Zwei wunderschöne, bezahlbare Chablis 1er Crus.

Chablis gehört geographisch und weintechnisch zum Burgund. Auch wenn die Weine noch nicht ganz die preislichen Ausschläge der Côte d’Or mitmachen, sind sie inzwischen ebenfalls sehr teuer geworden. Da tut es richtig gut, gleich zwei hervorragende Prèmier Crus zu entdecken, die noch bezahlbar sind.

Der Beitrag über einen Wein der Domaine Jean-Marc Brocard war schon halb geschrieben, als der Weinfreund und von mir hoch geschätzte Bloggerkollege Adrian van Velsen – Betreiber des ältesten Weinblogs der Schweiz, vvwine.ch – ein Mail an Freunde versandte, in dem er den Prèmier Cru 2020 Montée de Tonnerre von Dampt Frères wärmstens empfahl und ihn mit 92 Punkten bedachte.

Chablis: Nicht nur gut, sondern auch landschaftlich schön. Hier am linken Ufer des Serein.

Das hatte mich dazu bewogen, zuzuwarten (ich entschuldige mich dafür – der Wein war damals für CHF 22.50 bei Coop erhältlich), denn Dampt Frères ist ein Gut in Chablis, das ich nicht kenne, aber das schon länger auf meiner „to-visit-liste“ steht. Die hierzulande wenig bekannte Domaine ist mir nämlich im „Guide Hachette“ seit Jahren immer wieder mit hervorragenden Bewertungen aufgefallen. Ich schlug Adrian deshalb einen Weintausch vor – eine Flasche Dampt Frères, Montée de Tonnerre gegen einen Jean-Marc Brocard, Montmains. Auch wenn die Jahrgänge nicht identisch sind (2020 gegen 2019), so war die Gegenüberstellung doch spannend. Beide Weine sind hervorragend gelungen und beide sind, angesichts des inzwischen auch in Chablis steil nach oben zeigenden Preisniveaus, mit knapp unter bzw. über CHF/EURO 30.00 auch noch erschwinglich. Ich mag den Ausdruck eigentlich nicht, aber hier drängt sich die Aussage über ein sehr gutes Preis-/Leistungsverhältnis auf.

Links oder rechts ist hier keine Frage der Politik
Auch wenn beide klar als Chablis erkennbar sind, so weisen sie doch je eine eigenständige Stilistik auf. Zudem liegen die beiden 1er Cru-Lagen nicht auf der gleichen Seite des Serein, des Flüsschens, das sich durch Chablis schlängelt und bei Auxerre in die Yonne mündet. Montée de Tonnerre liegt rechtsufrig wie auch alle Grands Crus, grenzt auch fast direkt an den Grand Cru Le Clos und gilt als eine der besten 1er-Cru-Lagen. Die linksseitigen (und damit tendenziell nördlich gerichteten) Lagen, zu denen Montmains gehört, gelten generell als etwas weniger gesucht, aber auch hier gibt es eine ganze Reihe von renommierten Prèmiers Crus (nebst Montmains etwa Vaillons, Vosgros und Vau de Vey).

Hohes Umweltbewusstsein
Beiden Gütern gemeinsam ist auch der Blick auf eine gesunde Umwelt und Weinproduktion. Während Brocard schon länger biologisch produziert, weisen Dampt Frères seit zwei Jahrzehnten das Label „Haute Valeur Environnementale (HVE)“ auf. Auf der Seite chablis.fr wird das Gut jetzt sogar auch als biologisch zertifiziert ausgewiesen.

Wie auch immer, wer nach hervorragenden, aber noch bezahlbaren Chardonnays aus Chablis sucht, ist bei beiden Weinen bzw. Gütern bestens bedient! Ich habe beiden je 17 Punkte verteilt (und liege damit vielleicht gar etwas tief) und beide sind uneingeschränkt empfehlenswert. Unter dem Strich würde ich aber wohl den Montmains ganz leicht bevorzogen, weil er meinem „Idealtyp“ eines Chablis (fruchtig, „stählern“, mineralisch, elegant) vielleicht noch eine Nuance mehr entspricht. Allerdings ist der Vergleich aufgrund verschiedener Jahrgänge auch nicht ganz fair . und eben: richtig toll sind beide!

Chablis Montée de Tonnerre, 1er Cru, 2020, Dampt Frères
Mittleres, gänzendes Strohgelb; anfangs eher verhalten, mit etwas Luft dezente Frucht nach Mirabelle und Papaya, wirkt schon in der Nase mineralisch; im Mund ebenfalls sehr mineralischer Auftrakt, dann auch sehr fruchtbetont, füllig und breit ausladend, aber trotzdem elegant, spürbarer, aber nicht störender Alkohol, schöne, gut eingebundene Säure, mittlerer Abgang. Toller Chablis! 17 Punkte.

Chablis Montmains, 1er Cru, 2019, Jean-Marc Brocard
Helles, eher blasses Gelb; zuerst sehr zurückhaltend in der Nase, etwas Banane; dann zunehmend fruchtiger mit Zitrus, Reineclaude und etwas Ananas; im Mund sehr mineralisch, mundfüllende Fruchtsüsse, eher filigran, schöne Säure, ganz leichter, aber sehr schöner Bittertouch, mittlerer, sehr fruchtbetonter Abgang. Ebenfalls ein toller Chablis, 17 Punkte.

