Château Mangot, Saint-Émilion: Ganz rational zu einem emotional berührenden Weinerlebnis!

Ein Mann auf einer Weinmission: Ein Weinfreund suchte nach rationalen Gesichtspunkten die berühmte Nadel im Heuhaufen, sprich den unterbewertetsten Wein aus Saint-Émilion oder ganz Bordeaux – und findet mit Château Mangot ein Gut, dessen Weine emotional berühren!

Nutzwertanalyse. Value Investing Style. Eigentlich müsste einem Weinliebhaber der kalte Schweiss herunterlaufen. Wie kann man so technokratisch an einen Wein herangehen? Nun, mein Weinfreund Dominic Oberer hat genau das getan. Kein Wunder zwar, er ist Ökonom, lic. oec. publ. BWL UZH und dipl. Wirtschaftspädagoge HSG. Aber er ist auch charaktervollen Weinen nicht abgeneigt. Und seine Mission war, nach der berühmten „Stecknadel im Weinfass“ zu suchen, ohne den Wein vorher im Glas gehabt zu haben.

Unesco-Weltkulturerbe Saint-Emilion: wunderschöner Ort, wunderbare Weine.

«Nowadays people know the price of everything an the value of nothing».

Das Zitat wird Oscar Wilde zugeschrieben. Und was im vorletzten Jahrhundert galt, stimmt heute wohl noch viel mehr. Jeder Weinfreund kennt den Preis einer Flasche Ausone oder Cheval Blanc, aber kaum jemand weiss, dass es noch massiv unterschätzte Weinwerte gibt, die man entdecken müsste. Und so machte sich Dominic auf die Suche. Man kann das gerne von Warren Buffet inspiriert „Value Investing Style» nennen, vinologischer Entdeckergeist wäre aber ebenso richtig:

„Der Preis ist, was zu zahlst – der Wert ist, was du kriegst“.

Er hat dabei gezielt folgende Wertetreiber analysiert, die seiner Meinung nach für die Qualität im Glas essentiell sind:
1. Bio oder Biodynamie. Gibt nicht zwingend bessere, aber oft «lebendigere» Weine und zeigt, dass der Winzer umweltmässig sensibilisiert ist.
2. Terroirqualität. Durch Studium der Lage und einem Blick auf gute Nachbarn.
3. Önologischer Berater. Gerade in Bordeaux nicht mehr Michel Rolland mit seinem Stil, sondern Thomas Duclos als Mann der Stunde.
4. Jahrgangsqualität. Mit 2019 als Paradejahrgang und 2020 auf hohem Niveau und fast ebenbürtig.
5. Sympathie des Weinguts. Eindruck im telefonischen und elektronischen Kontakt.

Aus diesem Vorgehen kristallisierten sich sechs Weingüter als Favoriten heraus, aus denen nach einer Nutzwertanalyse mit der Bewertung der Wertetreiber ein Gut besonders hervorstach:

Blick auf das Anwesen von Château Mangot (Bild: ab Medienservice auf Homepage)

Die Stecknadel im Weinfass: Château Mangot

Dominic ist so schon vor einigen Jahren auf Château Mangot gestossen. Er ging das Klumpenrisiko ein und bestellte nach intensiver Analyse, ohne den Wein je im Glas gehabt zu haben, kistenweise Weine dieses Gutes, als die Subskriptions- und Sekundärmarktpreise noch erheblich tiefer waren als heute. Ich hätte diesen Beitrag eigentlich auch früher schreiben müssen, denn inzwischen haben auch andere entdeckt, welche Trouvaille Château Mangot darstellt. Trotzdem dürfte der Name für einige eher Neuland sein, jedenfalls sind die Weine in unseren Breitengraden noch nicht inflationär bei Händlern erhältlich.

Perfektes Terroir

Château Mangot liegt in einer Gegend, in welche sich ein klassicher Besucher von Saint-Émilion eher nicht verirrt. Das Gut befindet sich rund fünf Kilometer östlich, ganz an der Grenze der Appellation. Wer aber die geologische Karte von Saint-Émilion studiert wird feststellen, dass genau in diesem abgelegenen Winkel nochmals auf einer kleinen Fläche der genau gleiche wertvolle Untergrund wie in den Coteaux von Saint-Émilion vorherrscht: lehm- und kalkhaltiger Boden mit hartem Asterien-Kalkstein-Untergrund. Kleinräumig bestehen je nach Lage und Meereshöhe auf dem Gut allerdings verschiedene Untergründe, was auf der Homepage des Châteaux sehr schön dargestellt ist (Link siehe unten). Ein perfekter Boden für grosse Weine besteht hier auf jeden Fall! Die 34 Hektar des Weinguts stellen einen zusammenhängenden Besitz dar; die Wege sind also kurz.

Perfektes Terroir! (Bild: ab Medienservice auf Homepage)

In drei Generationen an die Spitze.

Château Mangot weist eine jahrhundertealte Geschichte auf und befindet sich seit rund 70 Jahren in Besitz der Familie Petit bzw. Todeschini (Anne-Marie Petit heiratete 1981 Jean Guy Todeschini). Das Ehepaar restrukturierte das Anwesen in den 1990er Jahren mit Terrassierungen, Drainagen und Neupflanzungen und 2001 wurden sämtliche Gebäude modernisiert. Sie legten damit die ideale Basis für den Eintritt ihrer beiden Söhne Karl und Yann im Jahr 2008. Karl studierte Oenologie und Winzer und hatte bereits breite Erfahrungen im Bordelais (u.a. Beau-Séjour-Bécot und Ausone), Kalifornien und in der Toskana gesammelt. Yann, der jüngere der Brüder, aber aufgrund seiner Körpergrösse auch „le Grand“ genannt, ist Agrar-Ingenieur. Auch er studierte zusätzlich Oenologie und sammelte praktische Erfahrungen in Kalifornien. Er war auch die treibende Kraft hinter der Umstellung des Betriebes auf den Bioanbau und später hin zur Biodynamie.

Die Brüder Yann und Karl Todeschini (Bild: ab Medienservice auf Homepage)

Thomas Duclos: Der Berater für die feinen Nuancen.

An Können und Erfahrung fehlt es den beiden Brüdern also nicht. Trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb), haben sie sich ab 2016 die Dienste von Thomas Duclot gesichert. Duclot wird schon fast ein wenig als «Shooting-Star» gefeiert, der Figaro titelt vom «aufgehenden Stern» und der SudOuest schreibt, Duclos stelle «die personifizierte Moderne in der Oenologie» dar. Tatsächlich liest sich die Kundenliste von Duclos wie das «who ist who» von Bordeaux-Schlössern,  die auf Eleganz und Finesse und nicht mehr auf den bombastischen «Parker-Stil» setzen. So ist er etwa für Giscours, Bellefont Belcier, Canon, Jean Faure, Troplong-Mondot und Beau-Séjour-Bécot tätig. Bei den beiden letzteren ersetzte er Michel Rolland. Zudem ist er Teil des renommierten Beraterkollektivs «Oenoteam» und profitiert da vom Austausch mit anderen namhaften Oenologen.

In den Vordergrund stellen will sich Duclos aber nicht – er ist ein Mann der leisen aber klugen Töne. Und schon gar nicht will er einen «Duclos-Styl» kreieren. Im Gegenteil, sein Credo lautet, dass ein Wein sein Terroir ausdrücken sollte; perfekt ist er für ihn, wenn man in einer Blinddegustation seine Herkunft und Identität erkennt. Lesen Sie dazu das äusserst interessante Interview mit Duclos in «Inside La PLACE», Link siehe unten.

Neu im „Adelsstand“: seit 2022 Grand Cru Classé.

Die Qualität wird anerkannt: Seit 2022 ist bei Mangot das „Classé“ dazugekommen. Als Grand Cru Classé gehört man nun zur Elite von nur 85 klassierten Gütern in Saint-Emilion.

Saint-Émilion: Eine Legende kehrt zurück!

Château Mangot steht mit seiner Entwicklung stellvertretend für die Appellation Saint-Émilion. Trotz Klimaerwärmung schaffen es immer mehr Weingüter, frische und elegante Weine zu keltern. Thomas Duclos ist überzeugt, dass dies weiterhin gelingen wird. Auf die Frage, welches die Zukunftssorten in Bordeaux seien, meinte er: «Die Antwort ist einfach: Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc!».

Der Titel dieses Abschnitts ist übrigens schamlos geklaut: Der eben von Vinum frisch erkorene Berichterstatter für Bordeaux, Adrian van Velsen (nochmals herzliche Gratulation an dieser Stelle – das ist eine sehr gute Wahl!), hat schon im letzten Jahr mit dieser Überschrift eine tolle Reportage geschrieben, welche die Entwicklung sehr schön aufzeigt. Link siehe unten.

