicher ein guter Wein entstehen. Der kürzlich degustierte Jahrgang 2020 hat aber sogar alle meine Erwartungen übertroffen – das ist schlicht ein grossartiger Charakterwein. Er heisst übrigens Plant Robez – der in Epesses gebräuchliche Name.

Biodynamisch aus Überzeugung.

Charaktervoll ist auch der Winzer selbst. Das liegt schon an der Familiengeschichte – Blaise stellt bereits die 17. Generation dar, welche das Familienweingut führt. Er studierte zwar zuerst Wirtschaft, entschied sich dann aber doch für die Übernahme des Betriebes und damit verbunden für ein Oenologiestudium. Wenn Blaise Duboux sagt, „die Philosophie der Domaine sei heute in erster Linie die des Respekts für das Produkt, sein Land und seine Umwelt“, sind das weit mehr als „grünwaschende“ Worte. Den Tatbeweis trat er schon 2016 an, als er den Betrieb auf Bio umstellte (nach biodynamischen Grundsätzen). Wenn man heute durch das Weltkulturerbe Lavaux spaziert und die – gefühlt – nach wie vor überproportional vielen totgespritzen Böden sieht, kann man vor so viel Weitsicht nur den Hut ziehen. Auf den rund 5 Hektar seines Betriebes spielt natürlich die Chasselas die wichtigste Rolle. Duboux – in Epesses ansässig – besitzt aber auch Land in den beiden Grand Cru-Lagen Calamin und Dézalay. Nebst der Chasselas werden auch Marsanne und Chardonnay gepflegt. Aber auch die roten Sorten sind gut vertreten. Zusätzlich zum Plant Robez werden Pinot noir, Divico, Syrah, Merlot und Cabernet Franc angepflanzt. (Quellen: Homepage von Blaise Duboux sowie www. amiata.ch).

Gamay – Entschuldigung, Plant Robez – ganz gross.

Der degustierte (und inzwischen nachgekaufte und auch nachdegustierte) Plant Robez von Blaise Duboux setzt Massstäbe. Eigentlich ist der Wein mit Nichts zu vergleichen. Im Wissen, dass es eigentlich ein Gamay ist, erkennt man zwar die fruchtige, fröhliche Seite. Daneben weist er aber auch Tiefe und Vielschichtigkeit auf, die ihn einzigartig machen.

Abgesehen davon, dass die Gamay eine ganz tolle und völlig unteschätzte Sorte ist: Wenn Sie das nächste Mal glauben, über Gamay lästern zu müssen, dann greifen Sie doch einfach zum Plant Robert/Robez/Robaz!

Plant Robez 2020, Blaise Duboux
Mittleres, glänzendes Rot, enorm vielschichtige Nase, Brombeeren, Johannisbeeren, Leder-Apfel, Aprikose, Leder, dazu auch würzige Düfte wie Pinie und Lorbeer; im Mund enorme Frische, fruchtig, erstaunlich viel und feines Tannin, schön angepasste Säure, druckvoll, aber gleichzeitig auch elegant, ganz leichter, schöner Bittertouch. Wunderbar trinkfreudiger, aber auch sehr komplexer Wein mit Reserven. 17,5 Punkte.

http://www.blaiseduboux.ch

http://www.plant-robert.ch

Und der Link zum erwähnten Artikel über den Servagnin:

Dem Tod von der Baggerschaufel gesprungen! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)


Interessennachweis: Der Wein wurde an der öffentlichen Degustation von Sutter Weine verkostet.

Sutter Weine: Onlineshop