Sven Fröhlich, ein Berliner aus Jenins, der auch Burgunder sein könnte.

In Berlin geboren, an der Ostsee aufgewachsen, in Jenins heimisch und als Quereinsteiger Winzer geworden, der mit seinem „französischen“ Stil auch als Burgunder durchginge: Sven Fröhlich ist ein neuer Name aus der Bündner Herrschaft, den man sich merken muss!

Studach, Gantenbein, Salenegg, Schlegel, Lipp, Liesch (U.+J.), Hermann (Ch): Das ist nicht nur eine Aufzählung einiger der renommiertesten Betriebe der Bündner Herrschaft, sondern auch eine der Arbeitsstationen des Sven Fröhlich. Er kam 2004 mit einem ganz anderen Beruf in die Schweiz, hat sich aber seit 2007 dem Wein verschrieben, zuerst als Praktikant beim Thomas Studach, danach als Lehrling bei Ueli und Jürg Liesch. Seine erste Arbeitsstation waren während fünf Jahren Gantenbein’s und danach war er bei den weiteren erwähnten Gütern tätig.

Goldenes Weinbaugebiet: die Bündner Herrschaft im Kanton Graubünden, ganz oben am Rhein (das Bild zeigt nicht die Reben von Fröhlich).

2015 konnte er eine Parzelle mit 300 Rebstöcken pachten und damit erstmals selbst Wein produzieren. Der „grosse“ Schritt erfolgte 2018, als er in Jenins eine Hektar Rebfläche übernehmen konnte. Und für den fehlenden Keller zur Weinbereitung halfen alte Kontakte, er durfte den ehemaligen Keller von Thomas Studach mieten.

Ich habe mir eine Flasche von seinem Pinot noir 2019 gesichert (daneben gibt es auch einen „Riesling x Sylvaner“ bzw. Müller-Thurgau). Der Wein überzeugt sehr, wobei, wenn man denn schon vergleichen will, ich ihn stilistisch eher bei Studach als bei Gantenbein ansiedle. Aber eigentlich scheint mir Fröhlich mit dem 2019er durchaus eine eigene Handschrift gefunden zu haben, und die liegt in einer zwar sehr filigranen Art, die aber so viel Finesse mitbringt, dass man unwillkürlich an einen Wein aus dem Burgund denkt. Und was vor allem auch gefällt ist, dass die Frucht des Weines nicht vom Holz überdeckt wird.

Es mag sein, dass einige Weinfreunde sich einen etwas körperreicheren, dichteren Pinot wünschten. Wer aber in einem Wein eher die Finesse sucht, der wird mit diesem mit Sicherheit sehr glücklich. Auf jeden Fall ist Fröhlich ein neuer Name, den man sich unbedingt merken muss.

Die Hummel soll das erste Tier gewesen sein, welches Fröhlich’s in ihrem ersten Rebberg gesehen haben; so wurde es zum „Wappentier“.

Pinot noir 2019
Helles Rot; zuerst eher verhaltener Duft, mit etwas Luft sehr schöne Noten von Walderdbeeren, Himbeeren und Johannisbeeren, minimale, „neckische“ Anflüge von Liebstöckel und Marzipan; im Mund filigran und „tänzerisch“, sehr fruchtbetont, schönes Gleichgewicht von feinen Tanninen und Säure. Sowohl der Alkohol als auch das Holz sind nur dezent spürbar, unterlegen den Wein aber trotzdem sehr schön; mittlerer Abgang. Ungemein feiner, fruchtiger, burgundisch (Côte de Beaune) anmutender Pinot. 17 Punkte.

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Bezugsquellen finden sich auf der Homepage von Fröhlich.

„Soyhisticated“ Sauvignon

Man verzeihe mir das Wortspiel: Die Rede ist von der Piwi-Rebsorte „Sauvignon Soyhières“. Und von einem Wein von Marco Casanova, der wirklich aussergewöhnlich gut ist!