Vignoble Dampt Frères – Les vins légendaires des 3 vallées – 89700 Collan
Vignoble Dampt Frères, Caveau de dégustation | Viticulteur à COLLAN – Les vins de Chablis

Domaine Jean-Marc Brocard, owner – grower in Chablis

Zu Vater und Sohn Brocard habe ich auch schon mal einen Beitrag in meinem Blog veröffentlicht, siehe hier:
Beobachten, nachdenken, lernen! Brocard in Chablis – still und (bio)dynamisch an die Spitze! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Bezugsquellen (u.a.)
CH:
Jean-Marc Brocard – Wein kaufen – de.millesima.ch
Weissweine aus dem Burgund | VINSmotions

D:
JEAN-MARC BROCARD kaufen | vinatis.de
Jean Marc Brocard | Hawesko

Und natürlich der Link auf den Blog von Adrian van Velsen, immer lesenswert!
www.vvwine.ch


Interessennachweis:
Der Wein von Brocard wurde im Handel gekauft, jener von Dampt in einem Tausch gegen eine Flasche Brocard von vvWine erworben.


Beobachten, nachdenken, lernen! Brocard in Chablis – still und (bio)dynamisch an die Spitze!

Jean-Marc Brocard und Julien Brocard – zwei Domainen aus Chablis mit der gleichen Philosophie und der gleichen Adresse. Vater und Sohn haben es gemeinsam geschafft, an die qualitative Spitze von Chablis zu gelangen. Leider sind sie hierzulande noch viel zu wenig bekannt!

Chablis, dieses in Sachen Weinqualität und Landschaft wunderbare Gebiet im Norden des Burgund bei Auxerre bringt Chardonnay-Weine hervor, die einzigartig sind. Frisch, fruchtbetont, elegant und, wenn gelungen, dicht und ausdrucksvoll. Für mich persönlich „Chardonnay at its best“!

Grand Cru-Lage „Le Clos“ in Chablis: Herrliche Weine, schöne Weinlandschaft.

Die grossen Produzentennamen sind längst bekannt und manchmal auch fast nicht mehr erhältlich bzw. bezahlbar, und selbst Weine von noch etwas weniger bekannten Gütern werden rar (Link zu einem solchen Beitrag in meinem Blog über die Domaine Droin am Schluss des Artikels).

Manchmal entdeckt man bemerkenswerte Weingüter dank Tipps anderer Winzer oder Weinfreunde. Im Fall von Brocard war es ganz einfach Zufall. Weil ich eben bei Droin abgewiesen worden war, nahm ich den „Guide Hachette“ (ich glaube es war die Ausgabe 2013) zur Hand und wählte auf gut Glück ein anderes Gut aus, welches damals mit positiv gewerteten Weinen auffiel und gleich auch noch strategisch ideal auf dem Heimweg lag: Jean-Marc Brocard in Préhy, auf einer Anhöhe südlich von Chablis.

Der Besuch entpuppte sich als Glücksfall! Die Weine begeisterten mich durchwegs, vom einfachen Chablis bis zu den Grands Crus. Und von wegen „einfachem Chablis“, der „Vieilles Vignes“ 2012 war der beste Gemeindewein der Appellation, den ich je im Glas hatte. Leider kaufte ich nur 6 Flaschen, und leider war ich seither auch nie mehr im Gebiet und habe die Entwicklung auch sonst nicht sehr intensiv verfolgt.

Nun bin ich ebenso durch Zufall in einer Weinhandlung auf Weine eines Julien Brocard gestossen. Eine kurze Recherche zeigte, dass es sich dabei um die Linie des Sohnes von Jean Marc Brocard handelt, und dass dieser Julien schon länger auch im elterlichen Betrieb das Sagen hat.

Die Entwicklung der Domaine ist bemerkenswert. Der Ingenieur Jean-Marc Brocard heiratete in eine Weinbaufamilie ein und pflanzte 1973 (dem Geburtsjahr des Sohnes Julien) zudem die ersten Reben in Préhy, wo bald darauf der Weinkeller enstand. Schon 1997 wurde eine erste Parzelle auf bio-dynamischen Weinbau umgestellt, es wurden auch ökologische Nischen geschaffen und Bäume gepflanzt Dabei handelte es sich um die Chablis-Lage „La Boissonneuse“, aus der jetzt einer der Weine aus der Linie „Julien Brocard“ stammt. Wer heute diesen Wein erwirbt, kauft sozusagen ein Vierteljahrhundert Erfahrung in biodynamischem Landbau mit. Bio und Biodynamie sind ja gerade in nördlichen Lagen aufgrund des Klimas nicht einfach umzusetzen. Jean Marc Brocard sagt denn auch in einem Interview, dass beobachten, still nachdenken (wörtlich übersetzt „die Klappe halten“) und lernen die Zutaten zu einer erfolgreichen Entwicklung sind. (Link zum Interview siehe unten).

Nach und nach wurden weitere Flächen umgestellt, und heute sind 60 Hektar biologisch und 40 Hektar bio-dynamisch zertifiziert. Knapp die Hälfte der biodynamischen Weine kommt heute mit dem Label von Julien Brocard auf den Markt.

