Toller Nero di Troia: kein Trojanisches Pferd – und keine Fruchtbombe.

Die sagenhafte Verbindung der Rebsorte Nero di Troia zum Trojanischen Pferd ist zu schön um wahr zu sein. Dafür ist der Wein der Azienda Antica Enotria wirklich toll – ein Tropfen für alle, die Kraft aus dem Süden mit Eleganz statt süssem Fruchtpower mögen.

Die Nero di Troia (oder Uva di Troia) ist eine autochthone Rebsorte aus Süditalien, insbesondere Apulien. Es handelt sich um eine tanninbetonte, vergleichsweise spät reifende und wenig ertragsreiche Sorte, mit der nur rund 3’000 Hektar bepflanzt sind.

Wirklich aus Troja?

Die Antwort ist zweifelsfrei ja, sofern man Troia ohne „j“ schreibt. Trotzdem ist sie zweideutig und spannend. Vermutlich ist die Sorte nach dem kleinen, 7000 Einwohner zählenden Ort Troia genannt, etwa 15 Kilometer westlich von Foggia gelegen. Der (natürlich unverifizierten, aber schönen) Legende nach soll indessen die Rebe mit dem geschichtlichen Troja zusammenhängen. Diomedes, eine wichtige Figur der griechischen Mythologie und einer der Hauptkämpfer im berühmten Trojanischen Pferd, soll nach der Rückkehr von Troja eine inzwischen untreu gewordene Ehefrau vorgefunden haben, die ihn gar vergiften wollte. Er verliess deshalb sein Heim, es zog in die Heimat seines Vaters zurück. Der Sturm verschlug ihn jedoch an die apulische Küste, wo er blieb und schliesslich mehrere Städte gründete. Auf diesem Weg soll auch die Troia-Rebe – bzw. ein Vorfahre davon – nach Apulien gelangt sein.

Se no è vero, è ben trovato! Die Nero di Troia ist eine natürliche Kreuzung zwischen der weissen Bombino bianco (auch Trebbiano d’Abruzzo) und der roten Quagliano. Beide Elternteile sind jedenfalls erst etwa seit 300 Jahren nachgewiesen. Und das mit der Städtegründung geht auch nicht auf. Das apulische Troia ist um das Jahr 1000 nachgewiesen, zwar auf den Ruinen der antiken Stadt Aecae, zu der sich aber keinerlei Hinweis auf eine Gründung durch Diomedes finden. (Quellen: Diverse, insbes. Wikipedia und Wein.Plus).

Eleganz aus dem Süden

Nun aber zum heutigen Wein: Wer angesichts seiner Herkunft auf einen süsslichen Kraftprotz à la vieler Primitivo tippt, liegt falsch! Zwar wurde auch der Nero di Troia der Azienda Antica Enotria, Agricola di Tuccio Raffaele – obwohl gesetzlich gesehen trocken – mit kleiner Restsüsse ausgebaut, aufgrund der schönen Säure passen aber die rund 4g sehr gut. Und vor allem weist der Wein bei aller Kraft eine wunderschöne Eleganz auf. Wer grundsätzlich Lust auf kräftige süditalienische Weine hat, aber die üblichen Fruchtbomben nicht mehr mag, der findet hier eine tolle Alternative! Wer diesen Wein in den Keller legt, muss jedenfalls kein Trojanisches Pferd befürchten!

In den Reben der Azienda, Raffaele und Luigi di Tuccio (Bild zvg)

Biologischer Vorreiter-Betrieb

Die Azienda Antica Enotria liegt in Cerignola, etwa 30 Km nördlich des Castel del Monte und rund 20 Km vom Meer entfernt. Sie wurde 1985 von Raffaele und Addolarata di Tuccio gegründet. Von Anfang an wurde nicht nur Weinbau betrieben, sondern auch Gemüse angepflanzt. Und fast von Beginn weg wurde das Gut nach biologischen Grundsätzen geführt – womit es eine Pionierrolle einnahm. Heute führen Sohn Luigi und seine Frau Valentina das Gut im Sinne der Gründergeneration – ganz offensichtlich erfolgreich, was z.B. eine Schnecke bei „Slow Wine 2023“ beweist.

Nero di Troia, IGT Puglia, Antica Enotria, Azienda Agricola di Tuccio Raffaele, 2018
Mittleres, glänzendes, schon leicht gereift wirkendes Rubin; in der Nase zuerst würzig (Thymian, Lorbeer), dann auch Anflüge von Dürrpflaumen und Rosinen, mit noch mehr Luft mit ausgeprägtem Himbeerduft; im Mund sehr fruchtbetont mit viel Fruchtsüsse, tolle Frische, schöne, gut eingebundene Säure, spürbares, aber sehr „mürbes“ Tannin, kraftvoll, aber sehr elegant. Toller Wein, der zwar die Kraft süditalienischer Weine aufweist, gleichzeitig aber auch sehr „nördlich-elegant“ daherkommt und trotz leicht spürbarer Restsüsse auf der trockenen Seite bleibt. 16,5 Punkte.

Homepage agricoltura biologica di Puglia – Antica Enotria

Bezugsquellen (u.a.):
Antica Enotria – amiata
Suche für: Troia IGT Puglia -9Weine (neunweine.de)


Interessennachweis:
Der Wein wurde im Weinhandel käuflich erworben. Die Anfrage bei der Azienda bezüglich einer Foto erfolgte erst nach dem Kauf und der Degustation.

SB-Weltklasse aus Rheinhessen? Ja, ich bleibe dabei!

Vor bald drei Jahren habe ich in diesem Blog über die Sauvignon blancs von Gesine Roll vom Weingut Weedenborn geschrieben und das Wort „Weltklasse“ verwendet. Die Folge davon war eine Blinddegustation, in welcher wir die Aussage überprüften – und die zumindest mich in meinem Urteil weitgehend bestätigte.

Aber der Reihe nach: Kaum war Mitte 2020 der Beitrag mit dem Wort „Weltklasse“ erschienen, „tadelte“ mich Weinfreund Rico Etzensberger, weil die schreibende Zunft seiner Meinung nach viel zu oft zu Superlativen greift. Und ohnehin, Weedenborn auf die gleiche Stufe zu stellen wie etwa Dagueneau oder Tement, sei doch vermutlich schon etwas vermessen.

Weedenborn stellt sich Dagueneau, Tement und Smith Haut-Lafitte

Seine Kritik ist ja grundsätzlich berechtigt (ich bin seither etwas zurückhaltender), aber ich ging auf die Wette ein und stellte eine blinde Vergleichsdegustation mit dem von mir besonders hervorgehobenen SB Réserve 2017 von Weedenborn in Aussicht. Diese fand nun vor Kurzem im schönen Degustationsraum des Weinguts von Ulla und Kaspar Reutimann in Guntalingen statt, mit dabei einige hochkarätige Weinkenner wie Adrian van Velsen (www.vvwine.ch), die Gastgeber und eben auch Rico Etzensberger. Die Degustationsanlage konnte jahrgangsbedingt zwar keinen wissenschaftlichen Grundsätzen genügen, was allein schon durch den Umstand bedingt war, dass auch Gewächse von der südlichen Halbkugel vertreten waren. Immerhin war der Grossteil der Weine auch jahrgangsmässig mit Weedenborn identisch oder höchstens ein Jahr jünger. Und es ging ja auch nicht um Wissenschaft, sondern um Spass und „nur“ um die Prüfung des Prädikates „Weltklasse“.

Dagueneau bzw. Smith Haut-Lafitte gewinnen. Aber Weedenborn hält mit!

Das Resultat vorweg: Es ist uneinheitlich wie so oft bei solchen Anlässen! Während die Degustatorinnen und Degustatoren bei vielen Weinen im Urteil relativ nahe zusammenlagen, gingen die Meinungen ausgerechnet bei der Réserve 2017 von Weedenborn auch auseinander. Adrian van Velsen etwa vergab „nur“ 91 Punkte, was dann schon nicht gerade Weltklasse wäre. Ich selbst vergab 18 Punkte (auf der von mir immer verwendeten 20er Skala), womit er nur gerade einen halben Punkt hinter dem Siegerwein landete. Zum Glück habe ich meine „Wette“ aber mit Rico Etzensberger abgeschlossen, und dieser fand den Weedenborn durchaus sehr positiv: Weedenborn hat mich positiv überrascht, sehr feine, fast schon schlehenhaft, mineralisch geprägt, typische Frucht, vielleicht eine Spur zu laut, aber insgesamt ein sehr schöner SB, vibrierend und langanhaltend, 93 Punkte. Dagueneau und Tement jedenfalls erhielten von ihm je einen Punkt weniger. Seine Favoriten waren Smith Haut-Lafitte (96), Sabathi und Tokara (je 94).

Fazit: Was wirklich Weltklasse ist, ist teilweise offenbar auch etwas Ansichtssache – aber dass Dageneau und Tement (in Normalform) es nicht sind, wird ja kaum jemand behaupten. Und in diesem Feld hat sich Weedenborn sehr gut behauptet. Auch wenn ich, Rico sei’s versprochen, mit dem Ausdruck künftig vorsichtiger umgehen werde: Rheinhessen bringt auch beim SB Weltklasse hervor!

SB: Spannende Weinsorte und grosse Vielfalt

Die Degustation war im Übrigen ganz generell sehr spannend. Nur schon, wie unterschiedlich man die Sorte stylistisch ausbauen kann, aber auch, dass SB aus der neuen Welt „klassisch “ und nicht exotisch daherkommen können, dass auch in preislich noch bezahlbarem Rahmen gute SB produziert werden, bis hin zur Erkenntnis, dass die Steiermark sowie die Loire und Bordeaux weiterhin Qualitäts-Hotspots sind – und Rheinhessen natürlich dazu 🙂

Die Parade der degustierten SB im schönen Lokal von Reutimann’s in Guntalingen. (Gitton und Casanova sind aufgrund klarem Kork- bzw. Flaschenfehler nachfolgend nicht beschrieben).

Hier meine persönlichen Notizen und Bewertungen (die Degustation erfolgte blind):

Domaine Didier Dagueneau, Silex 2017, Frankreich, Loire (Sancerre)
Helles Gelb, anfangs sehr reduktiv, dann zurückhaltende Frucht und Mineralik; im Mund ebenfalls sehr mineralisch, zwar dicht aber auch ungemein elegant, hier spürbare Fruchtigkeit, wirkt, als hätte er etwas Tannin. Noch unzugänglich, aber klassischer Wein mit Zukunft. 18,5 Punkte.

