„Alter Landnobler“ – grandiose, rare Spezialität aus dem Wallis!

Zugegeben, der Titel ist journalistisch verdreht, die Rede ist vom Cornalin, der früher „alter Landroter“ genannt wurde. Aber gelungene Weine aus dieser Sorte sind so nobel, dass sich das Wortspiel geradezu aufdrängt. Und zudem weisen Cornalin’s ein erstaunliches Alterungspotential auf, wie eine Weinprobe von der Domaine Denis Mercier beweist.

Ich weiss, ich wiederhole mich, aber die Weine aus dem Wallis sind nach wie vor unterschätzt und unterbewertet, dabei gedeihen hier Tropfen auf ganz hohem Niveau und in kaum andernorts gesehener sortenmässiger Vielfalt. Seit Stephan Reinhardt für die Schweiz zuständig ist, hat das auch Parker gemerkt. Erst kürzlich wurde gar ein Walliser Wein – ein süsser Petite Arvine der Grande Dame des Walliser Weinbaus, Marie-Thérèse Chappaz – mit 100 Punkten bewertet. Was als kleine Sensation aufgenommen wurde, ist eigentlich nur die Bestätigung dafür, dass Weinfreunde und -freundinnen sich vermehrt mit den Weinen dieses schönen Alpentals befassen sollten.

Herrliche Kulisse für die Walliser Reben, hier in der Nähe von Sierre, wo sich der Sitz der Domaine Denis Mercier befindet.

Dabei wurden im Wallis schon vor Jahrzehnten teils ganz hervorragende Gewächse produziert – bloss merkte es keiner, und schon gar nicht Parker. Ein Beweis für diese These lieferte im vergangenen Jahr eine Masterclass-Veranstaltung der „Mémoire des Vins Suisses“, an welcher auch vier gereifte, bis zu 20 Jahre alte Jahrgänge des Cornalin’s von Denis Mercier gereicht wurden.

Alle Weine gefielen ausserordentlich, selbst der älteste, 20-jährige Cornalin war noch genussvoll trinkbar. Geradezu überwältigend war aber der Jahrgang 2005, der ja auch schon 17 Jahre grereift war. Was da an Duftnuancen aus dem Glas strömte, war schon toll. Und im Mund diese Frische, diese noch jugendlich anmutende Saftigkeit, diese Fruchtigkeit – ganz einfach grossartig!

Cornalin aus dem Wallis ist nicht gleich Cornalin aus dem Aostatal

Der Cornalin ist eine Kreuzung zwischen den zwei aus dem italienischen Aostatal stammenden Sorten Mayolet und Petit Rouge – und sie gelangte wohl auch aus dem Aostatal ins benachbarte Wallis. Sie darf aber inzwischen durchaus als waschechte Walliserin gelten, wird sie doch schon seit etwa 700 Jahren hier angebaut (wobei diese Aussage umstritten ist, es könnte sein bzw. wird je nach Quelle als wahrscheinlich angesehen, dass es sich bei einer Nennung aus dem Jahr 1313 nicht um den Cornalin, sondern die Humagne rouge gehandelt hat). Der Cornalin gilt allerdings im Anbau als etwas kapriziös und war deshalb Mitte des letzten Jahrhunderts fast verschwunden. Glücklicherweise wurde aber die Qualität der Rebe wieder erkannt, und heute sind wieder rund 150 Hektar bestockt, was den Cornalin aber immer noch zur raren Spezialität macht.

Die Rebe war früher unter dem Namen „alter Landroter“ bekannt und wird erst seit der „Wiederentdeckung“ in den 1970er-Jahren als Cornalin bezeichnet. Lustigerweise erfolgte damit eine Namensverwirrung. Cornalin gibt es nämlich schon länger auch im Aostatal, der vermuteten Herkunft des alten Landroten. Bloss handelt es sich bei den beiden Cornalin’s nicht um die gleiche Rebsorte – jene im Aostatal ist nämlich mit der Humagne rouge aus dem Wallis identisch.

Mercier und die Mémoire des Vins Suisses

Die Domaine Mercier – Anne-Catherine und Denis Mercier – produziert seit 1982 Weine, zuerst auf 3 Hektar rund um das Schloss Mercier in Sierre. Es ist einer jener Betriebe, die schon, wie die Degustation zeigt, seit längerer Zeit Weine von hoher Qualität liefert. Heute umfasst die Domaine rund 13 Hektar, und inzwischen ist auch Tochter Madeleine Mercier im Familienbetrieb tätig. So ganz nebenbei: Die Oenologin Madeleine Mercier ist seit 2019 auch Präsidentin der „Mémoire des Vins Suisses“, wobei anzufügen ist, dass der Cornalin des Betriebes schon viel länger Eingang in die „Mémoire“ gefunden hat und deshalb auch für die fasziniernde Degustation zur Verfügung stand.

