Reinhold Messner und Martin Aurich: Zwei Gentlemen sichern die Zukunft des Weinguts Castel Juval.

Schloss Juval, Unterortl, ist eine Referenz im Südtiroler Weinbau. Es gehört(e) Reinhold Messner und wurde von Gisela und Martin Aurich seit anfangs der 1990er Jahren aufgebaut und zu einem der besten Güter im Südtirol entwickelt. Vor ein paar Jahren fand ein Besitzerwechsel statt und jetzt steht ein Pächterwechsel bevor. Beides ist mit Bedacht geplant.

Erinnern Sie sich, jemals eine Story über das Weingut von Reinhold Messner gelesen oder gehört zu haben? Ich jedenfalls nicht, weder in der Weinpresse (einen kleinen Beitrag in Falstaff ausgenommen), noch in Tageszeitungen oder im TV, wo Messner ja nicht so selten zu erleben ist. Andere Prominente leisten sich ein Weingut, um möglichst oft im Gerede zu sein. Reinhold Messner hat es aufbauen lassen um zu zeigen, dass Berglandwirtschaft eine Zukunft hat. Auf seiner Homepage stellt er diverse seiner Projekte vor und bringt seine tiefe Überzeugung zum Ausdruck, dass – gerade in einer globalisierten, uniformen Welt – eine Verzahnung von Berglandwirtschaft und Tourismus eine Chance hat, jedenfalls dann, wenn die Produzenten auch versuchen, in geschlossenen Kreisläufen zu vermarkten (Link siehe unten).

Berglandwirtschaft, wie sie Reinhold Messner vorschwebt, in der herrlichen Landschaft des Vinschgaus bei Naturns.

Das ideale Pächterpaar, Gisela und Martin Aurich.

Er hätte für sein Weinbauprojekt keine besseren Pächter finden können als Gisela und Martin Aurich. Sie haben das Weingut von Null aus aufgebaut und innert der letzten drei Jahrezehnte zum besten im Vinschgau und wohl auch zum spannendsten im ganzen Südtirol gemacht. Wenn man am Berg unterhalb von Schloss Juval steht und die gepflegen Rebterrassen zwischen Felsen sieht und sich vorstellt, welche Arbeit dahinter stecken muss, bekommt man Ehrfurcht. Und wenn dann noch Martin Aurich auf die tiefer gelegenen Blauburgunderreben zeigt und sagt, dass man hier vor 30 Jahren nicht ins Tal gesehen habe, weil alles verbuscht und verwaldet war, dann bleibt nur ein grosses Staunen über die Schaffenskraft des Ehepaars Aurich.

Sogar im Keller des Weinguts grüsst der Fels, um den herumgebaut wurde!

Zum Gelingen beigetragen hat freilich auch der Verpächter Reinhold Messner. Martin Aurich findet nur lobende Worte für ihn, weil er jederzeit Gentleman und fairer Verpächter war, der anfangs finanziell auch auf den Aufbau des Gutes Rücksicht genommen und ihn zudem habe machen lassen. Sogar davon, dass sich nicht der ganze Hang zum Anbau von Rotweinsorten eignet, habe er den Rotweinfan Messner überzeugen können.

Wie der Vater, so der Sohn: Messners haben zu Lebzeiten von Reinhold Klarheit geschaffen, seit ein paar Jahren gehört der Betrieb dem Sohn Simon (und das Schloss Juval selbst einer Tochter). Auch Simon Messner hat Aurich bei der Suche nach einem nachfolgenden Pächter völlig vertraut und freie Hand gelassen – aber davon später.

Von Berlin über Geisenheim ins Südtirol – um hier zu bleiben

Am Anfang steht der Aufbau des Gutes Unterort. Martin Aurich ist Berliner und hat in Geisenheim Getränke-Technologie studiert. Später verschlug es ihn ins Südtirol, wo er als zweite Station auf dem Landesweingut und Versuchszentrum Laimburg als Versuchsleiter für Weinbereitung den schmerzhaften aber lohnenden Wandel hin zum Qualitätsweinbau namhaft mitgestaltet hat (es war die Zeit, in welcher vor allem die Schweizer, die zuvor jeden noch so jämmerlichen Vernatsch aus Südtirol wegtranken, sich plötzlich anderen Gewächsen zuwandten. Dass der Vernatsch deshalb zu Unrecht in Verruf gekommen ist, bleibt ein anderes Thema, das ich hier im Blog schon aufgenommen habe (Link siehe unten). In Laimburg entdeckte Aurich, der zuvor mit Fruchtsäften arbeitete, seine Passion für Wein, und als sich die Gelegenheit ergab, den Hof Unterortl von Castel Juval zu pachten und aufzubauen, griffen er und seine Frau zu.

Der sympathische Martin Aurich, der das Gut Castel Juval, Unterortl, zusammen mit seiner Frau Gisela zu einem Bijou und einer qualitativen Hochburg aufgebaut hat.

Zusammen ins Tal schauen und reifen Riesling geniessen.

Es ist kaum denkbar, dass Martin Aurich dieses Wunderwerk von Betriebsaufbau in den Reben und im Keller ohne die tatkräftige Mithilfe bzw. die Unterstützung seiner Frau Gisela hätte vornehmen können. Und offensichtlich sind die beiden auch ein tolles Team. Es gibt eine wunderschöne Passage in einem Interview mit Martin Aurich (Link siehe unten), in dem dieser gefragt wird, wie er sich einen schönen Tagesausklang vorstelle und – verkürzt – antwortet, „bei einer Flasche reifem Riesling ins Tal zu schauen, wenn meine Frau dabei ist und wir gemeinsam über Wein diskutieren und philosophieren können“.

Martin Aurich, der Gentleman. Genau das bekommt man auch zu hören, wenn man im Tal über ihn Auskunft will – und manchmal auch ungefragt. Ob Winzerkollege, Weinkenner, Ladenbesitzer, Fremdenführer oder Passant: Alle finden, das Vinschgau bzw. Naturns und Kastelbell hätten Aurich sehr viel zu verdanken – für das, was er erschaffen, aber auch für das, was er an Wissen und Engagement weitergegeben habe. Ähnliche Töne hört man übrigens über Reinhold Messner.

Bio ganz ohne Aufhebens – das passt!

Zudem ist anzumerken, dass Aurich’s das Gut inzwischen auf biologischen Rebbau umgestellt haben, ganz ohne Aufhebens und ohne Deklaration. Aber sicher auch ganz im Sinne von Reinhold Messner, der sich schon lange für Umweltschutz einsetzt und einst auch (parteiloser) Europaabgeordneter für die Grünen war.

Bergweinbau – typischer Ausschnitt aus dem Weingut.

Perfektes Terroir mit viel Geschichte, ideales Klima.

Sieht man von den Strapazen beim Anlegen der Weinberge und auch bei deren Bearbeitung ab, dann freilich kann man sich kaum einen besseren Platz zum Weinmachen vorstellen – und das merkt man den Weinen auch an. Da ist schon mal die Geschichte. Auf dem Juvalhügel wurden (und werden, eine Terrassierung musste deshalb kurzfristig unterbrochen werden) Menschenspuren aus prähistorischer Zeit gefunden. Und auch Ötzi soll hier vor seinem Tod jahrelang gehaust haben.

Der Untergrund aus Gneis eignet sich perfekt zum Anbau von Reben und die Meereshöhe zwischen rund 600 und 850 m erweist sich immer mehr als Vorteil. Wasser, das hier aufgrund tiefer Niederschlagsmengen knapp ist, wird aus dem Schnalstal zugeleitet. Und schliesslich spielt das Mikroklima eine wichtige Rolle und macht Unterortl zum vermutlich besten Ort im Vinschgau, um Wein zu produzieren. Tagsüber ist es sonnig und warm bis heiss (das Klima ist dem Siziliens vergleichbar), aber in der Nacht ziehen kalte Winde aus dem Schnalstal, an dessen Eingang das Weingut liegt, ins Tal und sorgen für Abkühlung und für eine ideale und für die hohe Qualität wichtige Temperaturschwankung zwischen Tag und Nacht.

Riesling- und Weissburgunder-Hochburg – und ein geschmacklicher Ausflug ins Piemont

Heute werden auf Unterortl vor allem Blauburgunder (tiefe Lagen), Riesling (mittere Höhe) und Weissburgunder (oberste Terrassen) angebaut. Zudem gibt es etwas Johanniter und auch Müller Thurgau. Auf meine Frage, warum um Himmels Willen ausgerechnet diese Sorte, antwortete Martin Aurich verschmitzt „ja, ich verstehe die Frage, aber ich war überzeugt, dass man hier aus der Sorte etwas machen kann“. Die spätere Degustation bestätigte dies wunderbar. Schliesslich gibt es seit Kurzem je rund 400 Stöcke Zeigelt, Divico und Gamaret, welche eine kräftige, dunkle Cuvée ergeben, womit sich Aurich noch einen Wunsch erfüllt hat. Er mag nämlich Barbera und Dolcetto sehr, und diese Cuvée ginge blind ohne Weiteres als das durch, zumindest als Dolcetto. Dass es offenbar etwas Überzeugungsarbeit braucht, um diesen Wein zu vermarkten, ist eigentlich unverständlich. Aber vermutlich liegt es daran, dass der Wein so ganz anders ist als der Rest des Sortimentes, so dass sich die Kundschaft zuerst daran gewöhnen muss.