Ich habe die Möglichkeit genutzt, einen jungen Wein von Julien Brocard und einen etwas gereiften von Jean Marc Brocard nebeneinander zu probieren:

Julien Brocard, 1er Cru Montée de Tonnerre, 2020
Helles Gelb mit leichten Grünreflexen; Duft nach weissen Johannisbeeren, Zitrus und dezent nach Holz; auffallend frisch wirkend, sehr dicht mit guter Säure, elegant, langer Abgang. Schöner, sehr typischer Chablis der noch reifen muss. 17,5 Punkte
.

Jean Marc Brocard, Grand Cru Le Clos 2011
Mittleres Gelb; Duft nach Limetten, Mirabellen, Papaya und etwas Vanille; jugendlich und enorm frisch im Mund, dichte Struktur und eine gewisse „Saftigkeit“, fruchtbetont, rund, mittlerer Abgang. Toller Wein!
17,5 Punkte.
PS: In einem jugendlicherem Stadium hatte dieser Wein auch Anflüge Caramel, die eher störten. Das ist mit der Reife völlig verschwunden!

Bedauernswert ist für uns Weinfreunde nur, dass der Preis des Premier Crus heute schon deutlich über jenem liegt, den ich damals für den Grand Cru bezahlt habe. (Auch der erwähnt „Vieilles Vignes“ ist teurer geworden, wenn er noch so gut ist wie damals, ist es aber immer noch ein „Schnäppchen“).

Links zur Domaine (zu den Domainen):

Vigneron à Chablis, vente vin de Chablis AOC | Domaine Jean-Marc Brocard
Les 7 Lieux – Julien Brocard

Bezugsquellen (u.a.)

CH:
Suchresultate – Baur au Lac Vins
Jean-Marc Brocard – Wein kaufen – de.millesima.ch

D:
Jean-Marc Brocard Chablis 2020 kaufen| Preis und Bewertungen bei Drinks&Co (drinksco.de)
Chablis Sainte Claire von Jean-Marc Brocard online kaufen. | Feinkost Käfer Online (feinkost-kaefer.de)

Und hier die im Text erwähnten Links:
Weine von der „bösen Frau“ – eindrückliche Chablis! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
L’interview « Prenez-en de la graine ! » de Jean-Marc, vigneron en partenariat avec Les Grappes – La Fourche


Intertessennachweis:
Die beiden Weine wurden käuflich erworben, der Le Clos auf dem Gut selbst, der Montée de Tonnerre bei Baur au Lac, Regensdorf. Der Beitrag entstand ohne Wissen des/der Produzenten.

Sven Fröhlich, ein Berliner aus Jenins, der auch Burgunder sein könnte.

In Berlin geboren, an der Ostsee aufgewachsen, in Jenins heimisch und als Quereinsteiger Winzer geworden, der mit seinem „französischen“ Stil auch als Burgunder durchginge: Sven Fröhlich ist ein neuer Name aus der Bündner Herrschaft, den man sich merken muss!

Studach, Gantenbein, Salenegg, Schlegel, Lipp, Liesch (U.+J.), Hermann (Ch): Das ist nicht nur eine Aufzählung einiger der renommiertesten Betriebe der Bündner Herrschaft, sondern auch eine der Arbeitsstationen des Sven Fröhlich. Er kam 2004 mit einem ganz anderen Beruf in die Schweiz, hat sich aber seit 2007 dem Wein verschrieben, zuerst als Praktikant beim Thomas Studach, danach als Lehrling bei Ueli und Jürg Liesch. Seine erste Arbeitsstation waren während fünf Jahren Gantenbein’s und danach war er bei den weiteren erwähnten Gütern tätig.

Goldenes Weinbaugebiet: die Bündner Herrschaft im Kanton Graubünden, ganz oben am Rhein (das Bild zeigt nicht die Reben von Fröhlich).

2015 konnte er eine Parzelle mit 300 Rebstöcken pachten und damit erstmals selbst Wein produzieren. Der „grosse“ Schritt erfolgte 2018, als er in Jenins eine Hektar Rebfläche übernehmen konnte. Und für den fehlenden Keller zur Weinbereitung halfen alte Kontakte, er durfte den ehemaligen Keller von Thomas Studach mieten.

Ich habe mir eine Flasche von seinem Pinot noir 2019 gesichert (daneben gibt es auch einen „Riesling x Sylvaner“ bzw. Müller-Thurgau). Der Wein überzeugt sehr, wobei, wenn man denn schon vergleichen will, ich ihn stilistisch eher bei Studach als bei Gantenbein ansiedle. Aber eigentlich scheint mir Fröhlich mit dem 2019er durchaus eine eigene Handschrift gefunden zu haben, und die liegt in einer zwar sehr filigranen Art, die aber so viel Finesse mitbringt, dass man unwillkürlich an einen Wein aus dem Burgund denkt. Und was vor allem auch gefällt ist, dass die Frucht des Weines nicht vom Holz überdeckt wird.

Es mag sein, dass einige Weinfreunde sich einen etwas körperreicheren, dichteren Pinot wünschten. Wer aber in einem Wein eher die Finesse sucht, der wird mit diesem mit Sicherheit sehr glücklich. Auf jeden Fall ist Fröhlich ein neuer Name, den man sich unbedingt merken muss.

