Stephan Herter, der Winzer mit den richtigen Rezepten: Einsatz, Beharrlichkeit und Empathie!

Stephan Herter zeigt am Winterthurer „Taggenberg“, dass er als gelernter Koch auch in der Weinherstellung die richtigen Rezepte gefunden hat. Seine Weine sind hervorragend und gleichzeitig sowohl klassisch wie auch eigenständig.

Eigentlich ist er ja gelernter Koch, und dank einem sehr guten Lehrabschluss hatte er die Möglichkeit, sich in der absoluten Spitzengastronomie weiter zu entwickeln. Allerdings kam Stephan Herter da auch intensiv mit Wein in Kontakt, und das hat ihn nie mehr losgelassen. Nach einigen Jahren im Weinbusiness, zuerst als Weintechnologe, dann in fast jeder Position in einer führenden Schweizer Weinhandlung, wollte er sein eigenes Weingut gründen. Diverse Stages brachten ihm viele Impulse, ganz besonders beeindruckt hat ihn die Tätgigkeit auf der Domaine Leflaive, wo er in einem Team mit einer wundervollen Person (Zitat Herter) an der Spitze (die leider inzwischen verstorbene Anne-Claude Leflaive) auch die biodynamische Arbeitsweise kennenlernte.

Das Gute liegt so nah
Umgesehen hat er sich für ein Weingut dann weit in der Weinwelt. Südfrankreich wäre eine Option gewesen, aber eigentlich mag er den nördlichen Weinstil besser. Im Rheingau hätte er ein Gut übernehmen können – aber „nur“ Riesling, das war ihm zu wenig spannend. Schliesslich begann er auch in der Deutschschweiz zu suchen, wobei sein Vorgehen einzigartig war. Er ging nicht den Angeboten nach, sondern suchte zusammen mit einem Freund, der Geologe ist, nach einem bodentechnisch perfekten Ort. Gefunden hat er diesen dann in Winterthur, „seiner“ Stadt, in der er lange gelebt hat und die ihm ans Herz gewachsen ist (dem Schreibenden übrigens auch). Der Taggenberg, eine kleine Erhebung am westlichen Stadtrand, weist nämlich eine ganz aussergewöhnliche geologische Struktur auf. Er wurde geprägt vom Gletscher, aber anders als etwa der silex-geprägte benachbarten Hügelzug des Irchels gibt es hier Buntsandstein – und zwar nachweislich aus der Pfalz stammend und vom Gletscher hierhier transportiert. Aber damit nicht genug: Den Hügel durchzieht auch eine Kalkzunge, welche wiederum aus der Champagne stammt. Es gibt Lagen am Taggenberg, die nur rund 20 cm Humus aufweisen – darunter kommt direkt der Stein. Das zwingt zwar den Winzer zum Bohren, wenn er Pfähle einschlagen will, gleichzeitig aber auch die Rebe, ganz tief und weit durch den Kalk zu wurzeln. Kein Wunder also, dass hier vor rund 30 Jahren das Ehepaar Hans und Therese Herzog schon einmal absolute Spitzenweine produzierte, bevor es nach Neuseeland auswanderte.

Perfekte Weinlage am Rand der Stadt: Der geologisch einzigartige „Taggenberg“ in Winterthur.

