St. Laurent ist eine eher unbekannte Rebsorte – zu Unrecht, wie eine Blinddegustation zeigte. Die Sorte, deren Herkunft immer noch nicht völlig klar ist, läuft in Österreich zu Hochform auf und verdient viel mehr Beachtung!
Als ich vor ein paar Jahren an einer Degustation einen österreichischen Winzer fragte, wie man denn die Sorte St. Laurent richtig ausspreche, schaute er mich ziemlich verständnislos an und sprach ein sehr deutsches „Sankt Laurent“ aus. Dass ein Schweizer auf die Idee kommen könnte, französisch „sän loron“ zu betonen, ist ja aber nicht ganz abwegig. Dies umso mehr, als der Ursprung der St. Laurent im Elsass liegen könnte (wobei – damals wurde dort deutsch gesprochen).
Erstaunlicherweise ist aber die Abstammung des St. Laurent bisher offenbar nicht zweifelsfrei geklärt. Während die einen ihn zur Pinot-Familie zählen, sehen andere eine eigenständige Sorte. Auf die Abstammung vom Pinot deutet eines der vielen Synonyme hin, welches – französisch! – „Pinot Saint-Laurent“ lautet. Pierre Galet weist dies in seinem Standardwerk von 1990 „Cépages et Vignobles de France“ allerdings als Irrtum zurück. Gemäss einer DNA-Analyse von Ferdinand Regner (Stift Klosterneuburg) soll es sich indessen um einen natürlichen Burgundersämling handeln.
Heimat Elsass – oder etwa doch Österreich?
Ebenso unklar ist, wo die Sorte erstmals auftauchte. Während viele Quellen auf das Elsass hindeuten, von wo sie via Deutschland nach Oesterreich gelangt sein soll (was einigermassen belegt ist), gibt es auch die Theorie, sie stamme aus Niederösterreich und sei von dort ins Elsass und wieder zurück gelangt. Einig sind sich alle von mir recherchierten Quellen immerhin bei der Namensgebung. Die soll sich nämlich auf den Farbumschlag um den 10. August beziehen – dem Gedenktag des heiligen Laurentius.
Hochburg Österreich? Oder Tschechien und Slowakei!
Obwohl der St. Laurent einer der Elternteile des Zweigelt ist, fristete er lange Zeit ein Schattendasein und ist auch heute noch keine wichtige Sorte. Interessanterweise liegen die grössten Anbaugebiete in Tschechien und der Slowakei. Gefühlt wird freilich Österreich als eigentliches „St. Laurent-Land“ wahrgenommen. Hier kommt er in allen Weinbaugebieten vor und bedeckt eine Fläche von etwas über 700 Hektar – davon allein 40 im Stift Klosterneuburg. (Quellen u.a.: Wikipedia, Stift Klosterneuburg, Winzerblog.at, ZeitfürGenuss).
Das Handicap des St. Laurent ist seine Anfälligkeit auf Verrieseln sowie die Schwäche gegenüber Peronospora (falscher Mehltau) und Botrytis. Umgekehrt führt seine relativ dicke Schale dazu, dass die Weine etwas farbintensiver und tanninhaltiger ausfallen als beim Pinot noir.
Blinde Faszination „Ried Frauenfeld“
Ich war kürzlich bei einem Weinfreund zu einer Blinddegustation eingeladen, wobei ich nicht wusste, um welche Weine bzw. Sorten es sich handelt. Ebenfalls war mir nicht bekannt, dass alle Weine biologisch produziert wurden. Ich gebe zu, ich wäre niemals auf St. Laurent gekommen – und auf eine mögliche Pinot-Verwandtschaft auch nicht (wobei der Sieger der Degustation Samtigkeit, Eleganz und gleichzeitig Kraft zeigt, was durchaus an Pinot denken lässt). Ebenfalls wenig liess darauf schliessen, dass es sich in zwei Fällen um den jeweils gleichen Wein aus zwei verschiedenen Jahrgängen handelte; die Jahrgangsunterschiede sind erstaunlich.
Aber alle fünf Weine sind tolle Werte und zeigen, dass es sich lohnt, sich mit dem St. Laurent näher zu befassen. Der 2018er Ried Frauenfeld vom Johannishof Reinisch ist sogar umwerfend gut, in diesen Wein habe ich mich richtig verliebt! Und dabei handelt es sich noch nicht mal um das St. Laurent-Flaggschiff des Betriebes!

St. Laurent 2018, Ried Frauenfeld, Thermenregion, Johannishof Reinisch
Mittleres Rubin; sehr elegante, vielschichtige Nase (überwiegend helle Früchte, dazu etwas Neuholz); im Mund sehr „saftig“, schöne, angepasste Säure, ausgesprochen feine Tannine, tolle Struktur, Holz sehr gut eingebunden, fruchtiger, langer Abgang. Wunderschöner, eleganter Wein – ein Wurf! 18 Punkte.
St. Laurent 2019, Ried Frauenfeld, Thermenregion, Johannishof Reinisch
Dunkles Purpur; anfangs etwas reduktiv, angetönte helle Frucht, sehr holzbetont (Neuholz); auch im Mund sehr holzgeprägt aber auch fruchtig, vollgepackt mit viel feinem Tannin, etwas trocknend, eher filigrane Struktur, mittlerer Abgang. 16,5 Punkte.
(Nach der Aufdeckung der Weine fragte ich mich angesichts des 2018er’s, ob sich das Holz bis in einem Jahr auch so gut integriert hat? Falls ja, länge meine Note zu tief).
St. Laurent alte Reben 2018, Niederösterreich (Carnuntum), Walter Glatzer
Mittleres Rubin; helle und dunkle Beeren, Anflug von Garrique, erinnert fast etwas an einen Grenache; im Mund elegant, spürbare Säure, feine Tannine, etwas trocknend, sehr rund fliessend; mittlerer Abgang mit spürbarem Säuretouch. Sehr schöner Wein für alle, die sich durch eine relativ pointierte Säure nicht abschrecken lassen. 16,5 Punkte.
St. Laurent alte Reben 2019, Niederösterreich (Carnuntum), Walter Glatzer
Mittleres Rubin; dunkle Frucht (Cassis, Jostabeeren, Blaubeeren), etwas Süssholz, etwas Apfel; im Mund ungemein fruchtig, viel, aber etwas trocknendes Tannin, zuerst kaum spürbare, aber im mittleren Abgang recht prägnante Säure. 16,5 Punkte.
St. Laurent vom Dorf, 2019, Gerhard und Brigitte Pittnauer (Neusiedlersee)
Dunkles Rubin, leichte Trübung; in der Nase Heidelbeeren, Sternfrucht, Tabak, dazu auch würzige und florale Töne; im Mund etwas eigenartige Textur, säurebetont und eher schlank, feine Tannine, relativ langer, säurebetonter Abgang, Machart „Naturwein“. Wirkt fast, als wäre er noch etwas in der Gärung. Fruchtiger, spezieller, aber auch spannender Wein, wohl nicht jedermanns Sache. 15,5 Punkte.
Home – Weingut Johanneshof Reinisch (j-r.at)
Gerhard und Brigitte Pittnauer sind die Pittis. – Weingut Pittnauer GmbH
Interessennachweis:
Die Weine wurden in einer rein privaten Degustation auf Einladung bei einem nicht in der Weinbranche tätigen Weinfreund probiert.