Weedenborn – Weltklasse-Sauvignon blanc aus Rheinhessen!

Sauvignon blanc-Queen! Wer über Gesine Roll vom Weingut Weedenborn recherchiert, stösst sehr schnell auf diesen „Titel“. Und wer ihre Weine probiert spürt schnell, dass er auch verdient ist. Besser kann man Sauvignon blanc – nicht nur in Deutschland – kaum produzieren.

Rheinhessen ist zwar flächenmässig das grösste Weinbaugebiet Deutschlands, galt aber lange Zeit nicht gerade als Qualitätsleader des deutschen Weins, wobei wohl vor allem die unselige „Liebfrauenmilch“ ein schlechtes Image geprägt hat. Diese Zeiten sind längst vorbei. Winzer wie Keller und Wittmann stehen ganz an der Spitze der deutschen Elite, und in Nierstein gibt es herausragende Weinbetriebe gleich im „Multipack“.

Es gibt da aber auch noch das Weingut Weedenborn im rheinhessischen Bergland. Aus Schweizer Sicht löst dieser Ausdruck zwar zuerst eher ein Lächeln aus, liegen doch die höchsten Lagen auf etwas über 300 m über Meer. Und doch liegt dieses Gebiet um 100 bis 200 m höher aus der Rest, was nicht nur eine tolle Weitsicht, sondern auch ein etwas kühleres Klima ergibt. Dass genau diese zusätzliche Frische einer Sorte wie der Sauvignon blanc gut bekommt, veranlasste schon den Vater von Gesine Roll dazu, diese Sorte anzupflanzen, kaum war sie offiziell zugelassen. Zum offensichtlich grossen Talent der heutigen Leiterin des Familienbetriebes kommt also auch Traubenmaterial von Reben in gutem Alter.

Viel mehr über den Betrieb brauche ich hier nicht zu schreiben, das können Sie gerne bei meiner geschätzten Blogger-Kollegin Nicole Korzonnek (Bottled Grapes) nachlesen, es lohnt sich! Den Link finden Sie unten.

Gerne unterstreiche ich bloss noch, dass eine Reduktion des Talentes von Gesine Roll auf den Sauvignon blanc ein Fehler wäre. Ich konnte aus einem Degustationspaket auch einen Chardonnay, einen Weiss- und einen Grauburgunder probieren. Alle drei überzeugen sehr – der Chardonnay (Westhofen 2018) für knapp 13 Euro würde z.B. in jeder Degustation der besten Weine aus dem Mâconnais locker ganz vorne mithalten. Es gäbe noch viel zu entdecken, u.a. Riesling und auch Rotweine – bei meiner nächsten Reise in die Gegend werde ich mich um einen Besuch auf dem Gut bemühen – wetten, dass daraus ein zweiter Beitrag entstehen wird!

Die Weine der „Sauvignon blanc-Queen“:

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Puristische Etiketten, aber mit einer Aussage: Die Linien zeigen das Gelände!

Sauvignon blanc 2019
Helles gelb mit leicht orangen Reflexen; typische Sauvignon-Nase auf der mineralischen Seite, etwas Stachelbeere, Holunderblüte, Feuerstein und sehr dezent tropische Früchte; im Mund sehr fruchtig, schöne, aber nicht übertriebene Säure, aufgrund der Mineralität dicht wirkend. Süffiger, frischer, aber alles andere als harmloser Sauvignon blanc. Ein Gutswein, der andernorts die Spitze darstellte.

Sauvignon blanc Terra Rossa 2018
Mittleres Gelb mit grünem Einschlag; in der Nase elegant-verhalten, Mirabelle, weisser Pfirsich, Steinmehl; im Mund enorm dicht, Mineralität ohne Ende, frisch, Säure und Alkohol in perfektem Gleichgewicht, sehr langer Abgang. Toller, eigenständiger Sauvignon blanc!

Sauvignon blanc Réserve 2017
Mittleres Gelb; in der Nase zwar eher dezent, aber enorm vielschichtig mit Duft nach Aprikosen, Mandeln, Orangen, frischem Bergheu, leichter Holzton; im Mund sehr mineralisch und trotzdem fruchtig, enorme Dichte, elegant, ausgewogen mit fast nicht endendem Abgang. Umwerfend schöner Wein – fast habe ich das Gefühl, eine gelungene Mischung zwischen einem grossen weissen Bordeaux und einem Burgunder im Glas zu haben!