Château Smith Haut-Lafitte, 2016, Frankreich, Bordeaux (Pessac-Léognan)
(Hat „nur“ 90 % SB, dazu je 5 % Sauvignon gris und Sémillon)
Mittleres Gelb; in der Nase sehr fruchtig, trotz Papaya nicht exotisch wirkend, etwas grüne Töne; im Mund rund und ausgesprochen fruchtbetont, ausgeprägte Frucht“süsse“, mineralisch, schöne Säure, spürbarer, aber gut eingebundener Alkohol. Sehr schöner Wein mit Reserven. 18 Punkte

Erwin Sabathi, Ried Pössnitzberg, 2018, Österreich, Südsteiermark
Mitteres Gelb; schöne Frucht mit einem Hauch von Exotik, noble grüne Töne; im Mund bei gut integrierter Säure enorm elegant, mieralischer Touch und schöne Fruchtigkeit, toller, „saftiger“ Trinkfluss. Toller SB. 18 Punkte

Weedenborn, Réserve 2017, Deutschland, Rheinhessen
Mittleres Gelb; etwas exotische Fruchtnoten, spürbarer Holzton; im Mund dicht und stoffig, schöne Säure und Frische, bei aller Kraft und Dichte auch elegant, spürbares Holz. Vielleicht ist das Holz etwas dominant, aber ein grosser SB. 18 Punkte.

Tokara, Elgin 2018, Südafrika, Stellenbosch bzw. Elgin
Helles Gelb; grüne Töne, Stachelbeeren, dazu dezenter exotischer Fruchttouch; eleganter Wein mit schön stützender Säure, daneben glyzerinbetont rund, fruchtig, im Abgang mit mineralischem Touch. Erfreulicher SB. 17,5 Punkte.

Sattlerhof, Ried Kranachberg 2018, Österreich, Südsteiermark
Mittleres Gelb, in der Nase etwas reduktiv mit verhaltener, feiner Frucht; im Mund mit schöner Struktur, dicht (fast „zum Kauen“), mineralisch, frisch. Man würde ihn sich vielleicht etwas fruchtiger wünschen, aber es ist ein toller SB! 17,5 Punkte.

Triacca, Canale, 2018, Italien, Alpi Retiche (Veltlin)
Helles Gelb; feine Fruchttöne (Birne, Stachelbeere, Rosinen), ganz leicht oyxdativer Touch (Boskoop); im Mund druckvoll, fruchtig, prägnante Säure, spürbarer Alholhol, ausgesprochen langer Abgang. Schöner SB, würde aber mit weniger Alkohol wohl noch besser gefallen. 17 Punkte.
(Anmerkung: Es handelt sich um den günstigsten Wein der Probe, mit CHF 22.50 kostet er mehr als fünfmal weniger als der teuerste – von daher ein toller Wert).

Weingut Riehen, Le Petit, 2018, Schweiz, Basel-Stadt (Riehen)
Mittleres Gelb; Duft nach Birne und leicht oxydativ nach angeschnittenem Apfel, leichter Holzton; im Mund bei hoher Säure üppig, wirkt leicht adstingierend. Eher atypischer SB mit guten Ansätzen, der aber auch etwas ratlos lässt. 16 Punkte.

Cloudy Bay, Te Koko, 2019, Neuseeland, Marlborough
Mittleres Gelb; leichter Rauchton, Vanille, exotische Frucht; im Mund viel neues Holz, etwas trocknend, prägnante, schöne Säure, recht dichter Körper. Für meinen Geschmack mit viel zuviel Holz und Exotik, aber wem’s gefällt. 16 Punkte.

Tement, Ried Zieregg, 2017, Österreich, Südsteiermark
Mittleres Gelb; sehr reduktiv, leichter Fehlton (altes Ei), wird mit Luft etwas besser; im Mund eher filigran bei schöner Säure, leichter Bittertouch. Der Wein hat gute Ansätze, lässt aber ziemlich ratlos. Ein offensichticher Korkfehler ist nicht vorhanden, aber ein anderer Flaschenfehler nicht ausgeschlossen. Falls alle Flaschen so wären: enttäuschend. Ohne Bewertung.

Link auf Reutimann Weinbau, empfehlenswert, auch das Lokal:
Reutimann Weine – Homepage (reutimann-weine.ch)

Und der Link auf VVWine, wo die gleichen Weine beschrieben sind:
11x Sauvignon Blanc – vvWine

Und schliesslich der Link auf den erwähnten Ursprungsartikel in meinem Blog. Zu einem Besuch auf dem Gut hat es bisher leider nicht gereicht, aber einen Nachfolgeartikel wurde ja nun trotzdem generiert:
Weedenborn – Weltklasse-Sauvignon blanc aus Rheinhessen! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)


Interessennachweis:
Sämtliche Weine wurden im Weinhandel gekauft.

Sind Weine aus wurzelechten Reben besser? Dieser Barbera regt zum Nachdenken an!

Die Reblaus hat im vorletzten Jahrhundert in Europa zu einer Zäsur im Rebbau geführt. Wenig bekannt ist, dass einzelne Rebanlagen wurzelecht bis heute überlebt haben. So eine kleine Fläche im Piemont, von welcher der „Pre-Phylloxera“ von Elio Cogno stammt – ein grandioser Barbera, der qualitative Fragen zum heute üblichen Aufpfropfen von Reben aufwirft.

Es war ganz grundsätzlich eine spezielle Degustation, welche Divo anfangs März in Zürich durchführte. Gereicht wurden zwölf Weine, die allesamt aus wurzelechten Reben gewonnen wurden. Geleitet wurde die Degustation von José Vouillamoz, dem „Rebsorten-Professor“ (in der Realität trägt er „nur“ den Doktortitel), dem wir dank seiner wissenschaftlichen Arbeiten enorm viel Wissen über die Herkunft und Verwandtschaft von Rebsorten verdanken. Vouillamoz ist heute Vizedirektor bei Divo, und in dieser Eigenschaft verfasste er auch einen Grossteil der im vergangenen Herbst erschienenen Broschüre „Wurzelecht“ von Divo (Link dazu siehe am Schluss des Artikels).

Kleiner Schädling – verheerende Wirkung
Da in dieser Veröffentlichung sehr professionell die Geschichte der Phylloxera, des aus Amerika eingeschleppten Schädlings mit deutschem Namen „Reblaus“, eingegangen wird, an dieser Stelle nur kurz:
Ab Ende der 1860-er Jahre bis anfangs des 20. Jahrhunderts verbreitete sich der Schädling in ganz Europa. Die Reblaus befällt dabei die Blätter; viel schlimmer ist aber ihre Wirkung im Boden, wo sie die Wurzeln der Reben angreift und so innert kurzer Zeit einen ganzen Rebberg vernichten kann. Die Zerstörungen in den europäischen Rebbergen waren in jener Zeit verheerend.
Das Gegenmittel wurde indessen bereits 1874 gefunden. Da die amerikanischen Rebsorten gegen den Schädling immun sind, können die europäischen Sorten auf amerikanische Unterlagen aufgepfropft werden, womit die Reblaus keine Schäden mehr anrichten kann. Aus diesem Grund gibt es heute in Europa keine Reben mehr, welche auf den eigenen, europäischen Unterlagen wachsen.

„Gallische Rebberge“ leisten Widerstand
Keine? Nicht ganz! Es gibt da noch einige wenige „gallische Rebberge“, welche dem Eindringling erfolgreich trotzen. So wurden einige Inseln ganz verschont (die Balearen und Zypern beispielsweise), und es gibt in ganz Europa auch immer wieder kleine Bestände, die unbefallen blieben und bleiben. Der Schlüssel dazu liegt in den Böden, da die Reblaus sich in sandiger Umgebung mit wenig Lehmanteil nicht wohl fühlt.

Bessere Weine aus wurzelchten Rebbergen?
Ob Weine aus wurzelechten Reben besser sind als andere, lässt sich bisher zumindest wissenschaftlich nicht beweisen (dazu bedürfte es einer systematischen Vergleichsanlage über viele Jahre, wozu offenbar das Geld fehlt). Sicher ist indessen, dass durch aus Aufpfropfen von klonalen Reben auf ein paar wenige Typen von Unterlagen die genetische Vielfalt leidet. Vor dem Auftreten der Reblaus war es nämlich üblich, die Reben mittels Stecklingen aus dem Rebberg oder durch Ableger bzw. Vergraben der bestehenden Reben zu verjüngen. Durch diese massale Vermehrung blieb die genetische Vielfalt erhalten.

Zudem kann als absolut sicher angenommen werden, dass die Unterlage der Reben einen grossen Einfluss aus das Gedeihen der Pfanze und damit die Qualität hat. Der Beweis für diese These ist, dass die Wahl der richtigen amerikanischen Unterlage noch heute eine Herausforderung ist, und dass es sogar Fälle gab, in denen eine bestimmte Rebsorte auf einer bekannten Unterlage auf besonderen Böden schlicht nicht gedieh. So gesehen erscheint es logisch, dass auch die „Original-Unterlage“ einen Einfluss auf die Qualität haben muss. Und zumindest abwegig ist es nicht anzunehmen, dass dieser positiv sein könnte.

Blick über die Reblandschaft der Langhe bei Alba (Symbolbild)

Sehr hohes Niveau der „Wurzelechten“
Ausnahmslos alle der zwölf degustierten wurzelechten Weine überzeugten, und auf den einen oder anderen werde ich später noch zurückkommen, zum Beispiel den grandiosen Heida Veritas 2019 der St. Jodern-Kellerei aus dem Wallis. Am allermeisten beeindruckt hat mich aber ein Barbera von Reben, die im Piemont noch vor dem Eintreffen der Reblaus gepflanzt wurden. Es mag sein, dass allein das Wissen um das Alter der Reben eine gewisse wohlwollende Ehrfurcht erzeugte. Allerdings habe ich nach der Degustation eine Flasche nachbestellt und zuhause nochmals genossen, und der Eindruck war wiederum gleich hervorragend. Die Trauben dazu werden aus einer nur 25 Aren kleinen Anlage bei La Morra gewonnen, welche einen sandigen, kalkigen und eisenhaltigen Untergrund aufweisen, was die Reblaus offensichtlich abhält.