Faszinierende, gereifte Cornalin’s zum Verlieben!

Degustationsnotizen Cornalin, Domaine Denis Mercier

2011
Dunkles, noch jugendliches, glänzendes Purpur; würzig, rote Frucht, reife schwarze Kirschen; im Mund tolle Säure, sehr „satftig“, fruchtbetont, eher filigran, langer Abgang. Sehr schöner Cornalin. 17 Punkte.

2008
Dunkles, gereifts Purpur; Duft nach getrockneten Früchten und Bergheu; im Mund deutlich dichter als 2011, viel feines Tannin, gut stützende, aber zurückhaltende Säure, immer noch fruchtbetont, mittlerer Abgang. Anders im Styl, aber ebenso schöner Wein. 17 Punkte.

2005
Mittleres, glänzendes Purpur; feiner Duft nach einem Gewürzladen, unterlegt mit schönen, dunklen Früchten; im Mund sehr frisch, „saftige Säure“, viel, aber „mürbes“ Tannin, ganz leicht trocknend, füllig und rund mit viel Trinkfluss, immer noch fruchtig, mittlerer Abgang. Wunderbarer Wein noch voll „im Saft“ – Trinkgenuss pur auf sehr hohem Niveau. 18 Punkte.

2002
Eher helles Rot; Liebstöckel, leicht oxydative Töne (angeschnittener Boskoop-Apfel), dahinter etwas kandierte Frucht; im Mund etwas spröde geworden, gute Säure, eher filigran, mittlerer Abgang. Dieser Wein hat seinen Höhepunkt überschritten, ist aber durchaus noch genussvoll zu trinken. 16 Punkte.

Denis Mercier, Vigneron Encaveur, Vin, Sierre, Valais, Suisse

Am 21. April 2023 auf nach Lugano, um gereifte Schweizer Weine zu probieren!

In wenigen Tagen haben Sie in Lugano selbst die Gelegenheit, sich vom Altersungspotential von Schweizer Weinen selbst zu überzeugen:

Events | Mémoire des Vins Suisses (memoire.wine)


Interessennachweis:
Die Teilnahme an der Masterclass-Veranstaltung wurde zum normalen Eintrittspreis bezahlt.


Die Weine des Thierry Constantin: ein Gesamtkunstwerk!

Das Wallis ist für mich das am meisten unterschätze Weinbaugebiet Europas! Allein mit Weinen aus diesem Alpental könnte man problemlos jedes Essen begleiten, da über 50 verschiedene Rebsorten angebaut und auch in verschiedenen Stylen ausgebaut werden. Nebst den international bekannten Sorten sind vor allem auch die vielen Spezialitäten, teils autochthon, eine Entdeckung wert. Und das alles in generell sehr hoher Qualität zu meist noch vernünftigen Preisen! Einen der allerbesten Produzenten stelle ich hier näher vor: Thierry Constantin, „the marathon man“.

Ohne gross nachzudenken kommen mir mindestens 30 Winzerinnen und Winzer in den Sinn, denen ich im Wallis das Prädikat hervorragend erteilen würde. Mit etwas Nachdenken und -blättern wären es sicher noch weit mehr! Entsprechend mag es etwas unfair sein, wenn ich mit Thierry Constantin nur einen Produzenten herauspicke. So ganz zufällig ist die Auswahl freilich nicht. Schon bei mehreren Besuchen im Wallis bzw. bei Degustationen haben mich seine Weine immer voll überzeugt – ganz besonders, dass er durch das ganze Sortiment hindurch ein extrem hohes Niveau mit klarer Handschrift hält.
Ein früherer Bericht zum Wallis siehe hier: Walliser Weine: Spitzenklasse! – Victor’s Weinblog

Leider sind aktuell solche Degustationstage wie damals nicht möglich. Deshalb habe ich einige Flaschen von Thierry Constantin gekauft, um mir ein Urteil über den letzten Jahrgang (noch 2018 rot und 2019 weiss) bilden zu können. Die Einstufung vorab: Die Weine sind grandios!

Die Flaschen: innen und aussen ein Kunstwerk!