Zum erwähnten Beitrag bei „Bottled Grapes“:

Weingut Weedenborn: Winzerin Gesine Roll aus Monzernheim

Zum Weingut, bestellen kann man hier „nur“ zwei Degustationspakete:
https://www.weedenborn.de/

Dafür sind viele der Weine hier erhältlich (Lieferung nur in Deutschland):
https://wirwinzer.de/weinregionen/rheinhessen/weingut-weedenborn

Analysewerte oder Gefühle? Am besten beides!

Nachlese und Replik zu meinem Artikel zur vorbildlichen Weinpreisliste von Knipser

In meinem letzten Beitrag habe ich dafür plädiert, dass Winzer und Weinhändler uns die messbaren Werte eines Weines offen legen:
https://victorswein.blog/2018/11/25/vorbildlich-klare-information-auf-wein-preisliste/
Dass es nebst den messbaren auch „innere, nur erfühlbare Werte“ eines Weines gibt, zeigt die Reaktion, die ich von Dirk Rosinski vom Weingut Knipser selbst erhalten habe. Seine Zeilen sind total lesens- und bedenkenswert, so dass ich sie hier gerne wiedergebe (mit seinem Einverständnis):

Wir veröffentlichen die Analysedaten eigentlich schon seit über 30 Jahren in unseren Preislisten. Es kann aber immer nur eine technische Zusatzinformation sein und niemals die Probe ersetzen.
Gestatten Sie mir einige Gedanken zu diesem Thema – nicht als Vertreter des Weinguts Knipser, sondern als Weinliebhaber:
Meine vier Jahrzehnte währende Beschäftigung mit Wein hat mich gelehrt den Analyswerten zu mißtrauen. Oft empfand ich Weine, die ich den Analysewerten nach nie probiert hätte, als verblüffend ausgewogen und harmonisch.
Beim in Ihrem Beitrag beschriebenen Riesling Kapellenberg ist die Süße kaum schmeckbar und für mich ist er ein großartiger Essensbegleiter. Hier führt die Analyse ein wenig in die Irre.
Oder ein anderes Beispiel: Vor einigen Jahren verweigerte ein Weißburgunder, der eigentlich durchgären sollte, den Dienst und beendete eigenmächtig die Gärung im halbtrockenen Bereich. Werner Knipser mit seinergroßen Erfahrung entschied, diesen Wein aber genau so, also halbtrocken, abzufüllen. Dieser Wein stand etwa ein Jahr auf unserer Preisliste und niemand wollte ihn haben – auch in unserer Vinothek verlangte keiner danach.
Dann entdeckte ihn der Sommelier eines mit drei Michelinsternen dekorierten Restaurants und setzte ihn zur Weinbegleitung im Menü ein. Innerhalb weniger Monate wurde der gesamte Bestand an begeisterte Gäste dieses Restaurants verkauft, die ihn auch privat gerne trinken wollten. Der Wein hat eine unglaubliche Harmonie und Strahlkraft entwickelt, die keiner für möglich gehalten hatte. Der Kommentar von Werner Knipser: „Oft sind die Einzeller klüger als der beste Kellermeister.“ Gemeint waren die Hefen, die einfach den Dienst verweigerten und uns so diesen „kuriosen“ halbtrockenen Weißburgunder bescherten.
Das ist ein extremes Beispiel, aber gerade beim Riesling sind ein paar Gramm Restzucker, die durch natürlichen Gärstop entstanden sind, meistens sehr stimmig und attraktiv. Deshalb belassen wir diesen stets ihren „natürlichen“ Restsüßegehalt und versuchen nicht die Weine durch die Gärung zu quälen. Dadurch ginge viel an Finesse und Charakter verloren.
Grundsätzlich bevorzuge ich persönlich aber bei Silvaner und den weißen Burgundersorten möglichst weit durchgegorene Weine.