Pre-Phylloxera, Barbera d’Alba 2018, Azienda Agricola Cogno
Dunkles, fast undurchdringliches Purpur; in der Nase sehr vielschichtig, würzig (Thymian, Lorbeer), blumig (Glyzine) und fruchtig (Brombeeren, Dörrpflaumen, dunkle Kirschen); im Mund kräftig und druckvoll, gleichzeitig aber enorm elegant und sehr frisch, für einen Barbera viel Tannin, aber von grosser Feinheit; spürbare, aber doch zurückhaltende Säure, trotz hohem Alkoholgehalt (14,5 % vol.) kein bisschen breit oder brandig, der Wein rinnt tänzerisch durch den Gaumen, sehr langer Abgang. Toller, berührender Wein. Macht jetzt schon Spass, hat aber noch viel Reserve! 18 Punkte.

Anzumerken ist noch, dass ich diesen Wein blind kaum als Barbera erkannt hätte. Wenn man mir ihn blind z.B. als Bordeaux vorgesetzt hätte, wäre ich jedenfalls kaum ins Grübeln gekommen. Es mag sein, dass dies am Methusalem-Alter der Rebstöcke liegt oder eben an den wurzelechten Unterlagen. Tatsache ist zudem, dass die Barbera-Reben auf dieser Parzelle genetisch mit den heutigen Stöcken nicht ganz identisch sind.

Barbera d’Alba DOC „Pre-Phylloxera“ – Elvio Cogno

Erhältlich u.a. in Deutschland bei http://www.winecom.de und in der Schweiz bei http://www.divo.ch

Und hier noch der Link auf die hochspannende Broschüre von Divo zu wurzelechten Reben:
Wurzelecht | DIVO

Und wer sich noch mehr für die Arbeiten des José Vouillamoz interessiert, hier zwei Links:
JoseVouillamoz.com – World’s leading authories on origin of grape varieties
Schweizer Rebsorten | Haupt – Online Buchshop


Interessennachweis:
Die Teilnahme an der Degustation sowie auch die nachfolgende Bestellung einer Einzelflasche zur Nachdegustation wurden vom Autor zu normalen Konditionen bezahlt.

Grenache aus 1200 m Höhe. Faszinierend!

Schnell: Wo liegt der höchste Rebberg Europas? Nein, auch wenn es aus Schweizer Sicht schön wäre, eben nicht im Wallis. Da wachsen die Reben auf stolzen 1’150 m, doch in Sizilien, an den Hängen des Ätna, wird diese Höhe noch getoppt, zum Beispiel von alten Grenache-Reben, die auf 1’200 m gedeihen. Und der Wein daraus ist vorzüglich und einzigartig!

Genau genommen halten aber auch diese Reben nicht den Europarekord. In den spanischen Pyrenäen und im Südtirol soll es Reben geben, die auf über 1’300 m gedeihen. Aber eigentlich geht es ja nicht um Rekorde, sondern um Qualität. Und die ist beim heute beschriebenen Wein vom Ätna aussergewöhnlich.

Hong Kong – Los Angeles – Randazzo am Ätna

Sehr speziell ist auch die Geschichte, die hinter diesem Wein steckt. Zwar ist ein grosser Teil der Reben schon jahrzehntealt – 60-100 Jahre. Grenache (bzw. Cannonau) ist am Ätna ohnehin keine seltene Sorte. Aber so richtig spannend wird es ab dem Jahr 2015, als Stef Yim das Gut mit den verstreuten Rebparzellen übernahm. Stef ist Amerikaner mit einer japanischen Mutter und wuchs in Hong Kong auf. In Kalifornien startete er seine Berufskarriere als Sommelier, bevor er eine Pause brauchte und nach Europa zog. Er arbeitete u.a. in Südfrankreich. Die Weine vom Ätna und generell aus vulkanischem Boden hatten ihn aber schon länger in vielen Degustationen begeistert, und so verliebte er sich auch in die Gegend und die vinologischen Möglichkeiten und blieb quasi am Ätna hängen. Er arbeitet biologisch und die Weine werden auf den Wildhefen vergoren und möglichst zurückhaltend geschwefelt.

Der Ätna aus der Perspektive der Weinberge. Tanz mit dem Feuer? (Bild ab Homepage von Sciara)

Bei Sciara werden die meisten Weine nach der Höhenlage bezeichnet, in der sie wachsen. So gibt es einen „760“ (Jahrgang 2020: sehr feine helle Frucht, feine Tannine und toller Säure, sehr elegant, 16,5 Punkte) und einen „980“ (Jahr 2020: dunklere Beeren, würzig, viel Tannin und sehr druckvoll mit viel Eleganz, 17 Punkte). Die beiden Weine werden grossmehrheitlich bzw. ganz aus der Sorte Nerello Mascalese hergestellt und bestechen durch eine eigenständige und sehr elegante Art. Zusätzlich produziert das Gut auch einen Wein aus wurzelechten Reben sowie einen Weisswein.

Tages- und Nachtunterschied: 35 Grad!

Der speziellste Wein (wobei ich die beiden letzten nicht probiert habe) ist aber der „1200 metri“. Das ist aufgrund der Aromen unverkennbar Grenache – aber im Mund würde man niemals auf diese Sorte tippen. Er wirkt wie ein „cool climate-Wein“ und überzeugt durch eine umwerfende Fruchtigkeit und Frische. Cool climate ist freilich hier nicht richtig. Zwar wird es auf dieser Höhe kühl bzw. im Winter kalt – aber in Sizilien wird es eben auch heiss. Es gibt zuweilen Tage in der Vegetation, in denen das Thermometer um 35 Grad schwankt!

1200 metri, 2020, IGT Etna Rosso, Sciara, 100 % Grenache spagnolo (Cannonau)
(kein DOC-Wein, da diese nur bis in eine Höhe von 800 m gilt)
Mittleres Rot; dezent würzig (u.a. Lorbeer und Wacholder), helle und dunkle Frucht, etwas Rhabarber; im Mund ganz anders, als man einen Grenache erwarten würde: eher schlank und sehr elegant, enorm fruchtbetont, extreme Frische, prägnante, aber gut eingebundene Säure, recht viel Tannin. Völlig untypischer, „cooler“, aber interessanter Grenache. Speziell, aber grossartig. 17,5 Punkte.

PS. Für alle mitlesenden Schweizer Weinhändlerinnen und Weinhändler: Sciara hat noch keine Vertretung. Das wäre doch eine Chance auf eine echte Rarität (vom „1200“ gibt es z.B. nur rund 1000 Flaschen)

Und noch ein PS für alle: Man kann auf dem Gut auch übernachten.

Home | mysite (sciaraetna.com)

Und hier ein spannender und ausführlicher Hintergrundartikel:
Stef Yim of Sciara: A Mount Etna Natural Wine Journey from Hong Kong via California (grapecollective.com)


Interessennachweis:
Der Wein wurde auf Einladung von Vinum im Rahmen von „Vini d’Italia von Gambero Rosso“ in Zürich zuerst an der Masterclass-Degustation und danach nochmals am Degustationstisch des Gutes in der „Walk around“-Degustation verkostet.


Lucente – Licht und Wärme aus der Toskana für dunkle Wintertage.

Die Tenuta Luce delle vite in Montalcino produziert hervorragende, aber auch teure Weine wie den Luce oder den Luce Brunello. Indessen bietet das der Familie Frescobaldi gehörende Gut auch eine Klasse tiefer mit dem „Lucente“ einen tollen Wert – so richtig, um in diesen kalten Tagen den warmen Süden Einzug halten zu lassen.

Frecobaldi – zusammen mit Antinori ist das der ganz grosse Familienname im Weinbereich Italiens. Das Familienunternehmen hat eine schon fast unwirklich lange Geschichte, denn die ersten dokumentarisch gesicherten Hinweise auf Weinbau datieren von 1308. Reich wurden die Frescobaldis allerdings ursprünglich mit Finanzgeschäften und dem Textilhandel.

Weine für Katharina von Medici und für Michelangelo

Die Frescobaldis, bzw. korrekt de‘ Frescobaldis, belieferten in der Folge den fanzösischen (unter Katharina von Medici) und den englischen Königshof mit Weinen und unterhielten Geschäftsbeziehungen mit den Fugger’s aus Augsburg. Sogar Michelangelo soll mit den Frescobaldis Kunstwerke gegen Wein getauscht haben (Quelle: Wikipedia).

Die Familie behauptet sich nun aber seit Jahrhunderten im Weinbau, und zwar auf enorm hohem Qualitäts- und auch Innovationsniveau. Schon im vorletzten Jahrhundert wurden beispielsweise in Pomino (etwa 40 Km östlich von Florenz in einem Seitental des Arno) auch Chardonnay- und Pinot blanc-Pflanzen angebaut. Es verwundert deshalb nicht und hat eben schon eine lange Tradition, wenn heute der „Benefizio Riserva“ mit Reben aus dem Jahr 1973 einen Massstab für Chardonnay-Weine aus Italien darstellt. Im gleichen Gebiet des Chianti-Rufina werden auf dem Castello di Nipozzano seit über 150 Jahren auch Cabernet Sauvignon und Petit Verdot angepflanzt. Daraus entsteht seit 1983 mit dem Mormoreto ein hervorragender Wein, der als eine Art „Super-Toscan“ auf eine längere Geschichte zurückblicken kann als die meisten anderen. Dass dem Mormoreto seit einigen Jahren auch etwas Sangiovese beigemischt wird, unterstreicht nur, dass die Frescobaldis nicht einfach nur Neuerungen suchten, sondern auch den traditionellen Sorten treu geblieben sind.

Tradition erhält man am besten mit Innovation – das gilt auch beim Wein

Von wegen Sangiovese: Das traditonelle Gegenstück zum Mormoreto ist der Montesodi vom Castello di Nipozzano, ein grandioser Sangiovese. Und der klassische Castello di Nipozzano ist für mich, vor allem auch im Preis-/Leistungsvergleich, einer der am meisten verkannten Chiantis – vielleicht deshalb und zu Unrecht, weil er ein Chianti Rufina und nicht Classico ist.