Der Betrieb von Thierry Constantin befindet sich in Pont-de-la-Morge, einen Steinwurf vom Wildbach Morge entfernt, welcher sich, zuweilen heftig, vom Sanetschpass hinunter in die Rhone ergiesst. Der Ort gehört zu Sion, und Thierry Constantin wohnt damit eigentlich in einer Stadt. Auf diese Idee käme aber keiner, denn gleich ennet der Hauptstrasse erhebt sich sehr ländlich der Hügelzug des Mont d’Orge, auf dessen Südseite sich allerbeste Weinlagen befinden. Die berühmte Domaine du Mont d’Or hat diesen Hang mit den charakteristischen gelben Häuschen marketingmässig herausgeputzt, aber hier besitzt eben auch Thierry Constantin Reben, auch in der Paradelage Corbassières. Nebst Parzellen auf dem Gebiet von Sion bewirtschaftet Constantin auch solche in der Nachbargemeinde Vétroz, gesamthaft umfasst der Betrieb 6,5 Hektar.

Das Gefühl und das Wissen für die richtigen Bepflanzungen
Die besten Lagen nützen aber nichts, wenn sie nicht richtig bepflanzt werden. Und da wurde Thierry sozusagen ein Geschenk in die Wiege gelegt. Seine Eltern waren schon Winzer, produzierten aber keinen eigenen Wein. Dafür betrieben sie aber eine Rebschule, und dieses schon als Kind erworbene Wissen hilft Constantin nun, die besten Reben mit den angepassten Unterlagen am richtigen Ort zu pflanzen. Für ihn steht der Entscheid, was wo gepflanzt wird, ganz am Anfang einer ökologisch sinnvollen Bewirtschaftung: Nur Reben die sich wohl fühlen, gedeihen von Natur aus problemlos und liefern bestes Traubengut.

Dass Reben, die kämpfen müssen, die besten Trauben liefern, ist eine alte Weisheit. Im Falle von Thierry Constantin zwingen die grösstenteils sehr trockenen Lagen die Reben zu Höchstleistungen. Allein schon die geringe Regenmenge in Sion (rund 600 mm p.a., Vergleich Zürich; 1100 mm), und die kargen Südhänge sowie hohe Sommertemperaturen tragen zu einem „Stressklima“ bei. Zusätzlich pflanzt Thierry Constantin aber auch eine enorme Rebendichte von 12’500 Stöcken pro Hektar.

Steil, steiler, Wallis! Der Mont d’Orge direkt vis à vis des Betriebes von Thierry Constantin.

Ein feines Händchen beweist Thierry aber auch bei der Ernte und im Keller. In bester Reife zu ernten, aber niemals zu spät, um die Frische, die Fruchtigkeit und die Säure zu erhalten, ist das erklärte Ziel. Tatsächlich fällt bei allen Weinen aus dem Haus Constantin eine enorme Frische auf – etwas, das man ja im Wallis nicht unbedingt erwarten darf, was aber seine Weine eben gerade so aussergewöhnlich macht.

Thierry ist nicht nur Winzer, sondern auch selbst Kellermeister. Und das Feingefühl setzt sich offensichtlich auch im Keller fort. Die Weissen machen – eben, um die Frische zu bewahren – keinen biologischen Säureabbau, und bei den Roten wird auf eine lange Extraktion und auf frische Frucht gesetzt, und ausser dem Gamay und dem klassischen Pinot werden alle Rotweine lange in Barriques ausgebaut (und es sei schon hier erwähnt: ohne, dass das Holz jemals dominant wird – ja teilweise kaum direkt spürbar ist).

Viel Holz, mit Feingefühl eingewoben und deshalb kaum spürbar. (Foto Sedrik Nemeth, zvg)

Die Degustationsnotizen – leider nur ein Teil des Gesamtkunstwerks
Diesmal habe ich nur fünf Weine probiert, möge Corona bald wieder Degustationen des Gesamtsortimentes ermöglichen!

Sauvignon blanc 2019
Helles Gelb; Stachelbeeren, Holunderblüten und -blätter, Passionsfrucht. Wirkt frisch geöffnet fast etwas „parfümiert“, nach etwas Lüften (und erst recht nach einigen Tagen) wird der Duft aber viel dezenter; im Mund sehr mineralisch, frisch, Säure und Süsskomplex im perfekten Gleichgewicht. Typischer, aber etwas exotischer Sauvignon, 16 Punkte (= gut im obersten Bereich)
PS: Es gab einen kleinen Rest, und nach 4 Tagen war der Wein zurückhaltender, nicht mehr exotisch und letztlich noch „besser“!