Wunderbar, diese Zeilen! Schöner kann man wohl kaum ausdrücken, um welch‘ wunderbares Kultur- und gleichzeitig Naturgut es sich beim Wein handelt. Und wie sehr das menschliche Gefühl – beim Vinifizieren und später beim Probieren – entscheidend ist. Oder eben, wie sehr die „Einzeller“ besser als der gescheiteste Mensch zu wissen scheinen, was gerade richtig ist!

Vielleicht, so zeigen die Ausführungen von Rosinksi, muss man auch eine Unterscheidung zwischen natürlich restsüssen Weinen und solchen, denen die Süsse aufgezwungen wurde, machen? Ein spannender Gedanke zum Weiterverfolgen.

Mein ursprünglicher Artikel und die schöne Replik von Rosinski widersprechen sich aber auch nicht! Es gilt, das eine tun und das andere nicht lassen! Tatsächlich würde auch ich nie einen Wein nur aufgrund seiner Analysewerte kaufen (umgekehrt, also nicht kaufen, aber schon, auch wenn ich Rosinski in diesem Einzelfall glaube, dass der „Kappellenberg“ mit 6,6 g Restsüsse kaum süss wirkt. Ich persönlich habe einfach zu oft schon die Erfahrung gemacht, dass mir Weine mit über 4 g auf die Länge eines Essens einfach nicht gefallen.)
Bei einem Winzer wie Knipser, dessen Weine und vor allem dessen Stil ich doch einigermassen kenne, geben mir die Analysewerte aber trotzdem entscheidende Hinweise, um auch blind kaufen zu können – selbst den HPB, den man allein aufgrund der Analysewerte ja als „Säurebombe“ kaum kaufen würde.

Fazit:
Liebe Winzer und Weinhändler: Gebt uns die rationalen Informationen zu einem Wein, das ist ein wichtiges Hilfsmittel zu einer ersten Einschätzung.
Liebe Weinfreunde: Lasst uns einen Wein trotzdem unvereingenommen probieren – erlaubt ist, was gefällt!

PS:
Zur Feier der spannenden Unterhaltung habe ich diese Woche einen 2012er HPB aus dem Keller geholt: Rational kann ich verstehen, dass ein Grossteil der Weinfreunde ihn als viel zu säurebetont und entsprechend zu trocken empfindet. Ich persönlich war einmal mehr hell begeistert – vor allem auch davon, dass er auch nach 6 Jahren noch eine unglaubliche Frische und Jugendlichkeit ausstrahlt. Keine Ahnung, wie lange dieser Wein haltbar ist. Anfangs dachte ich, so bis 2022 – heute habe ich das Gefühl, er halte ewig!

Und wenn ich es mir jetzt gerade so überlege, dann ist dieser HPB ein Klassebeispiel für Rosinski’s Ausführungen: Welcher normale Mensch würde einen Wein mit 10,3 g Säure und 0,3 g Restsüsse blind kaufen? Dabei ist der Wein einfach genial!

http://www.weingut-knipser.de/
Und beim Recherchieren bin ich noch auf eine andere Aussage von Dirk Rosinksi gestossen, die sehr gut zu diesem Artikel passt:
http://einfachwein.eu/2017/02/09/grosses-gewaechs-ein-erlebnis/






Goldloch von Diel! Mehr Gold als Loch! Und viele persönliche Erinnerungen.

Manchmal trinkt man einen Wein, und man (oder zumindest ich) möchte sein Glück mit der ganzen Welt teilen. Das ist mir heute so ergangen mit einem Riesling des Schlossguts goldlochDiel, dem Grossen Gewächs Dorsheim Goldloch 2011. Vielleicht bin ich ja auch einfach nicht ganz objektiv, aber dazu später.

Gekauft habe ich den Wein in einem Outlet eines Schweizer Detailhändlers, der auch Wein verkauft (und nicht das schlechteste Sortiment hat!). Warum dieses Grosse Gewächs seinen Weg ins Outlet gefunden hatte, und dort für unter Fr. 20.– erhältlich war, bleibt aber das Geheimnis von Globus. Heute habe ich eine der drei gekauften Flaschen geöffnet, und der Wein war eine Offenbarung! Wobei: direkt nach dem Öffnen war ich gar nicht so begeistert, das Goldloch roch eher ein wenig nach „Loch“, und ich fand, dekantieren könnte helfen. Und tatsächlich: nach einer Stunde offenbarte sich ein wundervoller Wein mit allen Nuancen, die ein schon etwas gereifter Riesling so haben sollte. Auch in diesem Alter noch erstaunliche, helle Fruchtnoten, ein – obwohl der Wein trocken ist – ausgeprägter Süsskomplex und eine unglaubliche Dichte und Länge; das Goldloch will gar nicht aufhören, nachzuklingen. Mag sein, dass dieses GG fast zu opulent und somit zu wenig filigran ausfiel – aber ich war berührt von diesem Wein!