Sangiovese – das steht auch für Montalcino, selbst wenn die Traube bzw. der meistens eingesetzte Klon hier Brunello heisst. Und auch hier stellt die Familie Frescobaldi auf der Tenuta CastelGiocondo, etwas westlich des Städtchens gelegen, einen grossartigen Brunello di Montalcino her. Dieser Wein war übrigens der erste Brunello, den ich in meinem Leben probieren konnte, und die Erinnerung an dieses Erlebnis ist heute noch sehr lebendig.

Blick über Montalcino in die südtoskanische Landschaft. Die Tenuta Luce delle vite befindet sich einige Kilometer westlich von hier.

Luce und Lucente – und die Geburtshilfe von Robert Mondavi

Der heute vorgestellte Wein stammt auch aus dieser Gegend, ist aber kein Brunello und enthält nebst Sangiovese auch Merlot. Anfangs der 1990er Jahre wurde die Tenuta Luce als joint venture der Familien Frescobaldi und Mondavi gegründet – aber 2005 von Lamberto Frescobaldi ganz übernommen. Das Weingut befindet sich in der Nähe von CastelGiocondo und besitzt auch einen Teil Land in den Gemarkungen von Montalcino (und deshalb gibt es nebst dem „Luce“ auch einen „Luce Brunello“). Der „Luce“ ist der erste Wein, der in Montalcino aus einer Assemblage von Sangiovese und Merlot hergestellt wurde. Er ist grossartig (auch wenn einzelne Kritiker das früher zuweilen anders sahen), hat aber auch seinen (dreistelligen) Preis.

Der „Lucente“ ist so etwas wie sein kleiner Bruder und wird in beachtlicher Menge hergestellt (6-stellige Flaschenzahl). Ihn als Zweitwein abzutun, würde ihm aber nicht gerecht. Der Lucente ist ein wirklich toller Wein, der nicht nur, aber gerade in dunklen und kalten Winterzeiten mit seiner eleganten und gleichzeitig kraftvollen Fülle so richtig Licht ins Dunkel bringt. Und mit rund 30 Franken ist er auch noch bezahlbar.

Von wegen Licht: damit sind wir bei der Etikette. Als dem Zeitgeist entspechend kann man diese ja nicht gerade bezeichnen. Das ist auch nicht verwunderlich, wurde doch das Symbol der Sonne ähnlich gestaltet, wie jenes, das sich am Hochaltar der Kirche Santo Spirito in Florenz befindet – einer Kirche übrigens, die einst auf einem Landbesitz der Familie Frescobaldi erreichtet wurde. So steht die Etikette also auch als Symbol für das – bei aller Innovationskraft – weiterhin bestehende Traditionsverständnis der Frescobaldis. Und wer weiss, vielleicht schlägt das Pendel zurück und eines Tages entspricht sogar die Etikette wieder dem Zeitgeist. Der Wein tut es jedenfalls schon heute.

Lucente 2020, Tenuta Luce delle vite, Toskana IGT
Dunkles, dichtes Purpur; feiner Duft nach Dörrpflaumen, Cassis, Brombeeren, Bergheu, leichter Vanille-Touch; im Mund sehr dicht und mundfüllend, rund und ausgewogen, viel feines Tannin, schön angepasste Säure und tolle Frische; ein Powerwein, der aber auch eine sehr sanfte, elegante Seite hat. Alles andere aus „nur“ ein Zweitwein. 17 Punkte.

Tenuta Luce – Toskanische Weine von Montalcino
Man kann hier übrigens auch übernachten.

Und mehr über Frescobaldi und die weiteren Güter der Familie hier:
Innovatives Traditionsweingut Toskana | Frescobaldi


Interessennachweis: Der Lucente 2020 wurde mir von der Tenuta Luce delle vite zu Degustationszwecken frei von jeder Verpflichtung gratis zur Verfügung gestellt.

Weinsorte der Zukunft – mit wunderbaren Weinen in der Gegenwart!

Nizza. Bei diesem Stichwort muss jemand ein ziemlicher Weinfreak sein, um nicht zuerst an Meer und Sonne zu denken. Dem Weinfreund kann man aber nur den Blick auf das andere Nizza – Nizza Moferrato im Piemont – empfehlen. Hier werden herausragende Weine aus der Barbera erzeugt, einer Rebsorte, der eine grosse Zukunft prognostiziert werden kann. Eine kürzlich durchgeführte Degustation des Weinmagazins Vinum gab einen Einblick in grossartige Weine.

Barbera? Das war in meiner Jugend jener eigentlich ungeniessbare Tropfen, der in Pizzerias als Hauswein angeboten wurde und dem ich heute mit Sicherheit ein Glas Wasser vorziehen würde. Diese „Weine“ haben das Image der Traubensorte Barbera hierzulande ziemlich nachhaltig beschädigt. Es brauchte Leute wie Giacomo Bologna, der an die Sorte glaubte und mit dem Bricco dell’Uccellone auch einen wirklich herausragenden Wein produzierte, der zum Umdenken anregte – 2022 feiert dieser Wein gerade sein 40-Jahr-Jubiläum.

Bilderbuchlandschaft in der DOCG Nizza bei Nizza Monferrato (Bild am Homepage der Associazione)

Nochmals 20 Jahre später gründete eine Reihe von Barbera-Produzenten im Bereich von Nizza Monferrato die „Associazione Produttori del Nizza“ mit dem Ziel, das Anbaugebiet um die Stadt unter den Barbera-Produzenten als besonders herauszustreichen. Tatsächlich kann man angesichts der heutigen qualitativen Dichte von einer Art „Grand Cru“ der Barberas sprechen. Das wird auch belegt durch den Umstand, dass das früher zu Barbera d’Asti gehörende Gebiet im Jahr 2014 den Status einer DOCG erhielt. Nizza DOCG bedeutet, ohne dass es ersichtlich wäre, dass der Wein zu 100 % aus Barbera gekeltert sein muss – dies im Unterschied zu anderen Barbera-Appellationen, wo 10 – 15 % andere Sorten zugelassen sind.

Barbera: Hitzebeständig und säurebetont

Zwar ist die Barbera – deren Heimat übrigens im Monferrato vermutet wird – eine der weltweit am meisten angebauten Sorten, aber eben, ihr Image ist immer noch schlecht, siehe Einleitung. Dabei hat sie nicht nur ein an guten Lagen hervorragendes Qualitätspotential, sondern auch Eigenschaften, die sie wie geschaffen für den Anbau in Zeiten der Klimaerwärmung macht. Freilich schrieb Jancis Robinson schon 1986 in ihrem Buch „Reben – Trauben – Weine“: „… die Barbera über ein hochgezüchtetes Potential besitzt, allerdings nur in Gegenden, die kühler sind als die, wo sie so enthusiastisch gepfegt wird. Nordwestitalien sagt ihr am besten zu“. Mit der enthusiastischen Pflege waren vor allem heisse Gegenden im Süden gemeint.

Umgekehrt schrieb die Autorin schon damals, dass die Barbera als Sorte gilt, die auch in heissen Gegenden zuverlässig Weine mit erfreulich hohem Säuregehalt hervorbringt. Und genau diese Eigenschaft, gepaart mit mässigem Tanningehalt, macht sie heute so spannend. Was will man mehr: Eine Sorte, die bei guter Pflege und guten Böden qualitativ hervorragend ist, gleichzeitig aber auch hitzebeständig, die über eine hohe Säure verfügt, aber auch über Dichte und Struktur, so dass selbst ein guter gemachter Wein mit 14,5 Vol-% Alkohol absolut nicht plump oder alkoholisch wirkt. Da die Winzer gleichzeitig besser gelernt haben, mit heissen Sommern umzugehen – z.B. durch einen Verzicht auf das Auslauben der Traubenzone – kann auch in Hitzejahren die Qualität herausragend ausfallen.

Barolowinzer kaufen sich in Nizza ein

In den 20 Jahren seit der Gründung der Associazione Produttori del Nizza hat sich das Gebiet unglaublich entwickelt. Die Produzenten konnten zeigen, welch Potential die Barbera hier hat, und ein Teil der Weinwelt hat das auch schon gemerkt, was zu einem – aus Produzentensicht – erfreulichen Preisniveau geführt hat. Zumindest der produzierende Teil der Weinwelt wurde auf die Appellation ohnehin aufmerksam, und deshalb kauften auch immer mehr renommierte Güter wie Prunotto (= Antinori) oder Stefano Gagliardo auch Reben in der DOCG Nizza.

Die Karte für eine grosse Zukunft: Das Verständnis für die Terroirs soll zu noch besseren Weinen führen. Und vielleicht zu echten Crus.

Wie die nachfolgenden Degustationsnotizen zeigen, weisen die Weine aus Nizza schon heute eine tolle Qualität auf. Es könnte aber mit den Jahren an der Spitze sogar noch besser werden. Denn die einzelnen Lagen im Gebiet sind noch nicht gut erforscht. Stefano Chiarlo, Präsident der Associazione Produttori del Nizza, sagt denn auch, es sei noch zu früh, Lagen zu klassieren, es fehle an Erfahrung. Klar sei aber, dass es grosse Unterschiede gebe, und dass es wahrscheinlich sei, dass auch im Gebiet Nizza eines Tages „Crus“ entstehen. Ein erster Schritt dazu wurde im kürzlich mit einer Karte über das DOCG-Gebiet gelegt. Fachmann Alessandro Masnaghetti, der bereits Barolo und Barbaresco kartographiert hat, schuf eine Grundlage, die von grossem Wert sein dürfte. Dass es grosse Unterschiede gibt, die sich auch im Wein bemerkbar machen müssen, lässt sich allein aus der Tatsache ableiten, dass es im Gebiet unterschiedliche Böden mit Sand, Lehm und Schiefer gibt – von der Ausrichtung, dem Mikrokilma und der Meereshöhe einmal ganz abgesehen.

Sympathische Protagonisten der Degustation: Stefano Chiarlo, Präsident der Associazione Produttori de Nizza (und Inhaber des Gutes Michele Chiarlo, welches meinen Siegerwein stellte) und Christian Eder, Italien-Redaktor von Vinum.