Beim Sauvignon Soyhières handelt es sich um eine 1990 von Silvia und Valentin Blattner im Schweizer Jura gezüchtete Sorte – wenn Sie mögen, können Sie die Rebe auch einfach VB 32-7 (offenbar benannt nach der Mutterpflanze, dem 7. Stock in der 32 Reihe) nennen, oder Ravel blanc, so bezeichnet ihn Silvia Blattner auf ihrer Homepage. Gemäss dem neuen Standardwerk „Schweizer Rebsorten“ von José Vouillamoz – vgl. hier:
https://victorswein.blog/2018/09/04/schweizer-weinbuch-des-jahres-schweizer-rebsorten-von-jose-vouillamoz/
handelt es sich um eine Hybridsorte mit von den Züchtern nicht bekannt gegebenen Eltern. Der Name wird gebildet aus einer Elternsorte (Sauvignon, wobei aufgrund der Düfte mit hoher Sicherheit auf Sauvignon blanc geschlossen werden darf) und dem Ort der Erzeugung (Soyhières bei Délemont im Schweizer Jura, unweit der französischen Grenze).

In eben diesem Soyhières im Jura arbeitet Valentin Blattner zusammen mit seiner Frau Silvia. Die Lebensgeschichte von Valentin ist faszinierend und wurde schon im Jahr 2002 toll beschrieben (unbedingt lesenwert, auch wenn einiges in rechtlicher Hinsicht inzwischen überholt ist):
https://folio.nzz.ch/2002/oktober/valentin-blattner-kuppler
Das Ehepaar bewirtschaftet auch eigene Rebberge vor Ort – darunter den ersten, den es im Kanton Jura überhaupt gab – und stellt dort auch selbst einen sortenreinen VB 32-7, also Sauvignon Soyhières oder eben Ravel blanc, her. Die Sorte bedeckt heute in der Schweiz immerhin schon 3.24 ha, wird aber hauptsächlich als Bestandteil von Cuvées verwendet. Nebst Blattner’s selbst gibt es nur wenige, die ihn sortenrein ausbauen. Das ist sehr schade, wie die nachfolgende Schilderung zeigt:

Marco Casanova war in diesem Blog auch schon vertreten – beschrieben wurde schwergewichtig auch ein Sauvignon, aber eben der „blanc“ – vgl. hier https://victorswein.blog/2018/05/03/casanova-etwas-vom-allerbesten/

Casanova kann aber nicht nur mit dem „richtigen“ Sauvignon blanc wundervoll umgehen, sondern ebenso genial mit dem Sauvignon Soyhières – und sophisticated sind beide! Die Trauben für den Piwi-Sauvignon werden unterhalb der Burgruine Wynegg in Malans angebaut – nicht von Casanova selbst, aber ganz nach seinen Vorgaben und in seinem Sinn.

Blick auf Malans (Vordergrund) und die Bündner Herrschaft. Im Wald zwischen Malans und Jenins (rechts unterhalb des Waldes) versteckt liegt die Burgruine Wynegg.

Der 2017er, leider seit ein paar Tagen ausverkauft, ist toll:

Intensives Gelb; in der Nase Stachelbeeren, Rharbarber, exotische Früchte, aber auch – sehr dezent und schön – Anflüge von rauchigem, torfgeprägtem Whisky (das schreibt einer, der rauchige Whiskies absolut nicht mag!); im Mund ausserordentlich dicht, mit Schmelz und guter Säure: erfrischend aber auch komplex. Toller Wein, auch nach dem dritten Glas nicht langweilig – „soyhisticated“ halt!

Dieser Wein hat mich berührt, vor allem wohl, weil ich bisher Piwi-Wein eher reserviert gegenüberstand, da ich nur selten überzeugende Resultate im Glas hatte. Offensichtlich gibt es aber durchaus Potential, insbesondere wenn, wie hier Marco Casanova, ein Meister der Weinbereitung am Werk ist. Dieser Sauvignion Soyhières hat denn auch etwas in mir ausgelöst: Ich werde mich ab sofort vermehrt mit Piwi-Weinen beschäftigen! Und ganz sicher demnächst auch erstmals im Leben in Soyhières sein.

https://www.casanova-weinpur.ch/

Und der Link zu Blattner’s (es ist die einzige Homepage, die ich finden konnte, sie ist „nur“ einem der Rebberge gewidmet):
https://www.lesmergats.ch

„Gewimmelt“, aber nicht abgewimmelt!

Peter Wegelin in Malans – resp. sein „Gehilfe“ Harri Kunz: perfekte Gastgeber, toller Winzer!