Blick auf die Blauburgunder-Lagen und ins Tal der Etsch. Die Landschaft mit der Felswand im Hintergrund erinnert mich sehr an Chamoson im Wallis.

Ein Pächterwechsel, von langer Hand vorbereitet.

Im Herbst geht nun aber die Ära Aurich zu Ende. Das Ehepaar hat sich vor ein paar Jahren ein Haus im Tal gebaut und wird sich in Rente zurückziehen (wobei ich eher an eine Art „Unruhestand“ mit neuen Projekten glaube …). Für die Suche nach einer Nachfolge auf dem Betrieb waren Aurich’s selbst verantwortlich. Wer ein solches Bijou aufgebaut hat, will ja auch sichergestellt haben, dass es in gute Hände übergeben wird. Und solche wurden augenscheinlich gefunden. Mittels einer Anzeige in einer Publikation von Geisenheim stiess Aurich auf das Schweizer Ehepaar Burki. Dieses ist inzwischen bereits im Betrieb tätig. Man arbeitet ein ganzes Rebjahr gemeinsam, damit ein idealer Übergang sichergestellt ist. Bei meinem Besuch hatte ich die Gelegenheit, Christine Burki kennenzulernen. Raphael war verhindert – er war gerade daran, eine Lektion in Italienisch zu besuchen! Lustigerweise habe ich die Beiden dann nur ein paar Tage später in Zürich an einer Burgunderdegustation angetroffen. Somit kenne ich nun auch Raphael, und das Thema Burgund ist insofern spannend, als wohl beim Blauburgunder das grösste Steigerungspotenzial auf Unterortl vorhanden ist.

Erfreulicherweise konnte ich den bekannten Weinjournalisten und Weinbuchautor Martin Kilchmann dafür gewinnen, ein paar Informationen über Burki’s zu schreiben. Kilchmann ist nicht nur ein begnadeter Journalist und profunder Kenner des Südtirols, sondern auch mit Raphael Burki befreundet. Schon 1995 schrieb Kilchmann ein Buch über Südtiroler Weine und 2009 ein weiteres über Südtirols Freie Weinbauern, letzteres ist zumindest gebraucht noch erhältlich und lebt auch von tollen Fotos des Weinfotografen Jörg Wilczek

Hier die Vorstellung der Burki’s durch Martin Kilchmann:


Raphael und Christine Burki – die neuen Pächter auf Unterortl

Raphael Burki tritt die Pacht auf Unterortl zusammen mit seiner Frau Christine, einer gelernten Zimmerin im Holzbau, mit einem reich gefüllten Rucksack an: 1976 in Luzern geboren, durchläuft er eine Elektrikerlehre, macht die Wirtschaftsmatura und lässt sich an der Fachhochschule Luzern zum Informatiker ausbilden. Danach erliegt er endgültig dem Weinvirus und studiert nach Praktikas bei Ruedi Baumann in Oberhallau, Hansueli Kesselring in Weinfelden und Karlheinz Johner im Kaiserstuhl von 2006 bis 2008 Önologie in Geisenheim. Ab 2008 wird er verantwortlicher Weinmacher bei Toni Ottiger am Vierwaldstättersee. Gemeinsam mit Ottiger führte er das Weingut in die Elite des Schweizer Weinbaus und ins Mémoire des Vins Suisses.

2009 wird er darüber hinaus zum Pendler zwischen zwei Weinwelten: Er übernimmt auf Johner Estate in Wairarapa auf der neuseeländischen Nordinsel den Posten des Winemakers. Daneben verfolgt er down under auch eigene Weinziele und holt sich mit einem Chardonnay und Pinot noir Lime Hill Höchstnoten bei den renommierten Weinkritikern des Landes.

Hin- und hergerissen zwischen einer definitiven Niederlassung in Europa oder Neuseeland stossen Raphael und Christine vor zwei Jahren auf ein interessantes Stelleninserat: Im Vinschgau sucht Pächter Martin Aurich für das von ihm erfolgreich bewirtschaftete, hoch gelegene Weingut Castel Juval Nachfolger. Die Nähe zur Schweiz, die hervorragend exponierten Rebberge, der spannende Sortenspiegel – Riesling und Pinot noir gehören zu Burkis absoluten Lieblingen – faszinieren die beiden. Nach einem langen, vertrauensvollen Prozess des Kennenlernens kommt es schliesslich zum Vertragsabschluss. Italien, Südtirol, das Vinschgau, ja auch die Schweiz dürfen sich auf weitere fabelhafte Weine aus Unterortl freuen.

Martin Kilchmann


Perfekter „Generationenwechsel“

Somit treten fast gleichzeitig der Verpächter und die Pächter des Weingutes ab. Geregelt wurde das alles mit Bedacht und von langer Hand vorbereitet – und augenscheinlich folgen auf Pächter- und Verpächterseite ebenso vertrauenswürdige Personen. Von Gentleman zu Gentleman bzw. Gentlewoman zu Gentlewoman. Ich habe Burki’s schon „angedroht“, sie in zwei Jahren zu besuchen um festzustellen, wie sich das Gut entwickelt.

Die (meisten) Weine des Guts in Kurzbeschreibungen:

„Schaufenster“ im Degustationsraum inkl. Gestein aus den Rebbergen.

Glimmer 2022 (Johanniter und Müller Thurgau als gemischter Satz)
Sehr fruchtbetont, Bergamotte; knackige, tolle Säure, dabei aber rund und ausgesprochen trinkfreudig, spannender Einstiegswein. 16 Punkte.

Müller Thurgau, Hanns Singkmoser zu Jufal, 2022
Zitrus, grüner Apfel; enorme Frische, schöner Körper und köstlicher, mittlerer Abgang. Toller Wein, wenn bloss alle Müller Thurgau so wären, dann verlöre die Sorte ihr schlechtes Image. 16,5 Punkte.

Weissburgunder 2022
Zitrus, reifer Apfel, etwas Banane; druckvoll, frisch, langer Abgang. Prototyp eines charaktervollen und typischen Pinot blanc! 16,5 Punkte.

Weissburgunder Himmelsleiter 2021
Quitten, grüner Apfel, Birne (Gute Luise), etwas Zitrus; im Mund mit umwerfender mineralischer Frische, sehr vielschichtig, schöner Körper, langer Abgang. Grossartig und mit viel Potential. 17,5 Punkte.

Riesling Gletscherschliff 2022 (aus eher jüngeren Reben)
Weisser Pfirsich, Aprikose, etwas Zitrus; im Mund frisch und sehr „saftig“, toller „Gutsriesling“, der süffig aber nicht anspruchslos ist. 16 Punkte.

Riesling Unterortl 2022
Gelber Pfirsich, Grapefuit, Anflug von exotischen Früchten (Papaya, Ananas), im Mund sehr dicht, ausgesprochen frisch und mineralisch, langer Abgang. Klasse Riesling! 17,5 Punkte.

Riesling Weingarten Windbichel 2021
Gelber Pfirsich, Aprikose, etwas Ananas und generell sehr vielschichtige Fruchtdüfte; grandiose Dichte (fast zum Abbeissen), enorme Frische, auch im Mund sehr fruchtbetont, fast nicht endender Abgang. Ein Traum-Riesling, einem GG ebenbürtig! 18,5 Punkte.

Blauburgunder Riserva 2020
Mittleres Rubin; eher verhalten, aber sehr feine Anflüge von Johannisbeeren und Himbeeren, etwas Leder; im Mund mit viel feinem Tannin, elegant, frisch mit langem Abgang. Holz praktisch nicht spürbar! Nobler Pinot mit Lagerpotential. 17 Punkte.

Gneis 2021 (Zweigelt, Divico, Gamaret)
Dunkles Purpur; ausladender Duft von dunklen Früchten, würzig; im Mund rund, schöne Tannine, sehr „saftig“ und „trinkig“, mittlerer Abgang. Das Ziel, einen süffigen barbera- oder dolcetto-ähnlichen Wein herzustellen, ist voll erfüllt. Perfekt zu Pastagerichten! 16 Punkte.

Schliesslich sei auf die Brände des Gutes hingewiesen, eine Passion von Martin Aurich. Ich habe sie nicht probiert, aber sie sollen grossartig sein.