Petit Arvine 2019
Mittleres Strohgelb; Duft nach Grapefuits und Orangenschalen, florale Noten (an Flieder erinnernd); im Mund mineralisch, enorm frisch, dichte Struktur, schön eingebundene Säure, leichter, erfrischender Bitterton im langen Abgang. Grossartiger, typischer Arvine. Zusammen mit dem 2017er der Cave du Rhodan das Beste, was ich aus dieser Sorte je im Glas hatte! 18 Punkte (= hervorragend)

Humagne rouge, 2018
Mittleres Purpur; Johannisbeeren, rote Pflaumen, Dürrzwetschen; im Mund sehr „rund und fliessend“, schöne Frische, spürbare, gut stützende Säure, eher zurückhaltende, leicht trocknende Tannine, Alkohol erst im mittleren Abgang als feurig (nicht brandig!) spürbar. Humagne auf der eleganten, aber nicht dünnen Seite, sehr gelungen. 16,5 Punkte (= sehr gut)

Syrah, 2018
Mittleres bis dunkles Rubin; in er Nase im ersten Anflug etwas „überreif“ wirkend (was sich aber danach absolut nicht bestätigt); erdig, dezent Dörpflaumen und -zwetschgen, Sultaninen, Pfeffer, Lorbeer und Thymian; im Mund sehr präsente, feine Tannine, wunderbar abgestimmte Säure, dicht aber auch elegant und fast „tänzerisch“, entgegen der ersten Vermutung in der Nase ist der Alkohol kaum spürbar. Ganz schöner, feiner Syrah! 17 Punkte (= sehr gut).

Cornalin 2019
Dunkles, fast violettes Rot; rote und schwarze Früchte (Johanninsbeeren, Brombeeren, Pflaumen), Anflug von Bergheu, etwas Vanille; im Mund enorm saftig, sehr dichte Struktur, viele und kräftige, aber sehr gut eingebundene Tannine, wirkt sehr elegant, hat aber auch einen leicht rustikalen Touch; sehr langer, überaus frischer und saftiger Abgang. Traumhafter Cornalin! 18 Punkte (= hervorragend).

Zweimal ganz nahe an der Weltspitze – oder eigentlich mittendrin!

Seit 27 Jahren führt Thierry nun seine Domaine. Für mich hat er sich in dieser Zeit zum einem der absolut führenden Produzenten des Wallis entwickelt. Die Versuchung wäre ja angesichts der Akribie und Ausdauer gross gewesen, meinen Artikel mit einem Titel wie „der Langstreckenläufer“ zum versehen. Und tatsächlich hätte sich das angeboten: Thierry Constantin war nämlich in seiner Jugend einer der besten Langstreckenläufer der Schweiz. Mit einer Zeit von 2 Stunden, 14 Minuten und 7 Sekunden wurde er 1993 Schweizermeister – eine Zeit, die übrigens immer noch die beste je an einer Schweizermeisterschaft gelaufene ist. Und er ist auch dreifacher Weltmeisterschaftsteilnehmer (Marathon, Halbmarathon und Cross-Country).

Thierry Constantin: Präzision, Gefühl, Ausdauer! Auch als Winzer Spitze! (Foto: Sedrik Nemeth, zvg)

Mit seiner Marathon-Bestzeit war er anfangs der 1990er Jahre ganz nahe an der Weltspitze, der Weltrekord lag damals nur rund 8 Minuten oder 6 % darunter. Mir scheint es nicht vermessen zu behaupten, dass Thierry in seiner zweiten Karriere als Winzer und Oenologe erneut zur Weltspitze gehört und der Abstand zum „Weltrekord“ nicht grösser ist!

Accueil – Thierry Constantin

Ach ja, und Übrigens: Solche Werbeaussände wie nachstehend erhält man manchmal von Thierry Constantin! Eben, ein Winzer wie ein Künstler – ein Gesamtkunstwerk. Nur schon deshalb lohnt es sich, auf seiner Kundenkartei zu stehen 🙂

Foto Sedrik Nemeth, zvg

Die jungen Wilden. Nur halb so wild, dafür total gut!

Junge Schweiz – neue Winzer. So heisst eine Vereinigung, der sich unter 40-jährige Winzerinnen und Winzer anschliessen können. Am „Swiss Wine Tasting“ traten sie kürzlich mit je zwei Weinen auf – und überzeugten auf der ganzen Linie.