Saint-Émilion nimmt aber auch in Bezug auf eine nachhaltige Produktion eine führende Rolle ein. Bereits rund 20 % aller Betriebe bewirtschaften ihre Flächen biologisch (oder gar biodynamisch), und ca. 45 % besitzen das Label HVE (Haute Valeur Environnemental). Vorbildlich ist, dass in den AOP’s Umweltschutz seit dem letzten Jahr verpflichtend vorgeschrieben ist. Das bedeutet, dass entweder biologisch bewirtschaftet werden oder eines der Labels Label HVE, Terra Vitis, Agriconfiance oder auch SME de Bordeaux vorhanden sein muss (Quelle: meininger.de/vitisphere.com). Selbst wenn man sich die Frage stellen kann, ob mit gewissen Labels nicht eher Greenwashing betrieben wird – allein die Tatsache, dass man die Umweltproblematik bewusst angeht, ist visionär.

Degustationsnotizen

Nachstehend finden Sie Notizen aus zwei Blinddegustationen von «Château Mangot» und «Todeschini Dystique». Letzterer trägt je nach Jahrgang eine Nummer, beginnend mit dem Jahrgang 2008, als er erstmals vinifiziert wurde. Obwohl schon der «normale», merlotlastige Mangot grossartig ist, bringt der Dystique nochmals eine Steigerung. Er enthält 40 % Cabernet Franc, wird aus Trauben einer Mikroselektion produziert und reift zu einem Drittel in Amphoren.

Château Mangot, 2019
Mittleres Rubin; üppige dunkle Fruchttöne, insbes. Cassis und Brombeere, würzig; sehr viel feines Tannin, schöne, saftige Säure, sehr dicht und druckvoll bei gleichzeitig äusserst elegantem Gesamteindruck, langer Abgang. Vielversprechend! 18 Punkte.

Todeschini, „Distique 12“, 2019
Mittleres Purpur; wirkt zuerst etwas „wild“ in der Nase, viel Würze, Himbeere und Hagebutten, auch blumige Anflüge; im Mund sehr sehr jung wirkend, aktuell noch etwas aggressive Tannine und Säure, enorme Frische, sehr dicht, extrem vielschichtiger, „lebendiger“ Wein mit fast unendlichem Abgang. Grossartig! 18,5 Punkte.

Quintessenz: Hervorragende Bordeaux müssen nicht teuer sein.

Tatsächlich hat die rationale Suche meines Weinfreundes nach einer Bordelaiser Trouvaille mit Château Mangot ein Gut aufgezeigt, welches herausragende Weine und emotional berührenden Genuss bringt. Das sind Weinwerte zu Konditionen, die auch im internationalen Kontext weiterhin preiswert sind. Damit spiegelt sich in diesem Weingut vieles wieder, was für ganz Bordeaux gilt: Die versnobten Namen sind unbezahlbar geworden, und ganz Bordeaux hat damit letztlich ein Imageproblem. Aber wer sucht, der findet grossartige Weine, die bezüglich Genusswert unschlagbar sind.

Links:

Château Mangot, mit Direktlink auf die erwähnte Terroirkarte:
Château Mangot Saint Emilion Grand Cru Classé – Château La Brande (chateaumangot.fr)
terroirs-de-mangot.png (1418×997) (chateaumangot.fr)

Thomas Duclos (Interview in E und F
https://www.rcassocies.com/en/2022/05/13/inside-la-place-the-man-who-observes-the-nuances/
Inside La Place – Un homme entier qui relève les nuances – Roland Coiffe & Associés (rcassocies.com)
Oenoteam

Vinum-Artikel von Adrian van Velsen:
https://www.vinum.eu/ch/magazin/reportagen/2023/saint-emilion-reportage-vinum

Und zum Schluss: Ich habe im letzten Jahr über ein anderes Bordeaux-Gut geschrieben, das ebenfalls grosse Weine zu bezahlbaren Preisen hervorbringt, siehe hier:
Gute Bordeaux sind billig! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)


Interessennachweis: Die Weine wurden zweimal in Blinddegustationen (einmal davon „Doppelblind“) beim Weinfreund Dominic Oberer degustiert.


Es gibt übrigens insofern eine Fortsetzung, als ich über die Doppelblinddegustation noch berichten werde – verbunden mit einer Wette von Dominic. Sie können sich ja schon mal überlegen, welcher Wein unter 30 Euro/Franken es mit den Kreszenzen von Château Mangot aufnehmen könnte.

Weine zum Verna(t)schen und eine Weinkarte zum Verlieben!

Nur etwa 2,5 Hektar klein – aber qualitativ ganz gross. Das Weingut Oberstein in Tscherms bei Meran ist eine wunderbare Neuentdeckung. Und die Vernatsch des Gutes – und die Sorte ganz generell – eine ebensolche Wiederentdeckung. Der Dank geht an einen weinaffinen Hotelier.

Zum meinem Glück bin ich sozusagen genötigt worden. Wir waren von der Tourismusgenossenschaft Naturns zu einer Pressereise ins Vinschgau eingeladen. Für das Wine and Dine-Galadinner, das im Rahmen des Naturnser Wein- und Gourmetherbstes am letzten Tag unseres Aufenthaltes stattfand, hatte ich uns nicht angemeldet, weil ich die Gastfreundschaft nicht überstrapazieren wollte und überdies 7-Gänger inzwischen fast zu viel des Guten für uns sind. Gegen Abend erhielt ich dann einen Anruf des Chefs (und Sommeliers) Thomas Schuler im familiengeführten Hotel Schulerhof, ich müsse unbedingt teilnehmen, er würde da ein paar Weine zeigen, die mir sicher gefallen würden.

Grandioser Vernatsch

Die „Nötigung“ erwies sich als Glücksfall. Das Essen war auf Sterneniveau und die Weine allesamt aussergewöhnlich gut und authentisch. Thomas hatte mir schon zuvor mehrmals von der Sorte Vernatsch vorgeschwärmt, für die er eine eigentliche Liebe entwickelt habe und die völlig zu Unrecht unterbewertet sei. Und mit dem „arena“ vom Weingut Oberstein trat er dann auch den Beweis an, dass Vernatsch wirklich grossartig sein kann!

Rückblende: Zumindest in der Schweiz, und davon war ich geprägt, kannte man Vernatsch früher vor allem als „Magdalener“ oder „Kalterer“, und es waren dünne, nichtssagende und manchmal sogar richtig schlechte Lückenbüsser, wenn die eigenen Reben wieder mal zu wenig Ertrag abwarfen (was in den 70er- und 80er-Jahren aufgrund des Klimas öfter vorkam). Wer in einer Schenke „einen Römer“ bestellte, erhielt in der Regel einen mässigen Vernatsch im typischen Glas mit grünem Stiel. Die Sorte flog deshalb bei mir weit gehend unter dem Radar der Beachtung.

… macht Wumm! Frische, Eleganz und stille Kraft!

Und dann kommt dieser „arena“ mit einer wunderbar vielfältigen, feinen Nase und einer umwerfenden Frische, Eleganz und Leichtfüssigkeit bei gleichzeitig gehaltvoller Art mit einem fast unendlichen Abgang! Wumm!

Tolles Südtirol! Hier ein Symbolbild aus dem Vinschgau bei Naturns.

Zurück zuhause bestellte ich alle vier Weine des Weingutes, um sie in Ruhe kennenzulernen bzw. im Fall des „arena“ nochmals zu beurteilen. Das Fazit: rundum grossartig!

Oberstein – direkt auf der (tektonischen) Grenze von Europa und Afrika

Das Gut Oberstein liegt in Tscherms, etwa drei Kilometer südlich von Meran, unterhalb des Schloss Lebenberg. Die steilen Hänge bilden eine eigentliche Arena – daher der Name des einen Vernatsch. Aufgrund der Lage direkt auf der Trennlinie der eurasischen und der afrikanischen Platte wurde der harte Granituntergrund in Mineralien – etwa Quarzite, Feldspäte und Glimmer – aufgespaltet, was einen perfekten Untergrund ergibt.

Making good wine is a skill – making fine wine is an art

Die Ausgangslage ist auch mit einer Meereshöhe von 400 – 500 M.ü.M. also gut. Und das Weingut Oberstein hat auch eine lange Geschichte, Joachim Wolf führt es bereits in vierter Generation. Aber erst 2015 begann er im grösseren Stil, selbst einzukeltern. Gearbeitet wird bioydnamisch (nicht zertifiziert) und mit der Philosophie von möglichst wenigen Eingriffen, auch im Keller: „Den Wein begleiten und nicht den Wein produzieren“. In einem Videointerview (Link siehe unten) hält Joachim Wolf (frei nach Robert Mondavi) auch fest, dass ein guter Wein herzustellen ein Handwerk sei, einen grossen Wein zu schaffen, aber eine Kunst. Und ein guter Winzer sei aus seiner Sicht jener, der nie aufhöre, an sich selbst zu arbeiten. Auch Kunst kommt halt von Können.

