Liesch Weine: still und heimlich an die absolute Spitze der Bündner Herrschaft!

Die kleine Region der grossen Weine“ oder „das Burgund der Schweiz“: Die Bündner Herrschaft bringt in der Tat grossartige Tropfen hervor. Und meines Erachtens gibt es kein zweites Weinbaugebiet in der Schweiz, das auf sehr hohem Niveau ein so homogenes Qualitätsniveau erreicht. Und trotzdem gibt es auch hier immer wieder Entdeckungen! Liesch Weine zum Beispiel, von Parker hoch beehrt aber zu wenig bekannt.

Starten Sie mal eine Wein-Onlinesuche mit den Namen Gantenbein, Donatsch oder Studach. Der Treffer gibt es sehr viele. Und dann machen Sie das mit Liesch Weine: Das Resultat ist viel bescheidener, und dann muss sich Liesch Weine, der Betrieb, dem dieser Beitrag gewidmet ist, die Treffer erst noch mit einem zweiten Produzenten namens Liesch teilen. Dabei haben die Brüder Ueli und Jürg Liesch mit ihren Weinen klammheimlich ein Niveau erreicht, das sie meines Erachtens mit an die absolute Spitze in Graubünden bringt!

Betrieb unter dem Radar der Weinwelt, aber dem Navi und Google bekannt

Man muss nicht nur im Inernet suchen. Auch für einen Besuch auf dem Weingut ist ein Navi empfehlenswert, um auf Anhieb beim Gut „Treib“ der Familien Liesch zu landen. Vor fast 100 Jahren siedelte der Grossvater der heutigen Eigentümer aus Malans aus und baute die landwirtschaftliche Siedlung, die damals als Mischbetrieb geführt wurde. Reben gab es nur wenige, und die Trauben wurden verkauft. Die nächste Generation setzte dann schon etwas mehr auf den Wein. In den 1960er Jahren wurden rund drei Hektar bepflanzt. Ausgebaut wurde der Wein bis 1984 in Malans in einem Gemeinschaftstorkel. Es gab damals zwei Sorten und zwei Weine, natürlich die klassischen Blauburgunder und Müller Thurgau (zu jener Zeit noch Riesling X Sylvaner genannt).

Prächtige Weinlandschaft in den Alpen: Blick vom Weingut das Rheintal abwärts.

Die heutigen Winzer, das sind die Brüder Ueli und Jürg Liesch, haben – mit Ausnahme einiger Ausgleichsflächen – die ganzen sieben Hektar des Gutes mit Reben bestockt – etwa 2/3 mit roten und 1/3 mit weissen Trauben. Aus zwei Sorten sind inzwischen acht geworden (Kleinflächen mitgezählt noch mehr). Und die Anzahl Weine stieg von zwei auf 14!

Wenigstens Stephan Reinhardt hat Liesch Weine für Parker entdeckt

Vor allem aber: Auch wenn Liesch Weine noch immer zu den etwas weniger bekannten Produzenten zählt, qualitativ wurde hier innerhalb kurzer Zeit ein Quantensprung vollbracht. Von zwei auf 94 sozusagen, nämlich von zwei Weinen im Jahr 1990 auf 94 Parker-Punkte im Jahr 2023 (und 93 sowie 92+ noch dazu!).

Diese Leistung der Brüder Liesch kann nicht hoch genug einschätzt werden. Beide haben Winzer gelernt, und beide haben ein Praxisjahr im Anderson Valley in Kalifornien absolviert. Ansonsten sind sie weintechnologisch «Self-Made-Men» und beziehen ihr parkergekröntes Wissen aus der Praxis, aus Selbststudium und aus dem Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, etwa mit den Mitstreitern der Vereinigung «Pinot Rhein».

Jürg und Ueli Liesch: Zwei überaus sympathische, geerdete Weinhandwerker, die gleichzeitig auch enthusiastische Weinkünstler sind. Es gibt übrigens keine Arbeitsteilung, beide können und machen alles auf dem Betrieb – und kommen auch nach 30 Jahren noch gut zusammen aus!

Das innere Feuer brennt, um „fines wines“ zu kreieren!