Die Hummel soll das erste Tier gewesen sein, welches Fröhlich’s in ihrem ersten Rebberg gesehen haben; so wurde es zum „Wappentier“.

Pinot noir 2019
Helles Rot; zuerst eher verhaltener Duft, mit etwas Luft sehr schöne Noten von Walderdbeeren, Himbeeren und Johannisbeeren, minimale, „neckische“ Anflüge von Liebstöckel und Marzipan; im Mund filigran und „tänzerisch“, sehr fruchtbetont, schönes Gleichgewicht von feinen Tanninen und Säure. Sowohl der Alkohol als auch das Holz sind nur dezent spürbar, unterlegen den Wein aber trotzdem sehr schön; mittlerer Abgang. Ungemein feiner, fruchtiger, burgundisch (Côte de Beaune) anmutender Pinot. 17 Punkte.

Home | froehlich-weine

Bezugsquellen finden sich auf der Homepage von Fröhlich.

Broger’s „alte Rebe“ – wunderbarer Pinot als Sinnbild für höchste Weinqualität aus „Mostindien“!

Regelmässigen Lesern meines Blogs ist bekannt, dass ich Michael Broger zu den absoluten Ausnahmewinzern der Schweiz zähle. Der neuste Beweis ist eine private Gegenüberstellung von zwei Jahrgängen seiner „alten Rebe“. Und die Gelegenheit ist gut, auch ein wenig über die enorme Qualitätsdichte am Ottenberg im Kanton Thurgau zu schreiben!

Der Weingeschmack meiner Frau entspricht nicht immer dem meinen, aber in einem sind wir uns einig: Die Weine von Michael Broger sind einfach immer grossartig und ausdrucksstark. Inzwischen ist insbesondere sein Spitzenwein, die „alte Rebe“, bei uns schon fast so etwas wie der „Hauswein“. Natürlich nicht im Sinne eines Alltagsweines, dafür ist er mit inzwischen gegen CHF 40.00 dann doch zu teuer. Aber wenn ein spezieller Moment ansteht, wie kürzlich der Geburtstag meiner Frau, und wenn zum Essen ein Pinot passt, dann muss es einfach eine „alte Rebe“ sein.

Dem Geschmack meiner Frau entsprechend, welche die jugendliche Frucht eines Pinots am meisten mag, holte ich zuerst eine Flasche des Jahres 2016 aus dem Keller. Nach dem Probieren war mir schnell klar, dass ihr im Falle von Broger ein gereifterer Wein besser gefallen würde. Deshalb öffnete ich auch einen 2012-er, und so wurde der Geburtstag auch zu einer kleinen, privaten Degustation.

Zwei tolle Jahrgänge – wie immer bei Broger!

Michael Broger, „alte Rebe“, 2012
Mittleres Rubin mit hellen Rändern; in der Nase noch sehr fruchtig, Brombeer, rote Kirschen, Anflug von Waldpilzen, dezenter, feiner Holzton. Im Mund „lebendig und fibrierend“, feine, spürbare Tannine, schön eingebundene Säure, elegant und eher der filigrane Typ, gleichzeitig aber auch druckvoll und „saftig“, leichter Bittertouch im sehr langen Abgang. Toller, frischer und noch immer jugendlich wirkender Wein! Erst jetzt so richtig in der ersten Trinkreife.

Michael Broger, „alte Rebe“, 2016
Dunkles Rubin; in der Nase etwas Pflaumen, florale und würzige Noten, dezenter Anflug von Caramel; im Mund noch wild, adstringierend (aber feine Tannine), prägnante Säure, extrem „saftig“ und sehr fruchtig, mittlerer Abgang. Wunderbarer, aber noch zu junger Wein (es sei denn, man mag – wie ich – diese wilde Ungezähmtheit. Mir hat er jetzt schon sehr gemundet!, aber der hat noch viel Reserve)

Beide Weine sind ganz weit weg vom heutigen Mainstream, aber sie sind gleichzeitig absolut unverkennbare Pinots, einfach mit einer eigenen „Sprache“ und mit Persönlichkeit. Und je älter sie werden, desto mehr erinnern die dann eben doch ans Burgund! Gerade der 2012-er zeigt, wie lange ein „Broger“ braucht, bis er sich öffnet – dafür dann um so schöner und sortentypischer!

Mein allererster Blogbeitrag vor fast drei Jahren handelte übrigens von Michael Broger, wer ihn nachlesen möchte:
https://victorswein.blog/2018/01/01/michael-broger-der-pinot-magier/

Der Ottenberg als Qualitäts-Hotspot: Bachtobel, Wolfer, Burkhart!