Weingut & Hofbrennerei Unterrotl | Castel Juval (unterortl.it)

Bezugsquellen:
Ganz im Sinne von Reinhold Messner zur idealen Wertschöpfung am besten einen Besuch des Vinschgau und Einkauf auf dem Gut (das Fahrverbot darf für einen Besuch unbeachtet bleiben) planen. Wem das kurzfristig zu weit ist – die meisten Weine sind u.a. hier erhältlich:
Für Deutschland/Oesterreich:
Weingut Unterortl Castel Juval Onlineshop I Meraner Weinhaus
Für die Schweiz:
Weißwein – von aromatisch bis erfrischend online kaufen Schweiz » Pur Alps®

Weitere Links zum Thema:

Der Bergbauer / Reinhold Messner (reinhold-messner.de)
Simon Messner im Interview: „Das Verhältnis zu meinem Vater war nie ganz einfach“ (planetoutdoor.de)
Martin Aurich – Goldene Rose Karthaus, Val Senales/Trentino Alto Adige
Urlaub in Naturns Offizielle Seite ☀️ unvergessliche Ferien (merano-suedtirol.it)
Martin Kilchmann – Weinautor
Südtirols freie Weinbauern. – Gelebte Weinkultur in den Alpen. 9783852564821 (buchfreund.de)

Und der erwähnte Link zu einem Beitrag in meinem Blog zu grossartigen Vernatsch:
Weine zum Verna(t)schen und eine Weinkarte zum Verlieben! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Traumhafte Ecke auf dem Weingut.

Interessennachweis:
Dieser Beitrag wurde ermöglicht dank einer Pressereise auf Einladung der Tourismusgenossenschaft Naturns mit Kost und Logis im rundum hervorragenden Hotel Schulerhof in Plaus. Die ganze Reise und der Besuch auf dem Weingut erfolgten indessen individuell und ohne jede Verpflichtung.

Pinot oder nicht Pinot? Grossartig auf jeden Fall: St. Laurent in Hochform!

St. Laurent ist eine eher unbekannte Rebsorte – zu Unrecht, wie eine Blinddegustation zeigte. Die Sorte, deren Herkunft immer noch nicht völlig klar ist, läuft in Österreich zu Hochform auf und verdient viel mehr Beachtung!

Als ich vor ein paar Jahren an einer Degustation einen österreichischen Winzer fragte, wie man denn die Sorte St. Laurent richtig ausspreche, schaute er mich ziemlich verständnislos an und sprach ein sehr deutsches „Sankt Laurent“ aus. Dass ein Schweizer auf die Idee kommen könnte, französisch „sän loron“ zu betonen, ist ja aber nicht ganz abwegig. Dies umso mehr, als der Ursprung der St. Laurent im Elsass liegen könnte (wobei – damals wurde dort deutsch gesprochen).

Erstaunlicherweise ist aber die Abstammung des St. Laurent bisher offenbar nicht zweifelsfrei geklärt. Während die einen ihn zur Pinot-Familie zählen, sehen andere eine eigenständige Sorte. Auf die Abstammung vom Pinot deutet eines der vielen Synonyme hin, welches – französisch! – „Pinot Saint-Laurent“ lautet. Pierre Galet weist dies in seinem Standardwerk von 1990 „Cépages et Vignobles de France“ allerdings als Irrtum zurück. Gemäss einer DNA-Analyse von Ferdinand Regner (Stift Klosterneuburg) soll es sich indessen um einen natürlichen Burgundersämling handeln.

Heimat Elsass – oder etwa doch Österreich?

Ebenso unklar ist, wo die Sorte erstmals auftauchte. Während viele Quellen auf das Elsass hindeuten, von wo sie via Deutschland nach Oesterreich gelangt sein soll (was einigermassen belegt ist), gibt es auch die Theorie, sie stamme aus Niederösterreich und sei von dort ins Elsass und wieder zurück gelangt. Einig sind sich alle von mir recherchierten Quellen immerhin bei der Namensgebung. Die soll sich nämlich auf den Farbumschlag um den 10. August beziehen – dem Gedenktag des heiligen Laurentius.

Hochburg Österreich? Oder Tschechien und Slowakei!

Obwohl der St. Laurent einer der Elternteile des Zweigelt ist, fristete er lange Zeit ein Schattendasein und ist auch heute noch keine wichtige Sorte. Interessanterweise liegen die grössten Anbaugebiete in Tschechien und der Slowakei. Gefühlt wird freilich Österreich als eigentliches „St. Laurent-Land“ wahrgenommen. Hier kommt er in allen Weinbaugebieten vor und bedeckt eine Fläche von etwas über 700 Hektar – davon allein 40 im Stift Klosterneuburg. (Quellen u.a.: Wikipedia, Stift Klosterneuburg, Winzerblog.at, ZeitfürGenuss).

Das Handicap des St. Laurent ist seine Anfälligkeit auf Verrieseln sowie die Schwäche gegenüber Peronospora (falscher Mehltau) und Botrytis. Umgekehrt führt seine relativ dicke Schale dazu, dass die Weine etwas farbintensiver und tanninhaltiger ausfallen als beim Pinot noir.

Blinde Faszination „Ried Frauenfeld“

Ich war kürzlich bei einem Weinfreund zu einer Blinddegustation eingeladen, wobei ich nicht wusste, um welche Weine bzw. Sorten es sich handelt. Ebenfalls war mir nicht bekannt, dass alle Weine biologisch produziert wurden. Ich gebe zu, ich wäre niemals auf St. Laurent gekommen – und auf eine mögliche Pinot-Verwandtschaft auch nicht (wobei der Sieger der Degustation Samtigkeit, Eleganz und gleichzeitig Kraft zeigt, was durchaus an Pinot denken lässt). Ebenfalls wenig liess darauf schliessen, dass es sich in zwei Fällen um den jeweils gleichen Wein aus zwei verschiedenen Jahrgängen handelte; die Jahrgangsunterschiede sind erstaunlich.

Aber alle fünf Weine sind tolle Werte und zeigen, dass es sich lohnt, sich mit dem St. Laurent näher zu befassen. Der 2018er Ried Frauenfeld vom Johannishof Reinisch ist sogar umwerfend gut, in diesen Wein habe ich mich richtig verliebt! Und dabei handelt es sich noch nicht mal um das St. Laurent-Flaggschiff des Betriebes!

Fünf St. Laurent, fünf Bioweine, drei Winzer: sehr überzeugende Argumente für den St. Laurent!

St. Laurent 2018, Ried Frauenfeld, Thermenregion, Johannishof Reinisch
Mittleres Rubin; sehr elegante, vielschichtige Nase (überwiegend helle Früchte, dazu etwas Neuholz); im Mund sehr „saftig“, schöne, angepasste Säure, ausgesprochen feine Tannine, tolle Struktur, Holz sehr gut eingebunden, fruchtiger, langer Abgang. Wunderschöner, eleganter Wein – ein Wurf! 18 Punkte.

St. Laurent 2019, Ried Frauenfeld, Thermenregion, Johannishof Reinisch
Dunkles Purpur; anfangs etwas reduktiv, angetönte helle Frucht, sehr holzbetont (Neuholz); auch im Mund sehr holzgeprägt aber auch fruchtig, vollgepackt mit viel feinem Tannin, etwas trocknend, eher filigrane Struktur, mittlerer Abgang. 16,5 Punkte.
(Nach der Aufdeckung der Weine fragte ich mich angesichts des 2018er’s, ob sich das Holz bis in einem Jahr auch so gut integriert hat? Falls ja, länge meine Note zu tief).

St. Laurent alte Reben 2018, Niederösterreich (Carnuntum), Walter Glatzer
Mittleres Rubin; helle und dunkle Beeren, Anflug von Garrique, erinnert fast etwas an einen Grenache; im Mund elegant, spürbare Säure, feine Tannine, etwas trocknend, sehr rund fliessend; mittlerer Abgang mit spürbarem Säuretouch. Sehr schöner Wein für alle, die sich durch eine relativ pointierte Säure nicht abschrecken lassen. 16,5 Punkte.

St. Laurent alte Reben 2019, Niederösterreich (Carnuntum), Walter Glatzer
Mittleres Rubin; dunkle Frucht (Cassis, Jostabeeren, Blaubeeren), etwas Süssholz, etwas Apfel; im Mund ungemein fruchtig, viel, aber etwas trocknendes Tannin, zuerst kaum spürbare, aber im mittleren Abgang recht prägnante Säure. 16,5 Punkte.

St. Laurent vom Dorf, 2019, Gerhard und Brigitte Pittnauer (Neusiedlersee)
Dunkles Rubin, leichte Trübung; in der Nase Heidelbeeren, Sternfrucht, Tabak, dazu auch würzige und florale Töne; im Mund etwas eigenartige Textur, säurebetont und eher schlank, feine Tannine, relativ langer, säurebetonter Abgang, Machart „Naturwein“. Wirkt fast, als wäre er noch etwas in der Gärung. Fruchtiger, spezieller, aber auch spannender Wein, wohl nicht jedermanns Sache. 15,5 Punkte.