Vinum lud zusammen mit der Associazione Produttori del Nizza in Zürich zu einer Deugstation mit 12 Weinen ein, davon 5 Riservas. Es war eine tolle Auswahl, verteilt auf die Jahrgänge 2020 – 2014. Vinums Italien-Redaktor Christian Eder führte stilsicher durch den Anlass und Stefano Chiarlo, Präsident der Associazione Produttori del Nizza gab spannende, ergänzende Hinweise aus erster Hand.

Hier meine Notizen:

Nizza DOCG Riserva la Court 2019, Michele Chiarlo
Mittleres Rot; feiner Duft nach sowohl hellen als auch dunklen Früchten, schwarze Kirschen und einem ganzen Strauss von Gewürzen; im Mund dicht, aber auch sehr elegant, hohe, aber wunderschöne Säure, für einen Barbera mit viel Tannin versehen, das sehr fein ausfällt. Langer Abgang. Inspirierender, grossartiger Wein. 18 Punkte

Nizza DOCG Riserva 2018, Tenuta Olim Bauda
Eher dunkles Rot mit leichten Reifetönen; sehr feine, vielschichtige Nase mit eher hellen Fruchttönen und würzigen Anflügen; im Mund hohe, aber sehr schöne, „saftige“ Säure, dichte Struktur. Im langen Abgang wieder fruchtbetont. Charaktervoller, im Stil „altmodischer“, aber wunderbarer Wein. 17,5 Punkte

Nizza DOCG Riserva Epico 2019, Pico Maccario
Mittleres Rot; feiner Duft nach Rosinen, würzig, Holznote; im Mund ebenfalls spürbar neues Holz, daneben sehr fruchtig, tolle, gut eingebundene Säure, feine Tanninstruktur, elegant, langer Abgang. Aufgrund des Einsatzes von neuem Holz etwas untypisch, aber ein sehr schöner, eleganter Wein. 17 Punkte.

Nizza DOCG Riserva Bricco Bonfante 2016, Marco Bonfante
Mittleres Rot; verhaltene, aber elegante Nase mit getrockneten, dunklen Früchten und dunklen Kirschen, balsamisch; im Mund erstaunlich fruchtig, dezenter Holztouch, saftige, schöne und straffe Säure, leicht trocknende Tannine, langer Abgang. Fruchtbetoner, schöner, vielleicht etwas gar „geschliffener“ Wein. Ist trotz seines Alters noch absolut frisch und deutet an, wie gut Barbera altern kann. 16,5 Punkte.

Erst beim Aufarbeiten der Notizen wird mir hier bewusst, dass ich vier der fünf Riservas an die Spitze gesetzt habe! Spannend – und offenbar ist da schon was dran an der noch eine Spur höheren Qualität!

Nizza DOCG Tre Secoli 2017, Tre Secoli
Mittleres Purpur; vor allem helle Frucht, daneben auch Anflüge von Dürrpflaumen und Gewürz; im Mund tolle Frische, schöne Säure, etwas trocknende Tannine, rund und ausgewogen, mittlerer Abgang. Schöner Wein, der alle Vorurteile gegen Genossenschaften widerlegt. 16,5 Punkte.

Nizza DOCG Viti Vecchie 2019, Gianni Dolgia
Mittleres Rot; etwas verhalten mit heller Frucht und roten Kirschen; eleganter, aber auch kraftvoller Wein, prägnante, saftige Säure, spürbares, aber sehr feines Tannin, mittlerer, sehr fruchtiger Abgang. Schöner, eleganter Wein. 16,5 Punkte.

Nizza DOCG RU 2014, Erede di Chiappone Armando
Mittleres Rot mit leichten braunen Reifetönen; getrocknete Aprikosen und Pflaumen, dazu auch helle Fruchttöne; im Mund sehr ausgewogen, sehr schön gereift und immer noch frisch, schöne, gut eingebundene Säure, leichter, aber schöner Bittertouch, langer Abgang. Macht jetzt richtig Spass, schöner Wein aus einem nicht ganz einfachen Jahr. Und ein Beweis für das grosse Reifepotential der Nizza-Weine! 16,5 Punkte

Nizza DOCG Riserva Neuvsent Gianola 2015, Cascina Garitina
Vorab: Das ist ein etwas polarisierender Wein, dem ich, trotz immer noch sehr guter Note, vielleicht etwas unrecht tue. Der Wein ist mit einem Drehverschluss versehen, und vielleicht hätte er einfach noch viel mehr Luft benötigt. Freilich kann es auch am Ausbau liegen, der Wein ruhte 3 Jahre im Holz.
Dunkles Rot, sehr starke reduktive Töne; dunkle, reife und getrocknete Früchte, erinnert ein wenig an einen gelungenen Zinfandel; im Mund gute Säure, fruchtig, aber fast etwas „überreif“, gewinnt aber mit der Zeit sowohl an Aromen als auch an Audruckskraft im Mund, langer Abgang. Spezieller, spannender Wein, der es lohnte, ihn weiter zu verfolgen. 16,5 Punkte.

Weitere degustierte und für gut befundene Weine:
Nizza DOCG Favã, 2020 Tenuta Garetto. Etwas rustikaler Wein, der dennoch eine gewisse Eleganz aufweist. 16 Punkte
Nizza DOCG Cala delle Mandrie 2018, La Giribaldina. Gut gemacht, getrockente Früchte vorherrschend, trocknende Tannine, mir fehlt ein wenig die Ausdruckskraft, 16 Punkte
Nizza DOCG Cremosina 2019, Bersano. Schöner, süffiger Wein, dem etwas die Ecken geschliffen wurden, 15,5 Punkte
Nizza DOCG Bric del Marchese 2018, Coppo. Ein wenig in Richtung „Fruchtbombe“ vinifiziert, aber gut gemacht, Geschmacksache. 15,5 Punkte

Mein persönliches Fazit, ganz im Ernst: Die besten Nizza DOCG können, obwohl die Weine eigentlich nicht vergleichbar sind, in Sachen Qualität mit Spitzenweinen aus Barolo und Barbaresco mithalten. Das Rennen um die „besten“ Weine des Piemont ist eröffnet.

Il Nizza – Associazione dei produttori del Nizza
VINUM – Magazin für Weinkultur | vinum.eu

Michele Chiarlo Winery – Experience the best crus in Piemonte
Barbera d’Asti e i migliori vini del Piemonte – Tenuta Olim Bauda
Pico Maccario |
== MARCO BONFANTE WINERY ==
Home | tresecoli.com
Home Page – Gianni Doglia
Erede di Chiappone Armando – Piemonte on wine
Cascina Garitina


Interessennachweis: Die Degustation in der Giesserei Oerlikon fand auf Einladung von Vinum ohne jegliche Verpflichtung statt.

Refosco von Castello di Buttrio: Toller Botschafter für das Friaul.

Das Friaul ist eine jener Weingegenden, die chronisch unterschätzt werden. Das Gebiet im Nordosten Italiens hat aber ganz viel zu bieten, vor allem auch hervorragende autochthone Sorten.

Mit rund 20’000 Hektar Fläche ist das Friaul zwar ein recht grosses Weinbaugebiet, bekannt sind die Weine hierzulande aber nicht besonders (zum Vergleich: Die Pfalz weist eine um rund 1’000 Hektar höhere Fläche auf, die bestockte Fläche im Wallis ist rund viermal kleiner). Am ehesten noch finden sich Pinot Grigio in den Gestellen hiesiger Weinhändler, oder dann andere internationale Sorten wie Sauvignon Blanc und Merlot, wobei letzterer in dieser Ecke Italiens schon seit rund 170 Jahren kultiviert wird.

Tolle Landschaft gleich hinter dem Castello: friulanische Weingärten mit Blick auf Udine und die Alpen.

So richtig entdeckenswert sind aber die wirklich einheimischen Sorten wie die Ribolla Gialla und Friulano (weiss), die Schiopettino und die Pignolo (rot) oder eben die Refosco (mit vollem Namen „Refosco dal Peduncolo Rosso“). Die meisten dieser Sorten lassen sich im Friaul bis ins 13. bzw. 14. Jahrhundert zurückverfolgen und sind, abgesehen von Pflanzungen im direkt angrenzenden Gebiet von Goriska Brda in Slowenien, autochthon.

Wir genossen kürzlich ein paar Tage Ferien auf dem Castello di Buttrio, welches nicht nur einen Weinbaubetrieb, sondern auch ein Hotel und eine Osteria betreibt (beide sehr empfehlenswert, wenn auch nicht gerade billig). So hatte ich die Möglichkeit, die meisten Weine des Gutes in Ruhe zu probieren, sei es zum Apéro oder zum Nachtessen. Spätestens am zweiten Abend, nach dem Genuss einer Flasche Refosco dal Peduncolo rosso 2018 war auch klar, dass ich über das Gut schreiben würde.

Ein Paradestück des Gutes: Das „Amphitheater“ direkt neben dem Castello.

Mit diesem Wein schloss sich für mich persönlich auch ein wenig ein Kreis. Meinen ersten Schluck Refosco genoss ich vor über 30 Jahren an einer Einkaufsdegustation bei Divo, und der Wein „elektrisierte“ mich: etwas wild, aber ungemein spannend und enorm ausdrucksstark! Und jener Wein stammte aus Buttrio, von Girolamo Dorigo, der damals als Nebenerwerbswinzer Massstäbe setzte (und dessen Gut heute von Sohn Alessio geführt wird).

Zurück zu den Weinen des Castello: Das Sortiment weist ein hohes und gleichmässiges Qualitätsniveau auf. Bei etwas näherer Betrachtung wurde dann auch klar, weshalb. Die Eigentümerin des Castello ist Alessandra Felluga, und sie ist die Tochter von Marco Felluga, einer Legende des Weinbaus im Friaul. Nebst seinen Betrieben Azienda Marco Felluga und Russiz Superiore kaufte er 1994 auch das damals heruntergekommende Castello di Buttrio (das inzwischen sehr stilvoll restauriert wurde). Seit 2007 führt Tochter Alessandra das Gut (während für die beiden anderen Betriebe heute Marco’s Enkelin Ilaria verantwortlich ist, da Sohn Roberto im letzten Jahr viel zu früh verstarb). Der Rebbauzweig des Castello di Buttrio ist heute 26 Hektar gross.

