Weltklasse aus der Schweiz: nächste Folge mit Irène Grünenfelder.

Meinen letzten Blog-Beitrag hatte ich auf Facebook mit der Einleitung gepostet: „Wann merkt endlich der letzte Weinfreund, dass Schweizer Weine Weltklasse sein können“? An den dort beschriebenen, famosen Montagna Magica von Hubervini schliesst heute nahtlos ein Sauvignon blanc 2015 an.

Auch eine sehr geschmackvolle Etikette. Die einzelnen Weine unterscheiden sich durch die Farbe. Grün wird für den Sauvignon blanc verwendet.

Die Produzentin Irène Grünenfelder aus Jenins in der Bündner Herrschaft näher vorzustellen, ist kaum notwendig, obgleich mir scheint, dass sie in Sachen Berichterstattung immer ein wenig im Schatten von Gantenbein (vor allem), Fromm, Studach und neuerdings auch Möhr-Niggli und wieder Donatsch steht. Dabei begegnen ihre Weine den vorgenannten absolut auf Augenhöhe! Ich erinnere mich an drei Degustationen mit mehr als einem Dutzend der führenden Schweizer Pinots der Jahrgänge 2006, 2009 und 2012 – immer war der „Eichholz“ von Irène Grünenfelder unter den ersten drei platziert. Sie hat – als Autodidaktin notabene – mit ihrem roten Spitzenwein auch einen absolut eigenständigen Stil gefunden. Immer wohltuend zurückhaltend im Holz, dicht und trotzdem elegant, fruchtbetont und irgendwie einfach sinnlich – nicht anbiedernd am Burgund, aber auch nicht bieder wie ein durchschnittlicher Schweizer Barrique-Pinot. Und das Schönste daran: Die Preise sind, im Gegensatz zu jenen der Pinots anderer Spitzenwinzer, auf freilich für Schweizer Verhältnisse hohem Niveau anständig stabil geblieben.

Aber auch die Weissweine von Irène Grünenfelder sind bemerkenswert. Den Chardonnay kann ich zu wenig beurteilen, ich habe da erst zwei Jahrgänge probiert, und da spürte man noch etwas das jugendliche Alter der Reben und ein Abtasten beim Holzeinsatz, aber der Stil lässt grundsätzlich Grosses erahnen. Beim Pinot blanc zeigt sie, welches Potential diese Rebsorte eigentlich hat – und mit dem Sauvignon blanc bewegt sie sich seit Jahren an der Schweizer Spitze. Mit dem 2015er hat sie meines Erachtens sogar einen Wein gekeltert, der auch im internationalen Vergleich ganz vorne steht. Da ist nichts von „billigen“, exotischen Aromen und von einfacher Süffigkeit. Vielmehr besticht der Wein durch eine dezente, zurückhaltende aber doch präsente Frucht und vor allem durch eine unglaubliche Frische und Mineralität. Dieser Sauvignon ist begeisternd und braucht keinen Vergleich mit den Weltbesten zu scheuen! Und mit 30 Franken ist er zwar nicht billig, aber der Qualität angemessen sehr anständig.


Helles Gelb; eher zurückhaltend mit Anflügen von Mandarine, Lychee und Mirabellen, schon in der Nase mineralisch wirkend; im Mund mit einer unglaublichen Frische trotz relativ mässiger Säure, obwohl wirklich trocken mit einem Anflug von „Süsse“, dicht gewoben, unglaubliche Mineralität, langer Abgang. Ein Traumwein!

Wann wohl merkt endlich der letzte Weinfreund, das Schweizer Weine Weltklasse sein können? Dieser Sauvignon gehört sicher zu den leuchtenden Beispielen. Schade nur, dass ich eben die letzte Flasche aus meinem Keller geholt habe – wie so oft, habe ich die anderen einfach zu früh geöffnet (wobei sie auch damals sehr gut waren).

Blick auf die Bündner Herrschaft, im Vordergrund Malans, in der Mitte rechts Jenins und rot eingezeichnet, unterhalb von Jenins, der Standort des Weingutes Eichholz.


https://www.eichholz-weine.ch/

Mutiger Gemeinderat als Geburtshelfer: 25 Jahre Markus Weber auf dem „Turmgut“!