„Die jungen Wilden“, so wurde der Gemeinschaftsstand im Katalog bezeichnet. Der Titel war nicht ganz richtig, genau wie die räumliche Platzierung der Gruppe in einer engen Nische – die acht teilnehmenden Weingüter hätten einen besseren Platz verdient.
Wobei acht eigentlich ohnehin die falsche Zahl ist, denn mit Johann-Baptista von Tscharner, Patrick Adank, Martin Wolfer, Robin Haug, Alain Schwarzenbach, Susi Steiger-Wehrli, Fabrice und Stéphane Simonet, Marylène und Louis Bovard-Chervet, Martin Porret sowie Jonas Huber waren zehn weitere Güter am Anlass vertreten – aber eben einfach nicht am Gemeinschaftsstand, sondern im grossen Saal und somit unter der Gilde der etablierten Güter (bzw. an prominenteren Sonderstand „Zürisee“ im Falle von Schwarzenbach).
Um auf den eigentlich verdienten besseren Platz zurückzukommen: Alle acht Jungwinzerinnen und -winzer am „Katzentisch“ halten qualitativ ohne Weiteres mit den grossen Weingütern mit. Deshalb stellt sich schon die Frage, ob sie künftig nicht einfach in die Ausstellung gehörten und dort allenfalls als Mitglied von „Junge Schweiz – neue Winzer“ gekennzeichnet werden könnten.

Dezent in der Beschriftung, gross im Auftritt: die jungen Winzerinnen und Winzer (hier das Eingangstor zur Cave Caloz in Miège).

Wie auch immer: Was die acht am Gemeinschaftsstand vertretenen Güter zeigten, ist Spitzenklasse:

Bechtel-Weine, Eglisau, Mathias Bechtel
Ein holzbetonter, aber schöner Chardonnay 2017 und ein herrlicher Pinot noir 2017, mit dem Bechtel zeigt, dass er während seiner Jahre als Kellermeister von Pircher viel Pinot-Klasse verinnerlicht, sich aber gleichzeitig auch mit einem etwas weniger filigranen Stil emanzipiert hat.

Schott-Weine, Twann, Anne-Claire Schott
Spannender, dichter, aber auch etwas gewöhnungsbedürftiger „Blanc orange“ 2018 aus vier Traubensorten und ein charaktervoller, kräftiger Pinot noir 2018 (Mon vieux Pinot noir) ohne Schwefelzugabe.

Javet + Javet, Lugnorre, Etienne Javet
Ein filigraner Pinot noir 2017 (aimetere de la Chamba) und ein unglaublich gehaltvoller und frischer „orange Chasselas“ 2018 (Or du temps) – orange wine vom Feinsten!

Cave de l’Orlaya, Fully, Mathilde Roux
Ein Bilderbuch-Gamay 2017 (vieilles vignes), fruchtig und mit Tiefe sowie ein schöner Petite Arvine 2018, der mir persönlich ohne die – freilich dezente – Restsüsse noch besser gemundet hätte.

Cave Corbassière, Saillon, Nicolas Cheseaux
Herausragender, frischer und fruchtiger Petite Arvine 2017 (Saillon Grand Cru) mit Tiefgang und der wohl beste Diolinoir (2016), den ich je gekostet habe und der zeigt, was in dieser Sorte steckt: dicht und gleichzeitig elegant, fruchtig, würzig und mit einer unglaubliche Frische (ohne Schwefelzusatz!).

Sélection Comby, Chamoson, Yann Comby
Ein sehr schöner, salzbenonter Petite Arvine 2018 (La Tsoume) und ein typischer Cornalin 2018 (La Crête) mit Potential.

Cave Caloz, Miège, Sandrine Caloz
Sehr schöner Marsanne Blanche 2018 (Vieilles Vignes Les Clives) mit Restsüsse und ein ungemein saftiger, fruchtiger, mit viel Tannin unterlegter, herrlicher Humagne Rouge 2018 (Les Bernunes).

Weingut Cipolla, Raron, Romain Cipolla
Ein saftiger, sortentypischer und für Walliser Verhältnisse sehr frischer Sauvignon blanc 2018 (Heidnischbiel) und ein schöner, zarter Pinot noir 2018 (Bieltin), der mit ein bisschen mehr Säure noch bemerkenswerter wäre.

16 präsentierte Weine, keine einzige Enttäuschung, sieben absolute Spitzenweine und ein ganz generell sehr hohes Niveau: Genial, was die Jungen hier zeigten. So wild, wie sie benannt wurden, sind sie aber nicht. Wohl suchen sie teils neue Wege – Anne-Claire Schott wäre da vorab zu nennen -, aber letztlich sind es einfach aussergewöhnliche Winzer(innen)-Talente, die beim nächsten Mal definitiv allesamt mit in die Präsentation der Etablierten gehören.