Beharrlichkeit bringt Reben
Was aber tun mit diesem Wissen? Der Hang war weiterhin mit den von Herzog’s bepflanzten Reben bestockt, aber das Land ist auf etwa ein Dutzend Besitzer aufgeteilt und war zudem verpachtet. Es war immerhin ein schon über dem Pensionsalter stehender Landwirt, der die Reben pflegte. Und so änderte Herter seine Gewohnheiten: Statt ins obere Tösstal führten ihn seine Ausfahrten mit dem Moutainbike neu tössabwärts und in Richtung Irchel – und dabei fast jedes Mal vorbei am Hof des alten Bauern, um ihn zu überzeugen, die Reben doch abzugeben. Und tatächlich, irgendwann war er durch Herters Hartnäckigkeit „weichgeklopft“, ab dem Jahrgang 2012 konnte Herter die Reben am Taggenberg übernehmen. Wobei, ganz so einfach war auch das noch nicht, denn aufgrund seiner Ausbildung ging Herter amtlich nicht als Winzer durch. Also musste er sich noch im Schnellgang ausbilden. Auch diese „Lehre“ hat ihn geprägt, er konnte sie bei Michael Broger am Ottenberg absolvieren
vgl. hier: Michael Broger – der Pinot-Magier – Victor’s Weinblog
von dem er nicht nur weintechnisch, sondern auch menschlich („grandios“, Zitat Herter) viel profitieren konnte.

Beharrlichkeit musste Stephan Herter aber auch in andere Hinsicht beweisen. Er hat inzwischen 9 Jahrgänge gekeltert, und davon verliefen gerade deren zwei „normal“. Abgesehen von, wie Herter selbst einräumt, eigenen Fehlern, waren vor allem die beiden Frostjahre 2016 und 2017 schlimm und existentbedrohend. Aber Herter kaufte in diesen Jahren fremdes Traubenmaterial, und daraus entstand die Weinlinie „Väterchen Frost“. Handeln statt jammern – kein schlechtes Rezept!

Durchhaltewille zeigt er auch in der Bewirtschaftung. Er hat in all den Jahren nie eine „chemische“ Spritzung durchgeführt. Herter arbeitet nach biologisch bzw. bio-dynamischen Grundsätzen, ist aber nicht zertifiziert. Dies vor allem auch deshalb, weil er sich mit den Weltansichten des Rudolf Steiner schwertut und Bio-Suisse inzwischen als Instrument des Grosshandels empfindet – mit beidem will er nicht in Verbindung gebracht werden.

Aber auch ohne Zertifikat ist Herter beharrlich. Es kam auch im Jahr 2020, das durch den ständigen Wechsel von Nässe und Sonne in der Pilzabwehr problematisch war, mit nur 800 g Kupfer pro Hektar aus (erlaubt sind im Biorebbau 5 Kg), was auch nicht mehr signifikant höher liegt, als es für den anfälligeren Teil der Piwi-Sorten auch noch notwendig ist. Piwi ist für Herter ohnehin kein Ersatz; seiner Meinung nach kommen diese qualitativ vorerst einfach noch nicht an die Europäersorten heran, jedenfalls dann, wenn es darum geht, mineralische, trockene und ausdrucksstarke Terroirweine zu produzieren.

Herter tut aber auch so viel für die Natur. In mehreren Projekten zusammen mit der Naturschutzorganisation „Birdlife“ hat er Naturräume geschaffen, in denen sich Nützlinge ansiedeln und die Biodiversität verbessern können. Er ist überzeugt, dass er unter anderem auch deshalb noch nie wirkliche Probleme mit der Kirchessigfliege hatte. Zweifellos sind diese naturnahen Massnahmen der Weinqualität zuträglich. Ganz abgesehen davon ist er mit seinem Rebberg in einer privilegierten Lage: Er schneidet die Reben heute auf etwa 10 Augen zurück, und das ergibt dann aufgrund des Alters (ca. 45 Jahre) genau den bescheidenen Ertrag, den er für seine Weine anstrebt. Im Klartext: Herter muss keine „vendange verte“ ausführen, die Ertragsregulierung übernehmen die Pflanzen selbst.

Voller Einsatz bringt Infrastruktur
Mögen die Voraussetzung noch so gut sein, ein Newcomer ohne viel Geld kann nur bestehen, wenn er auch mit grossem Einsatz bei der Sache ist. Beim kontinuierlichen Ausbau seines Hofes legte und legt Herter immer selbst Hand an. Zurecht mit Stolz zeigt er den Barrique-Keller, ein Bauwerk, da er innert weniger Monate zu einem grossen Teil und selbst auf dem Bagger sitzend geschaffen hat.