Die Degustation und der Genuss der vier Weine des Gutes bewiesen, dass es sich bei solchen Aussagen nicht um Plattitüden handelt. Oberstein ist eine Offenbarung; vor dem, was Joachim Wolf hier innert kürzester Zeit geschaffen hat, kann man vor Begeisterung nur den Hut ziehen!

Die grandiosen Vier! Ein rundum begeisterndes Sortiment.

Degustationsnotizen (die beiden Vernatsch wurden blind neben einem anderen guten Wein aus dieser Sorte degustiert):


lapis, Pinot blanc, 2020, Weinberg Dolomiten, IGT
Mittleres bis helles Gelb; anfangs verhalten, leicht reduktiv, mit etwas Luft dann fein-fruchtig (Aprikose, weisser Pfirsich), auch florale Töne; im Mund enorme mineralische Frische, spürbare, schön eingebundene Säure, sehr dicht, sehr langer Abgang. Ein Pinot blanc mit unglaublicher Struktur, aktuell vielleicht noch etwas „wild“ wirkend (unbedingt dekantieren!), aber mit einem grossen Alterungspotential. Ein Geniestreich! 17,5 Punkte.

salis, Sauvignon blanc, 2018, Weinberg Dolomiten, IGT
Mittleres Strohgelb; fruchtige und grüne Töne, ein Hauch von „süsslicher“ Exotik (Papaya), dazu weisse Pflaume, frisch gemähtes Gras, schon in der Nase mineralisch; im Mund sehr mineralisch, ganz leichter, schöner Bittertouch, tolle Struktur, trocken, aber durch die Frucht leicht und betörend süsslich wirkend, langer Abgang. Genial untypischer und doch typischer Sauvignon blanc, würde sich in jeder SB-Degustation sehr gut machen. 17 Punkte.

versal, Vernatsch alte Reben, 2018, Weinberg Dolomiten, IGT
Helles Rubin; verhaltene, feine Frucht, Johannisbeere und Zwetschenkompott, etwas Würze; wirkt im Antrunk eher etwas dünn, bekommt dann aber immer mehr Druck und viel Fruchtigkeit, schöne Säure, feine, reife Tannine, mittlerer Abgang. Macht Spass! Viel mehr als nur ein Basis-Vernatsch. 16,5 Punkte.

arena, 2019, Weinberg Dolomiten, IGT (Vernatsch mit 1-2 % Lagrein im gemischten Satz)
Mittleres, glänzendes Rubin; sehr elegante und noble Nase, feines, breites Fruchtbouquet (Johannisbeeren, Himbeeren, Zwetschgen, Weichselkirschen), grüne und würzige Töne, etwas Schokolade, leichter Holztouch; im Mund mineralisch, sehr elegant und trotz guter Struktur leichtfüssig, viel feines, aber wie die Säure gut eingebundenes Tannin, frisch und „saftig“, eleganter und ausdruckvoller Wein. Begeisternd. 18 Punkte.


Hotel Schulerhof in Plaus/Naturns: Ein Muss für Weinfreunde, die ins Südtirol reisen!

Auf Pressereisen (und auch sonst) habe ich schon viele Hotels kennengelernt – aber noch nie über eines geschrieben. Ich führe ja auch einen Wein- und nicht einen Tourismus-Blog. Aber gerade deshalb verliere ich hier ein paar Zeilen über den Schulerhof, der etwa 10 Kilometer westlich von Meran liegt. Es ist ein rundum tolles Hotel mit einer herzlich-freundlichen Gastgeberfamilie. Aber die Erwähnung im Weinblog verdient vor allem der Chef Thomas Schuler, der eben auch Sommelier des Hauses ist. Und als gelernter Koch versteht er es auch vorzüglich, ein spannendes „Foodpairing“ vorzuschlagen.

Sein Weinwissen ist – jedenfalls über das Südtirol, den Rest haben wir gar nie verhandelt – enorm und seine Philosophie, vor allem auf authentische, ehrliche Weine aus der Region zu setzen, zumeist biologisch oder biodynamisch hergestellt, ohne daraus eine Religion zu machen, haben mich beeindruckt. Wer hier als Weinfreund absteigt, hat unmöglich genügend Zeit, um die grosse und geschmackvolle Weinkarte durchzutrinken. Aber am Besten lässt man sich ohnehin von Thomas beraten. Seine Tipps erwiesen sich ohne Ausnahme als Volltreffer!

4 Sterne Hotel in Naturns – Schulerhof


Und die Links zum Weingut:

Weingut Oberstein in Tscherms | Südtirol
Weingut Oberstein – Meine Arena I Pur Produzenten – YouTube (Video)

Bezugsquellen:
D/A:
Weingut Oberstein Onlineshop I Meraner Weinhaus

CH:
Weingut Oberstein – Top Produkte online kaufen Schweiz » Pur Alps®


Interessennachweis:
Die beschriebene Entdeckung des „arena“ erfolgte auf Einladung der Tourismusgenossenschaft Naturns im Rahmen einer Pressereise im Hotel Schulerhof, Plaus/Naturns. Die Weine für die Degustation zuhause wurden im Weinhandel erworben.

http://www.naturns.it

Plant Robez von Blaise Duboux. Ein grandioser Wein – fast der Autobahn zum Opfer gefallen!

Plant Robert ist eine jener Rebsorten, die beinahe ausgestorben wären. Sie kommt auch heute fast nur im Lavaux vor, inzwischen aber mit gesichertem Bestand. Es wäre jammerschade, wenn es anders gekommen wäre – der Wein von Blaise Duboux zeigt das wunderschön!

Es scheint, als wäre der Genfersee, und insbesondere das Waadtland, so etwas wie eine Wiedergeburtsstätte für beinahe ausgestorbene Rebsorten. Kürzlich habe ich hier über den Servagnin berichtet, einen Pinot-Klon, der sprichwörtlich dem Tod von der Baggerschaufel gesprungen ist (Link siehe unten). Etwas weniger dramatisch ist die Geschichte der Plant Robert. Aber auch diese Sorte (bzw. dieser Klon) stand kurz vor dem Verschwinden, da die letzte noch bestockte Parzelle der Autobahn weichen musste (da haben wir die Verbindung zur Baggerschaufel dann auch!). Zwei Winzer aus Epesses bzw. Cully nahmen das aber zum Anlass, die Sorte zu retten und in etwas grösserem Stil wieder anzubauen. Der Wein wurde zuerst nur offen im Restaurant du Raisin verkauft. (Quelle Wikipedia; ich gehe davon aus, dass es sich um die heute mit 14 Gault Millaut-Punkten bewertete, legendäre Auberge du Raisin in Cully handelt). Heute bauen wieder rund 20 Winzerinnen und Winzer die Sorte auf gegen 8 Hektar Fläche an und verpflichten sich in einer Vereinigung, klare Mindeststandards einzuhalten.

Das Lavaux: Unesco-Weltkulturerbe. Blick auf Epesses und die Grand Cru-Lage Dézaley im Hintergrund.

Ein Gamay mit 3R.

Es kann ganz schön verwirrlich sein, aber die gleiche Rebe hat auf kleinstem Raum drei verschiedene Namen. Sowohl Plant Robert, als auch Plant Robez und Plant Robaz sind gebräuchlich. Man spricht deshalb zuweilen auch von der „3R“. Auch wenn man es beim Geniessen dieser Weine kaum glaubt, es handelt sich dabei um einen ertragsarmen (und genau deshalb so wertvollen aber fast ausgestorbenen) Klon des Gamay, der im vorletzten Jahrhundert erstmals erwähnt und beschrieben wurde. Dass sich dieser ausgerechnet in der „Weissweinhochburg“ des Lavaux erhalten konnte, ist eine Geschichte für sich.

Blaise Duboux – 17 Winzergenerationen!

Wenn der Plant Robert dann noch von einem Ausnahmewinzer wie Blaise Duboux gekeltert wird, muss eigentlich schon fast sicher ein guter Wein entstehen. Der kürzlich degustierte Jahrgang 2020 hat aber sogar alle meine Erwartungen übertroffen – das ist schlicht ein grossartiger Charakterwein. Er heisst übrigens Plant Robez – der in Epesses gebräuchliche Name.

Biodynamisch aus Überzeugung.