Home – Weingut Johanneshof Reinisch (j-r.at)

Home – Weingut Glatzer

Gerhard und Brigitte Pittnauer sind die Pittis. – Weingut Pittnauer GmbH


Interessennachweis:
Die Weine wurden in einer rein privaten Degustation auf Einladung bei einem nicht in der Weinbranche tätigen Weinfreund probiert.


Dieser Wein zaubert ein Lächeln ins Gesicht!

Blaufränkisch ist schon seit längerer Zeit eine meiner Lieblingssorten. Und wenn ein Wein so gelungen ist wie der Ungerberg 2015 von Pittnauer, dann ist Blaufränkisch einfach umwerfend gut!

„Dieser Wein hat mir nur schon beim Schnuppern ein Lächeln ins Gesicht gezaubert“, das waren die Worte eines Weinfreundes, der zu einer spannenden Blinddegustation geladen hatte – noch bevor bekannt war, um welchen Wein es sich handelt. Das Degustationsformat war ungewöhnlich, aber extrem spannend, da die Weine bunt gemischt nach Herkunft, Sorte und Jahrgang gereicht wurden. Ich wusste nicht, was mich erwartet, aber eine solche wirkliche Blinddegustation ist fordernd und macht, auch wenn ich durchaus Erfolge beim Zuordnen hatte, auch etwas demütig in Bezug auf das eigene Weinwissen ….

Trotz teils auch deutlich teurerer „Konkurrenz“ stach ein Wein aus allen hervor, eben der Ungerberg 2015 des Weingutes Pittnauer aus Gols. Der Wein befindet sich in der ersten Trinkreife und wirkt einfach berührend – eben, zaubert ein Lächeln ins Gesicht!

Bio-dynamisch – und „weniger ist mehr“ im Keller

Gerhard und Brigitte Pittnauer – Mitglieder bei Pannobile – bewirtschaften ihr rund 18 Hektar grosses Gut seit rund 15 Jahren nach bio-dynamischen Grundsätzen und halten sich im Keller so weit wie möglich mit Eingriffen zurück. Der Ungerberg, bekannterweise eine Top-Lage (auch wenn der Ausdruck „Berg“ masslos übertrieben ist), bringt auf perfekte Art Finesse, Druck und Tiefe gleichzeitig – und das bei einem vorbildlich tiefen Alkoholgehalt von nur 12,5 % vol.!

Die Etiketten des Gutes sind künstlerisch gestaltet; den Text zum Ungerberg konnte ich zwar teils entziffern, aber die Bedeutung ist wohl Geheimnis des Künstlers.

Blaufränkisch, Ried Ungerberg, Pittnauer, 2015
Mittleres, schon leicht gereiftes Rubin; sehr feine, vielschichtige, füllige Nase mit roter Frucht, „süssliche“ Anflüge und auch florale Noten; im Mund zuerst sehr feingliedrig und elegant wirkend, dann aber auch mit viel Druck, tolles Tannin, gute Säure, „saftig“, sehr langer Abgang. Toller, berührender Wein. 18 Punkte.
Ich durfte den Rest der Flasche nach Hause nehmen und konnte ihn am Abend zufällig zu einem Schmorbraten geniessen – der Wein wirkte zum Essen noch grossartiger und hielt auch der konzentrierten Sauce problemlos Stand. Ich wäre geneigt gewesen, noch einen halben Punkt in der Bewertung nachzubessern ….

Der Wein ist sogar noch im Handel erhältlich:
Weingut Gerhard Pittnauer Blaufränkisch Ried Ungerberg 2015, Bio, 0,75 l – 9Weine (neunweine.ch)

pittnauer.wine (die Site des Weingutes ist leider noch nicht aktiv, man kann sich aber für einen Newsletter anmelden)

sylvia petz * Agentur für organisierten Genuss – Trophée Gourmet A la Carte für G. & B. Pittnauer (sylvia-petz.at) (ein schönes Kurzportrait des Weingutes)

Und ein anderer herrlicher Ungerberg:

Hier noch ein Link auf einen früheren Beitrag in meinem Blog über einen anderen herausragenden Wein vom Ungerberg – ebenfalls bio-dynamisch! (Dort gibt es auch zwei Bilder vom Ungerberg).
Ungerberg 2012 von Paul Achs: Blaufränkisch vom Feinsten! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)


Interessennachweis:
Der Wein wurde im Rahmen einer privaten Degustation bei einem Weinfreund blind degustiert.

Grillo und Italien? Wenn es um Wein geht, kann das grossartig sein! 50 Anni Grillo von Massimo Maggio.

Wer heute Grillo hört, denkt vielleicht als erstes an die verkachelte italienische Politik. Es mag tröstlich sein: Politiker kommen und gehen, Reben bleiben, auch wenn sie Hochs und Tiefs erleben.

Der vorstehende Lead stammt aus einer Weinbeschreibung von Delinat zum „50 Anni Grillo“ von Massimo Maggio, dem Wein, um den es in diesem Beitrag geht. Dieser Weisswein aus der fast nur in Sizilien vorkommenden Traubensorte Grillo hat mich begeistert.

Ganz grundsätzlich beobachte ich Delinat und dessen Weine praktisch seit es die Firma gibt, also bereits Jahrzehnte. Und eigentlich gibt es keine sympathischere Weinhandlung, denn hier geht es nicht einfach um Weinhandel, sondern vor allem auch um biologischen Anbau und seit einiger Zeit ganz besonders auch um Nachhaltigkeit und Biodiversität. Das Gut von Massimo Maggio ist beispielsweise mit 3 „Schnecken“ ausgezeichnet, was bedeutet, dass es nicht nur die Richtlinien von Delinat zum biologischen Landbau und zur ökologischen Vielfalt einhalten muss, sondern auch 100 % des Energieverbrauchs aus regenerierbaren Quellen bezieht.

So gesehen, erfüllt eigentlich jeder Delinat-Wein die Prämisse meines Weinblogs: „alles ausser gewöhnlich“. Und Delinat verfügt auch über viele Weine, die rundum begeistern. Einige habe ich hier schon früher schon mal beschrieben:

Roches d’Aric: reinste biologische Medizin! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
Extrem lehrreich: „single variedad Rioja“ – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Ich verschweige allerdings auch nicht, dass mich degustativ längst nicht alle Weine von Delinat begeistern (auch wenn alle immer mindestens korrekt sind). Das liegt teilweise daran, dass viele Weine bewusst keine grossen Gewächse sind, dafür sehr preiswert und – im Gegensatz zu den Anfängen der Bioweine – in jedem Fall sauber und süffig. Das liegt aber auch daran, dass ein recht hoher Anteil der Weissweine mit Restsüsse ausgebaut sind. Das liegt ja durchaus im Trend und trifft den Geschmack vieler – meinen aber ganz einfach nicht, und deshalb habe ich bei aller Sympathie vor einigen Jahren auch die Degustationspakete abbestellt.

Nun habe ich aber kürzlich im Verkaufsladen in Winterthur ein paar Einzelflaschen gekauft, und die bisher probierten haben mich überzeugt. Geradezu begeistert war ich eben von diesem Grillo:

Das Weingut Maggiovini in der Nähe von Ragusa auf Sizilien. 100 % der nötigen Energie stammt aus erneuerbaren Quellen (Bild ab Homepag des Gutes).

50 Anni Grillo 2020, Massimo Maggio
Mittleres Gelb; sehr fruchtige, fast etwas süsslich wirkende Nase; Papaya, Aprikose, Reineclaude, leichter Holzton; im Mund frisch, dichte Struktur, schöne Säure, fruchtbetont, spürbares, aber sehr schön integriertes neues Holz, langer Abgang. Sehr überzeugender Wein. 16,5 Punkte.
PS: Und das zu einem Preis von CHF 11.30!

Alles Weitere zu diesem Wein und zum Betrieb brauche ich nicht abzuschreiben, das können Sie gut selbst direkt hier lesen:
50 Anni Grillo | Bio Weisswein | jetzt online bestellen | Delinat

Und hier noch der Link zum Weingut selbst:
Maggio Vini • azienda vitivinicola siciliana


Interessennachweis: Der Wein wurde direkt im Delinat-Laden zu normalen Konditionen gekauft.

Südliche Rhône in Bio und Subskription: La Bastide Saint Dominique überzeugt in rot und weiss!

Einen Steinwurf ausserhalb der Appellation Châteauneuf-du-Pape gelegen, überzeugt ein Bio-Weingut seit einiger Zeit mit hervorragender Qualität – gerade auch beim Châteuneuf. Und trotzdem kennt es hierzulande kaum jemand. Noch wenige Tage gibt es die Weine bei einer kleinen Weinhandlung in „Subskription“ zu spannenden Preisen.

