Marc Kreydenweiss: Elsässer Weine der anderen Art. Gross-Artig!

Die Weine des Marc Kreydenweiss verfolge ich jetzt schon seit 30 Jahren. Während sie damals schon hervorragend waren, habe sie mit den Jahren noch eine Dimension dazu gewonnen: sie sind heute einzigartig! Nicht für jedermann, aber wer diese Art von Weinen (von Riesling) mag, wird im siebten Himmel schweben!

Völlig zu Unrecht sind die Weine des Elsass – auch bei mir – etwas aus dem Fokus geraten. Dabei gibt es immer mehr zu entdecken. Und dazu gibt es die Evergreens, wobei sich diese ebenfalls weiterentwickeln. So wie Marc Kredenweiss aus Andlau.

Als er 1989 auf biodynamischen Weinbau umstellte, war er einer der Pioniere. Und er wurde von der Weinwelt und seinen Winzerkollegen schlichtweg für verrückt erklärt. Dabei schaffte er es von Anfang an, wundervolle Weine herzustellen. Allerdings waren das anfangs der 1990-er Jahre noch Weine, die sich stylistisch kaum von anderen Rieslingen unterschieden. Ich war damals bei Divo tätig, und wir nahmen Kredenweiss ins Sortiment auf, weil er einfach hervorragende Weine herstellte, weit über dem damaligen Standard im Elsass.

Kreydenweiss hat sich aber über die Jahre weiter entwickelt. Und inzwischen ist sein Sohn Antoine für die Domaine verantwortlich, und auch er hat nochmals einen Schub in das Weingut gebracht. Angesichts der beiden nachfolgend beschriebenen Weinen scheint mir sein Statement auf der Website des Gutes geradezu Programm:

„Ma vision est de produire des vins d’expression singulière, des vins de lieux et de terroirs sans concession et artifice, sans dogme et sans limite. Je laisse fermenter les vins naturellement, ils sont élevés sur lies, (parfois jusqu’à 3 ans) avec un minimum de sulfites. J’aime les vins vibrants avec des bouches texturées, des vins qui ne rendent pas indifférents mais qui ne plaisent pas à tout le monde, des vins qui me ressemblent„.

Die beiden Weine, di3 ich hier beschreibe, legen Zeugnis davon ab. Wer sich mit der üblichen „Riesling-Erwartung“ diesen Weinen nähert, wird wohl enttäuscht sein. Da ist nichts von frisch-fruchtigen Noten, vielmehr wirken die Weine in der Nase fast etwas exotisch. Natürlich nicht typisch Riesling, aber mitreissend, spannend, einzigartig. Wer hatte denn schon einen Wein im Glas, der in der Nase wie ein Sauternes (oder eine Riesling-TBA) duftet, dabei aber knochentrocken ist? Und dann im Mund: Auch da nicht das Gewohnte, aber dennoch schon viel mehr der klassische Riesling: kraftvoll und dennoch elegant, enorm frisch, mit sehr langem Abgang.

Zwei Andlauer Grand Crus: Klare Handschrift, deutliche Unterschiede. Gemeinsamkeit? Beide grossartig?

Kastelberg Grand Cru, Riesling, 2015
Mittleres Strohgelb mit orangen Reflexen; „süssliche“ Düfte nach Aprikosen, Mango, Lederapfel (ich weiss, das kennt kaum mehr jemand – eine wundervolle alte Sorte), Waldhonig, dazu Lindenblüten. Erinnert fast ein wenig an einen Sauternes (wobei Botrytis fehlt). Im Mund enorm dicht, extrem frisch, schöne Säure, elegant, fast unendlich langer Abgang, in welchem das einzige Mal der hohe Alkoholgehalt (nicht negativ) spürbar wird. Ein Wahnsinn von einem Wein, wirkt optisch und in der Nase schon sehr gereift, ist aber erst am Anfang seiner Entwicklung. Atypischer Riesling, der nicht allen gefallen wird. Ich finde ihn schlicht grossartig! 18,5 Punkte (= herausragend).
NB: Ich verteilte erst seit einigen Monaten in meinem Blog Noten. So hoch habe ich bisher noch nie bewertet.

Moenchberg Grand Cru, Pinot gris 2016
Helles bis mittleres Strohgelb; exotische Düfte, ohne exotisch zu wirken: Papaya, Passionsfrucht, Honig, Stachelbeere, Holunderblüte; im Mund frisch, druckvoll und gleichzeitig ungemein „tänzerisch“, langer Abgang. Weniger ausladend als der Kastelberg, dafür filigraner und feingliedriger. Toller Wein! 18 Punkte (= ausgezeichnet).

