Blaufränkisch ist schon seit längerer Zeit eine meiner Lieblingssorten. Und wenn ein Wein so gelungen ist wie der Ungerberg 2015 von Pittnauer, dann ist Blaufränkisch einfach umwerfend gut!
„Dieser Wein hat mir nur schon beim Schnuppern ein Lächeln ins Gesicht gezaubert“, das waren die Worte eines Weinfreundes, der zu einer spannenden Blinddegustation geladen hatte – noch bevor bekannt war, um welchen Wein es sich handelt. Das Degustationsformat war ungewöhnlich, aber extrem spannend, da die Weine bunt gemischt nach Herkunft, Sorte und Jahrgang gereicht wurden. Ich wusste nicht, was mich erwartet, aber eine solche wirkliche Blinddegustation ist fordernd und macht, auch wenn ich durchaus Erfolge beim Zuordnen hatte, auch etwas demütig in Bezug auf das eigene Weinwissen ….
Trotz teils auch deutlich teurerer „Konkurrenz“ stach ein Wein aus allen hervor, eben der Ungerberg 2015 des Weingutes Pittnauer aus Gols. Der Wein befindet sich in der ersten Trinkreife und wirkt einfach berührend – eben, zaubert ein Lächeln ins Gesicht!
Bio-dynamisch – und „weniger ist mehr“ im Keller
Gerhard und Brigitte Pittnauer – Mitglieder bei Pannobile – bewirtschaften ihr rund 18 Hektar grosses Gut seit rund 15 Jahren nach bio-dynamischen Grundsätzen und halten sich im Keller so weit wie möglich mit Eingriffen zurück. Der Ungerberg, bekannterweise eine Top-Lage (auch wenn der Ausdruck „Berg“ masslos übertrieben ist), bringt auf perfekte Art Finesse, Druck und Tiefe gleichzeitig – und das bei einem vorbildlich tiefen Alkoholgehalt von nur 12,5 % vol.!
Die Etiketten des Gutes sind künstlerisch gestaltet; den Text zum Ungerberg konnte ich zwar teils entziffern, aber die Bedeutung ist wohl Geheimnis des Künstlers.
Blaufränkisch, Ried Ungerberg, Pittnauer, 2015 Mittleres, schon leicht gereiftes Rubin; sehr feine, vielschichtige, füllige Nase mit roter Frucht, „süssliche“ Anflüge und auch florale Noten; im Mund zuerst sehr feingliedrig und elegant wirkend, dann aber auch mit viel Druck, tolles Tannin, gute Säure, „saftig“, sehr langer Abgang. Toller, berührender Wein. 18 Punkte. Ich durfte den Rest der Flasche nach Hause nehmen und konnte ihn am Abend zufällig zu einem Schmorbraten geniessen – der Wein wirkte zum Essen noch grossartiger und hielt auch der konzentrierten Sauce problemlos Stand. Ich wäre geneigt gewesen, noch einen halben Punkt in der Bewertung nachzubessern ….
Wer heute Grillo hört, denkt vielleicht als erstes an die verkachelte italienische Politik. Es mag tröstlich sein: Politiker kommen und gehen, Reben bleiben, auch wenn sie Hochs und Tiefs erleben.
Der vorstehende Lead stammt aus einer Weinbeschreibung von Delinat zum „50 Anni Grillo“ von Massimo Maggio, dem Wein, um den es in diesem Beitrag geht. Dieser Weisswein aus der fast nur in Sizilien vorkommenden Traubensorte Grillo hat mich begeistert.
Ganz grundsätzlich beobachte ich Delinat und dessen Weine praktisch seit es die Firma gibt, also bereits Jahrzehnte. Und eigentlich gibt es keine sympathischere Weinhandlung, denn hier geht es nicht einfach um Weinhandel, sondern vor allem auch um biologischen Anbau und seit einiger Zeit ganz besonders auch um Nachhaltigkeit und Biodiversität. Das Gut von Massimo Maggio ist beispielsweise mit 3 „Schnecken“ ausgezeichnet, was bedeutet, dass es nicht nur die Richtlinien von Delinat zum biologischen Landbau und zur ökologischen Vielfalt einhalten muss, sondern auch 100 % des Energieverbrauchs aus regenerierbaren Quellen bezieht.