Ich hatte in meinem Blog schon einmal zur Bastide Saint-Dominique berichtet: über den hervorragenden „Pignan“, den es – weil es eine Lagebezeichnung ist – eben nicht nur von Château Rayas gibt.
Pignan ≠ Pignan – in jedem Fall aber eine Spitzenlage in Châteauneuf-du-Pape! – Victor’s Weinblog

In der Zwischenzeit habe ich auch den 2017-er gekauft und verkostet, und für mindestens ebenso begeisternd empfunden. Da gibt es – wenn auch nicht mehr „billig“ – ein echtes, unbekanntes Bijou in Châteauneuf! Gleiches gilt, eine Qualitäts-, aber drei Preisklassen darunter, auch wieder für den tollen roten Cairanne!

Ich weise aber heute, getreu meinem Motto „alles ausser gewöhnlich“, speziell auf die Weissen des Gutes hin. Ich mag den Ausdruck „Preis-/Leistungsverhältnis“ für Wein eigentlich überhaupt nicht, aber wenn ein Wein so speziell gut und gleichzeitig preiswert ist wie der weisse Côtes du Rhône 2019 von Bastide Saint Dominique, dann darf man diese Formulierung mit gutem Gewissen einmal verwenden:

Côtes-du-Rhône blanc, 2019 (Viognier mit Grenache blanc und Clairette)
Mittleres Gelb mit leicht rötlichen Reflexen; intensive, spannende, aber nicht aufdringliche Fruchtnoten nach Quitten, Bananen, MIrabellen und Aprikosen; im Mund kräftig und dicht, gleichzeitig aber mit schöner Säure und leichtem Bittertouch sehr ausgewogen, sehr mineralisch. langer Abgang; kräftiger, feuriger Wein, der aber auch eine für einen südlichen Wein unglaubliche Frische mitbringt. 16,5 Punkte (und das bei CHF 12.50!). (= sehr gut)

Châteauneuf-du-Pape blanc 2019 (Grenache blanc, Clairette, Roussanne)
Ziemlich blasses Gelb; Quitten, grüner Apfel, Lindenblüte, sehr würzige Töne; voluminös, spürbarer Alkohol, aber absolut nicht brandig, eher mässige Säure, aber mit ausgeprägter mineralischer Frische. Sehr langer Abgang. Braucht noch etwas Reifezeit. 17 Punkte (= sehr gut).

Stimmungsbild aus der südlichen Rhône. Reben im Winter, „nostalgische“ Aufnahme aus dem Jahr 1989.

Diverse Wein, auch die beschriebenen, sind aktuell, aber nur noch bis am 6. April 2021, in Subskription erhätlich bei:
Suchergebnisse für „vorverkauf“ – VINOTTI

La Bastide Saint Dominique (bastide-st-dominique.com)

Anmerkung zum Thema „Bio“: Die Weine sind ab Jahrgang 2019 nicht mehr mit dem Label versehen. Grund dafür ist, dass der Winzer im „Pilzjahr“ 2018 zusehen musste, wie die Trauben und Reben leiden. Er möchte sich deshalb für solche Jahre vorerst eine Hintertüre offen halten. Somit sind die Weine vorerst zwar weiterhin naturnah und in normalen Jahren auch nach den Bio-Prinzipien produziert, nicht aber zertifiziert.

Merkel? Oder lieber gleich ein Engel? Beim Wein am besten beides!

Der Titel bot sich einfach an, auch wenn er wenig einfallsreich ist. Ein Leser hatte mir zwei Weinbaubetriebe aus Rheinhessen empfohlen: Merkel und Engel. Der Tipp war gut, fasziniert haben mich vor allem die etwas „ausgefalleneren“ Weine wie Schwarzriesling, Portugieser, Cabernet Mitos, Scheurebe oder auch Sémillon!

Rheinhessen, das grösste Weinbaugebiet Deutschlands, ist auch ein fast unerschöpfliches Reservoir für Entdeckungen. Auf die beiden Betriebe Merkel und Engel wäre ich wohl kaum gekommen ohne den Hinweis eines Weinfreundes. Aufgrund des Tipps habe ich dann aber pro Betrieb je 6 assortierte Flaschen Wein gekauft und ennet der Grenze abgeholt, als Corona das gerade noch zuliess. Nach und nach habe ich die Weine nun genossen – und ja, sie sind einen Bericht absolut wert. Begeistert haben mich vor allem die „Spezialitäten“ – das sind eigentliche Entdeckungen.

Das Weingut Burgunderhof Merkel befindet sich mitten in Rheinhessen in Gundersheim, das Weingut Engel im Nachbarort Flösheim-Dalsheim, welches durch das Spitzenweingut von Klaus Peter Keller in Weinkreisen bekannt ist.

Auf dem Burgunderhof Merkel werden schon in vierter Generation etwas über 4 Hektar Reben seit 2004 nach biologischen Grundsätzen bewirtschaftet und 17 verschiedene Weine hergestellt. Seit 2016 sind die Geschwister Carmen und Martin im Betrieb tätig. Die Rebfläche wurde übrigens hier ganz bewusst reduziert, damit die Rebarbeit durch Familienmitglieder möglich wurde, was der Qualität zuträglich ist.

Eine Familienangelegenheit – schon seit 1673 – ist auch das Weingut Engel. Auf rund 11 Hektar werden hier durch die Familie Engel (Eltern und zwei Söhne) über 50 verschiedene Weintypen hergestellt. Im Keller zuständig ist seit einigen Jahren Albrecht Engel, welcher bei so renommierten Betrieben wie Wittmann und Christmann Erfahrungen gesammelt hat.

Ich beschränke mich nachstehend auf die Beschreibung der etwas spezielleren Weine, was ja dem Prinzip meines Blogs entspricht. Zu den anderen immerhin so viel: Mit Genuss getrunken habe ich alle der gekauften Weine, es sind zwar keine grossen Gewächse, aber allesamt mit der Note gut – und Spass machend.

Spezielles aus Rheinhessen: Spannende Weine abseits des Mainstreams. Schön, dass es solche Weine gibt!

Merkel, Schwarzriesling 2019, Gundersheimer Königstuhl
Mittleres Rot, zurückhaltend, Johannisbeeren, grüne Töne, an Traubenstiele erinnernd, etwas Vanille (?). Eher schlanker Körper, sehr gut eingebundener Alholhol und Säure, spürbare Tannine, leichter, erfrischender Bitterton. Langer Abgang. Filigraner, spannender und eigenständger Wein! 16 Punkte (= am oberen Ende der Skala gut).
Schwarzriesling ist ein irreführender Name, denn es handelt sich um eine Sorte aus der Pinot-Familie, vermutlich um eine Mutation des Pinot noir (oder umgekehrt). Unter dem Namen Pinot meunier ist sie vor allem in der Champagne als dritte Sorte nebst Pinot noir und Chardonnay bekannt. Auch im deutschsprachigen Raum wird der Ausdruck „Müllertraube“ zuweilen verwendet.

Merkel, Portugieser 2019, Gundersheimer Königstuhl (alte Reben, wurzelecht)
Mittleres, glänzendes Rot; fruchtbetont mit hellen und dunklen Beeren (Brombeere, Heidelbeere, Johannisbeere), würzig-erdig; im Mund rund mit spürbarer Süsse bei gut stützender Säure, sehr feine, etwas grünliche Tannine, mittlerer Abgang. Spannender Wein, würde ich blind als Mischung aus Pinot noir und Gamay einschätzen. 16 Punkte.
Sowohl gemäss „Pierre Galet: Cépages et Vignobles de France, 1990“ als auch „Jancis Robinson, Reben, Trauben, Weine, 1987“ soll der Portugieser gerade nicht aus Portugal stammen, sondern seinen Ursprung in Österreich oder Ungarn haben. Glaubt man indessen neueren Erkenntnissen und Einträgen in Wikipedia, handelt es sich aber um eine Kreuzung der Blauen Zimmttraube und dem Grünen Sylvaner, und sie soll um 1770 von – eben Portugal – nach Österreich gebracht worden sein.

Merkel, Mythos 2018, Cabernet Mitos, Gundersheimer Höllenbrand
Dunkles Purpur, fast undurchsichtig; kräftige Fruchtaromen nach dunklen Kirschen, Brombeeren und Pflaumen, etwas Vanille; im Mund dicht, rund, mit kräftigen Tanninen und guter Säure, wirkt wie ein Wein aus dem Süden, hat aber auch eine gewisse Eleganz. Mittlerer Abgang. Wirklich spannend und sehr gelungen! 16,5 Punkte (= sehr gut).
So richtig spannend ist auch bei dieser Sorte die Verwandtschaft. Obwohl sie erst 1970 gezüchtet wurde, ist die Namensgebung irreführend! Sie galt zwar tatsächlich als Kreuzung zwischen Blaufränkisch und Cabernet Sauvignon, DNA-Analysen haben aber später ergeben, dass es sich bei den richtigen Eltern um Blaufränkisch und Teinturier du Cher handelt (Quelle: Wikipedia bzw. Deutsches Weinjahrbuch 2013).