Gestern lag passend noch die neuste Ausgabe des „Falstaff“ im Briefkasten. Dort gibt es einen Artikel über Thurgauer Weine und auch diverse Verkostungsnotizen. Der am besten benotete Wein ist – Sie ahnen es – die „alte Rebe“ 2017 mit 94 Punkten! Aber auch Broger’s Müller Thurgau wurde mit 92 Punkten (!) benotet. Der lesenwerte Artikel zeigt aber auch auf, wie enorm die Qualitätsdichte im Thurgau, und vor allem am Ottenberg ob Weinfelden, inzwischen ist. Hier zeigte zwar schon vor 30 Jahren Hans Ulrich Kesselring auf dem nur ein paar hundert Meter von Broger’s Anwesen entfernten Schlossgut Bachtobel, dass im Thurgau Spitzenweine angebaut werden können – seine Weine waren damals schon eine Referenz, und die heutigen seines Neffen Johannes Meier sind es noch immer (Broger hat übrigens einige Zeit bei Kesselring gearbeitet). Inzwischen sind aber mit Martin Wolfer und Michael Burkhart auch weitere Produzenten hinzugekommen, welche den Ottenberg zu einem eigentlichen „Hotspot“ der Schweizer Weinszene werden lassen. Ich habe im letzten Jahr beide Sortimente degustiert und war gesamthaft begeistert. Wolfer überzeugte kürzlich auch mit seinem Sauvignon blanc und 94 Punkten in der internationalen „Sauvignon blanc-Trophy“, ebenfalls im Falstaff. Und Burkhart wiederum konnte für den „Duett“ (Pinot vom Ottenberg und Diolinoir aus Salgesch) eine Zusammenarbeit mit der Familie Mounir vom Walliser Spitzenbetrieb Cave du Rhodan eingehen, was letztere sicher nicht ohne ein hohes Qualitätsbewusstein beim Partner tun würden. Vgl. hier:
https://victorswein.blog/2020/03/07/domaine-trong-der-cave-du-rhodan-bio-dynamisch-an-die-spitze/

Der langgestreckte Hügelzug des Ottenberg im Thurtal bei Weinfelden. Qualität wird von den meisten Winzern gross geschrieben.

Der Ottenberg steht damit als Sinnbild und „Hotspot“ im Zentrum des Mostkantons Thurgau in der Ostschweiz (deshalb im Volksmund auch „Mostindien“ genannt) für einen enormen Qualitätsschub im Weinbau!

https://www.broger-weinbau.ch/
https://www.bachtobel.ch/de/
https://www.wolferwein.ch/de/
https://weingut-burkhart.ch/

Goisot, Côtes d’Auxerre: Liebe auf den zweiten Schluck. Dafür anhaltend!

Côtes quoi? Dass es auch in einem unbekannten Gebiet tolle Entdeckungen gibt, zeigt ein bio-dynamisch hergestellter Chardonnay von Guilhem und Jean-Hugues Goisot, der direkt vor den Toren der Stadt Auxerre wächst.

auxerre
Auxerre, nur wenige Kilometer von der Domaine Giosot entfernt: unbedingt besuchenswert!

Beim Weineinkauf probiere ich immer wieder unbekannte Einzelflaschen aus, vorzugsweise von Produzenten oder aus Gegenden, die ich noch nicht kenne. So liess ich mich kürzlich verführen, den Chardonnay „Corps de Garde“ 2015 von Goisot zu kaufen. Dabei erinnerte ich mich vage an einen lange zurückliegenden Bericht in der Revue du Vin de France, in dem der Produzent als „Institution“ im bio-dynamischen Weinbau Frankreichs vorgestellt wurde.

Trotzdem fragte ich mich vor dem Degustieren bloss, ob der Stil des Weines wohl eher in Richtung Chablis neigt (das nur rund 20 Km nördlich liegt) oder ob die Côte d’Or als Vorbild diente. Dass der Wein auch ganz anders vinifiziert sein könnte, kam mir, trotz des Hintergrundes der Biodynamie, naiverweise nicht in den Sinn. Ich war deshalb fast ein wenig vor den Kopf gestossen, als ich den den Wein probierte. Die Düfte der frisch geöffneten Flasche wirkten krautig, würzig und hefig, ich hätte auf einen Savagnin getippt; und im Mund fand ich weder die Finesse eines Chablis noch die rundere, holzbetonte Ausprägung eines klassischen Burgunders.

goisotBloss: Nach einigen Minuten im Glas präsentierte sich ein völlig anderer Wein: Anflug von Mirabellen, aber vor allem nussige und weiterhin grüne Düfte. Und im Mund eine enorme Dichte und ein Anflug von runder Fülle, gepaart mit aussergewöhnlicher Frische. Danach ein fast nicht enden wollender Abgang. Ein grossartiger Wein, in den man sich auf den zweiten Blick (oder mit weniger Erwartungshaltung auch auf den ersten) verliebt. Und das Schönste daran: Der Wein war am zweiten und am dritten Tag nach dem Öffnen noch viel aussagekrätiger und spannender. Unbedingt einige Stunden vor dem Genuss dekantieren!

Das Gut selbst und die Menschen, die dahinter stehen, kenne ich nicht. Offensichtlich sind gemäss meinen Online-Recherchen aber auch die roten Weine, ausschliesslich Pinot noir, von gleich aussergewöhnlicher Qualität.

Aber da Sie alle selbst lesen können, setze ich hier einfach zwei Links, statt abzuschreiben, was andernorts zu Goisot steht. Nebst der Homepage des Gutes ist auch sehr lesenswert, was der deutsche Importeur schreibt. Den Hinweis auf meine Schweizer Kaufquelle unterlasse ich; ich fühle mich angesichts des nun bekannten Euro-Preises abgezockt, aber das passt vermutlich ins Konzept des Käufers, der die Firma kürzlich erworben hat und sie auf Luxus trimmen will.

http://www.goisot.fr/le-domaine.html

https://www.weinhalle.de/goisot.html

Nachtrag: Soeben habe ich festgestellt, dass es in der Schweiz auch einen Importeur gibt, der anständige Preise hat:
http://www.cantinadelmulino.ch

Aligoté – kleine Rebsorte, faszinierender Wein!