So gesehen, erfüllt eigentlich jeder Delinat-Wein die Prämisse meines Weinblogs: „alles ausser gewöhnlich“. Und Delinat verfügt auch über viele Weine, die rundum begeistern. Einige habe ich hier schon früher schon mal beschrieben:
Ich verschweige allerdings auch nicht, dass mich degustativ längst nicht alle Weine von Delinat begeistern (auch wenn alle immer mindestens korrekt sind). Das liegt teilweise daran, dass viele Weine bewusst keine grossen Gewächse sind, dafür sehr preiswert und – im Gegensatz zu den Anfängen der Bioweine – in jedem Fall sauber und süffig. Das liegt aber auch daran, dass ein recht hoher Anteil der Weissweine mit Restsüsse ausgebaut sind. Das liegt ja durchaus im Trend und trifft den Geschmack vieler – meinen aber ganz einfach nicht, und deshalb habe ich bei aller Sympathie vor einigen Jahren auch die Degustationspakete abbestellt.
Nun habe ich aber kürzlich im Verkaufsladen in Winterthur ein paar Einzelflaschen gekauft, und die bisher probierten haben mich überzeugt. Geradezu begeistert war ich eben von diesem Grillo:
Das Weingut Maggiovini in der Nähe von Ragusa auf Sizilien. 100 % der nötigen Energie stammt aus erneuerbaren Quellen (Bild ab Homepag des Gutes).
50 Anni Grillo 2020, Massimo Maggio Mittleres Gelb; sehr fruchtige, fast etwas süsslich wirkende Nase; Papaya, Aprikose, Reineclaude, leichter Holzton; im Mund frisch, dichte Struktur, schöne Säure, fruchtbetont, spürbares, aber sehr schön integriertes neues Holz, langer Abgang. Sehr überzeugender Wein. 16,5 Punkte. PS: Und das zu einem Preis von CHF 11.30!
Einen Steinwurf ausserhalb der Appellation Châteauneuf-du-Pape gelegen, überzeugt ein Bio-Weingut seit einiger Zeit mit hervorragender Qualität – gerade auch beim Châteuneuf. Und trotzdem kennt es hierzulande kaum jemand. Noch wenige Tage gibt es die Weine bei einer kleinen Weinhandlung in „Subskription“ zu spannenden Preisen.
In der Zwischenzeit habe ich auch den 2017-er gekauft und verkostet, und für mindestens ebenso begeisternd empfunden. Da gibt es – wenn auch nicht mehr „billig“ – ein echtes, unbekanntes Bijou in Châteauneuf! Gleiches gilt, eine Qualitäts-, aber drei Preisklassen darunter, auch wieder für den tollen roten Cairanne!
Ich weise aber heute, getreu meinem Motto „alles ausser gewöhnlich“, speziell auf die Weissen des Gutes hin. Ich mag den Ausdruck „Preis-/Leistungsverhältnis“ für Wein eigentlich überhaupt nicht, aber wenn ein Wein so speziell gut und gleichzeitig preiswert ist wie der weisse Côtes du Rhône 2019 von Bastide Saint Dominique, dann darf man diese Formulierung mit gutem Gewissen einmal verwenden:
Côtes-du-Rhône blanc, 2019 (Viognier mit Grenache blanc und Clairette) Mittleres Gelb mit leicht rötlichen Reflexen; intensive, spannende, aber nicht aufdringliche Fruchtnoten nach Quitten, Bananen, MIrabellen und Aprikosen; im Mund kräftig und dicht, gleichzeitig aber mit schöner Säure und leichtem Bittertouch sehr ausgewogen, sehr mineralisch. langer Abgang; kräftiger, feuriger Wein, der aber auch eine für einen südlichen Wein unglaubliche Frische mitbringt. 16,5 Punkte (und das bei CHF 12.50!). (= sehr gut)
Châteauneuf-du-Pape blanc 2019 (Grenache blanc, Clairette, Roussanne) Ziemlich blasses Gelb; Quitten, grüner Apfel, Lindenblüte, sehr würzige Töne; voluminös, spürbarer Alkohol, aber absolut nicht brandig, eher mässige Säure, aber mit ausgeprägter mineralischer Frische. Sehr langer Abgang. Braucht noch etwas Reifezeit. 17 Punkte (= sehr gut).
Stimmungsbild aus der südlichen Rhône. Reben im Winter, „nostalgische“ Aufnahme aus dem Jahr 1989.
Anmerkung zum Thema „Bio“: Die Weine sind ab Jahrgang 2019 nicht mehr mit dem Label versehen. Grund dafür ist, dass der Winzer im „Pilzjahr“ 2018 zusehen musste, wie die Trauben und Reben leiden. Er möchte sich deshalb für solche Jahre vorerst eine Hintertüre offen halten. Somit sind die Weine vorerst zwar weiterhin naturnah und in normalen Jahren auch nach den Bio-Prinzipien produziert, nicht aber zertifiziert.