Bürokratisch, stur und ohne Innovationskraft. Das sind so Attribute, mit welchen auch heute noch eine Gemeinde oft beurteilt wird. Völlig zu unrecht, und zwar schon seit einem Vierteljahrhundert, wie das Beispiel des Turmgutes in Erlenbach zeigt!

Das Turmgut mit seinen Reben in Erlenbach: einzigartig am Zürichsee!

Es war Ende der 1990er Jahre, und wir waren bei Freunden in Erlenbach am Zürichsee zu Gast. Das war die Zeit, als erste Schweizer Winzer auch tollen Pinot noir (oder eben Blauburgunder) produzierten – aber am „Zürisee“? Ich hatte zuvor während einem Jahrzehnt mit diesen Freunden zusammen die Firstclass-Weinkarte der Swissair produziert, und so war zu erwarten, dass sie einen guten Wein servierten. Er war auch gut – sehr gut sogar – aber er wurde blind serviert. Ich fand ihn toll, ein Pinot ohne Zweifel, aber woher nur? Sicher nicht vom „Zürisee“! Falsch: Der Wein stammte vom Turmgut in Erlenbach, produziert von dem mir damals völlig unbekannten Jungwinzer Markus Weber.

Inzwischen ist dieses Weingut eine „Institution“ und ein Betrieb, der seit nunmehr 20 Jahren zeigt, dass biologischer Weinbau auch in unseren Breitengraden erfolgreich betrieben werden kann.

Ich hatte kürzlich die Gelegenheit, an einer kleinen Degustation mit Markus Weber teilzunehmen – und ihm dabei erstmals überhaupt persönlich zu begegnen: Ein total spannender Gastgeber, extrovertiert, aber nie ein „Plauderi“; ein Mann, der weiss, wovon er in Sachen Wein spricht (das Thema war fast kein anderes, er wäre garantiert auch sonst ein spannender Gesprächspartner), und ein Mann, der weiss, was er kann – aber auch, was er nicht kann. Einfach rundum sympathisch!

Markus Weber, der engagierte Biowinzer des Turmgutes.

Und die Weine heute: Den Pinot noir „Valeria“ 2017 fand ich etwas holzgeprägt, aber das wird sich wohl nach wenigen Jahren noch geben. Der Wein ist ungemein ausdrucksvoll, mit einer – trotz Holz – schönen Frucht und mit einer Struktur, die eine schöne Zukunft prognostizieren lässt. Der Müller-Thurgau – bei Weber immer noch „Riesling Sylvaner“ genannt – weit über dem, was man von dieser Sorte so erwarten kann. Und der (anderweitig degustierte) Räuschling genau das, was diese Sorte vom Zürichsee so faszinierend macht. Absolut begeistert hat mich der Sauvignon blanc 2017: welch geniale Ausdrucksweise dieser Rebsorte! Dieser Wein scheint geradezu zu „fibrieren“, er vereint alle (auch, aber eben gerade nicht nur, vordergründigen) Düfte, die einen Sauvignon ausmachen, und er weist im Mund eine Fülle bei gleichzeitiger Frische aus, die wundervoll ist. Das ist Weltklasse, und ich stelle ihn in der Schweiz auf die höchste Stufe, zusammen mit den Sauvignons von Marco Casanova und Irene Grünenfelder! (Spannend: Weber und Casanova arbeiten biologisch, und Grünenfelder ist in Umstellung!)

Dem Raumplanungsgesetz sei Dank!

Die Geschichte ist aber mit einem kurzen Eingehen auf die heutigen Weine nicht zu Ende – im Gegenteil, sie beginnt im Jahr 1994 – oder eigentlich noch früher, 1986. Damals unterstellte der Kanton Zürich den Rebberg des Turmgutes in Erlenbach, das sich damals in Privatbesitz befand, einer „regionalen Freihaltezone“, was bedeutete, dass in diesem Bereich nicht gebaut werden durfte (sonst gäbe es heute an diesem Hang mit Sicherheit keine Reben mehr, sondern Villen – dem Raumplanungsgesetz des Bundes, welches diesen Eingriff erst möglich machte, sei Dank!). Das Bundesgericht urteilte Jahre später, dass dieser Entscheid keine „materielle Einteignung“ darstelle und somit nicht entschädigungspflichtig sei. Der Eigentümer pochte darauf auf dem sogenannten „Heimschlagsrecht“, was zur Folge hatte, dass der Rebberg zuerst, zum Schätzpreis als Rebland, an den Kanton Zürich fiel, welcher seinerseits das Land der Gemeinde Erlenbach übergab.