Der mit den guten Rezepten und dem selbst geschaffenen Barrique-Keller: Stephan Herter.

Herausfordernd war auch die Corona-Sitation. Bedingt durch seine frühere Tätigkeit in der Gastronomie und dem Weinhandel war Herter im Absatz stark von Restaurants abhängig. Sozusagen von einem Tag auf den anderen blieben im Frühjahr 2020 die Bestellungen aus. Statt jammern suchte Herter sämtliche ihm bekannten Adressen von Kunden, Freunden und Bekannten zusammen und bot die Weine forciert im Direktverkauf an. Das Resultat: Bald stand Stephan statt im Rebberg tagelang im Keller und schnürte Pakete bzw. im Büro und schrieb Rechnungen!

Empathie für die Mitmenschen und für den Wein
Weil er deshalb während der arbeitsintensivsten Zeit im Rebberg fehlte, suchte der via soziale Medien nach Helfern – mit grossem Erfolg. Das war auch deshalb wichtig, weil aufgrund von Covid ein Teil seiner regelmässigen Helfer ausfiel. Seit Jahren bietet Herter nämlich Menschen, die eher auf der Schattenseite des Lebens stehen, die Möglichkeit, zeitweise bei ihm zu arbeiten und damit eine Aufgabe zu haben. In diesem sozialen Engagement habe er schon „Junkies“, „Knastis“ und „Alkis“ auf dem Betrieb gehabt und durchwegs gute Erfahrungen gemacht. Mit Abstand am schwierigsten, sagt ausgerechnet ein Winzer, sei der Umgang mit alkoholabhängigen Personen – das sei ein unvorstellbares Elend. Eine Warnung an uns alle, die wir den Wein so gerne haben, mit Mass und Vernunft zu geniessen!

Empathie, oder meinetwegen Fingerspitzengefühl, beweist Stephan aber vor allem auch bei der Weinproduktion. Natürlich profitiert er von einer hervorragenden Lage und alten Reben – und noch dazu davon, dass der erwähnte Hans Herzog „en fräche Siech“ gewesen ist, und damals nebst verbotenen Sorten auch spezielle Klone aus Frankreich gesetzt hat. Aber ganz offensichtlich hat Stephan Herter auch viel gelernt und dazu noch viel mehr Gefühl für den Wein entwickelt. Auf eigenen Hefen vergoren, so wenig Eingriffe wie möglich, ein trockener und eleganter Stil, der die Weine vor allem als Essensbegleiter aufblühen lässt und einen vielleicht nicht mit einem Bluffer-Stil sofort anspringen. Das Sortiment ist absolut überzeugend – der Koch findet auch als Winzer die feinsten Rezepte!

Aber lesen Sie selbst die nachstehenden Degustationsnotizen.

Sehr wichtig ist für Stephan Herter auch, dass die Weine ihre Herkunft zeigen – auf der Suche nach dem brühmten „Terroir“ sozusagen. Dass das nicht nur grosse Worte sind, zeigt er mit einem „Experiment“ mit dazugekauften Trauben aus Stein am Rhein. In diesem Fass lagert ein Pinot, der auf reinem Nagelfluh gewachsen ist, und mit dem Herter den Unterschied der verschiedenen Gesteins-Untergründe aufzeigen will.

Die Degustationsnotizen

Fabelhafte Parade der Fabelwesen: Herter’s tolles Sortiment (und es gibt noch mehr!)

„Väterchen Frost“, Schaumwein
Helles Gelb, zurückhaltende, feine Perlage; sehr fruchtbetont und „weinig“, Golden-Delicious-Apfel, Stachelbeeren, weisser Pfirsich, leichter, sehr feiner Hefeton; im Mund füllig, gut stützende Säure, kaum spürbarer Alkohol, neckische, dezente Süssnote, langer Abgang. Ein Masstab für Schweizer Schaumwein! 17 Punkte (= sehr gut).