Charaktervoll ist auch der Winzer selbst. Das liegt schon an der Familiengeschichte – Blaise stellt bereits die 17. Generation dar, welche das Familienweingut führt. Er studierte zwar zuerst Wirtschaft, entschied sich dann aber doch für die Übernahme des Betriebes und damit verbunden für ein Oenologiestudium. Wenn Blaise Duboux sagt, „die Philosophie der Domaine sei heute in erster Linie die des Respekts für das Produkt, sein Land und seine Umwelt“, sind das weit mehr als „grünwaschende“ Worte. Den Tatbeweis trat er schon 2016 an, als er den Betrieb auf Bio umstellte (nach biodynamischen Grundsätzen). Wenn man heute durch das Weltkulturerbe Lavaux spaziert und die – gefühlt – nach wie vor überproportional vielen totgespritzen Böden sieht, kann man vor so viel Weitsicht nur den Hut ziehen. Auf den rund 5 Hektar seines Betriebes spielt natürlich die Chasselas die wichtigste Rolle. Duboux – in Epesses ansässig – besitzt aber auch Land in den beiden Grand Cru-Lagen Calamin und Dézalay. Nebst der Chasselas werden auch Marsanne und Chardonnay gepflegt. Aber auch die roten Sorten sind gut vertreten. Zusätzlich zum Plant Robez werden Pinot noir, Divico, Syrah, Merlot und Cabernet Franc angepflanzt. (Quellen: Homepage von Blaise Duboux sowie www. amiata.ch).

Gamay – Entschuldigung, Plant Robez – ganz gross.

Der degustierte (und inzwischen nachgekaufte und auch nachdegustierte) Plant Robez von Blaise Duboux setzt Massstäbe. Eigentlich ist der Wein mit Nichts zu vergleichen. Im Wissen, dass es eigentlich ein Gamay ist, erkennt man zwar die fruchtige, fröhliche Seite. Daneben weist er aber auch Tiefe und Vielschichtigkeit auf, die ihn einzigartig machen.

Abgesehen davon, dass die Gamay eine ganz tolle und völlig unteschätzte Sorte ist: Wenn Sie das nächste Mal glauben, über Gamay lästern zu müssen, dann greifen Sie doch einfach zum Plant Robert/Robez/Robaz!

Plant Robez 2020, Blaise Duboux
Mittleres, glänzendes Rot, enorm vielschichtige Nase, Brombeeren, Johannisbeeren, Leder-Apfel, Aprikose, Leder, dazu auch würzige Düfte wie Pinie und Lorbeer; im Mund enorme Frische, fruchtig, erstaunlich viel und feines Tannin, schön angepasste Säure, druckvoll, aber gleichzeitig auch elegant, ganz leichter, schöner Bittertouch. Wunderbar trinkfreudiger, aber auch sehr komplexer Wein mit Reserven. 17,5 Punkte.

http://www.blaiseduboux.ch

http://www.plant-robert.ch

Und der Link zum erwähnten Artikel über den Servagnin:

Dem Tod von der Baggerschaufel gesprungen! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)


Interessennachweis: Der Wein wurde an der öffentlichen Degustation von Sutter Weine verkostet.

Sutter Weine: Onlineshop

Dieser Wein zaubert ein Lächeln ins Gesicht!

Blaufränkisch ist schon seit längerer Zeit eine meiner Lieblingssorten. Und wenn ein Wein so gelungen ist wie der Ungerberg 2015 von Pittnauer, dann ist Blaufränkisch einfach umwerfend gut!

„Dieser Wein hat mir nur schon beim Schnuppern ein Lächeln ins Gesicht gezaubert“, das waren die Worte eines Weinfreundes, der zu einer spannenden Blinddegustation geladen hatte – noch bevor bekannt war, um welchen Wein es sich handelt. Das Degustationsformat war ungewöhnlich, aber extrem spannend, da die Weine bunt gemischt nach Herkunft, Sorte und Jahrgang gereicht wurden. Ich wusste nicht, was mich erwartet, aber eine solche wirkliche Blinddegustation ist fordernd und macht, auch wenn ich durchaus Erfolge beim Zuordnen hatte, auch etwas demütig in Bezug auf das eigene Weinwissen ….

Trotz teils auch deutlich teurerer „Konkurrenz“ stach ein Wein aus allen hervor, eben der Ungerberg 2015 des Weingutes Pittnauer aus Gols. Der Wein befindet sich in der ersten Trinkreife und wirkt einfach berührend – eben, zaubert ein Lächeln ins Gesicht!

Bio-dynamisch – und „weniger ist mehr“ im Keller

Gerhard und Brigitte Pittnauer – Mitglieder bei Pannobile – bewirtschaften ihr rund 18 Hektar grosses Gut seit rund 15 Jahren nach bio-dynamischen Grundsätzen und halten sich im Keller so weit wie möglich mit Eingriffen zurück. Der Ungerberg, bekannterweise eine Top-Lage (auch wenn der Ausdruck „Berg“ masslos übertrieben ist), bringt auf perfekte Art Finesse, Druck und Tiefe gleichzeitig – und das bei einem vorbildlich tiefen Alkoholgehalt von nur 12,5 % vol.!

Die Etiketten des Gutes sind künstlerisch gestaltet; den Text zum Ungerberg konnte ich zwar teils entziffern, aber die Bedeutung ist wohl Geheimnis des Künstlers.

Blaufränkisch, Ried Ungerberg, Pittnauer, 2015
Mittleres, schon leicht gereiftes Rubin; sehr feine, vielschichtige, füllige Nase mit roter Frucht, „süssliche“ Anflüge und auch florale Noten; im Mund zuerst sehr feingliedrig und elegant wirkend, dann aber auch mit viel Druck, tolles Tannin, gute Säure, „saftig“, sehr langer Abgang. Toller, berührender Wein. 18 Punkte.
Ich durfte den Rest der Flasche nach Hause nehmen und konnte ihn am Abend zufällig zu einem Schmorbraten geniessen – der Wein wirkte zum Essen noch grossartiger und hielt auch der konzentrierten Sauce problemlos Stand. Ich wäre geneigt gewesen, noch einen halben Punkt in der Bewertung nachzubessern ….

Der Wein ist sogar noch im Handel erhältlich:
Weingut Gerhard Pittnauer Blaufränkisch Ried Ungerberg 2015, Bio, 0,75 l – 9Weine (neunweine.ch)

pittnauer.wine (die Site des Weingutes ist leider noch nicht aktiv, man kann sich aber für einen Newsletter anmelden)

sylvia petz * Agentur für organisierten Genuss – Trophée Gourmet A la Carte für G. & B. Pittnauer (sylvia-petz.at) (ein schönes Kurzportrait des Weingutes)

Und ein anderer herrlicher Ungerberg:

Hier noch ein Link auf einen früheren Beitrag in meinem Blog über einen anderen herausragenden Wein vom Ungerberg – ebenfalls bio-dynamisch! (Dort gibt es auch zwei Bilder vom Ungerberg).
Ungerberg 2012 von Paul Achs: Blaufränkisch vom Feinsten! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)


Interessennachweis:
Der Wein wurde im Rahmen einer privaten Degustation bei einem Weinfreund blind degustiert.

Frankreich oder Südafrika? Beides, wenn es um Chenin blanc geht!

Chenin blanc ist eine jener weissen Sorten, die leider viel zu wenig Beachtung erhalten. Dabei ergibt diese Rebe auf sehr hohem Niveau einfach alles: Vom Schaumwein bis zum Süsswein, und dazwischen tolle trockene wie auch feinherbe Weine. Hier zwei besonders gelungene Chenin blanc aus Frankreich und Südafrika.

Hand auf’s Herz: Wie oft im Jahr trinken Sie einen Chenin blanc? Selten bis nie? Sorry, aber Sie verpassen grossartigen Genuss! Für mich persönlich gehört sie zu den allerbesten Weissweinsorten und ich vergleiche sie gerne mit dem Riesling, der auch ein Alleskönner auf höchsten Niveau ist. Selbst geschmacklich gibt es gewisse Parallelen. Vielleicht bringt der Riesling etwas elegantere Weine hervor, während die Chenin blanc in der Regel voluminöser und kräftiger daherkommt. Eine Verwandtschaft zwischen den Sorten besteht nach heutigem Wissen nicht – belassen wir es also bei einer von mir frei erfundenen „Seelenverwandtschaft“.

Der erste Nachweis der Sorte stammt aus dem 9. Jahrhundert im Anjou – also an der mittleren Loire, wo die Sorte heute noch die wichtigste Stellung einnimmt (Quelle: Pierre Galet, Cépages et Vignobles de France). Das grösste Anbaugebiet befindet sich allerdings in Südafrika, wo mit rund 17’000 Hektar mehr als die Hälfte der weltweiten Anbaufläche gepflegt wird. Frankreich folgt mit rund 9’500 Hektar.

