Da tut sich was … die Bündner Herrschaft wird grün!

Zwei Neuigkeiten aus der Bündner Herrschaft haben mich in diesen Tagen erreicht: Das Weingut Luzi Jenny stellt auf biologischen Rebbau um und Möhr-Niggli wurde Fair’n Green zertifiziert. Zwei verschiedene Wege mit dem Ziel, den Weinbau nachhaltiger zu gestalten.

Die Liste der Betriebe, die in der Herrschaft inzwischen biologisch oder bio-dynamisch arbeiten, wird immer länger: Georg Fromm, Jan Luzi, Francisca + Christian Obrecht, Markus und Karin Stäger und seit Kurzem auch Irene Grünenfelder mit Sohn Johannes Hunger. Und schon viel länger gibt es Winzer wie Anti Boner (heute Luzi Boner und Anna Rasi), Gody Clavadetscher (heute Roman Clavadetscher und Valérie Cavin), Louis Liesch und Heiri Müller (dessen Trauben heute von Marco Casanova verarbeitet werden), die auf Bio setzten. Für ein vergleichsweise kleines Weinbaugebiet ist das eine imposante und vielleicht sogar rekordverdächtige Liste, von der ich nicht einmal sicher bin, ob sie vollständig ist (Wegelin z.B. hatte zumindest mal mit Bio experimentiert).

Luzi Jenny – da tut sich was

Nun kommt mit Luzi Jenny aus Jenins ein weiterer Winzer dazu. Der Familienbetrieb von Vater und Sohn Luzi sowie Tilli und Amanda hat in ihrem jüngsten Aussand mit der meinem Artikel titelgebenden Überschrift „da tut sich was …“ über die Zertifizierung als Bio-Betrieb informiert. Mensch und Natur ins Gleichgewicht bringen und auch zu erhalten, lautet das Credo.

Die Weine von Luzi Jenny haben mich schon in den letzten Jahren immer überzeugt, auch wenn mir persönlich die Weissen zuweilen eine Spur zu viel Restsüsse aufwiesen. Ich habe mich oft gefragt, warum dieser Betrieb nicht bekannter ist. Aber vielleicht ändert das ja nun nach der Umstellung auf Bio? Jedenfalls habe ich den Aussand zum Anlass genommen, meine letzte Flasche Zweigelt aus dem Jahr 2013 aus dem Keller zu holen. Der junge Wein hatte mich echt begeistert, aber nun nahm ich an, dass er wohl zu alt sei und nicht mehr viel Freude machen würde. Ich hatte diese eine Flasche nur liegen gelassen, weil mich das Alterungspotential interessierte. Aber siehe da, dieser Zweigelt ist auch nach 8 Jahren von voll im Schuss:

Zweigelt 2013, Luzi Jenny, Jenins
Mittleres Rubin ohne jeden Alterston in der Farbe; leicht reduktiv, zuerst sehr verhalten, mit etwas Luft dann Johannisbeeren und Waldpilze; im Mund „feurig“, schöne Säure und feine, gereifte Tannine, wirkt noch sehr „saftig“ und frisch. Im mittleren Abgang leicht trocknend. Rundum schön gereifter Wein, der noch voll in Form ist. 16,5 Punkte (= sehr gut).

Möhr-Niggli: Fair’n Green

Einen anderen, interessanten Weg gehen Matthias und Sina Gubler-Möhr mit dem Weingut Möhr-Niggli in Maienfeld. Die beiden, die sich in den letzten Jahren zu Recht zu so etwas wie den „Shooting-Stars“ der Herrschaft entwickelten, teilen in ihrem aktuellen Aussand mit, dass sie neu das Zertifikat „Fair’n Green“ erlangt haben. Dieses Label steht in seinen Richtlinen in Bezug auf Pflanzenschutz und Düngung zwar deutlich hinter jenen eines Bio-Betriebes, berücksichtigt aber dafür auch wirtschaftliche und soziale Themen (z.B. Umgang mit Personal und saisonalen Arbeitskräften), enthält Zielsetzungen zum CO2-Ausstoss und zur Biodiversität und umfasst die gesamte Wertschöpfungskette.

Ich kannte das Label bisher nicht, aber ein Blick auf die Homepage und in die Richtlinien macht einen seriösen Eindruck. Auch der Umstand, dass Betriebe wie etwa Georg Breuer und Clemens Busch, oder in der Schweiz das Weingut zum Sternen von Andreas Meier mit dabei sind, wirkt vertrauenserweckend. Die umfangreichen Richtlinien wirken zwar eher wie ein Leitbild denn wie eine verbindliche Vorschrift. Aber wer sich solche Gedanken macht und sich auf ein solches Label einlässt, hat mich Sicherheit einen weiten Horizont und ist auf einem vorbildlichen Weg.