Immer dazulernen, nie stehenbleiben! Ich kenne einige Winzer in ähnlichem Alter wie die Liesch’s, die langsam genug haben und nur noch den Ruhestand herbeisehnen. Jürg und Ueli Liesch sind neugierig geblieben, und genau deshalb macht die Arbeit noch immer Spass. So war einer der Gründe, im Jahr 2020 auf biologischen Anbau umzustellen, auch die Suche nach einer weiteren Herausforderung. Die neue Bewirtschaftungsmethode wurde zwar aus Überzeugung, aber nicht als Dogma gewählt. Ueli Liesch gibt zu bedenken, «dass heute durchaus auch konventionell arbeitende Winzer mit der notwendigen Aufmerksamkeit ökologisch sinnvolle Weine produzieren können».

Sozusagen Patin der Bio-Umstellung war das Projekt «Bio Vision 2020» von „graubündenWEIN“, mit dem sehr hohe ökologische Ziele gesetzt wurden und das auch Unterstützung bot. Die Umstellung bei Liesch’s gelang bisher sehr gut, selbst im extrem schwierigen Jahr 2021. Dabei half allerdings auch die relativ flache Lage des Weinguts, die es erlaubte, die Rebzeilen trotz Nässe fast immer für die nötigen Spritzungen zu befahren.

Hier der Blick rheinaufwärts in Richtung Chur. Ganz flach sind die Rebzeilen nicht, und die sanfte Neigung erinnert ein wenig an die besten Lagen im Burgund.

Der Boden als Kapital – und das Klima wohl auch

Von wegen: Wirklich flach ist es auch in den Reben der Liesch’s nicht, und in der Bündner Herrschaft braucht man auch keinen steilen Rebberg, der Boden ist hier das eigentliche Kapital. Es genügt ein Blick in die Höhe in Richtung Vilan und zum Einschnitt des Älplibachs um festzustellen, dass die Reben hier auf einem sanften Schuttkegel wachsen und von Ton, Silt, Sand und Schiefer im Untergrund profitieren.

Hier geht der Blick nach Osten, ganz links ist der Einschnitt des Älplibachs zu erkennen.

Immer mehr zum Vorteil wird angesichts des Klimawandels auch die Höhenlage von rund 550 m.ü.M. Auch wenn es hier mit dem Fön zuweilen sehr warm werden kann, bietet die Lage in einem Alpental klimatische Vorteile. Was die Brüder Liesch indessen feststellen ist, dass das Klima bzw. das Wetter unregelmässiger wurde. Im vergangenen Jahr ging sogar ein Hagelzug über die Herrschaft, etwas, das man bisher praktisch nicht kannte.

Frische und Eleganz als Credo

In den Weinen spürt man freilich bisher nichts von Klimaerwärmung. Liesch’s legen grossen Wert auf Frische und Eleganz, und diesen Stil merkt man quer durch das ganze Sortiment. Ein Glück wohl, dass heute Stephan Reinhardt für Parker unterwegs ist, vom legendären opulenten „Parker-Stil“ ist hier nämlich gar nichts zu bemerken.

Blitzsauberer Keller. In weiteren, kleineren Räumen gibt es zudem Barriquelager.

Obwohl das Weingut noch nicht zu den bekanntesten gehört, Absatzprobleme gibt es keine. Und dies, obwohl Liesch’s inzwischen auch eher gehobene Preise verlangen können (in Bezug auf Preis/Leistung und im Vergleich mit den Imageträgern der Herrschaft sind die Weine aber immer noch sehr preiswert). Die Absatzkanäle verteilen sich paritätisch auf den Handel, die Gastronomie und auf Private. Wobei aus einem Gastronomiekunden regelmässig auch ein Privatkunde wird. So kommt es immer öfter vor, dass ein Liesch-Wein in einem Bündner Hotel so gut gefällt, dass auf dem Heimweg noch ein Stopp im Weingut eingelegt wird. Relativ hoch ist dabei der Anteil ausländischer Gäste und so sagt Jürg Liesch mit einem Augenzwinkern, «exportieren wir sehr wohl Weine, auch wenn im Ausland noch kein Händler vorhanden ist».

Auch wenn der Hof der Liesch’s etwas abgelegen ist: Diese Geschichte zeigt, dann man den Weg ins Weingut Treib findet – und es lohnt sich!