Refosco dal Puduncolo Rosso 2018, Castello di Buttrio (DOC Friuli Colli Orientali)
Dunkles Purpur; dunkle Frucht nach Brombeer und Dörrzwetschgen, Tabak, würzige Anflüge von Korianderfrucht; im Mund mineralisch-frisch, kräftige Tannine und angepasste Säure, Alkohol kaum spürbar. Wirkt im Mund enorm präsent, stürmisch-kraftvoll und trotzdem ausgewogen. Charakterwein der tollen Art. 17 Punkte.

Und hier noch ein paar Hinweise auf weiter schöne Weine des Gutes (aus der Erinnerung und ohne spezielle Degustationsnotiz, ich hatte schliesslich Ferien vor Ort …):

Ribolla Gialla:
Sehr verhalten, aber tolle, dichte Struktur mit stützender Säure und viel Mineralik. Dürfte in 1-2 Jahren noch zulegen. 16,5 Punkte.

Sauvignon blanc:
Enorm fruchtiger Wein, ohne irgendwelche exotischen Exzesse, schöner Trinkfluss; sehr sortentypisch. 16 Punkte

Friulano:
Schöne Frucht, im Mund ausgeprägt mineralisch und fast ein wenig asketisch. Nicht jedermann’s Sache, meine schon. 16,5 Punkte.

Chardonnay:
Aus dem Stahltank, aber lange auf der Feinhefe gelagert. Enorm fruchtbetont (u.a. mit Ananas, aber ohne exotisch zu wirken), sehr dicht, rund, schöne Säure. Toller Chardonnay; Man könnte sich diesen Wein auch gut vorstellen, wenn er in der Barrique gewesen wäre. 16,5 Punkte.

Ebenfalls gut sind der Pinot Grigio und der Merlot, wobei es hier spannendere Weine gibt. Nicht degustiert habe ich die Riservas des Hauses.

Homepage | Castello di Buttrio

Das Castello aus der Ebene. Tolles Anwesen. Leider beginnt gleich links des Fotos die Industriezone, die man optisch besser ausblendet, wenn man hier logiert und geniesst.

Hier noch Links auf frühere Beiträge zum Friaul und zu Slowenien:
Viva l’Italia! Pignolo – aber kein bisschen kleinlich! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
Brda in Slowenien: Sollte man sich merken! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)


Interessennachweis:
Alle Weine wurden zu normalen Konditionen vor Ort bestellt und bezahlt.

Der „Alpen-Nebbiolo“ aus dem Veltlin trumpft ganz gross auf!

Nebbiolo delle Alpi: Diesen Ausdruck verwendet die Branchenorganisation der Veltliner Winzer auf ihren Werbemitteln. Und tatsächlich ist das Veltlin ein imposantes Alpental im Schatten des keine 40 Kilometer entfernten 4’000-er Piz Bernina im Norden und der Bergamasker Alpen im Süden. Und von wegen Schatten: In einer Blinddegustation stellten die besten Veltliner weit bekanntere Nebbiolo-Weine in denselbigen!

Das Veltlin entwickelt sich immer mehr zum Geheimtipp – was eigentlich falsch ist, denn die Weine hätten die grosse Bühne verdient. Dass das Gebiet international noch kaum bekannt ist, hat einerseits mit der vergleichsweise geringen Anbaufläche (knapp unter 1’000 Hektar, schwergewichtig Nebbiolo – hier „Chiavennasca“ genannt). Allerdings entspricht dies fast einem Fünftel der ganzen mit Nebbiolo bepflanzten Fläche in Italien und einem Sechstel weltweit. Oder auch etwa der Hälfte des Barolo-Gebietes. Das Potential für den grossen Auftritt wäre also da.

Das Bernina-Massiv mit dem 4000er Piz Bernina in der Bildmitte. Keine 40 Kilometer dahinter versteckt sich ein echter Geheimtipp für Nebbiolo-Liebhaber, das Alpental Veltlin! Mehr als nur eine (Wieder-)entdeckung wert!

Vielleicht spielt aber auch die Geschichte eine grosse Rolle. Während Jahrhunderten gehörte das Gebiet zu den Drei Bünden (Graubünden), und im Rahmen des Wiener Kongresses wären die Veltliner auch bereit gewesen, zur Schweiz geschlagen zu werden. Religiöser Eifer (die Bündner hatten Angst vor zu grossem Einfluss der Katholiken aus dem Veltlin) und eine undurchdachte Verhandlungsführung (scheint eine Schweizer Spezialität im Umgang mit Europa zu sein ….) führten aber dazu, dass das Veltlin der Lombardei zugeteilt wurde. Trotzdem spielten aber die Schweizer weintechnisch im italienischen Veltlin lange weiterhin eine dominierende Rolle. Grosse Teile der Reben gehörten (und gehören teils noch) Schweizern, und das führte dazu, dass der Umgang mit dem „Vetliner“ gar Eingang in die Handelsabkommen zwischen der Schweiz und Italien fanden und dass schliesslich im Jahr 1969 gar ein bilaterales „Abkommen zwischen der Schweiz und Italien betreffend einige Veltliner Weine“ abgeschlossen wurde, welches es den Schweizern erlaubte, italienischen Wein aus dem Veltlin im Schweizer Puschlav auszubauen und zu lagern.

Noch 1981 wurden 50’000 Hektoliter Veltliner Wein in die Schweiz eingeführt – 2011 waren es nur noch 4’300 hl. Diese Menge entsprach allerdings immer noch rund einem Zehntel der Gesamtproduktion – was, selbst unter der Annahme, dass die produzierten Mengen pro Hektar 1981 viel höher lagen, darauf schliessen lässt, dass noch vor 40 Jahren ein grosser Teil der Veltliner Weine in der Schweiz getrunken wurde. Der Veltiner war damals zumindest im östlichen Teil der Schweiz auch so etwas wie das Nationalgetränk.

Allerdings war früher die Qualität der Weine eher bescheiden, und es ist nicht verwunderlich, dass vielen Schweizern der Veltliner eigentlich nur in den Ferien im Bündnerland so richtig schmeckte. Bestellt wurde dort dafür um so öfter einen „Pfiff“, ein dünner Veltliner, serviert in einer Art Zahnglas („Pfiff“ abgeleitet von einem alten Mengenmass).

Der Veltliner leidet in der Schweiz auch heute noch unter diesem „Pfiff-Image“, obwohl führende Schweizer „Veltliner-Betriebe“ wie Triacca oder Plozza schon lange auf Qualität setzen. Fand man früher in einem Supermarkt etwa 10 verschiedene Veltliner, so muss man heute suchen, um überhaupt noch einen Vertreter aus diesem Alpental zu finden.

Dafür haben die italienischen Produzenten um so mehr zugelegt. Schon zu Zeiten des grossen „Veltinerbooms“ in der Schweiz gab es auch ernst zu nehmende Betriebe im Tal selbst, etwas das Traditionshaus Nino Negri. Und es gab damals auch Winzer wie Sandro Fay (dem Sieger dieser Degustation, siehe unten), die ganz neu mit der Weinherstellung begannen und schnell eine gewisse Beachtung fanden. Heute sind von 37 Weinproduzenten die meisten im „Consorzio di Tutela Vini Valtellina“ organisiert.

Ich habe in meinem Blog schon zweimal „Schweizer“ Weine aus dem Veltlin vorgestellt und gerühmt. Vgl. hier:
Veltliner – Italianità made in Switzerland, Wiederentdeckung empfohlen! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
Keller, Zündel und Triacca: Schöpfer dreier herrlicher Weinbotschafter aus dem Veltlin. – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Das Hauptgewicht auf einer kürzlich zusammen mit einem Weinfreund durchgeführten Blinddegustation mit Weinen aus den Jahren 2016 oder 2017 lag deshalb diesmal auf den Gewächsen italienischer Produzenten, wobei der von mir im vorstehenden Beitrag so gelobte „Sertola“ von Triacca quasi als Eichung diente. Zudem wurden drei „Piraten“ eingeschmuggelt, je ein guter Barolo, Barbaresco und Gattinara.

Die besten Vetliner sind absolute Spitzenklasse!

Das Resultat der Blinddegustation: Die Veltiner Weine sind umwerfend gut! An der Spitze der Rangliste stehen gleich drei Veltiner, bevor die drei Piraten folgen. Dass am Ende der Skala die drei anderen Vertreter aus dem Veltin stehen, kann den Erfolg der Alpen-Nebbioli nicht schmälern, handelt es sich doch auch bei diesen um gute Vertreter der Region, von denen einer auf die gleiche Punktzahl wie die Piraten kommt und selbst die beiden letzplatzierten sehr gute Ansätze zeigen, aber in der Vinifikation bzw. im Weinstil noch etwas zulegen können.

Wohl habe ich bei der eher zufälligen Auswahl der Weine aus anderen Nebbiolo-Regionen nicht gerade die Spitzencrus ausgesucht (was wohl sogar ein Fehler war, eine Wiederholung ist fast programmiert), aber mit dem Barolo von Pio Cesare stand auch kein Nowbody in der Degustation, im Gegenteil: Der degustierte Jahrgang 2016 hat bei Falstaff 95 Punkte erhalten! Das mag etwas gar hoch sein, aber es ist ein sehr guter Wein, und als Hinweis auf die grandiose Qualität der Veltliner ist es im Vergleich allemal bemerkenswert! Dass der Barolo dann auch noch über CHF 20.00 teurer ist als die Veltliner, ist nochmals eine andere Geschichte. Und auch der Barbaresco wurde sehr gut bewertet, Vinum gab dem Rabajà von Luisin 17 Punkte und schrieb von einem gelungenen Wein, was durchaus zutrifft.

Sandro Fay und Triacca – zweimal grandios

Mein persönlicher, wenn auch knapper Sieger ist der „Carteria“ von Sandro Fay. Der Wein hat alles, was ein hervorragender Nebbiolo haben muss, und als Extra noch eine Frische und Finesse, die überzeugt. Ganz knapp dahinter, mit der gleichen Punktzahl, folgt der „Schweizer“ Vertreter, der Sertola von Triacca (mehr dazu via Link „Keller, Zündel, Triacca“ oben), ein tiefgründiger und gleichzeitig eleganter, biodynamischer Wein, den mein Weinfreund übrigens an erster Stelle einstufte. Mein persönliches Erfolgserlebnis war, dass ich den diesmal blind degustierten Sertola 2016 mit der genau gleichen Punktezahl auszeichnete wie seinerzeit den Vorgängerjahrgang.