Vorurteile leben länger. Das gilt auch für mich selbst. Ich habe mich schon lange immer wieder mit pilzwiderstandfähigen Sorten befasst und wurde dabei meistens enttäuscht. Inzwischen bin ich aber überzeugt, dass die Piwi-Sorten die Zukunft unseres Weinbaus mit bestimmen werden!
Lustigerweise war es vor rund drei Jahrzehnten ebenfalls am Iselisberg, als ich die ersten Piwi-Weine versuchte. Es war damals beim im positiven Sinne „verrückten“ Guido Lenz in Uesslingen, und die Ansätze waren gut, aber qualitativ noch gewöhnungsbedürftig. Nun bringt mich erneut der Iselisberg dazu, endlich wieder tiefer in die Weine aus Piwi-Sorten einzutauchen. Und wieder ist der Name Lenz im Spiel, auch wenn meines Wissens keine Verbindung besteht.
Im vergangenen Jahr las ich in der Kundenzeitschrift von Delinat die Aussage von Roland Lenz, der zusammen mit seiner Frau Karin in Iselisberg, hoch über dem Thurtal bei Frauenfeld einen Biobetrieb leitet: „Bis in zehn Jahren werden wir nur noch Piwi-Sorten anbauen“. Vor vier Monaten traf ich ihn an einer Veranstaltung persönlich, und auf das Zitat angesprochen meinte er: „Das geht nicht einmal mehr zehn Jahre“! Und auf meine ungläubige Nachfrage, ob die Kundschaft denn das mitmache: „Ja, wir sind mit den Piwi’s wirtschaftlich sehr erfolgreich, die Weine kommen an“.
Keine Reb-Einöde: Hotspots für die Biodiversität am Iselisberg
Ich hatte ja schon länger vor, mich wieder intensiver mit Piwi-Weinen zu beschäftigen und habe hier auch schon einen tollen Wein von Marco Casanova beschrieben: https://victorswein.blog/2019/05/19/soyhisticated-sauvignon/ , aber diese Aussage hat mich so richtig elektrisiert und dazu gebracht, mich dem Thema endlich intensiver anzunehmen und (unter anderen) bei Lenz‘ ein paar Flaschen zu bestellen. Die erste, die ich degustierte, hat es gleich in sich:
Der Wein ist aus der Sorte Souvignier gris gekeltert, eine im Jahr 1983 vom staatlichen Weinbauinstitut Freiburg (D) aus Cabernet Sauvignon und Brommer (Merzling x gm 6494 [=Zarya Semera x St. Laurent]) gekreuzte Sorte. Neuere genetische Untersuchungen sollen nun aber freilich zum Schluss gekommen sein, dass es sich in Tat und Wahrheit um eine Kreuzung von Seyval blanc und Zähringer handle (leztere eine ältere Kreuzung Traminer x Riesling). Quelle: https://sibbus.com/de/sortenbeschreibungen/weissweinsorten/souvignier-gris.html. Aber dem Geniesser kann das egal sein, denn der Wein schmeckt ganz toll. Und dem Naturfreund ohnehin, denn der Sorte wird eine hohe Resitenz gegen alle gängigen Pilzkrankheiten nachgesagt, so dass zumindest Lenz‘ im Pflanzenschutz ganz ohne Kupfer und Schwefel auskommen, womit sich auch alle gängigen Vorurteile gegen „Bio“ erübrigen.
Lenz „Handwerk weiss“ – viel mehr als nur Handwerk
Souvignier gris ist bestimmt eine Piwi-Sorte mit grossem Potential. Allerdings braucht es ebenso sicher auch viel önologisches Gefühl, um daraus einen wirklich grossen Wein zu keltern. Der Sorte wird beispielsweise nachgesagt, dass sie über wenig Fruchtaromen verfüge. Piwi-Profis wie die Lenz‘ sind dem so begegnet, dass sie den Wein 36 Stunden an der Maische stehen liessen, dann erst abpressten und ihn mit den eigenen Wildhefen in einer Barrique vergären und anschliessend 9 Wochen im Holz auf der Hefe lagern liessen. Auf diese Weise ist ein ausdrucksvoller und dichter Wein entstanden, so dass niemand mehr die Frucht vermisst – obwohl man ihn meiner Meinung nach dank seiner Frische sogar als Apérowein einsetzen könnte. Der Wein heisst „Handwerk weiss“, und das beherrschen die Lenz‘ augenscheinlich – aber wohl viel mehr als das, das ist schon fast Weinkunst, und der Wein könnte auch so genannt werden!