Degustationsnotizen

Sauvignon blanc 2022
(Aus nur 15 a, je hälftig in Holz und im Stahl ausgebaut)
Helles Gelb; tolle, sehr feine und vielschichtige, fruchtige Nase, keine übertriebene exotische Töne; im Mund knackige, schöne Säure, guter Körper, sehr mineralisch und frisch, langer Abgang. Toller, knackiger SB. 17 Punkte.

Chardonnay 2022
Schönes, mittleres Strohgelb; sehr fruchtbetont (Zitrus, grüner Apfel), auch florale Anflüge; im Mund noch recht holzbetont, aber sehr schöner Holzton, frisch, schöne Säure, auch guter Schmelz, langer Abgang. (mindestens) 17 Punkte.

Pinot noir Tradiziun 2022
(1 Woche Kaltmazeration, im Stahltank ausgebaut)
Mittleres Rubin; wunderschöne Pinot-Nase mit eher dunkler aber auch heller Frucht; tolle Struktur, schöne Säure, sehr frisch und «saftig». Hier von einem «Basis-Pinot» zu sprechen, ist eigentlich schon fast frech, aber wenn ich dabei bleibe: einen besseren muss man ziemlich weit suchen! 17 Punkte.

Pinot noir Prezius 2021
(Barriqueausbau, 1/3 Neuholz, 2/3 zwei- und dreijährig)
Mittleres, glänzendes Rubin; sehr fruchtbetonte Nase (Himbeere, Johannisbeere, Jostabeere), florale Anflüge (Flieder), Holz in der Nase nur in Nuancen spürbar; enorme Frische im Mund, viel feines Tannin, angepasste Säure, Holz im Mund spürbar aber nicht dominant, «saftig», eher filigran aber mit «Feuer», elegant. Toller Pinot auf Spitzenniveau! 18 Punkte.

Merlot 2021
Relativ helles Rot; helle Frucht, auch etwas Cassis, Pfeffer; im Mund extreme Frische, sehr feine Tannine, präsente, aber nicht übertriebene Säure, sehr langer Abgang. Sehr spannender, eleganter, frisch-fruchtiger «cool-climat» Merlot. Bemerkenswert! 17,5 Punkte.

Pinot Auslese 2011 (entspricht dem heutigen „Armonia“)
Jugendliches Rot; noch immer sehr fruchtbetont (helle Aromen); auch im Mund fruchtig und noch total frisch, mürbe Tannine, viel Schmelz, langer Abgang. Sehr schöner, eleganter Pinot der beweist, dass die Liesch-Weine ein grosses Alterungspotential aufweisen. 17,5 Punkte.

Dieser Wein ist gereift, aber noch keineswegs müde, er wird auch in drei bis fünf Jahren noch Spass machen. Der beste Beweis, dass die Weinwelt die Liesch-Weine schon viel früher hätte entdecken können und müssen!

„Bio-Liesch“ gilt nun für zwei Betriebe

Zu ergänzen ist, wie im Einstieg zum Artikel angetönt, noch Folgendes: Es gibt in Malans noch ein zweites Weingut mit dem Namen Liesch, nämlich Louis Liesch (Liesch Bioweine). Dieser Betrieb, der schon länger biologisch wirtschaftet, bringt ebenfalls bemerkenswerte Weine hervor, darf aber nicht mit «Liesch Weine» verwechselt werden.

Startseite – Liesch Weine (liesch-weine.ch)
Pinot Rhein
Biovision 2020 von graubündenWEIN – der Schritt in eine nachhaltige Zukunft | Deutschschweiz (swisswine.ch)


Interessennachweis:
Die Weine wurden (mit Ausnahme des Merlot, von dem ich eine Flasche mit nach Hause erhielt, da eben erst abgefüllt) Ende Januar 2024 bei einem Besuch auf dem Weingut degustiert.

3 Gedanken zu “Liesch Weine: still und heimlich an die absolute Spitze der Bündner Herrschaft!

  1. markusfeer

    Danke für den Tipp. Liesch scheint grad irgendwie einen Booster zu besitzen…

    Die Ananasprobe folgt sogleich! 😉

    Liebe Grüsse Markus

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