Und hier die Rangliste der Degustation (bei gleicher Punktzahl entspricht die Reihenfolge meinen Präferenzen, auch wenn es Nuancen sind):

Die Weine der Blinddegustation, der dritte und der erste von Links als Sieger, die – auch guten – Piraten rechts.

Sandro Fay, Carteria, Valtellina Superiore Valgella, Riserva 2017
Relativ dunkles Rot; zuerst sehr verhalten in der Nase, dann rote Früchte, Veilchen, Aprikose und weisser Pfirsich; im Mund sehr ausgewogen, spürbare Säure gepaart mit enorm feinen Tanninen, im Mund sehr fruchtbetont mit schöner Extrakt“süsse“, ausgesprochen frisch und elegant. Langer Abgang. Hervorragender, feiner Wein, 17,5 Punkte

Triacca, Sertola, Valtellina Superiore, 2016
Mittleres, noch jugendliches Rubin; verhaltene rote Frucht, etwas neues Holz (aber nicht negativ), Nelken und Anflug von Rosinen; im Mund voller sehr feiner Tannine, gute Säure, spürbares, etwas „süssliches“, aber sehr gut eingebundenes Holz, „feurig“ wie ein Burgunder, sehr eleganter Wein mit langem Abgang. Toll! 17.5 Punkte.

Nino Negri, Mazèr, Valtellina Superiore, 2017
Mittleres, gereiftes Rubin; sehr fruchtbetont (helle, rote Beeren sowie Rosinen), würzig (Anflüge von Thymian); äusserst feine Tannine, angepasste Säure, im Mund fruchtbetont mit etwas Fruchtsüsse, druckvoll, mittlerer Abgang. Stimmiger, schöner Wein, der allerdings jetzt schon seine schönste Trinkreife erreicht haben dürfte. 17 Punkte.

Barolo, Pio Cesare, 2016
Mittleres Rubin mit ersten Brauntönen; verhalten, feiner Sandelholzduft, etwas helle Frucht; sehr viele, etwas trocknende Tannine, mittlere Säure, leichter Bittertouch, viel Extraktsüsse, etwas Holz, etwas stark spürbarer Alkohol. Gesamthaft aber schöner Wein, elegant und ausgewogen, mittlerer Abgang. 16,5 Punkte.

Gattinara, Antoniolo, Riserva 2017
Mittleres, eher „dünnes“ Rubin; sehr fruchtbetont (Weichselkirschen, Johannisbeeren); erinnert in der Nase an einen schönen Chianti; fruchtetont auch im Mund, schöne Dichte, viel Tannin bei guter Säure, etwas Holz spürbar, langer Abgang. Schöner, fruchtiger, vielleicht etwas „altmodischer“ Wein. 16,5 Punkte.

Barbaresco Rabajà, Cascina Luisin, 2016
Mittleres Rot; sehr verhalten, etwas helle, „säuerliche“ und rote Frucht; im Mund mit eher tiefer Säure, etwas trocknende Tannine, daneben enorm fruchtig und „fruchtsüss“, langer Abgang. Eher etwas rustikaler, aber schöner Wein, der auf seinem Zenith stehen dürfte. 16,5 Punkte.

Tenuta Scerse, Essenza, Valtellina Superiore, 2017
Helles, leicht gereiftes Rot; leichter Hefe-/Brotrindenton, zuerst fast keine Frucht, später kommen Anflüge von Dörrzwetschge; im Mund elegant, Säure und Tannin in schöner Balance, Tannine allerdings etwas trocknend, eher kurzer Abgang. Sehr erfreulicher Wein, der aber nicht mehr zulegt und besser jetzt getrunken wird. 16,5 Punkte.
(Dem „nicht mehr Zulegen“ widerspricht allerdings mein Weinfreund, der diese Flasche nach Hause nahm und in den Tagen danach wieder probierte – der Wein habe sich noch geöffnet und verfüge über Reserven).

Luca Faccinelli, Tell, Valtellina Superiore Grumello, 2017
Mittleres jugendliches Rubin; zuerst etwas „muffig“ und „schweflig“, was aber mit Luftkontakt verschwindet (dekantieren!), dann etwas altes Holz und Frucht (Johannis- und Brombeere) sowie blumige Anflüge (Glyzinie); im Mund mit extrem viel Tannin und prägnanter, fast etwas zu dominanter Säure, eher elegant-filigran, mittlere Abgang. In der Nase zuerst etwas irritierend, aber nach Belüftung und im Mund sehr angenehm, Wein mit sehr guten Ansätzen. 16 Punkte.

Mamete Prevostini, Valtellina Superiore, Riserva 2017
Mittlereres, im Vergleich aber eher dunkles Rot; säuerlich-fruchtig, Eisbonbons, viel neues Holz; auch im Mund sehr holzbetont bzw. -dominiert, vom Holz auch leicht „süsslich“ wirkend, mässige Säure, viel Tannin, schlank mit kurzem Abgang. Eigentlich ein spannender Wein mit guten Ansätzen, der aber vom Holz erschlagen wird. Ev. zu verfolgen, ob sich das mit der Zeit noch gibt, ich glaube zwar eher nicht. Zudem wird es Konsumenten geben, welche diese Art von Wein lieben. 15,5 Punkte.

Fazit: Leute, immer nur den grossen Namen nachjagen und erst noch viel Geld ausgeben? Oder doch lieber auch mal etwas Neues entdecken, das erst noch herausragend sein kann? Ein Blick ins Veltlin lohnt sich!

Und aus Schweizer Sicht: Hätten unsere Vorfahren doch bloss in Wien besser verhandelt!

Valtellina il Nebbiolo delle Alpi | Consorzio di Tutela dei Vini di Valtellina

Società Agricola Fay – vini Valtellina (vinifay.it)
Casa Vinicola Fratelli Triacca – Weine der Zukunft
Cantina Nino Negri – Passione nel cuore della valtellina
Tenuta Scerscé – Vini di Valtellina (tenutascersce.it)
Luca Faccinelli | Valtellina Wines
Mamete Prevostini | Weine des Veltlins


Interessennachweis: Alle Weine wurden ohne das Wissen der Produzenten im Handel zu Listenpreisen eingekauft. Die Degustation erfolgte blind.

Franciacorta: Die heimliche Schweizer Liebe denkt an die Umwelt und das Klima.

Raten Sie mal: In welches Land werden am meisten Weine aus der Franciacorta exportiert? USA? Japan? Deutschland? Belgien? Grossbritannien? Alles falsch! Die Reihenfolge stimmt zwar, aber deutlich davor steht die Schweiz mit einem Anteil von fast jeder vierten Flasche! Vielleicht kann man da sagen: „Champagner predigen und Franciacorta trinken“? Wobei das angesichts des Qualitäts- und Preisniveaus auch ganz vernünftig wäre. Und erst recht aufgrund des weltrekordverdächtigen Bio-Anteils in der Franciacorta.

Vielleicht ist es ja aufgrund der Umsätze in der Schweiz unnötig, aber dennoch: Die Franciacorta liegt am Südufer des Iseosees nördlich von Brescia, dem zu Unrecht unbekanntesten der grossen oberitalienischen Seen. Und Nomen ist manchmal tatsächlich Omen: Das „Francia“ geht zurück auf die Zisterzienser-Mönche aus Cluny (südliches Burgund, unbedingt sehenswert!), die sich in der Gegend vor bald tausend Jahren niederliessen und von der Steuer befreit waren (Francea Curtes = steuerbefreite Hof-/Gerichtszone). Und der Bezug zu Frankeich passt natürlich auch heute: Hier wird hochstehender Schaumwein nach der gleiche Methode wie in der Champagne hergestellt, und auch die Sortenwahl ist fast identisch. Chardonnay und Pinot noir herrschen vor, nur als Nebensorte ist hier Pinot blanc und nicht Pinot meunier zugelassen.

Wunderschöne Gegend: Blick aus Norden auf den Iseosee und Iseo; am Südufer beginnt die Zone für den Franciacorta DOCG.

Im Gegensatz zum französischen Vorbild ist die Geschichte der Schaumweine aus der Franciacorta allerdings noch sehr jung. Die erste Flasche wurde nämlich erst vor rund 50 Jahren (1961) produziert. Schon sechs Jahre später erhielt das Gebiet aber die DOC, doch erst anfangs der 1990-er Jahre kam wirklich Schwung in das Gebiet: Der Name wurde urheberrechtlich geschützt und es wurden neue Produktionsvorschriften erlassen. 1995 wurde das Gebiet schliesslich in den DOCG-Status erhoben. Heute beträgt die Anbaufläche knapp 3’000 Hektar, und über hundert Betriebe verkaufen knapp 14 Millionen Flaschen im Jahr (1980 waren es noch 9 Betriebe mit rund 200’000 Flaschen!). Die Weine der Franciacorta brauchen sich heute im Durchschnitt durchaus nicht mehr vor jenen aus dem französischen Vorbild zu verstecken.

Bio – nicht die Zukunft, sondern die Gegenwart

Im biologischen Weinbau ist die Franciacorta vermutlich Weltmeister. Rund zwei Drittel der Rebflächen werden hier bereits zertifiziert biologisch bewirtschaftet oder sind in Umstellung. Zwar gibt es noch nicht so viele Flaschen mit dem Bio-Label auf dem Markt. Das liegt daran, dass es Weingüter gibt, die noch nicht die ganze Fläche umgestellt haben und die Biotrauben nicht separat verarbeiten wollen. Zudem lagert der Wein jahrelang, bevor er auf dem Markt kommt – der Markt hinkt deshalb der Realität im Rebberg hinterher.