Engel, Sémillon 2019
Helles Gelb; intensive Frutcharomen nach Stachelbeeren, Aprikosen und Quitten; im Mund dicht, gute Säure, mit einem kleinen Anflug von Süsse und einem erfrischenden Bittertouch, langer Abgang. Herrlicher Sémillon aus Deutschland! 16,5 Punkte.
Die Rebsorte hat ihren Ursprung in Bordeaux und ist nah mit der Sauvignon blanc verwandt. Sie ist denn auch vor allem als Bestandteil weisser Bordeaux und Sauternes bekannt. Allerdings stimmt wohl, was Jancis Robinson in „Reben, Trauben, Wein“ darüber schreibt: „Sie ist wahrhaft eine eigenartige Traube. Sie ist auf der Welt weit verbreitet, bringt aber meist nur übertrieben dickliche oder ausgesprochen langweilige Weine hervor. An manchen Stellen aber verwandet sie sich in eine bezaubernde Schönheit, als habe eine Fee sie angerührt“. Da hat die Fee offensichtlich eben mal in Flörsheim-Dalsheim vorbeigeschaut!

Engel, Scheurebe, 2013
Helles Gelb; fruchtige Nase nach Aprikosen, Stachelbeeren und Papaya; im Mund noch total jugendlich, knochentrocken mit knackiger, aber nicht übertriebener Säure, auch im Mund sehr fruchtbetont, wirkt, als wäre etwas Tannin vorhanden, äusserst langer Abgang. Unglaublich, wie jugendlich der Wein noch ist. Für Freunde trockener Weine eine absolute Entdeckung! 16 Punkte.
Auch die Scheurebe lebte lange unter falscher Identität. Falsch wie beim Riesling x Sylvaner, heute Müller Thurgau, galt auch sie als Kreuzung zwischen Silvaner und Riesling, gezüchtet 1916 vom Namensgeber Georg Scheu in Alzey. Auch diesem Irrtum kam man inzwischen mittels DNA-Analyse auf die Spur: Korrekt ist es eine Kreuzung zwischen Riesling und Bukettraube. Letztere ist eine Kreuzung zwischen Silvaner und Trollinger, und so war die frühere Annahme wenigstens ein bisschen richtig. Quellen: Wikipedia und Weinfreunde-Magazin.

Weingut Burgunderhof Merkel | merkel-weine.de | Gundersheim (merkel-weine.de)
Home – Weingut Engel (der-wein-engel.de)

Fredi Strasser’s Lebenswerk: Ein Buch als „Muss“ für wirklich alle Weinfreunde!

Wenn Sie noch ein tolles und sinnvolles Weihnachtsgeschenk für einen Weinfreund suchen: voilà! Ein Schweizer Pionier im biologischen Rebbau hat ein Buch herausgegeben, das faszinierend ist. Und es passt eben wirklich für alle. Für ökologisch eingestellte Weintrinker, weil es bestätigt und Wissen ergänzt. Aber noch viel mehr für alle anderen, weil es völlig undogmatisch eine neue Sicht auf Reben und Umwelt vermittelt – und zum Denken anregt!

Das Buch heisst „Pilz-resistente Traubensorten“ – und der Titel ist eigentlich das am wenigsten Präzise daran. Es ist zwar gemäss Verlag eines der ersten „Piwi-Bücher“ überhaupt. Aber eigentlich ist es viel, viel mehr, nämlich ein Vermächtnis eines der grossen Bio-Pioniere im Rebbau, und eine faszinierende Beschreibung, wie ein Winzer mit umweltgerechten Methoden die Reben und den Boden ohne Gift ins Gleichgewicht bringen kann.

Fredi Strasser in seinem Element: So spannend wie er erzählt, liest sich sein Buch.

Aber vor allem: Das Buch ist nie dogmatisch, Fredi Strasser schildert einfach sein enormes Wissen, das er sich als „Studierter“ (Ing. Agr. ETH) vor allem auch empirisch im Alltag angeeignet hat. Eigentlich ist es auch ein geniales Lehrbuch. Fredi Strasser schafft es zusammen mit der Mitautorin Franziska Löpfe, auf knapp 250 Seiten einen hervorragenden Überblick über die Wunderpflanze „Rebe“ und ihre Kultivierung sowie die Weinherstellung zu geben. Und ebenso wird auf sehr gut verständliche Art ein grosses Wissen über die Problematik des Rebbaus in Bezug auf Krankheiten und Schädlinge vermittelt – und die verschiedenen Arten, wie man dem als Winzer begegnen kann. Ein ganz wichtiger Teil des Buches widmet sich zudem der Bodenfruchtbarkeit und dem schonenden Umgang mit unserer Lebensgrundlage.

Ich werde nie vergessen, wie Fredi Strasser an einem Rebumgang an beliebigen Stellen eine Sonde in seinen Rebberg gesteckt hat, mit dem Hinweis, dass ein durchlässiger, lockerer und bewachsener Boden nicht nur fruchtbarer ist, sondern bei Niederschlägen auch das Wasser zurückhält und speichert. Er musste deshalb seine Neupflanzungen auch in trockenen Jahre nicht bewässern. Keine zwei Wochen später ergoss sich ein Unwetter mit kurzen, aber sehr heftigen Regenfällen über das Stammertal. Ein Augenschein ergab, dass im Rebberg von Fredi Strasser alles Wasser problemlos versickerte, während es sich ein paar Meter entfernt in einer konventionell bewirtschafteten Parzelle in Sturzbächen auf die unterliegende Strasse ergoss.

Rechts demonstriert Fredi Strasser die Durchlässigkeit seiner Böden. Hier gab es auch nach dem Umwetter keine Schwemmschäden. Links eine herkömmlich bewirtschaftete Parzelle eines anderen Winzers in der Nachbarschaft – wertvoller Boden ist weggeschwemmt.

Ein kleinerer Teil des Buchs widmet sich dem Autor und Biopionier selbst. Und diese Passagen haben es auch in sich. Hier erfährt man einiges über den inneren Antrieb des Autors, aber noch viel mehr über all die Steine und Knebel, die einem Visionär wie Fredi Strasser von der „offiziellen Schweiz“ in den Weg gelegt wurden. Ein bisschen Glück und „Vitamin B“ gehört manchmal auch dazu, wenn man die Steine wegräumen will. Fredi Strasser wurde in sehr jugendlichem Alter der erste Bio-Landwirtschaftslehrer an der Zürcher landwirtschaftlichen Schule Strickhof. Und ebenda besuchte anfangs der 1980er-Jahr ein gewisser Andrea Hämmerle, Biohof-Quereinsteiger und später Nationalrat, die Vorlesungen von Strasser. Es entwickelte sich eine Freundschaft, und dank dieser brachte Hämmerle in der Wirtschaftskommission des Nationalrates den Antrag ein, dass auch neue Rebsorten, und eben auch Piwi, in der Schweiz zugelassen werden. Gegen den Willen des damals zuständigen Bundesrates, und gegen den Widerstand von zwei Westschweizer Winzern in der Kommission („les hybrides – on ne peut pas les boire“) setzte sich Hämmerle schliesslich durch. Damit war der Weg frei, Piwi-Sorten auch in der Schweiz anzupflanzen.

Zwei Freunde veränderten die Schweizer Reblandschaft: Fredi Strasser und alt NR Andrea Hämmerle.

Zurück zum Buch: Es ist ungemein spannend und auch sehr flüssig und lesefreundlich geschrieben, ohne dabei an Substanz zu verlieren. Etwas speziell ist die Kombination aus wissenschaftlichen Erkenntnissen, welche der Ing. Agr. ETH Strasser einbringt, und empirischen Erfahrungen, welche der Naturbeobachter Strasser beisteuert. Ich habe die wichtigsten Passagen einem in Oxford forschenden Mikrobiologen vorgelegt. Er kritisiert als Wissenschaftler zu recht, dass der Unterschied zwischen etablierten Fakten, mit denen ein Abschnitt meistens beginnt, und eigenen Hypothesen nicht klar gekennzeichnet wird. Als wissenschaftliches Buch kann es deshalb nicht durchgehen, aber das war ja wohl auch nicht die Absicht. Trotzdem hält auch der Biologe das Buch als Übersicht für den Laien für durchaus gewinnbringend. Wenig begeistert ist er freilich über den Schlussteil zu Knöllchenbakterien und Mykorrhizen, aber das ist halt ausgerechnet sein eigenes Forschungsgebiet.