Auch die Broschüre von Möhr-Niggli habe ich zum Anlass genommen, eine Flasche alten Weins hervorzuholen, den „normalen“ Pinot noir aus dem Jahr 2010. Auch dieser Wein erwies sich, engegen meiner Annahme, noch als absolut trinkbar, wobei er aber schon sehr gereift ist:


Pinot noir 2010, Möhr-Niggli (6 Monate Barrique)
Gereiftes, helles Rot mit bräunlichen Reflexen; in der Nase noch erstaunlich fruchtig (Himbeeren und Mango!), leichter Anflug von Champignons; im Mund eher schlank, ziemlich mürbe und deshalb nicht mehr so präsente Tannine, aufgrund der Entwicklung des Weins etwas „spitz“ wirkende Säure, hat gesamthaft aber noch eine schöne Frische. Mittlerer Abgang.

Ich gebe hier keine Note, und ich kannte den Wein auch nicht in einem jungen Stadium (ich habe ihn erst kürzlich auf Ricardo erworben). Zweifellos hat er aber in seinen ersten Jahren enormen Trinkpass gemacht, Dass dieser Pinot nach 10 Jahren nicht mehr in Höchstform ist, überrascht ja nicht. Die besten Weine von Möhr-Niggli können indessen sehr gut altern. Das beweist der seit 2013 hergestellte „Pilgrim“, der sich mit Sicherheit nach 10 Jahren erst so richtig dem Höhepunkt nähern wird. Ich kann aber auch auf den 2009-er Clos Martha aus Baselland verweisen, der mir an einer Degustation zum 10-Jahr-Jubiläum von 15 Spitzenpinots aus der Schweiz am besten gefallen hat! Siehe hier:
Le vin suisse existe – même après dix ans! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Domaine Schwandegg – ein bisschen Natur 😉

Und weil es so gut zum Thema Natur passt, zum Schluss noch ein kleiner Blick in meinen eigenen Hobby-Rebberg. Ich bewirtschafte seit 33 Jahren 4 Aaren Pinot noir (Klon Mariafeld) am Fusse des Schloss Schwandegg in Waltalingen ZH. Der Rebberg ist in Sachen Umwelt und Biodiversität nicht vorbildlich, aber ich arbeite seit zwei Jahren an Verbesserungen. Ein kleiner Lichtblick war schon im letzten Jahr die erstmalige Beobachtung von Zauneidechsen. Und gestern nun konnte ich eine sogar fotographieren. Einfach nur berührend schön!

Eine Freude: Zauneidechse im eigenen Rebberg!

Die Degunotiz meines heute geöffneten 2010-ers erspare ich Ihnen. Aber auch dieser Wein ist noch trinkbar. Freude macht er aber nicht mehr gross.


Biologischer Weinbau aus Liebe zur Natur – Luzi Jenny
MÖHR-NIGGLI Weingut Maienfeld (moehr-niggli.ch)

FAIR’N GREEN | Standard für Nachhaltigkeit (fairandgreen.de)


Le vin suisse existe – même après dix ans!

Vielleicht wäre der Titel ja treffender mit „le vin suisse n’existe pas“ – zumindest in den Köpfen immer noch vieler Schweizer „Weinfreunde“. Und ganz sicher mit einem Blick von ausserhalb der Schweiz. Aber das ist falsch! Der Schweizer Wein existiert – auf sehr hohem Niveau. Und er kann altern – und wie!

Das grosse Swiss Wine Tasting der besten Schweizer Weine von anfangs Dezember war mehr als einen Besuch wert (und auch mehr als nur einen Artikel hier – Fortsetzung folgt). Angesichts der unglaublichen Vielfalt an Spitzenweinen war der Eintritt von Fr. 20.00 schon fast läppisch tief. Dies vor allem auch, weil zusätzlich zur „normalen“ Ausstellung auch Weine des „Swiss Wine Vintage Award“ aus dem Jahrgang 2009 degustiert werden konnten.

Wer möchte sich da nicht einschenken lassen? Schweizer Spitzenweine aus dem Jahrgang 2009 in Reih und Glied!

In einer Sonderschau waren 57 Schweizer Weine aus dem Jahr 2009 vertreten, davon 19 weisse (inkl. 2 Süssweine) und 38 rote. Das Resultat mit einem Wort vorweg: beeindruckend! Nicht einer der präsentierten Weine war schon zu alt, kaum einer war unangenehm gereift und einige waren gar erst so richtig in Hochform!