Ferdinand, Räuschling 2019
(Degunotiz aus der Erinnerung, ich habe den Zettel verloren … aber der Eindruck ist sehr geblieben!)
Helles Gelb; Duft nach Orangen und Mirabellen, blumige Anflüge (u.a. etwas Flieder); im Mund mit knackiger Säure, filigran aber trotzdem für einen Räuschling erstaunlich dicht, langer Abgang. Toller Räuschling der eher traditionellen, aber doch etwas modern umgesetzten Art! 16 Punkte (= am oberen Ende gut).

Rufus, Sauvignon blanc, 2019
Mittleres Gelb, Stachelbeeren, Holunderblätter, nasses Gras; im Mund enorm frisch, sehr mineralisch, knackige Säure, sehr langer Abgang. Toller, mineralischer Sauvignon, den man blind in der Steiermark ziemlich weit vorne ansiedeln würde. 17 Punkte (= sehr gut).

Stix, Chardonnay 2019
Helles Strohgelb, Williams-Birne, Lychee, etwas neues Holz; im Mund rund mit ausgeprägter Fruchtsüsse, Holz und Toastung spürbar, gute Säure und gut eingebundener Alkohol. Schöner Wein, der als einziger stilistisch etwas aus dem Rahmen fällt. Mir ganz persönlich würde er etwas weniger „ausladend“ und dafür stählern noch besser gefallen. 16 Punkte (= am oberen Ende gut). Und Liebhaber dieses Stils würden ihn wohl noch höher bewerten.

Grimbart, Pinot noir 2019
Eher helles Rot; in der Nase zurückhaltend, rote Johannisbeeren, etwas Himbeer, würzig (Anflug von Lorbeer), leichter Holzton; im Mund filigran, herrlich ausgewogen mit spürbaren, feinen Tanninen und stützender, aber nicht aufdringlicher Säure, Alkohol erst im mittleren Abgang mit etwas „Feuer“ spürbar, leichter, schön eingebundener Holzton. Eleganter, frischer und charaktervoller Pinot der leichteren Art. 16,5 Punkte (= sehr gut).

Adelheid, Pinot noir/Cabernet, 2019
Recht dunkles Purpur; in der Nase Cassis und helle Fruchttöne, etwas Thymian; trotz spürbarer Säure und prägnanten Tanninen im Mund wie Samt und Seide, frisch und saftig, mittlerer Abgang. Eigentlich bin ich immer skeptisch gegenüber ausgefallenen Assemblagen, aber das hier ist eine schöne nördlich-frische Alternative, wenn eigentlich ein südlicher Wein passen würde (ich habe ihn zu Lamm sehr gut gefunden). 16,5 Punkte (= sehr gut).

Ruprecht, Pinot noir 2018
Für einen Pinot sehr dunkles Purpur; wunderschöne, pinot-typische Nase mit Himbeeren, Johannisbeeren, ganz dezent spürbares Holz; im Mund ein Feuerwerk: dicht, enorme Frische, gute Säure, trotz hohem Gehalt Alkohol kaum spürbar, langer und sehr „saftiger“ Abgang. Ein traumhaft guter, an das Burgund erinnernder Pinot, eine Referenz in der Schweiz. 18 Punkte (= hervorragend).
Leider ausverkauft.

HerterWein – Winterthur/Hettlingen

Und der Link zum „frechen“ Hans Herzog in Neuseeland:
Hans Herzog Marlborough Organic Winery

91-26-26 – ein Piwi-Wein wie ein 6-er im Lotto!

Schon mein letzter Beitrag handelte von einem Piwi-Wein, und die erfreulich vielen Reaktionen zeigten, wie kontrovers bzw. klar befürwortend oder aber ablehnend solche Weine immer noch beurteilt werden. Wer nun aber das Glück hat, den INK der Cantina Barbengo ins Glas zu bekommen, der muss ganz einfach an die Zukunft der besten Piwis glauben, das ist extrem gut!