Wie es Antoine Kreydenweiss beschrieb: Die Weine werden nicht jedermann gefallen (es wird ausdrücklich vor grösseren Blindkäufen gewarnt!). Aber wem sich diese Weine erschlossen haben, der wird sich in sie verlieben und eine neue Dimension von Wein – und von Riesling – erleben!

Der Clou zum Schluss: Wo habe ich diese Weine wohl gekauft? Bei einem spezialierten Händler? Bei einem Anbieter, der biodynamische Weine führt? Weit gefehlt: bei Coop! Das lässt ja darauf hoffen, dass solche Weine dereinst mehrheitsfähig werden. (Aktuell ist „nur“ der einfache Riesling 2017 im Angebot).

The Domain (kreydenweiss.com)

Reiner Duft nach Holunderblüten – aus dem Supermarkt!

Nein, die Rede ist nicht vom neusten Waschmittel. Holunderblüten passen zu einem Sauvignon blanc – und der beschriebene Wein stammt aus Sancerre.

Ich hatte mich in diesem Blog auch schon über das Weinbuch „Weinseller“ mokiert, in dem Weine aus dem Supermarkt bewertet werden. Meine Kritik galt vor allem den unseriös hohen Punktezahlen. Vgl. hier:
https://victorswein.blog/2018/03/18/wenn-ein-15-punkte-wein-ploetzlich-1825-erreicht/

Aber auch ich kaufe durchaus Weine beim Grossverteiler. So kürzlich bei Coop einen Dézalay von Bovard, der alle Vorurteile gegenüber Chasselas-Weinen widerlegt. Oder eben seit mehreren Jahren in der Migros immer wieder den Sancerre Cuvée Prestige der Domaine Raimbault-Pineau. (Sorry, der Wein stammt natürlich nicht aus der Migros, die keinen Alkohol verkauft, sondern von der „alkoholhaltigen“ Tochter Denner).

Dieser Wein, der sich auf der Homepage des Gutes nicht findet und offenbar speziell für Denner abgefüllt wird, stammt von der Domaine Raimbault-Pineau aus Sury-en-Vaux, rund 5 Kilometer von Sancerre entfernt. Sancerre ist (abgesehen von den roten Pinots, die eine immer beachtlichere Qualität erreichen) schon fast ein Synonym für Sauvignon blanc. Und wer an Sauvignon denkt, erinnert sich automatisch an Holunderduft. Dieser Sancerre ist aber diesbezüglich absolut aussergewöhnlich: Noch nie habe ich einen so intensiven, reintönigen Duft nach Holunderblüten erlebt wie hier:

Blasses Gelb; aussergewöhnlich intensiver Holunderblütenduft, etwas Quitten und grünes Gras; Bestätigung der Aromen von Holunderblüte und Quitte im Mund, schöne, erfrischende Säure, leichte, schöne Bitternote, dicht, spürbarer „Süsskomplex“ (nicht Süsse!), der für eine schöne Ausgewogenheit sorgt. Erfreulicher, süffiger Wein, der durchaus auch Tiefgang hat und es mit sehr vielen der renommierten Sancerres ohne Weiteres aufnimmt!

Wunderschöne Weinlandschaft, tolle Weine: Sancerre.
Oder auch so: An den Hängen Sauvignon-Trauben (und etwas Pinot noir), in der Ebene Korn.

Wie erwähnt, ich kaufe diesen Sancerre seit Jahren, und er macht in jedem Jahr Freude, auch wenn die verschiedenen Jahrgänge, was ich bei einem „Supermarktwein“ besonders positiv werte, durchaus verschieden ausfallen (generell mag ich die nicht so opulenten fast lieber). Nimmt man den Preis – rund Fr. 15.00 – als Massstab dazu, dann wird der Wein noch erfreulicher.

Wirklich erstaunlich ist aber, dass dieser Sancerre im eingangs erwähnten Weinseller keinen Eingang gefunden hat. Wer immer für die Auswahl verantwortlich war – ob Denner selbst oder Chandra Kurt – hat einen groben Fehler begangen: Dieser Sancerre wäre ein Kandidat für mindestens 19 Punkte! Nur im Weinseller, wohlverstanden! (Ich verteile hier bisher ja bewusst keine Punkte, würde ihm aber deren 16 vergeben, was „sehr guter Wein“ bedeutete).

https://www.raimbault-pineau-sancerre.fr/
In fast allen Denner-Filialen oder:
https://www.denner.ch/de/shop/wein/sancerre-aoc-cuvee-prestige-raimbault-pineau-75-050522.html

Das grosse Geheimnis aus Cahors.