Helles Strohgelb; dezenter Duft nach weissen Johannisbeeren und etwas Aprikosen, leichter Holzton und Rauchnoten; im Mund enorm dicht mit gut stützender Säure, auffällige Frische, ganz leicht spürbare Restsüsse, die aber so gut eingebunden ist, dass sie sogar mir gefällt, langer Abgang. Absolut toller Klassewein, der zwar „zum Abbeissen“ dicht ist, aber trotzdem frisch und süffig bleibt!
Und das Schönste daran: Man spürt diesem Wein in keiner Art und Weise an, dass es sich um eine Piwi-Sorte handelt! Dieses sonst so oft in weissen Piwi’s gespürte „rauchig-speckige Stachelbeeren-Kiwi-Aroma“ fehlt hier völlig (ich kann diese für mich für Piwi’s typische Aromatik beim besten Willen nicht besser beschreiben). Ich jedenfalls wäre nie darauf gekommen, dass der „Handwerk weiss“ ein Piwi-Wein ist – einzig beim Raten, um welche herkömmliche Sorte es sich denn hier handelt, wäre ich wohl etwas überfordert gewesen.
Das Weingut mit dem Ozean dazwischen
Der Teil des Weinguts auf dieser Seite des Ozeans: Lenz in Iselisberg, TG
Karin und Roland Lenz bewirtschaften in der Schweiz rund 21 Hektaren Reben biologisch. Davon sind aber 3,5 Hektar nicht bestockt, sondern als Biodiversitätsflächen ausgespart. Bereits 1996 stellte der Betrieb auf „Bio“ um, kam dann aber aufgrund von Missernten nochmals davon ab, bloss, um 2006 endgültig auf biologischen Anbau umzustellen! Seit 2010 sind Lenz‘ auch zertifiziert.
Bereits zweimal wurden Lenz‘ von Vinum zum „Bioweingut des Jahres“ erkoren. Es gibt aber auch noch eine „Filiale“ in Chile, wo weitere 18 Hektaren zum Betrieb gehören. Damit wird das sorten- und geschmackmässige Gesamtsortiment noch spannender. Ich selbst wohne quasi in Fussdistanz zum Schweizer Standort und verfolge die Veränderungen in der Bewirtschaftung seit Jahren mit Hochachtung und Freude (gerade auch, weil ein anderer grosser Betrieb am Iselisberg – wie ein Spaziergang von heute zeigte – weiterhin unbekümmert seine Rebzeilen mit Glyphosat totspritzt, während die Reben von Lenz, wenn überhaupt, mechanisch gepflügt werden!). Wie erwähnt, sind bei Lenz‘ zudem bereits rund 12 Prozent der Landflächen mit „biologischen Hotspots“ belegt, was die Biodiversität massiv steigert.
Hier noch ein Beispiel für Freiflächen für die Biodiversität; inkl. Insektenhotel.
Viele der Weine des Gutes haben mir schon seit Jahren immer wieder sehr gut gefallen. Da Lenz indessen vor allem bei den meisten Weissen einen Stil mit spürbarer Restsüsse pflegt, war das Gut bisher aber nicht zuoberst auf meiner Prioriätenliste, wenn es um Besuche und Einkäufe ging. Das hat sich seit der Unterhaltung mit Roland Lenz und vor allem mit der Degustation des „Handwerk weiss 2018“ schlagartig geändert. Es lagern noch fünf weitere Flaschen – trockenen – Weins in meinem Keller – affaire à suivre! https://www.weingut-lenz.ch/
In einem zwar diletanttisch gemachten Youetube-„Film“, der aber dank der Aussagen von Roland Lenz trotzdem sehenswert ist, attestiert der Winzer der Rebsorte „Souvignier gris“ fast nur Gutes – und vor allem ein grosses Potential. Angesichts des degustierten Weines kann man sich dem uneingeschränkt anschliessen! https://youtu.be/ob2GIQxmnpk
Und weil ich im Text ein anderes Gut als Lenz negativ erwähnt habe, weil weiterhin Unkrautvertilger einsetzt, hier noch ein Link auf einen Beitrag, den ich vor Jahresfrist zu diesem Thema veröffentlicht habe. Ich verstehe solche Winzer beim besten Willen nicht mehr! https://victorswein.blog/2019/05/04/glyphosat-fur-winzer-auch-ein-imagerisiko/