Die Cantina Barbengo von Anna Barbara von der Crone und Paolo Visini glänzt seit Jahren durch das Sammeln von Parker-Punkten über der 90er-Grenze und durch den Eingang in die Mémoire des Vins Suisses (mit dem hauptsächlich aus Merlot gekelterten „Balin“). Nun hat die Cantina neu auch einen Piwi-Wein auf dem Markt gebracht, und was für einen: den INK 2018 aus der Sorte 91-26-26. Ein Monument auf dem Weg zum Durchbruch von Piwi-Weinen. Eine Sorte mit 6 Zahlen – wie ein 6-er im Lotto!

Stellt nicht nur andere Piwi in den Schatten: Der neue INK aus dem Tessin!

Ich habe den Wein geöffnet und glaubte aufgrund der Wahrnehmung in der Nase, einen Whisky im Glas zu haben. Gleichzeitig war die dunkle, dichte, fast tintige Farbe gewöhnungsbedüftig. Aber spannend erschien der INK 2018 sofort. Aufgrund der Wahrnehmungen habe ich ihn dekantiert, und tatsächlich stellte sich sehr schnell eine Veränderung ein. Eine Entwicklung freilich, die über Tage anhielt:

Tag 1: Kräftiges, dichtes, fast undurchdringliches Dunkelviolett; direkt nach dem Öffnen rauchig-torfig, erinnert an einen torfbetonten Whisky, etwa einen Lagavulin, nach dem Dekantieren immer noch etwas rauchig, aber auch Duft nach Cassis und Brombeeren; im Mund enorm dicht, viel Tannin (anfangs etwas grob wirkend, mit der Zeit interessanterweise viel sanfter!), angepasste Säure, sehr langer Abgang. Der Wein hat enorme Wucht, fast wie ein „Hammer-Merlot“, zeigt gleichzeitig aber auch eine elegante, feine Seite. Toller, spannender Wein!
Tag 2: Vom Whisky zum Wein: Die Torfnoten sind weg, es wird fruchtiger, im Mund will der Wein fast nicht aufhören nachzuwirken. Der Eindruck der Tannine ist noch sanfter geworden. Wenn man am ersten Tag aufgrund der Rauchigkeit auf einen Piwi hätte schliessen können, ist das heute völlig anders; nie würde ich blind auf Piwi tippen (von der Farbe abgesehen).
Tag 3: Loire? Ein „Monster-Cabernet Franc“? Es haben sich weitere dunkle Düfte entwickelt, reife, dunkle Kirschen, weiterhin Cassis, leichter Anflug von Peperoni. Im Mund weiterhin dicht, adstringierend, enorm nachhaltig.
Tag 4: Auf dem Weg ins Libournais? Cabernet Franc würde man sich immer noch denken, aber nun etwas geläutert, mehr warme Töne, wieder Merlot-Anflüge, und im Mund weiterhin dicht und lange nachhallend. Die Farbe ist enorm, mit einfachem Ausspülen bringt man das Glas nicht farblos, es braucht „mechanische“ Nachhilfe! Und weiterhin: jugendlich frisch wie am ersten Tag!
Tag 5: Doch eher Médoc? Nun zeigen sich Düfte von sowohl grünen wie auch sehr reifen roten Peperoni. Daneben weiterhin eine enorme Fruchtigkeit, wie bisher Cassis, dunkle Kirschen, Brombeeren. Und immer noch total jung und frisch im Mund!
Tag 6: Ribera del Duero? Gegenüber Tag 5 hat sich diesmal nicht so viel verändert, denn der Anflug eines auf „Fruchtbombe“ gemachten Temparanillo gab es eigentlich schon in den letzten zwei Tagen. Allerdings scheint es heute auch erstmals, dass die Spannkraft etwas nachlässt, jedenfalls hat der Wein nicht mehr dazugewonnen.
Tag 7: Kuba? Eigentlich hat sich nicht mehr viel verändert, ausser, dass ein starker Tabakduft wahrnehmbar ist; hat aber gegenüber dem Vortag nicht abgebaut.
Tag 8: Immer noch Duft nach dunklen Beeren, Leder und Tabak. Im Mund jetzt allerdings deutlich nachlassend, durchaus noch trinkbar, aber in den ersten Tagen machte er mehr Spass.
Tag 9: Fast unverändert – und jetzt ist leider die Flasche leer!