Nicolas Cheseaux – Primus inter pares?
Auch wenn es etwas unfair ist, dann hebe ich jetzt trotz allem einen Winzer besonders hervor: Nicolas Cheseaux von der Cave Corbassière. Die beiden präsentierten Weine waren eindrücklich, aber ich konnte bei ihm auch schon mal das ganze Sortiment probieren und empfehle Ihnen, sich diesen Namen speziell zu merken: hier zeigt sich das Talent eines Spitzenwinzers, der das Zeug hat, international für Furore zu sorgen.

Nicolas Cheseaux, Cave Corbassière, Saillon: Merken Sie sich alle Namen der jungen Winzer, und diesen ganz besonders!
http://www.corbassiere.ch/

Hier der Verweis auf die Homepage von „Junge Schweiz – neue Winzer“. Die Links zu den einzelnen Mitgliedern finden Sie auf dieser Seite unter „Winzer“.

https://www.jsnw.ch/home/

Les Domaines – Provins überzeugt mit Marketing und Qualität.

Als ich als junger Mann in der Weinbranche arbeitete, galt die Provins als die beste Weingenossenschaft der Welt. Wo immer ich eine Genossenschaft besuchte, wann immer ich einen Cooperative-Wein im Glas hatte – immer war die Provins so etwas wie der „innere Massstab“. Vermutlich ist dieser Anspruch noch immer richtig, und falls nicht, dann nur, weil sich das Niveau der meisten „Genossenschaftsweine“ in der Zwischenzeit extrem verbessert hat und nicht, weil bei Provins die Qualität schlechter geworden wäre (ganz im Gegenteil).

Die Walliser Weinlandschaft als Inbegriff einer ergreifenden Kulturlandschaft: Hier ein Steilhang im Norden von Sion und der „Tourbillon“.

Die Provins wurde 1930 als „Bund der Walliser Genossenschaftskellereien“ gegründet, um die Winzer aus der damaligen Abhängigkeit von den Weinhändlern zu lösen. Seit 1934 heisst sie, auch wenn damals noch niemand von Marketing sprach, sehr eingänglich Provins, und sie hat sich innerhalb dieser Zeit zu einer der wichtigsten Institutionen im Schweizer Weinmarkt entwickelt. Provins verarbeitet heute aus etwas über 1’000 ha Rebfläche rund einen Fünftel aller Walliser Weintrauben, was wiederum knapp einem Zehntel der gesamten Schweizer Traubenproduktion entspricht! Sehr früh haben die Verantwortlichen bei Provins erkannt, dass nur Qualitätsproduktion zum Erfolg führen kann – und deshalb hatte und hat die Genossenschaft auch einen ausgezeichneten Ruf. Ganz offensichtlich hat bis heute immer auch das Zusammenspiel zwischen den Oenologen und der Marketingabteilung funktioniert. Schon 1945 wurde mit der „Capsule Dorée“ eine Art „Marke“ eingeführt, welche von den Traubenlieferanten gewisse Standards verlangte und die deshalb auf dem Markt bald für vorzügliche Weinqualität stand.

1973 wiederum wurde die Linie „Maître de Chais“ ins Leben gerufen, welche neu die Spitze der Provins-Qualitätshierarchie darstellte. Diese Weine stammen aus dem besten Parzellen der Traubenlieferanten und gehören auch heute noch mit zur Spitzenklasse der Walliser Weine.

Die neuen Flaggschiffe von Provins: „Les Domaines“

Im letzten Jahr nun setzte die Provins mit der Lancierung der Produktelinie „Les Domaines“ die Qualitätslatte noch höher – ein auch marketingmässig logischer Schritt. Unter diesem Etikett werden Weine aus absoluten Spitzenlagen hergestellt und vermarktet, welche sich teils in Besitz von Provins selbst befinden oder für die schon langjährige Zusammenarbeiten bestehen.

Der Heida Chapitre 2017 beispielsweise stammt vom Lentine-Hang nördlich von Sion, so genannt nach der Lentine-Suone, einer der vielen berühmten Walliser Bewässerungsleitungen, vgl. hier:
https://suone.ch/

Dieses Rebland – im Besitz der Chorherren der Kathedrale von Sion – ist eine sehr steile Südlage mit Terrassen und hohen Trockensteinmauern und wird schon sehr lange von Provins vinifiziert. Den ersten als Les Domaines hergestellten Jahrgang 2017 habe ich wie folgt degustiert:

Helles, strahlendes Gelb mit Grünreflexen; Duft nach Quitten, Mirabellen und Aprikosen; im Mund ausgeprägt mineralisch, sehr ausgewogen, mit gut eingebundenem Alkohol und erfrischender Säure bei gleichzeitig spürbarem „Süsskomplex“. Langer Abgang. Ein noch sehr junger, eleganter und finessereicher Wein von internationaler Klasse.