Pachtantritt am 15.11.1994: Diesen November feiert Markus Weber sein 25-jähriges Jubiläum

Der Gemeinderat Erlenbach suchte deshalb einen Pächter für die Reben und bewies sehr viel Mut – und aus heutiger Sicht Weitsicht! Die Turmgutreben wurden an den damals erst 26-jährigen Markus Weber verpachtet, der zuvor noch nie einen Betrieb geführt hatte und der zum Zeitpunkt der Ausschreibung erst noch in Australien weilte. Weber hatte aber das Glück, gleichzeitig noch weitere Rebanlagen übernehmen und die Weine vorerst bei einem anderen Weinbauern keltern zu dürfen.

Ausschnitt aus der Lokalzeitung von Mitte September 1994 – mit dem jungen Markus Weber als Newcomer.

Das Ganze war ein unglaubliches Wagnis. Nicht nur für die Gemeinde Erlenbach, deren Gemeinderat Innovationsgeist bewies, sondern auch für Markus Weber. Die NZZ berichtete am 19.1994 dazu Folgendes: „Markus Weber steht ein gerütteltes Mass an Arbeit bevor. Die Turmreben sind schlecht erschlossen, teilweise stark überaltert, die Hälfte der Weinstöcke sind immer noch an Stickeln befestigt, und der ganze Rebberg ist unterassiert und somit nur von Hand zu bearbeiten. Die rund 2,2 Hektar Rebfläche bieten eine insgesamt eher schmale Existenzgrundlage.“

Nun, die Reben wurden inzwischen (von der Gemeinde) terrassiert, und Markus Weber kann im November des laufenden Jahres als erfolgreicher Winzer sein Vierteljahrhundert-Jubiläum feiern!

Die Schaffenskraft von Weber hat zusammen mit der Weitsicht der Gemeindebehörden zu einem Vorzeige-Projekt im Rebbau geführt. Auch wenn es sachlich nicht ganz korrekt ist: Vielleicht wurde der Ausdruck „privat-public-partnership“ in Erlenbach erfunden!

http://www.turmgut.ch
Und der Link zur Gemeinde, die heute noch innovativ und sympathisch ist:
http://www.erlenbach.ch

bio logisch – jetzt auch Irene Grünenfelder!

Mein Blog bezweckt nun wirklich nicht, zu einem „Bio-Sprachrohr“ zu werden, auch wenn ich Sympathien für diesen Weg habe. Siehe dazu auch mein früherer Beitrag:
https://victorswein.blog/2018/01/20/biowein-ist-untrinkbar-wirklich/

Es hat mich aber selbst immer wieder verwundert, wie oft ich eben genau solche Weine aussergewöhnlich fand, auch wenn ich gar nicht wusste, dass da „bio“ drin ist (mein nächster Beitrag wird wieder von einem solchen Erlebnis handeln).

Vor fünf Minuten habe ich nun den Newsletter von Irene Grünenfelder aus Jenins erhalten. Ihre Weine faszinieren mich seit Jahren, und ihr Pinot noir „Eichholz“ hat schon in mehreren privaten Jahrgangsdegustationen alle (alle!) anderen aus der Region auf die Ränge verwiesen.

Und nun das: Ein Spitzenweingut mehr, das sich „Bio“ verschreibt! Das sollte langsam allen anderen zu denken geben!

Hier noch die kopierte Orginalnachricht von Irene Grünenfelder (und der Link auf  Homepage)

https://www.eichholz-weine.ch/

grünenfelder

Gantenbein – Zuteilen oder Verlosen oder was?

Die neuste Idee: Gantenbein (kombiniert mit Becker) per Los zuteilen!