Verwunderlich ist das ja nicht, denn Armin Diel – und jetzt auch seine Tochter Caroline – gehören zum Besten, was Deutschland zu bieten hat. (Übrigens: Gemessen an der Rebfläche scheint mir, das kleine und an sich nicht so renommierte Gebiet der Nahe weise die höchste Dichte an Spitzenweingütern auf!)

Man verzeihe mir nun eine persönliche Rückblende. Armin Diel habe ich 1991 in Bordeaux kennengelernt. Er war schon damals nicht „nur“ Winzer, sondern auch Weinjournalist und Verkoster. Zusammen mit Joël Payne bildete er ein tolles Gespann, welches danach fast zwei Dekaden hochklassiger und fairer deutscher Weinkritik begründete (eine Zusammenarbeit, die vor knapp zehn Jahren an der Kleinkariertheit der Kritiker der Kritiker endete, aber das ist eine andere, wenn auch traurige Geschichte).

Wir waren damals eine Woche unterwegs, um die jungen Bordeaux des Jahrgangs 1990 zu degustieren. Alles, was in der Weinszene Rang und Namen hatte, war auf der gleichen Tour, Serena Sutcliff etwa, Michel Bettane, oder Michael Broadbent.

bordeau1991
Journalisten-Degustation Bordeaux 1990. Hier in Sauternes. Von Armin Diel gibt es leider kein Bild. Rechts (sitzend) Rolf Bichsel, damals Neuling, heute Bordeaux-„Professor“ (Bild vl)

Nur Parker war sich dafür schon damals zu schön, er tourte allein durch Bordeaux (und dafür entstand die Legende der „Parker-Barrique“. Die degustierten Weine waren ja im Frühling des Folgejahres nicht fertig assembliert, und gerüchteweise wurde Parker bei seinen Privatbesuchen auf den Châteaus jeweils bewusst eine Assemblage aus Barriquen gereicht, die seinem – voluminösen und holzbetonten – Geschmack am besten entsprach).

Zurück zu Armin Diel: es war toll mit ihm. Er war schon arrivierter Winzer und anerkannter Degustator – ich selbst ein blutiger Neuling. Zudem waren wir eigentlich Konkurrenten. Aber keine Spur von Überheblichkeit, im Gegenteil, wir tauschten Eindrücke und Notizen, und seine Unterhaltungskünste am Abend in der Unterkunft waren auch nicht ohne. (Und sein mitgebrachter eigener Wein, als Kontrast zu den „Tanninbomben“, die wir tagsüber verkosteten, auch nicht).

Und sein Journalisten-Partner (oder wie böse Zunge manchmal sagten „siamesischer Zwilling“), Joël Payne, verhielt sich genau gleich. Ihm habe ich, das war schon ein Jahr zuvor, auch ein wirkliches persönliches Highlight zu verdanken. Am Rande der „Vosne-Romanée Millesime“, einer Präsentation des damals aktuellen Jahrgangs 1989, nahm er mich mit auf einen privaten Besuch bei der Winzerlegende Henri Jayer. Ich sehe mich noch heute ehrfürchtig in der Stube von Jayer sitzen und seinen Ausführungen lauschen. Zum Glück führte Joël das Gespräch, ich wäre dazu gar nicht in der Lage gewesen! Es mag verklärt erscheinen, aber ich bin Joël heute noch verbunden dafür, dass er mich Neuling mitnahm und mir diese Begegnung ermöglichte!

Und nun zurück zum GG Goldloch von Diel: Ich habe jetzt gegen eine Stunde geschrieben, aber der Riesling klingt immer noch im Gaumen nach. Bilde ich mir jedenfalls ein!

https://diel.eu/