Auch über Zucht und Eigenschaften von Piwi-Reben erfährt man einiges, vor allem über die auf Strasser’s Betrieb angepflanzten. Und wem das jetzt immer noch nicht genügt, der sei noch darauf hingewiesen, dass auch die Tiere nicht zu kurz kommen – die gesamte Fauna im Sinne der Biodiversität mit Schädlingen und vor allem auch Nützlingen, aber auch die Haus- und Nutztiere, welche Strasser’s halten und die auch aus dem Rebberg nicht wegzudenken sind.

Pferde (und andernorts Schafe) im Rebberg – ersetzen den Mäher!

Quintessenz: Ich habe kaum je ein Weinbuch derart „verschlungen“ wie dieses. Es schafft den Spagat zwischen moderner Kommunikation und ernsthafter Wissensvermittlung in hervorragender Art. Und es ist wirklich für jeden Weinfreund geeignet:

  • Der Weinfreund, der nur wenig darüber weiss, wie Reben gepflegt werden und wie Wein entsteht, bekommt hier in geraffter Form einen sehr guten Einstieg und Überblick.
  • Der Umweltbewusste wird aus diesem Buch noch lernen können (ich selbst bewirtschafte einen kleinen Rebberg, mehrere Jahre war ich auch biologisch unterwegs, aber ich hatte beim Lesen und beim Rundgang mit Fredi Strasser unzählige „Aha-Erlebnisse“).
  • Der neugierige Weinkenner wird entdecken, dass es sich lohnt, sich mit neuen Sorten auseinanderzusetzen.
  • Vor allem aber für Skeptiker eignet sich das Buch ganz besonders: Wer es liest, und nicht völlig mit Scheuklappen durch’s Leben geht, wird im Minimum den einen oder anderen Denkanstoss erhalten.

Damit würde dann das Buch nicht nur zur Zusammenfassung des Lebenswerks des Fredi Strasser, sondern auch zur Basis für einen schonenderen Umgang mit der Umwelt werden. Was könnte sich der Bio-Pionier Schöneres wünschen?

Fredi Strasser, Franziska Loepfe: Pilzresistente Traubensorten (Reben biologisch pflegen, naturreinen Wein geniessen – das Piwi-Buch), Haupt-Verlag, Bern, ISBN 978-3-258-08187-8. CHF 39.00.
https://www.haupt.ch/buecher/natur-garten/pilzresistente-traubensorten.html


Fredi Strasser und seine Weine:
Fredi Strasser hat Jahrgang 1958 und wuchs in Nussbaumen im Kanton Thurgau als Bauernsohn auf. Strasser lebt heute mit seiner Frau Maria in Stammheim im Kanton Zürich, wo er sein eigenes Weingut betreibt. Wie er zu diesem Gut gekommen ist, kann sehr spannend erzählt im Buch nachgelesen werden.
Er studierte in Zürich an der ETH Agrarwissenschaft, war während Jahrzehnten Lehrer für Biolandbau an der landwirtschaftlichen Schule Strickhof, ist Gründungsmitglied der Stiftung Fintan, eines bio-dynamisch arbeitenden Vorzeige-Betriebes in Rheinau und war auch in der Hauptrolle bei der Neuanlage der imposanten Weinlage „Chorb“, hoch über dem Rhein. Seit rund 10 Jahren besitzt er nun bestes Rebland in Stammheim, welches er nach und nach auf Piwi-Sorten umstellte.

Und wie schmecken seine Weine? Gut! Hier zwei Beispiele:

Soleil d’Or, weiss, 2018
(Cuvée aus Excelsior und Seyval Blanc)
Helles Gelb, intensive in der Nase, florale Töne nach Lindenblüte und Rebenblüte (!), intensiver Lychee-Duft; im Mund recht dicht, spürbare Fruchtsüsse, dezente, aber gut stützende Säure, leichter, erfrischender Bitterton, mittlerer Abgang. Schöner Wein, kaum ein Hinweis auf Piwi! 16,0 Punkte (=gut bis sehr gut).

Maréchal Foch, rot, 2017
Mittleres Rot; sehr fruchtige Nase, Himbeeren und sehr ausgeprägt Walderdbeeren, etwas Kiwi; im Mund wenig Tannin, Säure und Alkohol sehr gut ausgewogen, schlank. Erst ganz am Schluss im mittleren Abgang ganz leicht „foxig“. Gelungener Wein, 15,5 Punkte (= gut).

https://www.stammerberg.ch/ueberuns/betrieb


Und schliesslich noch für alle, die immer noch glauben, „les hybrides – on ne peut pas les boire“:

„Piwi-Weine sind untrinkbar“. Umdenken ist angesagt – hier ein Spitzenwein als Beweis! – Victor’s Weinblog

91-26-26 – ein Piwi-Wein wie ein 6-er im Lotto! – Victor’s Weinblog

Trinken Sie sich mal einen Kater! Und bauen Sie dabei schmerzlos Vorurteile ab. – Victor’s Weinblog

Ungerberg 2012 von Paul Achs: Blaufränkisch vom Feinsten!

Eigentlich ist es erstaunlich, dass die wunderbare Sorte Blaufränkisch nicht viel weiter verbreitet ist. Der Vergleich mag gewagt sein, aber diese Rebsorte vereint die Eleganz eines Pinot noir mit der Tiefe eines Cabernet Sauvignon. Und wenn der Wein vom Ungerberg kommt und vom bio-dynamisch arbeitenden Winzer Paul Achs stammt, dann wird er fast unwiderstehlich!

Der Ungerberg, wobei „Berg“ eigentlich masslos übertrieben ist. Aber aufgrund der Bodenbeschaffenheit ist es eine der besten Lagen am Neusiedlersee (im Hintergrund). Foto: Download ab Homepage von Paul Achs.

Paul Achs leitet sein Weingut seit fast 30 Jahren, und er hat es in dieser Zeit geschafft, den Familienbetrieb zu einem der besten in ganz Oesterreich zu wandeln. Zweifellos spielt dabei eine wichtige Rolle, dass er seit 2006 (zertifiziert) nach bio-dynamischen Grundsätzen arbeitet. „Leben und leben lassen“ steht dazu auf seiner Homepage, und besser kann man das Prinzip in ein paar wenigen Worten wohl kaum ausdrücken.

Auf rund 25 Hektar Land rund um Gols im Burgenland produziert Paul Achs eine Vielzahl von Weinen – auch einfache Alltagsweine, wobei ich noch nie einen im Glas hatte, der nicht auf seine Art fasziniert hätte. Die allerbesten Weine für mich sind aber seine Lagen-Blaufränkisch, und hier als „primus inter pares“ der Ungerberg. Wie auf der Foto ersichtlich, handelt es sich eher um eine leicht nach Süd-Südwest geneigte, perfekte Lage mit sanfter Steigung, die mit Kalk und im Untergrund einer Eisenschicht den idealen Boden bietet.

Eigentlich kann man diesen Wein schon in der Jugend genussvoll trinken, aber er ist dann noch recht ungehobelt tanninbetont und auch ein bisschen unausgewogen stürmisch. Nun habe ich einen 8-jährigen Wein (2012) aus dem Keller geholt. Dieser befindet sich in der ersten wirklich genussvollen Trinkreife, dürfte aber in 3-4 Jahren sogar noch ausgewogener sein:

Dunkles Rubin mit violetten Tönen, noch sehr jugendlich wirkend. In der Nase dunkle Beerenfrucht, Pflaumen, Sultaninen, Thymian. Im Mund saftig, enorm viele, äusserst feine Tannine, spürbare, aber gut integrierte Säure, Alkohol trotz 13,5 % kaum spürbar, enorme Finesse und Eleganz, langer Abgang, wirkt noch jugendlich und hat Potential für die nächsten Jahre. Klassewein!

Ich habe Paul Achs nun schon an mehreren Anlässen persönlich angetroffen. Was auffällt: Er ist eher zurückhaltend, bescheiden, aber wenn man mit ihm spricht ist er enorm präsent und überzeugend. Und fast immer hat er dieses sympathische, positive Lachen auf dem Gesicht. Es gibt auf seiner Homepage diverse Bilder von ihm zum Herunterladen, aber dieses hier scheint mir Paul Achs am besten zu zeigen:

Paul Achs: Dieses ansteckende, fröhliche und offene Lachen! (Foto Roland Unger, Download ab Homepage von Paul Achs.

http://www.paul-achs.com

Bezugsquellen jüngerer Weine:
http://www.gerstl.ch
http://www.ritter-weine.li
Weitere Bezugsquellen, insbesondere auch in Deutschland, siehe auf der Homepage von Paul Achs


Griechischer Wein – das rockt!

Mit Divo und Gerstl haben jüngst gleich zwei Weinhandlungen griechischen Wein ins Sortiment aufgenommen. Verkostungen zeigen, dass aus diesem Land mit uralter Weinbautradition tolle, teils sogar grossartige Weine importiert werden die „rocken“ – weit ab vom billigen Schlager-Gesöff, wie es der älteren Generation wohl noch in Erinnerung oder zumindest in den Ohren ist.