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„Wimmeln“ (Weinlese) im Scadena-Rebberg. Er liegt im Dorf Malans und ist von Mauern umgeben – „Clos Scadena“ sozusagen.

Gewisse Geschichten entstehen zufällig, sind dafür dann aber um so sympathischer. Ich war mit Freunden auf einer Mountainbiketour, und nach 600 rasanten Höhenmetern Abfahrt auf einem Trail waren wir in Malans. Zum Glück insistierte einer der Kollegen, dass sich hier eine Ortsbesichtigung geradezu aufdränge. So umrundeten wir auch den „Wingert“ des Scadenagutes von Peter Wegelin und kurvten auf dem Vorplatz des geradlinigen, architektonisch überzeugenden Kellergerbäudes herum (ein Hoch auf jene, die diesen modernen Bau trotz demkmalgeschütztem Umfeld erlaubt haben!).

Eigentlich wollten wir gar keinen Wein probieren, nur von Aussen etwas „schnuppern“, schliesslich hat sich Wegelin seit einigen Jahren an der Spitze der Bündern Weinbauern etabliert. Aber als wir schon wegfahren wollten, da griff Harri Kunz ein: Er war noch in der Küche beschäftigt (die oberste Etage des Gebäudes dient als Degustations- und Veranstaltungsraum). „Ob er uns etwas zeigen könne“? Wir fanden „nein“, da wir ja noch weiterfahren wollten. Aber nach einer kurzen Pause fand Kunz: „Kommt, einen Wein mindestens müsst ihr probieren“.

Eine extreme Überzeugungskraft brauchte er nicht, also fanden wir uns bald auf der Terrasse mit wunderschönem Blick auf den Scadena-Wingert und einem Glas Weissburgunder in der Hand wieder. Und dazu, als wäre es so bestellt gewesen, war auch gerade noch der Winzer Peter Wegelin selbst anwesend – er machte gerade eine kurze Pause vom „Wimmlen“ – so heisst in der Bündner Mundart die Weinlese. Eigentlich war Wegelin gerade am Aufbrechen, um wieder zu arbeiten – aber auch er liess es sich nicht nehmen, uns zu begrüssen.

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Winzer Peter Weglin (links), vor dem Scadena-Wingert, und Gastgeber Harri Kunz (rechts)

Mit Harri Kunz hatten wir danach vergnügliche Minuten, und er bestand darauf, uns auch noch den eindrücklichen Keller zu zeigen, wo wir mitten durch Traubenanlieferungen und Pumpschläuche hindurch einen authentischen Einblick in den Weinbetrieb erhielten.

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Zweites Untergeschoss des modernen Gebäudes: Die Barrique-Kunst-„Kathedrale“ von Wegelin

Fazit: Statt Abwimmeln beim „Wimmeln“ wurden wir empfangen, resp. sogar zu einem Besuch eingeladen. Verkauft haben Wegelin resp. Kunz kurzfristig nichts, das war auch kaum zu erwarten, wir waren ja per Moutainbike und mit kleinen Rucksäcken unterwegs (und ganz abgesehen davon ist bei Wegelin im Moment auch fast alles ausverkauft). Gewonnen haben sie extrem viel Goodwill von vier Weinfreunden, die – auch angesichts des tollen servierten Pinot blancs – sicher nicht zum letzten Mal in diesem Gebäude verkehrt haben.

Marketing ist manchmal ganz unvermittelt persönlich – und wirkt so wohl am Besten.

PS: Und so ganz am Rand: Ich verfolge das Wirken von Peter Wegelin schon seit vielen Jahren, und er machte schon immer gute Weine, hat sich aber in dieser Zeit mit seinem Schaffen mit an die absolute Spitze der Bündner Herrschaft gehievt. Insbesondere die jüngsten Jahrgänge sind, sowohl Rot als auch Weiss, sehr überzeugend – wohl kein Zufall, denn seit einigen Jahren arbeitet das Gut biologisch, ohne viel Aufhebens darum zu machen.

https://www.malanser-weine.ch/

PS. Und auch Harri Kunz ist kein Unbekannter. Als Freund des Hauses Wegelin war er vor Ort, um beim „Wimmeln“ zu helfen (oder aber, um weinaffine Biker zu empfangen; vielleicht hat er uns das ja angesehen… ) eigentlich ist er aber Eventmanager – bei Bedarf hilft „googeln“.