Ich habe diesen Heida (im Wallis auch Païen genannt, im französischen Jura Savagnin blanc) neben einem „Maître de Chais“ probiert. Letzterer ist ebenfalls sehr gut, der „Chapitre“ steht aber mit seiner Eleganz und Mineralität noch um eine ganze Klasse höher. Der Wein ist begeisternd, und man könnte ihm – mit viel bösem Willen – höchstens vorwerfen, mit seiner Finesse schon fast nicht mehr sortentypisch daherzukommen, sondern eher als hochklassiger Wein von internationalem Zuschnitt.

Blick von Pont-de-la-Morge in Richtung „Mont d’Orge“, einem kleinen Berg mit knapp 800 Höhenmetern mitten im Rhonetal, an dessen Südseite sich die Lage „Corbassières“ befindet.

Ebenfalls begeisternd ist der „Corbassières“ 2015. Dieser Wein wächst ebenfalls nahe der Stadt Sion. Wenn man von Pont-de-la-Morge nach Sion fährt, fallen an einem steilen Südhang auf der linken Seite die vielen gelb gestrichenen Häuschen auf. Diese sind sozusagen Werbeträger der Domaine Mont d’Or, welche ihre Weine – absolut bemerkenswert sind die Süssen – vor allem an diesem Hang anbaut. Es gibt aber in der Lage „Corbassières“ auch ein Stück von rund einer Hektar, welches der Provins gehört. Diese herausragende Südlage war sozusagen die „Spielwiese“ der grossen, inzwischen pensionierten Oenologin der Provins, Madeleine Gay. Ein sehr schönes Portrait über sie, mit einer Foto in „Corbassières“, gibt es hier:
https://www.letemps.ch/lifestyle/une-vie-apres-vin

Deshalb gibt es in Corbassières auch eine Vielzahl von Rebsorten, und daraus entsteht nun ein bemerkenswerter Wein:

Dunkles, sattes Rot; Holunderbeeren gepaart mit heller Frucht (v.a. Aprikose), würzig. Im Mund druckvoll mit viel sehr feinem Tannin, gute Säure, dicht aber gleichzeitig elegant, langer Abgang. Macht zwar schon viel Freude, ist aber eigentlich noch deutlich zu jung. Hervorragender Wein jenseits des „Mainstreams“.

Dieser Wein ist schon fast die Antithese zum Heida: Es handelt sich um eine Assemblage von Walliser Grössen (Humagne rouge, Cornalin) mit international bekannten Rebsorten (Syrah, Cabernet Sauvignon und -Franc, Merlot). In einem gewissen Sinn ist der Wein gewöhnungsbedüftig: Wer hatte denn schon einmal eine solche Assemblage im Glas resp. in der Nase? Wie soll man sich theoretisch eine Mischung aus Humagne und Cabernet vorstellen? Vor allem im Duft fällt dieses aussergewöhnliche Spannungsfeld von frischen Fruchtdüften und dunklen Tönen auf.

Wenn ich geschrieben habe, der Wein sei gewöhnungsbedürftig, dann kann ich gleich anfügen, dass man sich schnell und gerne an ihn gewöhnt! Die Assemblage ist wohl ziemlich einzigartig und wirkt deshalb beim ersten Kontakt sowohl in der Nase als auch im Mund etwas ungewohnt – nicht Syrah, nicht Humagne, aber irgend etwas Tolles dazwischen. Aber das ist einer jener Weine, die mit jedem Schluck noch mehr gefallen und bei denen man bedauert, dass die Flasche schon leer ist.

Auch den Corbassières finde ich deshalb begeisternd. Ich freue mich jedenfalls schon darauf, die übrigen Weine von „les Domaines“ zu entdecken! Es gibt aktuell noch einen Dilinoir (!), einen Pinot noir und einen Petite Arvine.

Bleibt noch die Frage des Preises: Der Heida kostet 34 und der Corbassières 50 Franken. Zuviel? Die Antwort darauf muss man natürlich für sich selbst finden. Auch wenn für mich persönlich Weine in dieser Preisklasse eher für Sonn- und Feiertage vorgesehen sind, so denke ich doch, dass beide Tropfen – verglichen mit qualitativ gleich guten Weinen aus anderen Ländern – diesen Preis fast mehr als „wert“ sind. Wer weiss, vielleicht ist die Provins für das Wallis einmal mehr die Lokomotive?

https://www.provins.ch/de/nos-vins/les-domaines-443

Walliser Weine: Spitzenklasse!