Nach einem langen, spannenden Tag am Lot, dem Fluss, der das ganze Weinbaugebiet von Cahors in vielen Schlaufen durchzieht, wollten wir, ausgerüstet mit einem Tipp aus dem „Guide Hachette“, noch etwas Wein kaufen. Wir fuhren also mit unserem Kleinstwagen auf Chateau La Gineste vor und klingelten. Zu unserem Erstaunen wurden wir an einen Herrn verwiesen, der gerade in kurzen Hosen und mit Gras in den Haaren auf einem fahrbaren Rasenmäher tätig war, und den wir eigentlich als Gärtner identifiziert hatten.

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Blick auf die Reben und – im Hintergrund – das Schloss von La Gineste im Gebiet von Cahors. Das Gut arbeitet biologisch – aber eigentlich sieht man das ja schon fast anhand des Bildes! (Foto vl)

Trotz der Störung wurden wir sehr herzlich vom rasenmähenden Schlossbesitzer, Gérard Dega, empfangen. Unser Wagen sah ja sicher nicht nach grossem Volumen und damit Verkaufschancen aus (man kann nicht ahnen, dass das Auto nebst Koffern locker noch 120 Flaschen aufnimmt; mehrfach belegt …). Eigentlich wollten wir ja nur degustieren, wenn positiv, kaufen und gehen. Geblieben sind wir schliesslich 90 Minuten, inklusive einer Führung, vielen Erklärungen und einer Degustation mit allen verfügbaren Weinen, und das waren viele, weil von jedem Typ verschiedene Jahrgänge zur Verfügung standen. Um es vorweg zu nehmen: Unser Kleinwagen war nach dem Besuch ziemlich beladen.

Das Gut ist etikettenmässig voller Geheimnisse: Nebst einem Rosé, dem Basiswein „La Gineste“ und einem „black wine“, gibt es die Linien „Petits Secrets“, „Secrets“ und vor allem den „Grand Secret“. Dass letzterer in der Einzahl geschrieben ist, kommt nicht von ungefähr, er ist nämlich der wirklich begeisternde Wein dieses Gutes. Die anderen Gewächse werden in einem Mischsatz hergestellt (Mehrheit Malbec, Minderheit Merlot) und sind schöne und preiswerte Weine (nur beim Petits Secrets störte mich bei einigen Jahrgängen ein spürbares altes Holz).

Der Grand Secret hingegen ist aus 100 % Malbec hergestellt und 2 Jahre in neuen Barriques ausgebaut. Es gibt auch nur etwa 3000 Flaschen jährlich, bei einer Gutsgrösse von 9 Hektar also eine wirkliche Rarität.

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Was für ein begeisternder Wein von enormer Länge und gleichzeitig grosser Finesse! Das ist Cahors von der allerbesten Seite, und das ist Cahors, wie es von keinem argentinischen Malbec „kopiert“ werden kann. Dieser Wein hat Charakter und ja, ich wage den Ausdruck, Seele!

Degustationsnotiz Jahrgang 2011:

Dichte, dunkle Farbe, noch jugendlich, fast violett; Aromen von dunklen Kirschen, Nelken, Zedernholz, Anflug von Armagnac; gute, stützende Säure in perfekter Harmonie mit feinen Tanninen, dicht und fast zum Abbeissen, dabei druckvoll aber auch elegant. Ein Klassewein!

(Bemerkung am Rand: Wir haben ihn neben einem preislich ähnlichen, durchaus guten Cru Bourgeois 2006 aus dem Haut-Médoc probiert. Der Cahors wurde einhellig und sehr klar vorgezogen).

Nachstehend ein Link auf die Homepage des Gutes. Man möchte Herrn Dega wünschen, etwas weniger Zeit auf dem Rasenmäher zu verbringen, um Zeit zu haben, seine Site auf Vordermann zu bringen. Aber am besten arbeitet er ohnehin in den Reben und im Keller, auf dass es noch viele Jahrgänge des Grand Secret gibt!

http://chateaulagineste.free.fr/

Korrigenda: Ich bin darauf aufmerksam gemacht worden, dass das Gut durchaus eine aktuelle Homepage hat:

http://chateaulagineste.fr/accueil/

siehe zudem:

http://www.vigneron-independant-lot.com/vignerons/chateau-la-gineste/


Cahors – zurück zu altem Glanz?