Erbamat, die Sorte der Zukunft, die dem Klimawandel trotzen soll

Offensichtlich ist man sich am Iseosee, wo die Weine auf einer Meereshöhe von 200 bis 400 Meter wachsen (die Champagne liegt zwar noch tiefer, aber auch etwa 500 Kilometer nördlicher und hat keinen Mittelmeereinfluss) bewusst, dass der Klimawandel einen grossen Einfluss auf den Weinbau haben kann. Vermutlich kommt hier auch die fehlende Tradition zu Hilfe, wenn es um Neuerungen geht. Jedenfalls wurde eine neue Traubensorte zugelassen, die Erbamat. Während Chardonnay und Pinot noir heute schon im August geerntet werden müssen, braucht die Erbamat rund einen Monat länger bis zur Reife. Sie ist seit dem 15. Jahrhundert beurkundet, erlangte aber nie eine grosse Bedeutung und wurde bis vor Kurzem nur noch auf wenigen Hektar in Norditalien angebaut. Sie ist sehr säurebetont, weist einen tiefen Ph-Wert auf und ist relativ neutral im Aroma. Die Hoffnung ist deshalb, dass die Erbamat den Weinen Frische verleihen wird, ohne das aromatische Profil der Franciacorta-Weine deutlich zu verändern. Aktuell ist sie erst bis zu einem Anteil von 10 % erlaubt, womit ihr Potential langsam getestet werden soll. Bisher haben auch erst 10 Weingüter diese Sorte effektiv angepflanzt. Es gibt auch noch kaum Weine mit Erbamat-Anteilen auf dem Markt (siehe dazu weiter unten), aber es wird spannend zu beobachten sein, wie sich das entwickelt. Sieht man den rasanten Aufschwung in der Franciacorta der letzten 50 Jahren an, dürfte es nicht lange dauern, bis wir Schaumweine mit Erbamat-Anteil geniessen!

Verschiedene Schaumwein-Typen

Die Bezeichnung und die dafür zulässigen Rebsorten, die Lagerung, der Druck und die Dosage sind in der Franciacorta klar geregelt. Abgesehen von den Jahrgangsweinen und den Riservas gibt es drei Typen:

„Franciacorta“ steht für einen Grundwein aus Chardonnay, Pinot noir, Pinot blanc (höchstens 50 %) und Erbamat (höchstens 10 %), wobei sortenreine Weine aus Chardonnay oder Pinot noir möglich sind. Die Flaschen müssen nach der zweiten Gärung mindestens 18 Monate in der Flasche reifen und der Druck liegt zwischen 5 und 6 Atmosphären. Zudem kann dieser Wein in der Dosage mit Zero, Extra Brut, Brut, Extra Dry, Dry und Demi Sec hergestellt werden. Die möglichen Varianten aus Traubensorten und Dosage sind also fast unerschöpflich.

„Franciacorta Satèn“ ist eine Exklusivität der Gegend. Er darf nur aus Chardonnay (mind. 50 %) und Pinot blanc (höchstens 50 %) hergestellt werden, muss 2 Jahre in der Flasche lagern und darf nur als Brut auf den Markt kommen (wobei es durchaus tiefere Zuckerwerte gibt, die Bezeichnung lautet dann aber trotzdem Brut). Der entscheidende Unterschied liegt aber im Druck der Flasche; dieser muss unter 5 Atmosphären liegen – der Satèn sprudelt also etwas weniger und wirkt dadurch runder und „weiniger“.

„Franciacorta Rosé“ schliesslich kann wieder aus allen vier Traubensorten bestehen, vorgeschrieben sind aber mindestens 35 % Pinot noir. Die Flaschenlagerung muss 2 Jahre dauern. Die übrigen Vorschriften entsprechen jenen des „Franciacorta“.

Kleine Degustation in Zürich

Sehr sympathisch, professionell und unterhaltsam gleichzeitig: Sommelier Nicola Mattana.

Die allermeisten Betriebe der Region sind Mitglied im „Consortio per la tutela del Franciacorta“. Und dort ist man sich natürlich der Bedeutung des Schweizer Marktes bewusst. Kürzlich fand deshalb auf Einladung des Konsortiums eine kleine Präsentation und Degustation im „Signau House & Garden“ in Zürich statt (das „Signau“ ist übrigens ein Hotel in toller, aber ruhiger Lage mit einem wunderschönen Garten – eine echte Oase beim Kreuzplatz, relativ nahe des Stadtzentrums). Präsentiert wurden je ein Wein der drei Grundtypen, und die Präsentation lebte vor allem auch vom Charme und dem Fachwissen des beigezogenen Sommeliers Nicola Mattana.

Besonders gefallen hat mir dabei der Franciacorta „Golf 1927“ von Barone Pizzini:

Helles Gelb, zurückhaltende, feine Perlage; dezente, frische Frucht mit etwas Brioche und leichtem, schönem Hefeton; im Mund feingliedrig und elegant, trocken aber nicht knochentrocken wirkend (4 g RZ und 8 mg Säure). Schöner Schaumwein, der trotz Schwergewicht auf der Eleganz durchaus auch gehaltvoll ist. 16,5 Punkte.

Und wenn wir schon bei Barone Pizzini sind: Dieses Haus war nicht nur der erste Bio-Betrieb, sondern auch der erste, der im vergangenen Jahr mit dem „Animante“ einen Franciacorta mit einem Anteil der Rebsorte Erbamat auf dem Markt brachte (der Anteil beträgt noch bescheidene 3 %). Falls Sie danach suchen, achten Sie auf das Datum der Flaschenfüllung vom April 2019 oder später. Vorausgegangen waren die Pflanzung der Sorte auf rund einer Hektar im Jahr 2008 und viele Versuche in der Vinifikation. Daraus resultierten Weine, die leider nie auf dem Markt erscheinen durften, da ihr Erbamat-Anteil zu hoch war (erlaubt sind 10 %, siehe oben), aus denen aber sehr viel Wissen über das Verhalten der Erbamat gewonnen werden konnte.

Vorbildliche Information auf den Flaschen

Toll ist übrigens, dass auf fast allen Flaschen aus der Franciacorte die technischen Daten wie Säure und Zuckergehalt vor allem aber auch das Datum der Flaschenfüllung und des Dégorgements angegeben werden. Da könnten sich viele Francesi ein Vorbild nehmen!

Franciacorta: Nach uns die Zukunft! Das italienische „Qualitäts-Schaumweinzentrum“ auf dem Weg zur Nachhaltigkeit.

Ach ja, und übrigens gibt es aus der Franciacorta auch stille Weine, ein Beispiel siehe hier:
Ca‘ del Bosco – eine Perle mit mehr als nur Perlen – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Links:
Consorzio tutela del Franciacorta, Strada del Franciacorta
Barone Pizzini: Organic Winery in Franciacorta


Interessennachweis:
Dieser Artikel entstand aufgrund der Anregung im Rahmen der oben beschriebenen Einladung des Consortio per la tutela del Franciacorta, im Weiteren aber ohne jede Einflussnahmen oder Verpflichtungen des/gegenüber dem Konsortium oder einzelner Produzenten.

Grillo und Italien? Wenn es um Wein geht, kann das grossartig sein! 50 Anni Grillo von Massimo Maggio.

Wer heute Grillo hört, denkt vielleicht als erstes an die verkachelte italienische Politik. Es mag tröstlich sein: Politiker kommen und gehen, Reben bleiben, auch wenn sie Hochs und Tiefs erleben.

Der vorstehende Lead stammt aus einer Weinbeschreibung von Delinat zum „50 Anni Grillo“ von Massimo Maggio, dem Wein, um den es in diesem Beitrag geht. Dieser Weisswein aus der fast nur in Sizilien vorkommenden Traubensorte Grillo hat mich begeistert.

Ganz grundsätzlich beobachte ich Delinat und dessen Weine praktisch seit es die Firma gibt, also bereits Jahrzehnte. Und eigentlich gibt es keine sympathischere Weinhandlung, denn hier geht es nicht einfach um Weinhandel, sondern vor allem auch um biologischen Anbau und seit einiger Zeit ganz besonders auch um Nachhaltigkeit und Biodiversität. Das Gut von Massimo Maggio ist beispielsweise mit 3 „Schnecken“ ausgezeichnet, was bedeutet, dass es nicht nur die Richtlinien von Delinat zum biologischen Landbau und zur ökologischen Vielfalt einhalten muss, sondern auch 100 % des Energieverbrauchs aus regenerierbaren Quellen bezieht.

So gesehen, erfüllt eigentlich jeder Delinat-Wein die Prämisse meines Weinblogs: „alles ausser gewöhnlich“. Und Delinat verfügt auch über viele Weine, die rundum begeistern. Einige habe ich hier schon früher schon mal beschrieben:

Roches d’Aric: reinste biologische Medizin! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
Extrem lehrreich: „single variedad Rioja“ – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Ich verschweige allerdings auch nicht, dass mich degustativ längst nicht alle Weine von Delinat begeistern (auch wenn alle immer mindestens korrekt sind). Das liegt teilweise daran, dass viele Weine bewusst keine grossen Gewächse sind, dafür sehr preiswert und – im Gegensatz zu den Anfängen der Bioweine – in jedem Fall sauber und süffig. Das liegt aber auch daran, dass ein recht hoher Anteil der Weissweine mit Restsüsse ausgebaut sind. Das liegt ja durchaus im Trend und trifft den Geschmack vieler – meinen aber ganz einfach nicht, und deshalb habe ich bei aller Sympathie vor einigen Jahren auch die Degustationspakete abbestellt.

Nun habe ich aber kürzlich im Verkaufsladen in Winterthur ein paar Einzelflaschen gekauft, und die bisher probierten haben mich überzeugt. Geradezu begeistert war ich eben von diesem Grillo:

Das Weingut Maggiovini in der Nähe von Ragusa auf Sizilien. 100 % der nötigen Energie stammt aus erneuerbaren Quellen (Bild ab Homepag des Gutes).

50 Anni Grillo 2020, Massimo Maggio
Mittleres Gelb; sehr fruchtige, fast etwas süsslich wirkende Nase; Papaya, Aprikose, Reineclaude, leichter Holzton; im Mund frisch, dichte Struktur, schöne Säure, fruchtbetont, spürbares, aber sehr schön integriertes neues Holz, langer Abgang. Sehr überzeugender Wein. 16,5 Punkte.
PS: Und das zu einem Preis von CHF 11.30!

Alles Weitere zu diesem Wein und zum Betrieb brauche ich nicht abzuschreiben, das können Sie gut selbst direkt hier lesen:
50 Anni Grillo | Bio Weisswein | jetzt online bestellen | Delinat

Und hier noch der Link zum Weingut selbst:
Maggio Vini • azienda vitivinicola siciliana


Interessennachweis: Der Wein wurde direkt im Delinat-Laden zu normalen Konditionen gekauft.