Nach zwei Tagen in den offenen Weinkellern im Wallis lässt sich nur ein Fazit ziehen: Spitzenklasse! Chapeau!

wallis
Atemberaubende Schönheit: Steillagen bei Chamoson

Besonders sympathisch an diesen Tagen vom 10. – 12. Mai war, dass – im Gegensatz zum Pendant in der Deutschschweiz – im Wallis auch praktisch alle Top-Winzer mitmachten. Solidarität ist hier offenbar kein Fremdwort. So waren sich auch Parker-geadelte Betriebe wie die Domaine des Muses, Gewinner des Grand Prix du Vins Suisse wie Diego Mathier und Cave du Rhodan oder Legenden wie Marie-Thérèse Chappaz nicht zu schade, ihre Top-Produkte zu zeigen.

Ich werde später in diesem Blog auf verschiedene Winzer zurückkommen, das ist qualitätsmässig fast ein Muss. Für heute nur ein kleiner „Flash“ und damit verbunden ein Aufruf an alle Weinfreunde, sich vermehrt mit den Walliser Weinen zu beschäftigen. Denn hier ist nicht nur die Qualität sehr hoch, sondern, gemessen am Aufwand in den teils steilen Terrassen und der Güte der Weine, auch die Preise meist noch vernünftig. Und die Vielfalt der Sortimente ist fast unschlagbar!

Nachstehend ein paar erste Highlights, genannt jeweils der beste Wein pro Rebsorte, den wir verkosteten – und im Wissen, dass eine solche Selektion vielen anderen, hervorragenden Weinen, wohl unrecht tut:

Fendant: David Rossier, Leytron (Grand Cru Leytron).
https://www.david-rossier-vins.ch/de
Johannisberg (Im ganzen Wallis fast immer nur gut; das Wallis als Sylvaner-Hochburg!):
Cave Corbassière, Saillon
http://www.corbassiere.ch
Humagne blanche: Cave la Romaine, Flanthey
http://www.cavelaromaine.com
Petit Arvine (hat generell ein extrem hohes Niveau): Domaine des Muses, Sierre/Granges
http://www.domainedesmuses.ch/
Paien/Heida (auch hier, welch grandioses Niveau, Wallis als Savagnin-Hochburg!): Cave du Vieux-Moulin, Vétroz
http://www.papilloud.com
Viognier: Thierry Constantin, Pont-de-la-Morge. Diese Qualität muss man auch weiter unten an der Rhone zuerst finden!
http://www.thierryconstantin.ch
Marsanne: Marie-Thérèse Chappaz (Grain Ermitage), ein fast übersinnlicher Wein!
http://www.chappaz.ch
Pinot noir: Cave du Rhodan, Salgesch (Grand Cru). Vielleicht nicht das, was man ausserhalb des Wallis von einem Pinot erwartet, aber grossartig!
http://www.rhodan.ch
Humagne rouge: Cave la Romaine, Flanthey (der „kann“ Humagne, weiss und rot!)
http://www.cavelaromaine.com
Cornalin: Cave du Rhodan (der Cornalin von der Bio-Domaine „Trong“). Eigentlich war auch der Cornalin fast überall gut, aber dieser hier ist ein „elegantes Monument“!
Syrah: Thierry Constantin, Pont-de-la-Morge.
http://www.thierryconstantin.ch

Und vielleicht etwas „ausser Konkurrenz“, aber nicht in Sachen Qualität:
Lafnetscha: autochthone Sorte, ein bisschen der Completer des Wallis. grossartig!
Chanton Weine, Visp (ebenso bemerkenswert, aber speziell der „Eyholzer Rote“, trotz Rotwein-Vinifikation wie ein Rosé, mit Erdbeeraromen).
http://www.chanton.ch

Bestes Weingut:
Und schliesslich, das für mich beste Weingut der ganzen Reise. Sicher ist es etwas unfair, denn von 15 besuchten Betrieben hätten wohl acht diesen Titel verdient. Trotzdem lege ich mich auf Thierry Constantin in Pont-de-la-Morge fest: Bei ihm ist einfach das ganze Sortiment durchgehend sehr gut bis ausgezeichnet, und es zieht sich zudem ein Stil durch alle Weine – das könnte man alles blind kaufen!
http://www.thierryconstantin.ch

constantin
Für mich, wenn auch nur um Nuancen vor vielen anderen, der beste aller besuchter Winzer: Thierry Constantin

Wallis: à suivre, bald auch in diesem Weinblog!