Santorini – allein der Name lässt in den Sommerferien träumen, auch wenn die pittoreske Insel umständehalber gerade weit weg zu liegen scheint. Auf der mit rund 80 km2 vergleichsweise kleinen Ferieninsel stehen immerhin rund 1’200 Hektar Reben, das entspricht ziemlich genau der Rebfläche des Tessins.

Gerstl hat mit Weinen der Estate Argyros aus Santorini erstmals Gewächse aus Griechenland angeboten. Dieses biologisch arbeitende, mehr als 100-jährige Familiengut verfügt über rund 10 % der Rebfläche der Insel, mit Schwergewicht auf Weissweinen (und Süssweinen) – rote Gewächse spielen eine untergeordnete Rolle. Die Weine überzeugen bzw. begeistern teilweise sogar, und man fragt sich eher, warum Schweizer Weinhändler nicht schon länger auf Griechenland setzten:

Estate Argyris, Cuvée Monsignori 2018 (weiss)
100 % Assyrtiko, Biowein
Dieser Weisswein soll von über 200 Jahre alten und damit logischerweise wurzelechten Reben stammen. Wenn man ihn trinkt, kann man das glauben: Zurückhaltende Nase mit Zitrusaromen und Anflügen von Hefe; im Mund enorme Mineralität und Frische, herrliche Extrakt“süsse“, die einen schönen Schmelz ergibt, wirkt enorm dicht und filigran gleichzeitig, fast nicht endender Abgang. Ein grossartiger, begeisternder Wein mit Alterungspotential. Blind hätte ich wohl auf einen der besten Grand Crus aus Chablis getippt. (CHF 36.00).

Estate Argyris, Assyrtiko Santorini, 2019 (weiss)
100 % Assyrtiko, Biowein, laut Etikette aus über 100-jährigen, wurzelechten Reben
Helles Gelb, verhaltene, leicht salzig wirkende Nase, Anflug von Mandarine und Nelken; im Mund ebenfalls mineralisch und enorm frisch, leichte Bitternote, Alkohol trotz 14 % kaum spürbar, toller Wein.
Dieser Wein so etwas wie die kleinere, schlankere und weniger intensive Ausgabe der Cuvée Monsignori, aber damit tut man ihm eigentlich Unrecht.  (CHF 26.00).

Estate Argyris, Atlantis white 2019 (weiss)
90 % Assyrtiko, 10 % Athiri und Aidani, Biowein
Helles Gelb, fruchtig, nach Bergamotte, Zitrone und Apfel duftend; im Mund überaus erfrischend, mineralisch, ausgewogen, erstaunlich langer Abgang. Ein gehobener Ferienwein, ohne hohe Ansprüche, aber frisch, süffig und erfreulich. (CHF 16.00)

 

gerstl-griechenland
Drei der von Gerstl angebotenen Weine aus Santorini. In der Mitte die geniale Cuvée Monsignori.

Bei Divo ist seit dem Eintritt den Rebforschers und Buchautors José Vouillamoz
(vgl. hier: https://victorswein.blog/2018/09/04/schweizer-weinbuch-des-jahres-schweizer-rebsorten-von-jose-vouillamoz/
ins Unternehmen in Bezug auf unbekannte Weine frischer Wind eingezogen. Freilich war ich in der Vergangenheit nicht immer überzeugt von seinen Selektionen. Als er noch als freier Berater für Coop arbeitete habe ich beispielsweise von ihm vorgeschlagene Naturweine aus dem Kaukausus gekauft – und ausser dem Umstand, mit einem georgischen Wein so etwas wie den „Urwein“ im Glas gehabt zu haben, blieb nur Frust, denn ich haben den teuren Wein als interessant aber untrinkbar weggekippt. Nun arbeitet Vouillamoz also für Divo und bot ein Probierpaket aus Griechenland an. Begonnen hat meine Probe schlecht, dem ersten Wein erging es nicht anders als jenem aus Georgien. Dann allerdings stellte sich die Vouillamoz-Selektion auch als äusserst spannend und qualitativ überzeugend heraus:

Divo-Griechenland
Und zwei der Divo-Weine. Auf dem Bild fehlt der Chiririotiko 2016 – da war ich leider zu schnell beim Altglasentsorgen.

Monemvasia Vinery, Peleponnes, Laconia IGP, 2009 (rot)
50 % Mavroudi, 50 % Agiorgitiko
Mittleres Rot ohne Alterstöne; fruchtig-würzig, fast ein wenig an Pinot erinnernd, Himbeeren, Johannisbeeren, Waldpilze, Anflug von  Gewürznelken, dezenter Holzton; im Mund erstaunlich jugendlich, feine, prägnante Tannine, elegant und ausgewogen, feiner Wein! (CHF 20.00).

Methymnaeos Wines, Lesbos, Chidiriotiko 2016 (rot)
100 % Chidiriotiko, Biowein
Helles, ins Ocker tendierendes Rot; verhalten, Duft von Veilchen und Himbeeren; spürbare, leicht trocknende Tannine, schöne Säure, entwickelt sich im langen Abgang sehr intensiv. Spannender Wein, weit ab der Norm; eine Entdeckung wert. (CHF 21.00).

divo-best-of-balcansMonemvasia Vinery, Peleponnes, Tsimbido 2018 (weiss)
100 % Kydonitsa
Sehr helles, glänzendes Strohgelb; Flieder, Orange, Quitte; wirkt im Mund erstaunlich tanninhaltig, schöne, stützende Säure, erstaunlich dicht und langer Abgang. Vor allem auch angesichts des Preises (rund CHF 16.00) toller Wein!
Griechenland hat eine uralte Weinbautradition, der weltweit zweitälteste bekannte Fund, der auf die Verarbeitung von Trauben zu Wein schliessen lässt, soll in der Nähe von Philippi liegen. Lange Zeit stagnierte aber der Weinbau, und erst mit dem Ende der Militärdiktatur 1974 begann ein qualitativer Aufschwung (Quelle Wikipedia). Zumindest wer die hier erwähnten Weine probiert hat, wird sich in Zukunft sicher mehr mit griechischen Wein beschäftigen wollen, das rockt. Und gute Weine könnten ja auch zu einem Schlager werden!

https://www.gerstl.ch/de/sortiment/italien-griechenland/griechenland-rubric-5616.html
(Vor allem die absoluten Spitzenweine sind schon ausverkauft, u.a. der beschriebene „Monsignori“)
https://estateargyros.com/

http://divo.ch/de/weinauswahl?f%5B0%5D=provenance%3A26199
http://www.malvasiawines.gr/default.aspx
https://www.methymnaeos.com/

 

 

 

 

Roches d’Aric: reinste biologische Medizin!

Ein Arzt und ein Zahnarzt präsentieren einen Wein wie Samt und Seide

Was passiert, wenn der Dorfarzt und ein Zahnarzt einen eigenen Wein machen? Meistens würde das wohl wie Medizin schmecken; bittere, wohlverstanden. Im Roches d’Aric hingegen könnte höchstens der dezente Thymianduft auf einen Hustensirup hinweisen. Aber weit gefehlt, der Wein ist wundervoll, reinste Medizin – vor allem für die Seele!

rochesdaric
Samt und Seide aus Stein von den bio-dynamischen Medizinmännern: Roches d’Aric (Bild vl)

Die Assemblage aus Carignan, Grenache, Syrah und Mourvèdre des Jahrgangs 2011 war freilich in der Jugend ziemlich wild und fast ein bisschen unnahbar, wobei ich persönlich solche Weine auch in dieser Phase liebe. Nun aber, im Alter von 7 Jahren, wirkt er sanft wie Samt und Seide. Dabei sind aber noch keine der klassischen Alterstöne zu spüren, im Gegenteil, in Nase und Mund sind dunkle Früchte, kombiniert mit Gewürznoten, vorherrschend. Einfach ein toller, sinnlicher Wein!

Leider lässt sich im Internet nicht viel mehr recherchieren als der Leser mit zwei Klicks selber entdecken kann (siehe unten). Hier immerhin soviel:

Seit 2002 arbeitet das Gut des Arztes Jean und des Zahnarztes Paul Lignères mit dem italienischen (!) Weinberater Stefan Chioccoli zusammen, und seit dem gleichen Jahr wird das Gut biologisch bewirtschaftet. Inzwischen arbeitet die Domaine sogar bio-dynamisch. Vor zwei Jahren wurde die Domaine Lignères von Delinat gar als „Biodiversitätswinzer des Jahres“ ausgezeichnet, ein Prädikat, das ohne sehr ernsthafte Bemühungen für die natürliche Umgebung als Ganzes nicht zu erhalten ist. Mediziner wissen wohl einfach, was für die Menschen gut ist: Samt und Seide, natürlich verpackt!

http://www.familleligneres.com/index.html

https://www.delinat.com/ligneres.html