Das Weinbaugebiet von Cahors zählte einmal zu den bekanntesten von ganz Frankreich; die Weine wurden bis nach England verschifft und namen dabei den Weg über das rund 200 Km westlich liegende Bordeaux. Im 14. Jh. stammte rund die Hälfte des dort verschifften Weins aus Cahors. Danach verblasst die Reputation.

Heute hat das Weinbaugebiet seinen Ruf wieder verbessert, trotzdem wird auch jetzt noch vergleichsweise wenig exportiert, 80 % des Weines wird in Frankreich abgesetzt. Das ist schade, denn hier werden teils wunderbare Gewächse angebaut. Malbec ist die Hauptsorte (vor Ort eher Côt oder gar Auxerrois genannt), und was „Cahors“ heissen will, muss mindestens 70 % dieser Rebsorte enthalten. Ergänzend werden Merlot und Tannat verwendet.

Das Hauptanbaugebiet befindet sich westlich der Stadt Cahors, in einem Bereich, in dem der Lot, ein Nebenfluss der Garonne, richtig mäandert. Die Gegend ist sehr reizvoll – nicht nur für Weinfreunde!

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Auch landschaftlich reizvoll, das Tal des Lot, etwas oberhalb von Cahors.

Mehr zum Anbaugebiet von Cahors:

https://www.inao.gouv.fr/produit/8230

Einfach eine Wucht!

Madiran – wuchtige Eleganz, die reifen muss.

Nach meinem Beitrag von gestern musste das ja einfach sein; nach einem weissen Pacherenc du Vic Bilh war ein Madiran aus dem genau gleichen Gebiet sozusagen gesetzt.

Das Menu – drei Stunden wie ein Braten in Rotwein schonend geschmorter Hohrücken – verlangte geradezu nach einem kräftigen Wein, also müsste ein Madiran sicher passen. Und Château Bouscassé Vieilles Vignes 2004 schien mir so langsam in Trinkreife.

(Kleine Klammer: Ich kaufte vor vielen Jahren einmal 12 Flaschen Château Montus aus den frühen 1990-er Jahren, und ab etwa fünf Jahren nach der Ernte probierte ich jährlich eine Flasche, in der Meinung, er müsste endlich trinkreif sein – und als er es dann endlich war, hatte es keine Flaschen mehr ….).

Aber ein 14-jähriger Bouscassé (ausgerechnet übrigens aus einem Jahr, das meteorologisch nicht so toll war, und in dem vor allem zu befürchten war, dass Alain Brumont aufgeben müsste, weil er bei einem Investment vermutlich über’s Ohr gehauen wurde), das war keine schlechte Idee.

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14 Jahre alt – und erst in beginnender Trinkreife! Gute Weine aus Madiran erinnern an so etwas wie eine „gute alte (Wein-)Zeit“. (Bild vl)

Nur wenig gereiftes, tiefes Bordeaux-Rot, in der Nase intensive Düfte von Dörrpflaumen und anderen dunklen Früchten, Anflug von Pfeffer und – warum nur rieche ich das immer wieder in Tannat-Weinen – Liebstöckel („Maggikraut“). Im Mund umwerfend wuchtig, knackige, aber sehr gut eingebundene Säure, noch sehr jugendliche, prägnante Tannine, im besten Sinne mundfüllend. Wuchtiger Wein, der trotzdem elegant daherkommt. Ist jetzt trinkreif, kann aber noch einige Jahre reifen! Und auch das ist so ein Wein, der beim Essen nie verleidet, sondern immer noch besser zu werden scheint.

Südwestfrankreich – das ist definitiv mehr als eine vernachlässigbare Weingegend – das ist – von guten Produzenten – sinnliche Weinqualität pur!

http://www.brumont.fr/

 

Etikettentrinker der anderen Art.

„Pacherenc du Vic – Was“? Das muss man ja einfach probieren!

Wenn ein Zungenbrecher wie „Pacherenc du Vic Bilh“ auf der Etikette steht, dann muss man diesen Wein ja schon fast aus reiner Neugierde kaufen! Ein „Etikettenkauf“ der anderen Art. Und einer, der sich lohnt!