Auf der Suche nach Ergänzungen zum Merlot

Die Cantina Barbengo wurde vor allem durch herausragende Merlots bekannt, aber auch mit Cuvées, die Cabernet Sauvignon und -Franc, Petit Verdot und Arinarnoa (Merlot x Petit Verdot) beinhalten. Sie zählt zur absoluten Spitze der Tessiner Weinszene. Die Cantina experimentiert inzwischen auch mit diversen Piwi-Reben, aber, so Paolo Visini und Anna Barbara von der Crone auf elektronischem Weg augenzwinkernd: „Das dauert alles so lange, bis man Resultate hat“. Deshalb entstand der INK 2018 als erster Versuch mit der Rebsorte 91-26-26 auch mit Trauben von Stöcken, die von Mauro Giudici, einem innovativen Traubenproduzenten und Landwirt in Malvaglia im Bleniotal vor ein paar Jahren angepflanzt wurden. Das Dorf liegt an der Lukmanierpassstrasse nordöstlich von Biasca auf knapp 400 m über Meer, aber bereits inmitten der Alpen.

Eine Nummer für Rebsorten ist immer ein Zeichen dafür, dass sie noch nicht weit verbreitet, sondern im Versuchsstadium sind. Ich hätte jetzt schon einen definitiven Namensvorschlag: Giudici-Barbengo!

Das Interesse der Cantina Barbengo an diesen Trauben wurde auch deshalb geweckt, weil der 91-26-26 (korrekt: Giudici-Barbengo 🙂 ) eine gewisse „Ähnlichkeit“ zu den Bordeaux-Sorten nachgesagt wird. Als grossen Vorteil gegenüber anderen Piwi-Sorten erachten Visini und von der Crone aber auch die Resistenz gegenüber der drosophila suzukii (Kirschessigfliege): Die Beerenhaut ist so robust, dass ein Durchbohren unmöglich scheint.

Wein mit viel Potential – wie viel in Jahren?

Es handelt sich bei diesem Wein, dem 91-26-26, vinifiziert von der Cantina Barbengo, die offenbar auf Anhieb perfekt auch mit einem Piwi umgehen konnte, um einen wirklich hervorragenden Wein, der in einjährigen Barriques ausgebaut wurde. Aufgrund der Degustation würde man ahnen, dass dieser Piwi auch sehr gut altern kann. Die Cantina selbst schreibt dazu: „Eine Prognose zum Alterungspotenzial ist immer etwas heikel, insbesondere ohne Erfahrung; fünf bis acht Jahre vielleicht“? Ich persönlich wäre nicht überrascht, wenn der 91-26-26 auch im Jahr 2038, also mit 20 Jahren, noch Freude machen würde!

Prüfen kann ich persönlich das leider nicht. Ich hatte eine Flasche bestellt und auch kurz nach Eingang der Sendung geöffnet. Als ich nachbestellen wollte um das Alterungspotential verfolgen zu können, war der Wein leider schon ausverkauft. Einen 6er im Lotto darf man aber schliesslich auch nicht alle Tage erwarten!

http://www.cantinabarbengo.ch


Ich werde mich weiterhin mit Piwi-Weinen auseinandersetzen, die neueren Erlebnisse lassen mich fest daran glauben, dass solche Sorten den Durchbruch schaffen werden! Dies nicht nur aufgrund ökologischer Aspekte, sondern nun eben auch, weil es hervorragende Weine gibt. Trotzdem werde ich mich in meinem Blog weiterhin und vor allem auch mit aussergewöhnlichen „herkömmlichen“ Weinen befassen. Im nächsten Beitrag mit solchen der Cantina Barbengo. Ich hatte auch vier Weisse bestellt, und die sind allesamt so umwerfend gut, dass sie mehr als nur eine kleine Fussnote hier verdient haben.