Mein Beitrag „Online-Sofahändler“ hat jene Wirkung entfaltet, die ich mir von meinem Blog u.a. auch erhoffe: Er hat einen Kommentar ausgelöst und „hinter den Kulissen“ für mehrere Mails gesorgt. Eine Diskussion anstossen, wie schön!
https://victorswein.blog/2018/01/13/die-online-sofahaendler/

Ich bin mir bewusst, dass ich hier jetzt schon zum dritten Mal Gantenbein’s erwähne, dabei hatte ich geschrieben, dass dieser Blog weit weg von Snob-Weinen sein werde. Aber sind denn die Gantenbein-Weine versnobt? Sicher nicht (vielleicht aber einige der Konsumenten?).

Vorerst einmal steht ganz viel Engagement und wohl seinerzeit auch Mut dahinter – ein eigentliches Lebenswerk. Zwar gab es schon einen Donatsch im nahen Malans, aber „Burgunderweine“ in der Schweiz herstellen zu wollen, brauchte ja eine gute Portion Optimismus. Und deshalb ernten Gantenbein’s den Erfolg jetzt auch zurecht (wie Vater und Sohn Donatsch auch).

Aber ist denn ein Gantenbein seinen Preis in Snob-Sphären wert? Das ist nun wirklich Ansichtssache, und auch eine Frage des Massstabes (vielleicht auch des Portemonnaies). Vergleicht man mit einem Burgunder aus einer sehr guten Premier-Cru-Lage (auf dieser Höhe sehe ich Gantenbein, wie auch diverse andere Schweizer Pinots), dann ist er jeden Franken mehrfach wert. Vergleicht man mit einem Broger, Baumann und vor allem Zahner, oder vor Ort mit dem Eichholz von Grünenfelder oder Pelizzatti, dann ist er zu teuer. Aber was soll’s, der Markt macht die Preise, und wer einen Gantenbein erhalten kann und es sich leisten kann, tut gut daran, einzukaufen.

Aber eben, wie kommt man zu einem Gantenbein? Der beste Weg wäre jener gewesen, schon vor 30 Jahren direkt einzukaufen. Denn Gantenbeins sind, und das finde ich extrem sympathisch, auch wenn ich nicht bei den davon Profitierenden bin, total treu: Seit den frühen Jahren bestehende Kunden bekommen auch heute jedes Jahr ihren Wein – genau wie frühe Weinhändler. Aber neue Kunden können einfach nicht mehr berücksichtigt werden.

Bleibt der Handel: Fast jeder mir bekannte Händler mit einem Kontingent macht es gleich: er teilt zu. Und dass ein Händler jene Kunden bevorzugt, die auch sonst regelmässig einkaufen, leuchtet ja auch ein! Wer also hier nicht zum Zug kommt, dem bleiben dann noch Ricardo oder Ebay, mit echten Snob-Preisen…

Oder ganz aktuell, das Hoffen auf das Glück: Das Weinhaus Gerstl bietet noch bis am 5. Februar verschiedene Sortimentsboxen mit je drei Flaschen Gantenbein (teils auch mit einem der noch viel rareren Weissen) und drei Flaschen Becker an. Zu Becker aus Schweigen in der Pfalz, direkt an der Grenze zum Elsass, schreibe ich ein anderes Mal, für heute nur: auch diese Weine sind Klasse.

Der Clou an der Sache: Nach Bestelleingang werden die zur Verfügung stehenden Pakete unter den Bestellern verlost! Vielleicht ist es für einen Weinhändler die beste Methode, sich dem Dilemma der Zuteilung mit entsprechend unzufriedenen Kunden zu entziehen?

https://www.gerstl.ch/de/search.html?searchtext=Sortiments-Box

(Hinweis, weil victorswein.blog noch jung ist und das „über“ sicher nur wenige gelesen haben: Ich habe absolut keine kommerziellen Interessen, und Gerstl weiss nicht einmal, dass ich hier einen Hinweis platziere. Diese völlige Unabhängigkeit werde ich mir auch auch bewahren, weil ich ausschliesslich aus Spass schreibe und empfehle).