Raten Sie mal, wo sich dieses nur etwa 300 ha umfassende Gebiet befindet?

Etwas einfacher wird es, wenn Sie wissen, dass es sich um eine AOP in Frankreich handelt. Und dazu eine, die deckungsgleich mit der Rotwein-Appellation Madiran ist. Madiran? Ja klar, da kommt sofort der Name Alain Brumont mit seinen Châteaux Montus und Bouscassé ins Spiel – der Mann, der gezeigt hat, dass am Fusse der Pyrenäen, in der Nähe der Stadt Pau, Spitzenwein hergestellt werden kann. Von beiden Brumont-Schlössern gibt es übrigens nicht nur die berühmten Roten, sondern eben auch weisse Pacherenc du Vic Bilh.

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Pacherenc du Vic Bilh – oder eben Madiran. Weinberge von Château d’Aydie (Bild: Homepage Château)

Während sich ältere Werke wie der Hachette-Weinatlas („angrenzend“) und der Johnson/Duijker („identisch“) geradezu widersprechen, bringen Onlinerecherchen heute hervor, dass Madian und Pacherenc du Vic Bilh aus dem genau gleichen Gebiet stammen (vgl. Link auf INAO unten). Spannend übrigens: Madiran soll bis 1948 Vic Bilh geheissen haben. Woher der spezielle Name? Vic Bilh ist gasconisch und bedeutet altes Land, während Pacherenc für „Weinreben, die an Pfählen gezogen werden“ steht.

Und wer bis hier mit Lesen durchgehalten hat: Die zugelassenen Rebsorten sind Gros Manseng, Petit Manseng, Petit Courbu und Arrufiac; sie bringen sowohl trockene als auch Weine mit Restsüsse hervor. Aber der Wein, von dem ich heute schreibe, ist knochentrocken und besteht nur aus den beiden Manseng. Pierre Galet äussert sich in seiner Enzyklopädie über französische Rebsorten vor allem über die Petit Manseng als „cépage de qualité“ – was ich nach dem Genuss des Weines gerne glaube (und ohnehin bekannt ist; auch die benachbarten Weissen aus Jurançan bauen auf dieser Sorte auf).

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Nun endlich zum verkosteten Wein: Die Rede ist vom 2015er „Odé d’Aydie“ von Château d’Aydie. Ich habe ihn blind gekauft, eben als „Etikettentrinker der etwas anderen Art“. Und ich bin begeistert. Es ist ein extrem charaktervoller, interessanter Wein, der mit jedem Schluck spannender wird, und bei dem man enttäuscht ist, wenn die Flasche schon leer ist. Oder, um es mit den Worten meiner Frau zu sagen: „Das ist ein Wein, der einen geradezu auffordert, sich mit ihm auseinanderzusetzen, und der es nicht zulässt, einfach so nebenbei die Kehle herunterzurinnen“.

Mittleres Gelb mit orangen Reflexen, intensive Vielfalt in der Nase: getrocknete Aprikosen, Quitte, Vanille, Williams-Birne und viele würzige Düfte mit Anflügen von Pfeffer, Nelken und Muskat. Im Mund mit Retrofaktion von Williams-Brand, enorm füllig und dicht, im Auftakt mit prägnantem Süsskomplex (und dabei absolut trocken), gute Säure, enorme Länge, er will sich fast nicht verabschieden. Eindrücklich!

Es ist einer jener Weine, derentwegen ich diesen Weinblog begonnen habe. Vielleicht ist es nicht ein ganz grosser Wein (wobei ich mir da nicht einmal so sicher bin), aber er ist auf jeden Fall charaktervoll, authentisch, nie langweilig, er macht einfach Spass – nein, mehr als das, er fasziniert bis zum letzten Tropfen. Und so ganz nebenbei: er kostet keine fünfzehn Franken!

Château d’Aydie verfügt über 58 ha Reben und steht in Besitz der Familie Laplace. Produziert wird hier, nebst etwas Landwein, Madiran und sowohl süsser als auch trockener Pacherenc du Vic Bilh. Das Schloss befindet sich rund 4 Kilometer vom Dorf Madiran entfernt. Und übrigens auch je in gleicher Distanz, einmal nördlich, einmal östlich, liegen die beiden erwähnten Güter von Alain Brumont.