Jahrelang habe ich einen grossen Bogen um Weine aus der Aligoté gemacht. Ein Fehler, wie der Aligoté 2015 von Jean-Philippe Fichet zeigt!

Das Burgund – hier bei Puligny-Montrachet – von seiner schönsten Seite.

Das Image der Aligoté war bei mir wirklich nicht toll – ich hatte einen dünnen und sauren Tropfen in Erinnerung und habe die Sorte deshalb jahrzehntelang gemieden. Aus reiner Neugierde habe ich dann Einzelflaschen von zwei verschiedenen Produzenten bestellt. Die erste überzeugte mich erneut nicht, so dass die zweite, ein Aligoté 2015 der Domaine Jean-Philippe Fichet, im Keller verblieb. Mehr, damit die Flasche endlich aus dem Weg ist, habe ich sie nun geöffnet und siehe da: der Wein ist eine Offenbarung!

Mittleres Gelb mit orangen Reflexen; Quitten, Limetten, Flieder, etwas Holz (ob er überhaupt welches gesehen hat?). Im Mund rund und harmonisch, gute Säure fein eingepackt in einen seidenen Körper, klar, als wäre es Quellwasser (positiv gemeint!), elegant, sehr mineralisch, mit Finesse. Schöner Wein, den ich vielen Chardonnays aus dem Burgund vorziehen würde!
Und von wegen, „einen Aligoté muss man jung trinken“ – ein verbliebener Rest in der Flasche mundete auch nach 4 Tagen noch hervorragend.

Die Aligoté ist, wie auch die Chardonnay, eine Kreuzung zwischen Pinot (vermutlich Pinot noir) und Gouais Blanc (je genau, die „Gwäss“ aus dem Wallis). Sie wird in Frankreich noch auf knapp 2’000 Hektar angepflanzt, hauptsächlich im Burgund. Daneben ist sie auch in Osteuropa verbreitet. Grosse Weine aus der Aligoté sind indessen unbekannt – aber vielleicht würde es sich ja lohnen, danach zu suchen? Der Aligoté 2015 der Domaine Fichet jedenfalls war die Entdeckung wert und regt zum Weitersuchen an!

Der Aligoté ist leider auf der Homepage von Jean-Philippe Fichet nicht beschrieben; gemäss anderen Recherchen soll der Wein aus den Hautes-Cotes stammen, genauer aus Nantoux, etwa fünf Kilometer von Beaune entfernt. Mehr zur Domaine:

http://www.domaine-fichet-meursault.com/vin-meursault/fr/le-domaine-meursault.html

In der Schweiz sind die Weine von Jean-Philippe Fichet erhältlich bei Gerstl Weinselektionen (www. gerstl.ch)

Weine von der „bösen Frau“ – eindrückliche Chablis!

Das Weinbaugebiet von Chablis – so toll wie die Weine von hier!


Wenig erfreuliche persönliche Begegnung – aber geniale Weine!

Kürzlich sagte ein Kollege zu mir: „Der einzige Chardonnay, den ich trinke ist der, bei dem Chablis darauf steht“. Das mag, angesichts wundervoller Chardonnays aus dem südöstlicheren Burgund und teils auch aus anderen Weltgegenden, etwas gar puritisch sein – so ganz falsch liegt er nicht!

Nirgends auf der Welt ist Chardonnay so frisch, so tänzerisch finessenreich, so elegant, so mineralisch wie in Chablis. Und nirgends wird das Holz, wenn überhaupt, so dezent eingesetzt wie hier. Mir scheint fast, als wäre Chardonnay aus Chablis etwas anderes als von überall sonst!

Natürlich waren mir Namen wie Raveneau, Moreau-Nodet, William Fèvre oder Alain Geoffroy geläufig, und gerade Fèvre ist auch in der Schweiz gut und zu bezahlbaren Preisen erhältlich. Aber wenn ich schon mal in der Gegend bin, dass möchte ich lieber Neues kennen lernen.

Ich habe deshalb auch eine Entdeckung gemacht – und damit eine mehr oder weniger lustige Geschichte erlebt. Im Herbst 2012 war ich zum ersten Mal überhaupt in Chablis, und natürlich wollte ich auch einige Weingüter kennen lernen und Wein kaufen. „Bewaffnet“ war ich damals mit dem „Guide Hachette 2011“, einem, sofern man die Beschreibungen und nicht nur die Bewertungen liest, sehr verlässlichen Führer, der mir auch andernorts in Frankreich immer wieder gute Dienste geleistet hat und leistet. Ein „coup de coeur“ war in diesem Buch einer der Weine der Gebrüder Jean-Paul et Benoît Droin. Also stattete ich diesem Gut einen Besuch ab, und ich wurde von einem der Brüder sehr herzlich empfangen, freilich mit den Worten „il n’y a plus grand chose“. Plus grand chose hiess aber immerhin, dass zwei Grands Crus (Vaudésir und Valmur), zwei Prèmiers Crus (Fourchaume und Montmains) sowie ein Chablis verfügbar waren. Es war eine wunderbare Degustation, in der mich alle Weine, jeder auf seine Art, überzeugten. Entsprechend beladen war dann auch mein Auto, und in meinem Keller glänzten plötzlich ganz viele der chatakteristischen orange-gelbe Flaschenhälse von Droin.