Eine Art Vermächtnis der grossen Weinpersönlichkeit Anne-Claude Leflaive

Ich habe kürzlich einen besonders gelungenen Wein aus Südafrika im Glas gehabt, was mich spontan daran erinnerte, dass noch eine Flasche von der Loire im Keller steht, die ich schon lange probieren wollte – ein Clau de nell, dem heute 12 Hektar grossen Loire-Weingut der leider verstorbenen grossen Weinpersönlichkeit Anne-Claude Leflaife. Sie kaufte das rund 25 Km westlich von Saumur gelegene Anwesen im Jahr 2008 zusammen mit ihrem Ehemann Christian Jacques, der das Gut heute noch führt, und rettete es damit vor dem Bankrott. Wie im Burgund wird auch hier nach den Prinzipien der Biodynamie gearbeitet. Anne-Claude Leflaive war es auch, welche den Anbau der Chenin blanc auf dem Gut wünschte. 2015 konnte der erste Jahrgang geerntet werden. Damit war es der im gleichen Jahr verstorbenen „Grande Dame“ leider nicht mehr vergönnt, ihren eigenen Chenin blanc zu verkosten.

Zwei nicht gleichnamige Brüder mit grossem Sozialengagement

Der südafrikanische Wein, der mich begeisterte, stammt vom Weingut Stellenrust, das im Vergleich mit Clau de nell riesengross ist: 250 Hektar stehen hier unter Reben. Das südlich von Stellenbosch gelegene Gut befindet sich in Familienbesitz und wird auch durch die Besitzer Tertius Boshoff und Kobie van der Westhuizen geführt. Die Reben für den degustierten Wein sind 55 Jahre alt. Stellenrust, das gesamthaft 400 Hektar gross ist, machte auch durch soziales Engegement auf sich aufmerksam: Man beteiligte 55 Arbeiterfamilien als Mehrheitsaktionäre an 100 Hektar Farmland, die sie als eigene Parzelle bewirtschaften, ernten und ausbauen dürfen. So initialisierte man eines der besten und erfolgreichsten „black empowerment projects“ auf dem ganzen Kontinent (Quelle: eggerssohn.com)

Degustationsnotizen:

Stellenrust 55 Barrel Fermented Chenin blanc, 2019
Eher helles Gelb, „süssliche“ Frucht nach Papaya und Quitte, etwas rauchig; im Mund rund und sehr dicht, tolle, gut eingebundene Säure, welche ein schönes Wechselspiel mit einer leichten Restsüsse (4,1 g) eingeht, langer Abgang. Sehr schöner, etwas opulenter, aber trotzdem frischer Wein. 17,5 Punkte.

Clau de nell, Chenin blanc, 2020
Mittleres Gelb, fruchtig (Wassermelone) und würzig (reife Koriandersamen), frisches Gras, wirkt etwas „wild“; enorme mineralische Frische im Mund, schöne Säure, dezente Frucht“süsse“, schöne Struktur, leichter, aber nicht störender Medizinalton im langen Abgang (verschwand nach einem Tag in der Flasche). Frischebetonter, etwas wilder und doch eleganter Wein, der noch sehr viel Reserven hat. 17,5 Punkte.

Fazit: Da standen zwei Chenin blanc nebeneinander, die unterschiedlicher kaum sein könnten, die aber beide grossartig sind. Einerseits der schöne und gehaltvolle Schmeichler aus Südafrika, der wohl allen gefällt. Andererseits der biodynamische Loire-Wein, der durch seine etwas wilde Art manchen nicht auf den ersten Schluck zugänglich sein dürfte, der aber ungemein vielschichtig ist. Er kommt mir vor wie eine Person im perfekten Anzug oder Kostüm, die etwas künstlerisch zerzauste Haare hat. Ich persönlich finde ihn grossartig.

Die beiden Weine zeigen perfekt, wie unterschiedlich Weine aus dieser Sorte gekeltert werden können. Und dabei ist das ja nur ein ganz kleiner Ausschnitt. Wer Chenin blanc auslässt, ist wirklich selber schuld!

Accueil – Clau de nell
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Bezugsquellen u.a.:
Schweiz: Kapweine und Paul Ullrich für Stellenrust / Gerstl für Clau de nell
Deutschland: Eggerssohn und Ludwig von Kapf / Lobenberg und Vinaturel


Interessennachweis: Beide Weine wurden im Weinhandel gekauft.

Ein herrlicher Riesling vom Schweizer Weingut des Jahres.

Vorgestern wurde das Weingut „Cave du Rhodan – Mounir Weine“ aus Salgesch zum Schweizer Weingut des Jahres 2022 gekürt. Das ist für Kenner natürlich keine Überraschung und hochverdient. Mir gibt es den perfekten Anlass, über einen schon vor einigen Monaten degustierten (Rhein-)Riesling des Gutes zu berichten, der den Vertretern vom Rhein das (Rhone-)Wasser absolut reichen kann.

Cave du Rhodan ist wohl jenes Weingut, über das ich schon am meisten geschrieben habe (Links siehe am Schluss des Artikels). Im Frühjahr konnte ich einen Riesling des Gutes probieren, dessen Qualität mich begeisterte. Die Degustationsnotizen liegen seither herum, ich habe sie bisher noch nicht gepostet, weil ich ja nicht immer „nur“ über die gleichen Produzenten schreiben will.

Dass das Weingut von Sandra und Olivier Mounir nun aber am Grand Prix des Vins Suisse, einem von Vinum und Vinea gemeinsam durchgeführten hochkarätigen Wettbewerb, zum „Weingut des Jahres 2022“ erkoren wurde, gibt sicher den perfekten Anlass, über den Riesling zu berichten, Denn die Qualität hat es in sich.

Riesling von der Rhone? Aber klar!

Riesling gehört an den Rhein und seine Nebenflüsse! Allenfalls noch an die Donau in Oesterreich. Aber an die Rhone? So abwegig ist das aber gar nicht, denn im Wallis gedeiht, klug angesetzt, bearbeitet und vinifiziert, ja fast das ganze Konzert der bekannten Rebsorten. Und das Gut Desfayes-Crettenand hat schon vor über drei Jahrzehnten gezeigt, dass man im Wallis sehr wohl honorigen Riesling produzieren kann.

Symbolbild: Walliser Weinlandschaft zwischen Salgesch und Sierre. Aufgenommen übrigens an der Rue de la Petite Arvine, unweit der Gemeindegrenze!

Die Reben für den Riesling „Diversitas“ wurden erst 2015 gepfanzt und werden biologisch bewirtschaftet. Ausgebaut wird der Wein je zu einem Drittel im Holzfass, in der Amphore und im Stahltank. Ich habe für die Degustation bewusst einen deutschen Rielsing des gleichen Jahrgangs aus dem Keller geholt. Die Wahl fiel auf den „Tonschiefer“ 2019 von Dönhoff. Dieser ist zwar nicht die alleroberste Klasse dieses Spitzenweingutes, aber ist immer ausgesprochen gelungen und stellte schon mal eine richtige Hürde dar.

Rhone vs. Nahe: 1 : 1 (oder 35 : 34,5)

Das Resultat dieses Vergleichs: Der Diversitas von der Rhone obsiegt klar! Natürlich hinken solche Vergleiche immer ein wenig, voeliegend um so mehr, als die Stilistik doch ziemlich verschieden ausfällt. Trotzden: Der Tonschiefer ist ein wunderschöner Wein, aber der Diversitas ist dichter und vielschichtiger.

Entsprechend wurde die Latte danach deutlich höher gelegt. Als Vergleich diente nun ein Grosses Gewächs aus dem Jahr 2018 (also ein Jahr gereifter als der Diversitas), der Goldloch von Diel. Wie schon bei Dönhoff bekam es die Cave du Rhodan also wieder mit einem der ganz grossen Namen zu tun.

Nun, in diesem Vergleich behielt Deutschland ganz knapp die Oberhand. Allerdings braucht sich der Diversitas selbst hier nicht zu verstecken, letzlich waren es Nuancen, welche in meiner Wertung den Ausschlag für Diel gaben. Auch in diesem Vergleich bringt der Diversitas mehr Dichte und Konzentration mit, aber das Grosse Gewächs von Diel war eine Spur finessreicher, komplexer, eleganter und wohl halt auch „Riesling-typischer“. Der Goldloch 2018 ist ein absolut grossartiges Gewächs (96 Punkte James Suckling), und wenn da ein – noch dazu günstigerer – Wein aus dem Wallis praktisch mithält, dann gibt es nur eines: Chapeau, Sandra und Olivier Mounir. Und herzliche Gratulation zu diesem Riesling und natürlich zum Schweizer Weingut des Jahres!