Château d’Aydie:
http://www.famillelaplace.com/fr/

Alain Brumont:
http://www.brumont.fr/fr/index.php

 

Gebiete gemäss INAO (mit Karte):

Pachernec du Vic Bilh:
https://www.inao.gouv.fr/produit/726

Madiran:
https://www.inao.gouv.fr/produit/13315

 

 

 

 

 

 

 

Ah – ça lui plaît. Grosse Weine von der Loire!

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Château de Villeneuve bei Saumur. Grossartige Loire-Weine! (Bild vl)

Es gibt Weingebiete, die ungerechterweise ein Schattendasein fristen. Dazu gehören leider die Rebbaugebiete der mittleren und unteren Loire. Dabei sind viele der hier produzierten Weine grossartig. Für meinen Geschmack gilt dies vor allem für Weissweine aus der Chénin Blanc-Traube. Auch diese ist absolut zu Unrecht verkannt und kann absolute Weltspitze sein. Mich erinnert sie in vielem an Riesling, schon im Geschmack, aber auch darin, dass sie trocken, mit dezenter Restsüsse und auch mit Edelsüsse wundervoll sein kann. Chardonnay hin, Sauvignon Blanc her, ich halte Riesling und Chénin Blanc für die tollsten weissen Rebsorten. Vielleicht muss ja die Chénin Blanc zuerst den Umweg über Südafrika, wo immer tollere Weine aus dieser Sorte gedeihen, nehmen, um in Europa ernst genommen zu werden?

Heute aber geht es um einen Rotwein, und hier ist an der Loire die Hauptsorte Cabernet. Aber eben nicht Cabernet-Sauvignon, sondern Cabernet Franc. Und auch diese Rebsorte hat es in sich. Auf guten Terroir gewachsen und sorgfältig gekeltert bringt sie charaktervolle, elegante und fruchtige Weine hervor, die in der Jugend fruchtig-erfrischend sind und im Alter wie Samt und Seide die Kehle herunterrinnen.

Ich erinnere mich an ein Nachtessen im „Bistrot de la Place“ in Saumur. Ich wählte einen 12-jährigen Saumur-Champigny und fragte beim Kellner bewusst nach, ob der Wein wirklich noch trinkbar sei. Und wie er trinkbar war! Voller Jugend, voller Finesse – ein Cabernet Franc vom Besten! Und meine Erfahrung inzwischen ist: Gute Cabernet Franc von der Loire muss man entweder jung trinken, dann machen sie mit viel Frucht und Frische Freude, oder dann erst wieder nach 8 und mehr Jahren. (Sofern sie dieses Potential haben, natürlich).

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Saumur an der Loire, Ausgangspunkt für Touren in der Appellation „Saumur Champigny“. (Bild vl)

Die besten Cabernet Franc stammen aus den beiden vergleichsweise bekannten Appellationen Chinon und Bourgeuil, eigentlich das gleiche Gebiet, nur das erste südlich, das zweite nördlich der Loire. Oder eben, Saumur-Champigny, rund um die Stadt Saumur gelegen und, vor allem in Sachen Rotwein, in einem unterschätzten Grossgebiet ein unterschätztes Teilgebiet.

Der Wein, von dem ich heute schreibe, ist der Saumur-Champigny von Château de Villeneuve, wenige Kilometer östlich von Saumur hoch über der Loire. Heute Abend geöffnet haben wir den „Vieilles Vignes“ 2009:

Dunkles, etwas gereiftes Rot, in der Nase ein Feuerwerk von Blaubeeren, Cassis, Nelken, Vanille und Oregano; im Mund noch gute Säure, extrem feine, zurückhaltende Tannine, elegant. Im Abgang interessanterweise im ersten Moment eher kurz, und dann plötzlich ganz weit hinten im Gaumen unendlich lang. Ein wunderbar gereifter, aber noch voll präsenter Wein. Grossartig!

Die Basisweine des Gutes sind übrigens allesamt auch empfehlenswert. Ein besonderer Tipp aber schon hier, obwohl ich auf weisse Loire-Weine sicher später noch zurückkomme: der weisse „les Cormiers“ des Schlosses ist grossartig und lohnt eine Entdeckung. Wie meinte die Seniorchefin des Schlosses, als ich ihn degustierte: „ah, ça lui plaît“. Ja, die alte Madame konnte mein Gesicht lesen.

http://www.chateau-de-villeneuve.com/le-chateau/fr

Bezugsquelle Schweiz:
www.divo.ch

Nachtrag: Zum Thema „running gag“: Ja, das Gut hat inzwischen auf Bio umgestellt!