Oft wohl zu jung getrunken, überzeugten mich die Weine auch daheim, und so besuchte ich das Gut zwei Jahre später wieder. Aber welche Enttäuschung: Ich wurde von einer Frau empfangen, wobei dieser Ausdruck falsch ist, willkommen war ich nämlich nicht. „Avez vous reçu notre courrier?“, wurde ich gefragt; und auf die Antwort „non“, wurde mir barsch beschieden „on ne prends pas de nouveaux clients“! „Mais Madame“, versuchte ich zu erklären; und ich erzählte ihr von meinem erst zwei Jahre zurückliegenden Besuch, dem herzlichen Empfang und den vielen gelb-orangen Kapseln in meinem Keller. Es nützte nichts, „on ne prends pas de nouveaux clients“!

Mais Madame, versuchte ich es erneut, „j’ai achêté une quarantaine de bouteilles chez vous il n’y a que deux ans“. „On ne prends pas de nouveaux clients!“ war die einzige, gebetsmühlenartige Antwort, die ich auf alle Argumente erhielt!

Alle vernünftigen Begründungen wie „wir sind leider ausverkauft“ oder „wir verkaufen aufgrund grosser Nachfrage nur noch an langjährige Kunden“ hätte ich verstanden und akzeptiert. Aber, „wir nehmen keine neuen Kunden mehr“, nachdem ich sehr ausführlich von meinem letzten Besuch und Kauf erzählt hatte und sogar ein Foto aus meinem Weinkeller mit den orange-gelben Kapseln hätte zeigen wollen, das war schon etwas schwer verständlich. Nun gut, ich zog leicht frustriert von dannen, und jedes Mal, wenn wir danach einen Droin-Wein aus dem Keller holten sagten wir spassig und nicht ganz ernst gemeint: „Das ist jetzt der Wein von der bösen Frau“.

Verrückt ist nur, dass die „Weine von der bösen Frau“ so unglaublich gut sind! Wir haben kürzlich die letzte Flasche 2009 des Grand Crus Valmur getrunken – ein schlichtweg umwerfender, genialer Wein:
„Immer noch helles Gelb; feine, zitrusbetonte Nase, Mandeln und Mirabellen; im Mund mit einer präsenten, erfrischenden, tollen Säure, körperreich und mineralisch, mit einem „salzigen“ Anflug; klar wirkend wie Quellwasser, unendlich langer Abgang. Einfach ein fantastischer Wein!

Grand Cru-Lage Valmur mit Blick auf Chablis

Jean-Marc Brocard – viel mehr als ein Lückenbüsser

Einen guten Effekt hatte das Erlebnis bei der „bösen Frau“ immerhin auch: Ich zitierte den – immer noch gleichen 2011er  – Guide Hachette und entschied mich für einen alternativen Besuch auf der Domaine Brocard in Préhy, ein paar Kilometer ausserhalb von Chablis. Dieses Gut ist deutlich grösser als Droin  – und war deshalb auch bereit, einem „Neukunden“ Wein zu verkaufen 🙂 – es stellt aber Weine von ähnliche Güte her. Das einzige, was man kritisieren könnte ist, dass der Stil noch etwas uneinheitlich ausfällt, degustieren lohnt sich also. Auch hier sind die Grands Crus – gekauft Le Clos und Valmur – grossartig, und die Prémiers nur wenig nachstehend (gekauft Fourchaume und Montée de Tonnerre). Absolut empfehlenswert und in Sachen Preis-/Leistung unschlagbar ist aber der „Vielles Vignes“, ein hochkonzentrierter und trotzdem eleganter, erfrischender Wein – in allem auf der Höhe eines Prèmiers ausser dem Preis! Und das Schönste an Brocard: er arbeitet bereits auf einem grossen Teil der Domaine nach biologischen Grundsätzen!

Wer braucht da noch die Weine einer „bösen Frau“? Ernsthaft, es lohnt sich allemal, und ich habe deshalb auch Bezugsquellen für Droin in der Schweiz und in Deutschland recherchiert. Hoffentlich nehmen die noch neue Kunden …

Links zu Droin:
https://www.jeanpaulbenoit-droin.fr/fr/
https://ruli-vins.com/weine/?filter_produzent=domaine-jean-paul-droin
https://shop.weinhandlung-drexler.de/

Und Links zu Brocard:
http://brocard.fr/
https://de.millesima.ch/produzent-jean-marc-brocard.html
https://www.belvini.de/jean-marc-brocard

Bodenständig, aber gut

Vom Reiz eines „einfachen“ Weins einer Genossenschaft

stammheim
Die Rebberge von Stammheim im vergangenen Herbst (Bild vl)

Der heutige Beitrag beginnt nochmals mit Niklaus Zahner aus Truttikon. Vgl.
https://victorswein.blog/2018/03/11/zur-illegalitaet-verfuehrt-zum-glueck/

Soeben hat mich der neuste Aussand von Zahner erreicht. Thema ist dabei ein Rückblick auf die beiden letzten Jahre, in denen zweimal Frost und dazu einmal Hagel massive Schäden anrichteten. Natürlich kann Zahner aus der Position des Etablierten schreiben, dennoch ist seine Aussage wohtuend:
„Wir mögen uns nicht grämen über zwei kleinere Ernten nach 20 Jahren Milch und Honig. Vielmehr sehen wir sie als Ausgleich für „vorgezogene Erträge“ und blicken mit Vertrauen der kommenden Saison entgegen„. Und noch ein Bonmot aus dem gleichen Aussand: „Eine Frostversicherung gibt es so wenig wie eine Versicherung gegen Steuern oder Weltuntergang“.