Jahr des Winzers (12): Das Auslauben

Oder, für Nicht-Schweizer besser verständlich: Das Entblättern

Mit der Sprache ist das ja so eine Sache: Ich wurde kürzlich in einem anderen Medium für einen falschen Sprachgebrauch ausgelacht, dabei hatte ich nur das schweizerische „Auslauben“ statt dem hochdeutschen „Entblättern“ für den nachfolgend beschriebenen Arbeitsgang verwendet. Meine Antwort, wir Schweizer würden uns eben nicht in den Reben entblättern, sorgte dann immerhin für Heiterkeit.

Auslauben (= Entfernen des Reb-Laubes) oder Entblättern (= Entfernen der Reb-Blätter), die Arbeit ist – meistens – zu tun. Weil die Blätter für die Assimilation wichtig sind, beschränkt sich der Winzer dabei freilich auf die „Traubenzone“, also auf jenen Bereich der Pflanze, in dem die Trauben hängen. Der Arbeitsvorgang lässt sich gut anhand der nachfolgenden Bilder aufzeigen:

bbb-auslauben-vorher
Die „Traubenzone“ der Rebe vor dem Auslauben

bbb-auslauben-nachher
Und die gleichen zwei Rebstöcke, nun entblättert.

Auch bei diesem Arbeitsschritt handelt es sich um reine Handarbeit, jedes einzelne Blatt wird manuell entfernt. Immerhin geht das einfach, das Blatt kann einfach „abgezupft“ werden.

Warum aber führt man diese Arbeit überhaupt aus?
Einer der Vorteile liegt auf der Hand: Die Trauben hängen danach frei, was die Durchlüftung fördert und damit zu weniger Feuchtigkeit in der Traubenzone führt. Damit wird das Risiko eines Pilzbefalls deutlich verringert. Ganz abgesehen davon wird die weitere Pflege der Trauben bis zur  Ernte im Herbst auf diese Weise auch einfacher. Seit einigen Jahren gibt es aber noch ein weiteres Argument für diesen Arbeitsgang: Nach dem Auftauchen der Kirschessigfliege, einem eingeschleppten Schädling, der die ganze Ernte zerstören kann, werden die Trauben im Herbst wenn nötig zusätzlich gespritzt. Und gerade das harmloseste Mittel – Kalk – muss gut auf die Trauben verteilt werden können, was nur ohne Blätter möglich ist.

Das Auslauben hat aber auch Nachteile. Zuerst einmal muss man aufpassen, wann man die Blätter entfernt. Starke Sonneneinstrahlung kann nämlich zu Verbrennungen an den Trauben führen. Die direkte Besonnung hat ohnehin einen Einfluss auf die Qualität und die Beschaffenheit der Trauben.
Es gibt deshalb Winzer, die bewusst auf ein Auslauben verzichten. Vor allem bei Rebsorten, deren Wein von der Frische lebt (etwa Sauvignon blanc), werden die Blätter von einigen Winzern als natürliche Beschattung ganz bewusst nicht entfernt.

Letztlich ist es somit eine Frage der Winzer-Philosophie, ob entlaubt wird oder nicht. Abgesehen davon befassen sich aber auch Naturwissenschaftler mit der Frage, welche Auswirkungen diese Arbeit hat.
Hier stellvertretend eine entsprechende Schrift, die sich vor allem auch mit dem richtigen Zeitpunkt für das Auslauben befasst, „leider“ in französischer Sprache:

Klicke, um auf 2013_03_f_350.pdf zuzugreifen