Die Degustationsnotizen:

Riesling Diversitas 2019, Caves du Rhodan
Helles Gelb, dezente, aber sehr vielschichtige Nase, Stachelbeere, neckische Anfüge von Ananas und Lychee, auch etwas grüne Noten, etwas Muskat; im Mund mit aussergewöhnlicher Frische, mineralisch, sehr dicht gewobener Körper, „saftg“, schön angepasste Söure, ganz leicht spürbares Holz, das aber sehr gut eingebunden ist, den relativ hohen Alkoholgehalt (13,5 %) spürt man überhaupt nicht. Langer Abgang. Eigenständiger aber nicht untypischer Riesling, toll gemacht! 17,5 Punkte.

Tonschiefer 2019, Dönhoff
Helles Gelb; gradlinie Nase, zuerst mit etwas Petrol, mit etwas Luft dann weisse Johannisbeeren, Stachelbeeren und Fliederduft; im Mund recht dicht mit enormer Fruchtigkeit und einem Touch von Fruchtsüsse, prägnante, aber schöne Säure. Mittlerer Abgang. Schöner, erfreulicher Wein. 16,5 Punkte.

Dorsheim Goldloch 2018, GG, Schlossgut Diel
Mittleres Gelb mit grünen Reflexen; feine Nase mit Stachelbeere, Aprikose und weissem Pfirsich, würzige Noten; im Mund mieralisch, dicht, finessereich und fruchtig, mundfüllend aber trotzdem nicht langweilig „rund“ wirkend, langer Abgang. Grossartiger Wein, 18 Punkte.

Link zum Weingut:
Walliser Weine aus Salgesch direkt beim Winzer kaufen | Cave du Rhodan

Und zum Grand Prix du Vin Suisse 2022:
https://www.vinum.eu/fileadmin/user_upload/Awards/GPVS/GPVS_2022/GPVS_2022_Pressemitteilung_Die_Gewinner_und_alle_Resultate.pdf

Hier die Links auf frühere Artikel:
Handeln statt jammern! Cave du Rhodan ist erneut innovativ. Und ein toller Pinot dazu. – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
Domaine Trong der Cave du Rhodan: (bio-)dynamisch an die Spitze! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
Corona macht erfinderisch: spannende Online-Degustationen zum Mitmachen! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
Walliser Weine: Spitzenklasse! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)


Interessennachweis:
Der Diversitas der Cave du Rhodan wurde mir als Dankesgeste nach meinem Artikel über den Pinot noir zusammen mit einer Flasche jenes Weines ohne jede Verpflichtung zugestellt. Die beiden deutschen Rieslinge wurden im Handel gekauft.

Nichts geht über persönliche Beratung: Es lebe das gute Wein-Ladengeschäft !

Eine perfekte Beratung als bester Beweis, dass das Ladengeschäft eine Zukunft hat! Man kann zwar online vieles selbst recherchieren, aber den persönlichen Tipp kann nichts ersetzen. Ein grosses Lob auf die Weinhandlung Bau au Lac, welche die gestellte „Aufgabe“ voll erfüllt hat!

Es waren noch ein paar Minuten bis zur Abfahrt meines Zuges im Zürcher Hauptbahnhof: Die Chance, einmal in die Weinhandlung von Baur au Lac einzutreten, in der ich bisher noch nie etwas gekauft hatte. Meine Absicht war klar, ich wollte neue Weine kennenlernen, und so lautete mein Wunsch: „Empfehlen Sie mir bitte je einen Weiss- und einen Rotwein bis höchsten 40 Franken, möglichst unbekannt in Bezug auf Produzent und Traubensorte.

Weinberatung, die sich gelohnt hat: Zwei tolle Entdeckungen dank guten Tipps!

Ein kurzes Zögern war zwar da beim jungen Weinberater, aber dann empfahl er mir zuerst einen Ribolla Gialla aus dem Friaul und liess sich auch nicht von meiner Ablehnung aus dem Konzept bringen – dass er ausgerechnet eine meiner Lieblingssorten erwischt hatte, konnte er ja nicht ahnen. Aber der Ratschlag wäre schon mal sehr gut gewesen.

Santa Cruz de Artazu blanco 2015

Neuer Versuch, und diesmal liess ich mich auf den Vorschlag ein: Ein Garancha blanca aus Navarra von den Bodegas y Vinedos Arazu.

Das Weingut gehört zu einer 1985 von verschiedenen Winzern gegründeten Wein-Zusammenarbeit, zu der auch Güter in Alava und Gipuzkoa sowie bei Alicante gehören. Heute wird es von Juan Carlos López de Lacalle und seiner Familie geführt, die einen hohen Qualitätsanspruch pflegt und eine konsequente Terroirphilosophie verfolgt. Juan Carlos‘ Steckenpferd ist die Rebsorte Garnacha. Seit 2011 werden die Weinberge unter dem Leitspruch „Sensibilität für die Natur und unermüdliches Arbeiten führen uns zum Erfolg“ nach biodynamischen Richtlinien bewirtschaftet. Die Reben der Bodega Artazu liegen im gleichnamigen Dorf in der nördlichen Navarra auf einer etwas kühleren Höhe von bis zu 600 Metern.

Und der Wein? Grossartig!
Mittleres Gelb, mineralisch, dezente, feine Frucht nach Zitrus, Aprikosen, Stachelbeeren und Papaya, leichter Anflug von frischem Weisskohl (nicht negativ!); auch im Mund sehr mineralisch, dazu eine eigentliche „Fruchtexplosion“, schöne, präsente Säure, etwas Tannin, spürbarer aber nicht übertriebener Holz-Touch, mittlerer Abgang. Toller, immer noch jugendlich wirkender Wein der sogar noch zulegen wird. 17,5 Punkte.

Terra di Rosso, Piedirosso 2017, Azienda Agricola Biologica Galardi

Beim Rotwein wurde mir dann gar eine Traubensorte ermpfohlen, die ich wirklich noch nie im Glas hatte. Die „Piedirosso“ heisst nicht zufällig so, ist doch das Rebholz etwas rötlich. Sie soll schon in der Antike durch die Griechen nach Süditalien gebracht worden sein. Offenbar ist sie als „columbina purpurea“ schon zur Römerzeit unkundlich erwähnt.

Die Azienda Galardi liegt an Kampaniens Grenze zu Latium, rund 80 Kilometer nördlich von Neapel. Auf einer Meereshöhe von 400 m erhalten die Trauben hier viel Sonne, aber auch genügend Abkühlung. Der Boden ist vulanischen Ursprungs. Das Weingut zählt rund 10 Hektar und arbeitet biologisch.

Und auch dieser Tipp, sehr gut!
Mittleres Purpur; Kirschen, Brombeeren, etwas Lakritze, Lorbeer; im Mund vollgepackt mit feinen Tanninen, spürbare, schöne Säure, mittlerer Körper, sehr fruchtbetont im Mund, langer Abgang. Schöner, eigentständiger Wein – eine tolle Entdeckung! 16,5 Punkte.

Zusammengefasst: Ein Hoch auf einer persönliche Weinberatung im Laden. Ich hatte gar nicht nach biologischem Wein gefragt und war zuhause um so positiver überrascht, dass sogar dieser unausgesprochene Wunsch erfüllt wurde – dabei sehe ich doch gar nicht so alternativ aus 🙂
Für mich persönlich zwei tolle Entdeckungen, von denen ich nachkaufen werde. Und für Baur au Lac: Eine von mir bisher kaum frequentierte Weinhandlung hat sich als beachtenswert eingeprägt.

Links zu den Weinen:

Santa Cruz de Artazu blanco 2015 – Navarra (bauraulacvins.ch)
Terra di Rosso 2017 – Campania (bauraulacvins.ch)

und Links zu den Winzern:

HISTORY (bodegasartazu.com)
HOME | GALARDI

(Quellen für die Beschriebe der Bodegas und Weinsorten: Homepage Baur au Lac, Homepages der Güter sowie Wikipedia)

Die perfekte Online-Degustation? „Österreich Wein“ weiss wie!

Weine probieren und gleichzeitig mit dem Winzer fachsimpeln? Neue Kontakte knüpfen? Unbekannte Weine kennenlernen? Das geht alles, wenn man das Format wählt, das Österreich Wein für eine Onlinedegustation angewandt hat. Vorbildlich und zukunftsträchtig!

Österreich Wein hat es in der Schweiz schon seit zwei Jahrzehnten verstanden, mit cleveren und innovativen Aktionen auf die hervorragenden Tropfen aus dem Nachbarland hinzuweisen. Mitte Oktober hat die Marketingorganisation für den österreichischen Wein aber einen neuen Meilenstein gesetzt. Für ein Fachpublikum war eine Onlinedegustation der anderen Art ausgeschrieben.