Nun aber zum Thema: Ich war gestern an einem Anlass, an dem zuerst ein Weisswein gereicht wurde, der wenige Kilometer weit entfernt vom oben erwähnten Weingut von Zahner wächst. Dieser Müller Thurgau war absolut enttäuschend (genau so schlecht, wie ich den Riesling x Sylvaner von vor 30 Jahren in Erinnerung habe), so dass ich mit vollem Weissweinglas sofort zum Roten wechselte.

Und dieser hat mich dafür total begeistert. Ein Pinot noir der Stammheimer Winzergenossenschaft aus der Halbliterflasche, aber in einer Qualität, die für einen einfachen Wein mehr als erstaunlich ist: Auf der Homepage der Genossenschaft wird der Wein so beschrieben:
Typische Pinot Noir Aromen nach Erdbeere, Himbeere, Rose und Zwetschge. Ein Rotwein mit gut strukturierter Fülle und harmonischer Trinkreife.

Dem ist nichts beifügen, ausser, dass dieser Wein einfach den ganzen Nachmittag und Abend mit jedem Schluck Freude machte. Und dass er – in der 75cl-Flasche – nur Fr. 11.30 kostet! Natürlich ist es kein grosser Wein, aber wenn ich die Wahl zwischen einem durchschnittlichen „Strassen-Burgunder“ (dieser Ausdruck besteht deshalb, weil diese Weine aus der Ebene östlich der grossen Weinbaudörfer der Côte d’Or, unten an der Landstrasse, stammen)  dann ziehe ich den Pinot der Stammheimer Winzerbaugenossenschaft jederzeit klar vor.

Und das schreibe ich jetzt wirklich nicht aus Lokalpatrotismus – im Gegenteil, ich habe dabei festgestellt, wie erschreckend wenig ich über diese örtliche Genossenschaft weiss. Gleiches gilt für einige der Winzer im Tal – ich werde deshalb künftig in sehr loser Folge hier auch mal mit vertieftem Lokalkolorit darüber berichten.

http://www.stammheimer-winzer.ch/home

 

Ein Lob auf gereifte Weine

Manchmal braucht man auch einfach nur ein wenig Glück. Vor einiger Zeit habe ich etwas unbedarft bei Ricardo mitgesteigert und bin auf einem kleinen Los sitzengeblieben, welches ich eigentlich gar nicht wollte. Aber am Schluss blieb es mir für ein Trinkgeld.

Ein Bestandteil war eine halbe Flasche Meursault-Charmes des Hauses Chartron et Trébuchet aus dem Jahr 1994. Also ein alter Wein aus einer zwar guten 1er-Cru-Lage, aber von einem weniger bekannten Weinhaus, aus einem schlechten Jahrgang und erst noch in der halben Flasche. 1994 war wohl das seit damals schwächste Jahr bis heute. Immerhin handelte es sich aber um einen im Hospice de Beaune versteigerten Wein mit dem damals bekannten Käufer Grands Vins Wermuth. Aber trotzdem: Das dürfte ein Wein zum Wegkippen sein, dachte ich.

Kürzlich probiert, und entgegen aller Erwartung auch getrunken, zeigte dieser Chardonnay, dass es auch in der Weinwelt nicht einfach schwarz oder weiss gibt. Der Wein hatte – nomen est omen – noch viel Charme. Vor allem in der Nase war er gar hochinteressant, mit einem sehr ausgeprägten Nussgeschmack und Anflügen von getrockneten Früchten. Blind hätte man ihn fast für einen Vin jaune oder gar einen Amontillado (Sherry) halten können. Im Mund war die noch recht präsente Säure erstaunlich, aber die hatte der 1994er wohl von Natur aus in reichlichem Mass. Ganz generell war der Wein noch ausgewogen, präsent und machte total Freude.

Meursault-Charmes ist übrigens eine recht grosse Premier-Cru Lage, perfekt am Hangfuss und direkt an der Grenze zu Puligny-Montrachet gelegen. Die Lage ist zudem unterteilt in Charmes-Dessus und Charmes-Dessous, könnte also auch so bezeichnet werden.

Chartron et Trébuchet’s Geschichte geht, in der Form der Domaine Jean Chartron, bis ins Jahr 1859 zurück. Als eigenständiges Weinhaus existiert es heute nicht mehr, es wurde 2004 von Bejot vins et terroir übernommen, blieb aber als Marke erhalten. Chartron et Trébuchet ist also heute sozusagen eine Schwester von Marken wie Moillard, Pierre André und Reine Pédauque.

Die Moral der Geschichte: Es ist auch beim Wein nicht immer, wie man glaubt, und einen Wein auch einmal reifen lassen, kann sich lohnen. Und sonst kann man sich immer noch die Zeit beim Steigern auf einer Onlineplattform vertreiben …