Am meisten überraschten die Weissweine. Selbst die Chasselas machten noch alle Spass, einzelne wie der Dézaley Médinette von Bovard, der Clos de Mangold der Domaine Cornulus oder der Le Brez der Domaine de Colombe präsentierten sich sogar noch richtig jugendlich. Am meisten beeindruckt haben mich bei den Weissen aber der Completer von Donatsch (trotz leichter Restsüsse), der Petit Arvive Château Lichten von Rouvinez und – ganz besonders – die beiden senstationellen Räuschlinge vom Zürichsee von Lüthi (dicht und jugendlich) und noch mehr von Schwarzenbach (unglaubliche Frische).

Umwerfend war der mit Restsüsse gekelterte Petit Arvine Grain Noble Domaine des Claives von Marie-Thérèse Chappaz – diese Frische, diese Ausgewogenheit, diese Finesse, nichts Klebriges – das ist ganz einfach ein Wein zum Träumen!

Bei den Roten gefielen fast alle Tessiner Merlots, für mich persönlich allen voran der sanfte, würdevoll gereifte Orizzonte von Zündel und der Balin von Kopp von der Crone Visini sowie der mit Cabernet Franc gemischte Insieme von Weingartner.

Spannend bei den Spezialitäten, wenn auch schon spürbar gealtert, der Lemberger (=Blaufränkisch) von Schwarzenbach, der trotz Alterstönen noch sehr saftige Syrah L’Odalisque von Thierry Constantin, der enorm frische Cornalin der Domaine Cornulus und der noble, saftige Grand’Cour Cabernet Franc + Sauvignon von Pellegrin.

Und die Pinots, von denen gleich 15 Weine gezeigt wurden? Wenn es gesamthaft gesehen eine leise Enttäuschung – wenn auch auf hohem Niveau – gab, dann hier. Es scheint, dass die Vorschusslorbeeren dieses „Jahrhundertjahrgangs“ nicht immer gerechtfertigt waren. Die Pinot noir-Traube ist wenig überraschend wohl einfach nicht für so heisse Jahre gemacht und es brauchte viel Fingerspitzengefühl des Winzers (und kühle Lagen), um auch in solchen Jahren typische Pinots herzustellen. Weine wie der Aagne von Gysel, der mir schon in der Jugend mit seiner üppig-„süsslich“ Art nicht gefiel, wirken heute uninteressant, wenn auch durchaus noch trinkbar. Auch untypisch, aber interessant zeigte sich der „Hommage“ der Cave du Rhodan, der zweifellos mit mehr Säure heute noch spannender wäre, der aber dank einer ausgeprägten, jetzt ausgewogenen Tanninstruktur Freude macht. Trotz dieser Ausnahme, Pinots, bei denen Eleganz und Frische vorherrscht, können heute am meisten überzeugen, allen voran aus dem Kanton Baselland (!) der für mich beste Pinot der Serie, Clos Martha von Möhr-Niggli, aber auch Kloster Sion vom Weingut Sternen, Stadtberg von Pircher, Pinot noir Nr. 3 vom Schlossgut Bachtobel und der Churer Gian-Battista des Weingutes von Tscharner.

Alles in allem: Eine hervorragende Leistungschau der Schweizer Spitzenwinzer, die mit ihrer Arbeit schon vor 10 Jahren bewiesen haben, welch hervorragendes Potential die Schweizer Weine aufweisen! Le vin suisse existe – und sollte endlich auch auf der Weltbühne seinen berechtigten Platz finden!

https://www.swiss-wine-tasting.ch/?L=0
http://www.mdvs.ch/de/home.html

Swiss Wine Connection: Schon Mitglied?
Und übrigens: Wenn Sie für Fr. 50.00 pro Jahr Mitglied bei der „Swiss Wine Connection“ meiner Freunde Susi Scholl und Andreas Keller werden, geniessen Sie beim nächsten Event Gratiseintritt:
http://www.swiss-wine-connection.ch/friends/

Und hier die Links auf die erwähnten Weingüter:
http://www.domainebovard.com/de/home.php
https://cornulus.ch/de/
https://www.lacolombe.ch/de/
https://www.donatsch.info/
https://famillerouvinez.com/de/
https://www.luethiweinbau.ch/
https://www.schwarzenbach-weinbau.ch/
https://www.chappaz.ch/
http://www.zuendel.ch/ (nur Titelbild, offenbar sonst noch „off“)
http://www.cantinabarbengo.ch/ (Kopp von der Crone Visini)
https://www.weingartner.ch/
http://www.thierryconstantin.ch/2011/?page_id=14&lang=de
https://www.geneveterroir.ch/de/domaine-grandcour/4457 (Pellegrin, offenbar noch ohne eigene Homepage – hat er gar nicht nötig!)
https://aagne.ch/
https://rhodan.ch/
http://www.moehr-niggli.ch/
https://www.weingut-sternen.ch/
http://www.weingut-pircher.ch/data/index.php/de/
https://www.bachtobel.ch/de
https://www.reichenau.ch/weinbau/