Kurz zusammengefasst, konnte man aus einer Vielzahl von Winzern deren 12 auswählen, und von diesen wurden kurz vor der Degustation je 6 Weine in Kleinflaschen zu einem dl zugestellt. Die Onlinedegustation dauerte den ganzen Tag, und es war für jeden Teilnehmer möglich, für jeweils 15 Minuten eine individuelle Onlineschaltung mit dem Winzer zu buchen. Mit anderen Worten, man konnte die Weine degustieren und gleichzeitig mit den Machern der Weine darüber fachsimpeln! Darüber hinaus war es auch möglich, Online-Diskussionen mit anderen Winzern oder Fachpersonen abzumachen. Alles in allem: ein geniales Format, welches das Potential zeigt, das in Online-Veranstaltungen steckt! Und das nicht nur für ein Fachpublikum – ich hätte auch einfach als Weinfreund durchaus etwas bezahlt, um zu einer solchen Gelegenheit zu kommen. Schliesslich liegen die österreichischen Weinbaugebiete ja nicht gleich um die Ecke!

Wein-Schlaraffenland: 72 Weinmuster direkt aus österreichischen Kellern! Im Kühlschrank für die Online-Degustation bereit. Milch, Käste und Konsorten mussten derweilen an die Wärme …

Eindrücklich war gesamthaft auch die Qualität der präsentierten Weine. Kaum einer fiel ab, und für mich erwies sich die Degustation ein ganzes Reservoir für kommende Beiträge. Dabei hatte ich – mit zwei Ausnahmen wie nachstehend beschrieben – bewusst nicht die grossen Namen ausgewählt, vielmehr mir ganz oder wenig bekannte Güter berücksichtigt, um Neues kennenzulernen. Das gelang, und wie!

Sehr positiv aufgefallen sind mit dem Gesamtsortiment Namen wie Kiss und Leitner aus dem Burgenland sowie Wohlmuth aus der Südsteiermark, zu welchen ich noch einen separaten Beitrag schreiben werde. Aber auch die beiden genialen Naturweine von Kolkmann (2018 Wagram Grüner Veltliner „Naturwerk“) und Markus Huber (2020 Weinland, Grüner Veltliner „Metamorphosis Natural Wine) sind einer genaueren Betrachtung wert:

Kolkmann: Mitteldunkles, volles Gelb; Apfel (Boskoop und Cox-Orange), exotische Früchte wie Papaya und Mango, ganz leicht medizinal; im Mund extrem dicht gewoben, „süsslich“ wirkend ohne gross Restsüsse aufzuweisen, schöne Säure, fruchtbetont. Ein Naturwein zum Verlieben, 17 Punkte

Huber: Helles Gelb mit grünlichen Noten; in der Nase mit sehr feinen Tönen nach Muskat (man könnte an einen Gelben Muskateller denken), Zimt und Mirabellen; schöne, elegante Struktur, enorme Frische, leichter, aber schöner Bittertouch im langen Abgang. Schöner, erfrischender und eigentlich mit Nichts an einen Naturwein erinnernder Tropfen. 16,5 Punkte.

Dabei hatten es alle erwähnten Güter ja wirklich nicht einfach, denn ich hatte den Tag mit Bründlmayer und Jurtschitsch begonnen, Und ja, da ging ein qualitatives Feuerwerk ab! Sieht man einmal bei Bründlmayer – ausgerechnet – vom etwas „mostigen“ GV Selektion Mövenpick ab, überzeugten alle Weine auf einem extrem hohen Niveau. Es war spannend, die Weine der beiden Güter gleich nacheinander im Glas haben zu können. Auf der einen Seite die eleganten, fein ziselierten Weine von Bründlmayer, auf der anderen die kräftigeren, vielleicht auch „burschikoseren“ Tropfen von Jurtschitsch – aber beide auf einer qualitativen Höhe, vor der man nur den Hut ziehen kann. Und für alle, die es nicht wissen: Die beiden Betriebe arbeiten bio-dynamich bzw. biologisch – ein Beispiel mehr dafür, dass führende Betriebe mit der Natur arbeiten!

Besonders erwähnenswert sind bei Bründlmayer der Grüne Veltliner 2019 „Ried Kammerer Lamm“ und der Riesling 2019 „Ried Zöbinger Heiligenstein“, beides hochelegante, aber gleichzeitig extrem dichte und irgendwie auch monumentale Weine. Bei Jurtschitsch begeisterten ebenfalls der Riesling 2019 „Ried Heiligenstein“ sowie der Grüne Veltliner 2019 „Ried Käferberg“ am meisten, beide eine Spur kräftiger und zupackender, aber trotzdem auch mit einer sehr eleganten Seite. (Sehr positiv aufgefallen ist übrigens auch der Grüne Veltliner 2020 „Belle Naturelle“, ein toller Naturwein, der 10 Tage offen an der Maische vergoren wurde, 10 Monate auf der Feinhefe verbrachte und mit nur 10 mg schwefliger Säure an den Weinfreund entlassen wurde. Zusammen mit den beiden oben erwähnten „Naturweinen“ ein perfekter Botschafter für diesen Weinstil.)

Zurück zu Bründlmayer vs. Jurtschitsch: Die Qualitäten beider sind grossartig, und letztlich ist vieles auch eine Stil- bzw. Geschmacksfrage. Für mich persönlich ist es ein Unentschieden auf extrem hohem Niveau.

Und wenn Sie sich jetzt vor Augen führen, wie sehr mir später am Tag viele andere Weingüter gefallen haben, dann zeigt das nur, wie hoch das Qualitätsniveau in Österreich inzwischen ist. Und die Marketing-Organisation „Österreich-Wein“ lässt sich von diesem Qualitätsdenken ganz offensichtlich mitreissen!

Vielleicht bietet sie ja das gleiche Format demnächst auch für die breite Wein-Öffentlichkeit an? Ich bin überzeugt, dass das Zukunft haben wird.

Maximilian Greiner – wer sich diesen Namen nicht merkt, ist selber schuld!

A BLACK FOREST LANDWEIN. MADE WITH LOVE“. Was auf jeder Flasche des Weingutes Greiner steht, kann man sehr gut als Programm nehmen. Was Jungwinzer Maximilian Greiner abfüllt, hat Charakter und zeugt von viel Hinwendung. Diesen Namen muss man sich einfach merken, der wird ganz schnell ganz stark im Gerede sein, da bin ich mir sicher!

Greiner ist gelernter Tonnelier und liess sich später auch in Geisenheim ausbilden. Inzwischen ist er nicht nur Winzer (seit Jahrgang 2017), sondern auch schon als Berater für andere Weingüter tätig. Seine Gut befindet sich in Obereggenen, je rund 40 Autominuten von Freiburg im Breisgau und von Basel entfernt. Und Schwarzwald, wenn auch am Rand, stimmt durchaus und ist nicht nur ein Marketing-Gag.

Den Tipp zu diesem Winzer verdanke ich Otto Hintermeister, „Vinotti“ (siehe unten, Bezugsquelle). Bei einem Besuch in seinem Laden schwärmte er von Greiner, und er liess sich auch erweichen, mir von einer kleinen Vorauslieferung je eine Flasche zu verkaufen. Auf dem Weingut selbst war ich leider noch nicht, das werde ich aber mit Sicherheit nachholen – da wächst nicht nur etwas heran – da ist schon etwas Grossartiges da!

Und so ganz am Rand, aber einmal mehr bemerkenswert: Greiner pflegt einen nachhaltigen Umgang mit der Natur und arbeitet nach bio-dynamischen Grundsätzen (gemäss Vinotti demnächst auch zertifiziert). Ich mache keine Religion daraus und berichte auch über konventionell hergestellte Weine, aber es ist schon auffällig, wie oft bei wirklich grossen und vor allem eigenständigen Weinen auch ein entsprechender Umgang mit der Natur, und oft eine bio-dynamische Bewirtschaftung, dahinter stehen! Dem werde ich, sobald ich Zeit habe, einmal noch näher nachgehen.

Weinparade aus dem Schwarzwald: Maximilian Greiners tolle Gewächse!

