Zur Illegalität verführt – zum Glück!

Die Rede ist von der Familie Zahner in Truttikon im Zürcher Weinland, durch und durch anständige, staatstreue und bodenständige Leute. Sowohl Vater Waldemar als auch Sohn Niklaus, der heutige Betriebsleiter, dienten beispielsweise ihrer Wohngemeinde als Gemeinderäte (was auf dem Land eher Last denn Lust ist).

zahner
(K)ein Hort der Illegalität: Das Anwesen der Familie Zahner in Truttikon, Zürcher Weinland.

Zu einer illegalen Handlung, die aus heutiger Sicht unvorstellbar, ja schon fast kafkaesk anmutet, wurden sie durch die damalige Gesetzgebung gezwungen. Und dazu angestiftet durch einen der führenden Gastronomen. Die Geschichte ist nicht neu und war schon in der Presse zu lesen (online habe ich sie freilich nicht gefunden), aber sie ist zu schön, um nicht nochmals erzählt zu werden.

Am Anfang stand André Jäger, der grosse Gastronom, der jahrzehntelang die Fischerzunft in Schaffhausen zu einem Treffpunkt der Gourmets machte. Er sagte zu Zahner’s, er würde ja gerne auch Schweizer Weisswein auf die Karte nehmen, wenn denn die Winzer nur endlich etwas Gutes produzieren würden. Etwas so Gutes wie beispielsweise den Pinot blanc aus der Barrique von Franz Keller in Oberbergen im Kaiserstuhl. Vater und Sohn Zahner schauten sich an, und der Blick war klar: das machen wir! Also wurde Franz Keller besucht und sein Wein beschafft, degustiert und analysiert – und für gut befunden. Aber auch so befunden, dass Zahner’s sich sicher waren, einen solchen Wein auch herstellen zu können.

Es gab da freilich ein paar Probleme. Im Kanton Zürich waren damals nur gerade fünf Sorten zum Anbau zugelassen, wobei der rote Blauburgunder und der weisse Riesling x Sylvaner (heute aus rechtlichen Gründen: Müller Thurgau) zusammen fast die ganze Rebfläche bedeckten. Der Anbau von Pinot blanc war also verboten, und der damalige Rebbaukommissär Kurt Pfenninger ein zwar umgänglicher Mensch, aber in Sachen Rebsorten ein „scharfer Hund“. Es blieb also nur eine illegale Pflanzung, angesichts des Renommees von Zahner immerhin mit dem fast sicheren Wissen, dass später eine Ausnahmebewilligung erteilt werden würde, wenn der Wein nur gut gelänge.

(Dass der damalige Rebbaukommissär, bei allen sonstigen Verdiensten, dem Weinbau mit seiner Sturheit einen Bärendienst erwies, wäre eine andere Geschichte, zumal die Konsumenten den damaligen Riesling x Sylvaner schon längst nicht mehr mochten. Und dass dieser Wein, so wie er heute meistens produziert wird, zu Unrecht immer noch unter seinem damaligen Image leidet, ist gleich nochmals eine andere Story).

Nik Zahner jedenfalls begann zu recherchieren, und weil es damals noch kein Internet gab, war es schon ein Abenteuer, überhaupt zu Pinot blanc-Setzlingen zu kommen. In der Schweiz wurden logischerweise keine angeboten. Fündig wurde er schliesslich im Elsass – und wie die Setzlinge, da illegal, dann in die Schweiz gelangten, dürfen Sie sich gerne selbst ausmalen.

Die Fortsetzung der Geschichte in Kürze: Selbstverständlich wurde der Wein qualitativ hervorragend. André Jäger hatte seinen Schweizer Hauswein, und Zahner’s ein paar Jahre Vorsprung in Sachen Erfahrung mit neuen Sorten und mit Weisswein aus der Barrique. Und die Ausnahmebewilligung wurde tatsächlich auch noch erteilt, kurz bevor die Sortenwahl endlich generell gelockert wurde. Eine der Auflagen in der Ausnahmeerlaubnis war übrigens, dass jährlich ein paar Flaschen an die Forschungsanstalt Wädenswil zur Kontrolle hätten eingereicht werden müssen.

In Wädenswil werden sie sich ärgern, dass diese Auflage mit der Sortenfreigabe dahinfiel. Denn die Reben, inzwischen im besten Alter, liefern auch heute noch die Grundlage für einen hervorragenden Pinot blanc, der sich selbst im internationalen Vergleich nicht zu verstecken braucht. Zudem kann der Wein hervorragend altern. Der als Vergleich zum aktuellen Jahrgang 2015 geöffnete 2007 war noch in absoluter Hochform, und auch der etwa vor Jahresfrist geöffnete Jahrgang 2003 ein Hochgenuss.

 

zahner-pinoot-blanc
2015: helles Gelb; Duft von Zitrusfrüchten, Aprikose, etwas Vanille; Im Mund mit mässiger Säure, spürbarem Süsskomplex, leichter, aber schön eingebundener Restsüsse, nur dezent spürbarem, toll eingebundenem Holz; eleganter, toller und typischer Pinot blanc. 2007: mittleres Gelb mit orangen Reflexen; intensiver Duft, Mirabellen, Mango, Pfeffer; im Mund mittlere Säure, leicht trocknend, rund. Top-lebendiger Wein, der einfach Freude macht. (Die beiden Weine begleiteten einen Wildlachs an einer leicht scharfen und mit dem ersten Bärlauch aus dem Garten veredelten Sauce, und der ältere passte fast besser als der jüngere).

Und die Moral von der Geschichte: Manchmal braucht es halt Pioniere, die etwas Neues anpacken, auch wenn ein gewisses Risiko damit verbunden ist!


Preis-/Leistungssieger bei Spitzenpinots!

Eine Geschichte über Zahner wäre nicht komplett ohne einen Hinweis auf seinen Pinot noir aus der Barrique: Waldemar Zahner war auch hier ein Pionier, und weit und breit der einzige, der Barriquewein anbot, was den guten Ruf der Familie schon von 30 und mehr Jahren begründete. Die Pinots aus der Barrique gehören auch heute noch zur qualitativen Spitze der Schweiz, wobei Zahner über all die Jahre seinem eigenständigen Stil treu geblieben ist (ausdrücklich eigenständig und nicht etwa eigenwillig!). Seine Pinots aus dem Holz springen einen in der Jugend nicht gerade an, es sind keine Chambolle-Musigny-Kopien, wohl deshalb bringt Zahner seine Barrique-Pinots immer später als andere auf den Markt. Wer auch danach noch die Gnade hat, etwas zuzuwarten (aktuell ist 2008 in toller Trinkreife), dem dankt es der Wein mit wunderschönen Pinot-Tönen, einem kräftigen und druckvollen, gleichzeitig aber auch runden und samtenen Auftreten im Mund, und mit Holznoten, die so dezent sind, dass sie kaum noch als solche wahrgenommen werden. Und, wie in meinem Blog schon einmal geschrieben, das Schönste daran ist, dass der Wein auch heute noch kaum mehr kostet als vor 20 Jahren. Die Fr. 22.– für den aktuell verkauften Jahrgang 2013 bedeuten mit Sicherheit das beste Preis-/Leistungsverhältnis unter den Spitzen-Pinots der Schweiz! (Der Pinot blanc kostet übrigens „nur“ Fr. 18.–)

http://www.zahner.biz/index.html

 

 

Ein Gedanke zu “Zur Illegalität verführt – zum Glück!

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