Chasselas (Gutedel) 2020
Helles, grünliches Gelb; Stachelbeere, weisser Pfirsich, Zitrus, Anflug von Nüssen, leichter Hefeton; eher tiefe Säure, aber enorme Frische, fein strukturiert, geschmacklich dezenter, aber sehr langer Abgang. Vielschichtiger, irgendwie etwas „wilder“ Wein, sehr ausdruckvoll, eine eigene Spielart des Chasselas/Gutedel, erinnert ein wenig an den Stil von Ziereisen. Für mich ein grossartiger Wein, der für Schweizer Chasselas-Trinker aber vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig ist, Preis/Leistung unglaublich. 16,5 Punkte (= sehr gut)

Chardonnay 2018
Mittleres bis helles Strohgelb; dezent exotische Note nach Papaya und Banane, starker Duft nach Apfel („Tobiässler“, falls das noch jemand kennt), süsslicher Anklang von Honig, die ganze Nase aber eher dezent und nobel, auch mit etwas krautigen und hefigen Anklängen; im Mund dichte Struktur, mittlere, gut stützende Säure, fruchtbetont, Holz nur dezent spürbar, dafür merkbare, „neckische“ Fruchtsüsse, leicher Bitterton im langen Abgang. Toller Wein, 17,5 Punkte (= sehr gut)

Rosé Saignée 2019
Glänzendes lachsrot; Enormes, sehr schönes Fruchtbuquet mit Pfirsich, Himbeer, Zwetschen und einem leichten Nuss-Touch; im Mund frisch mit schöner Säure, erstaunliche Struktur mit leicht spürbaren, sehr feinen Tanninen, wunderbar elegant mit sehr langem Abgang. Ein Traumwein, der selbst mich zum Rosé-Fan machen könnte! Süffig und gleichzeitig so gut strukturiert, dass er auch als Essensbegleiter zu vielen Gerichten passt. (17 Punkte = sehr gut – wenn ich mich richtig erinnere, habe ich mein ganzes Leben lang noch nie einem Rosé eine so hohe Note vergeben).

Spätburgunder 2018
Helles, glänzendes Rot; zuerst etwas muffig wirkend, sogar leichter Lackton, nach etwas Belüftung dann reintönig, sehr fruchtig und sortentypisch, Himbeere, Johannisbeere, aber auch etwas Tabak und Lorbeer; im Mund spürbare, gut eingebundene Säure, strenge, leicht trocknende, aber feine Tannine, tolle Struktur, „feurig“, trotz einer gewissen Rustikalität sehr elegant, sehr langer Abgang. Zwingend dekantieren! 16 Punkte (= gut am oberen Ende der Skala).

Pinot Noir „Vulkan“ 2018
Mittleres Rot, das schon wir leicht gereift wirkt; wunderbare, vielschichtige Pinot-Nase, Johannisbeere, Himbeere, Walderdbeere, minimaler Holz-Touch; enorm frisch, sehr gehaltvoll und dicht, vollgepackt mit sehr feinen Tanninen, spürbare Säure, gesamthaft sehr ausgewogen. Im Abgang, „burgundisches Feuer“, ohne akoholisch zu wirken. Grosser Wein! 18 Punkte (= hervorragend)

Weissburgunder und Sekt 2018
Nicht beschreiben kann ich leider den Weissburgunder 2018, diese Flasche hatte leider einen Korkfehler. Soweit beurteilbar, ist das aber ebenfalls ein grandioser Wein; seine Struktur ist aussergewöhnlich. Auch den Sekt 2018 beschreibe ich nicht. Aus diesem Jahrgang lässt sich aufgrund der Fein- und Reinheit des Weines ableiten, dass auch der Schaumwein dereinst Furore machen könnte. Mir persönlich war dieser Jahrgang, obwohl ich Säure sehr mag, aber schlicht und einfach zu säurebetont.

Weingut GREINER (weingut-greiner.com)

Und die erwähnte Bezugsquelle in der Schweiz, bis zum 22.8.2021 noch zum Subskiptionspreis:
Weingut Greiner – VINOTTI

Schliesslich noch ein Verweis auf eine andere Homepage, welche die Einstellung von Greiner schön wiedergibt:

Badischer Weinbahnhof (badischer-weinbahnhof.ch)

Marc Kreydenweiss: Elsässer Weine der anderen Art. Gross-Artig!

Die Weine des Marc Kreydenweiss verfolge ich jetzt schon seit 30 Jahren. Während sie damals schon hervorragend waren, habe sie mit den Jahren noch eine Dimension dazu gewonnen: sie sind heute einzigartig! Nicht für jedermann, aber wer diese Art von Weinen (von Riesling) mag, wird im siebten Himmel schweben!

Völlig zu Unrecht sind die Weine des Elsass – auch bei mir – etwas aus dem Fokus geraten. Dabei gibt es immer mehr zu entdecken. Und dazu gibt es die Evergreens, wobei sich diese ebenfalls weiterentwickeln. So wie Marc Kredenweiss aus Andlau.

Als er 1989 auf biodynamischen Weinbau umstellte, war er einer der Pioniere. Und er wurde von der Weinwelt und seinen Winzerkollegen schlichtweg für verrückt erklärt. Dabei schaffte er es von Anfang an, wundervolle Weine herzustellen. Allerdings waren das anfangs der 1990-er Jahre noch Weine, die sich stylistisch kaum von anderen Rieslingen unterschieden. Ich war damals bei Divo tätig, und wir nahmen Kredenweiss ins Sortiment auf, weil er einfach hervorragende Weine herstellte, weit über dem damaligen Standard im Elsass.

Kreydenweiss hat sich aber über die Jahre weiter entwickelt. Und inzwischen ist sein Sohn Antoine für die Domaine verantwortlich, und auch er hat nochmals einen Schub in das Weingut gebracht. Angesichts der beiden nachfolgend beschriebenen Weinen scheint mir sein Statement auf der Website des Gutes geradezu Programm:

„Ma vision est de produire des vins d’expression singulière, des vins de lieux et de terroirs sans concession et artifice, sans dogme et sans limite. Je laisse fermenter les vins naturellement, ils sont élevés sur lies, (parfois jusqu’à 3 ans) avec un minimum de sulfites. J’aime les vins vibrants avec des bouches texturées, des vins qui ne rendent pas indifférents mais qui ne plaisent pas à tout le monde, des vins qui me ressemblent„.

Die beiden Weine, di3 ich hier beschreibe, legen Zeugnis davon ab. Wer sich mit der üblichen „Riesling-Erwartung“ diesen Weinen nähert, wird wohl enttäuscht sein. Da ist nichts von frisch-fruchtigen Noten, vielmehr wirken die Weine in der Nase fast etwas exotisch. Natürlich nicht typisch Riesling, aber mitreissend, spannend, einzigartig. Wer hatte denn schon einen Wein im Glas, der in der Nase wie ein Sauternes (oder eine Riesling-TBA) duftet, dabei aber knochentrocken ist? Und dann im Mund: Auch da nicht das Gewohnte, aber dennoch schon viel mehr der klassische Riesling: kraftvoll und dennoch elegant, enorm frisch, mit sehr langem Abgang.

Zwei Andlauer Grand Crus: Klare Handschrift, deutliche Unterschiede. Gemeinsamkeit? Beide grossartig?

Kastelberg Grand Cru, Riesling, 2015
Mittleres Strohgelb mit orangen Reflexen; „süssliche“ Düfte nach Aprikosen, Mango, Lederapfel (ich weiss, das kennt kaum mehr jemand – eine wundervolle alte Sorte), Waldhonig, dazu Lindenblüten. Erinnert fast ein wenig an einen Sauternes (wobei Botrytis fehlt). Im Mund enorm dicht, extrem frisch, schöne Säure, elegant, fast unendlich langer Abgang, in welchem das einzige Mal der hohe Alkoholgehalt (nicht negativ) spürbar wird. Ein Wahnsinn von einem Wein, wirkt optisch und in der Nase schon sehr gereift, ist aber erst am Anfang seiner Entwicklung. Atypischer Riesling, der nicht allen gefallen wird. Ich finde ihn schlicht grossartig! 18,5 Punkte (= herausragend).
NB: Ich verteilte erst seit einigen Monaten in meinem Blog Noten. So hoch habe ich bisher noch nie bewertet.

Moenchberg Grand Cru, Pinot gris 2016
Helles bis mittleres Strohgelb; exotische Düfte, ohne exotisch zu wirken: Papaya, Passionsfrucht, Honig, Stachelbeere, Holunderblüte; im Mund frisch, druckvoll und gleichzeitig ungemein „tänzerisch“, langer Abgang. Weniger ausladend als der Kastelberg, dafür filigraner und feingliedriger. Toller Wein! 18 Punkte (= ausgezeichnet).

Wie es Antoine Kreydenweiss beschrieb: Die Weine werden nicht jedermann gefallen (es wird ausdrücklich vor grösseren Blindkäufen gewarnt!). Aber wem sich diese Weine erschlossen haben, der wird sich in sie verlieben und eine neue Dimension von Wein – und von Riesling – erleben!

Der Clou zum Schluss: Wo habe ich diese Weine wohl gekauft? Bei einem spezialierten Händler? Bei einem Anbieter, der biodynamische Weine führt? Weit gefehlt: bei Coop! Das lässt ja darauf hoffen, dass solche Weine dereinst mehrheitsfähig werden. (Aktuell ist „nur“ der einfache Riesling 2017 im Angebot).

The Domain (kreydenweiss.com)