Die jungen Wilden. Nur halb so wild, dafür total gut!

Junge Schweiz – neue Winzer. So heisst eine Vereinigung, der sich unter 40-jährige Winzerinnen und Winzer anschliessen können. Am „Swiss Wine Tasting“ traten sie kürzlich mit je zwei Weinen auf – und überzeugten auf der ganzen Linie.

„Die jungen Wilden“, so wurde der Gemeinschaftsstand im Katalog bezeichnet. Der Titel war nicht ganz richtig, genau wie die räumliche Platzierung der Gruppe in einer engen Nische – die acht teilnehmenden Weingüter hätten einen besseren Platz verdient.
Wobei acht eigentlich ohnehin die falsche Zahl ist, denn mit Johann-Baptista von Tscharner, Patrick Adank, Martin Wolfer, Robin Haug, Alain Schwarzenbach, Susi Steiger-Wehrli, Fabrice und Stéphane Simonet, Marylène und Louis Bovard-Chervet, Martin Porret sowie Jonas Huber waren zehn weitere Güter am Anlass vertreten – aber eben einfach nicht am Gemeinschaftsstand, sondern im grossen Saal und somit unter der Gilde der etablierten Güter (bzw. an prominenteren Sonderstand „Zürisee“ im Falle von Schwarzenbach).
Um auf den eigentlich verdienten besseren Platz zurückzukommen: Alle acht Jungwinzerinnen und -winzer am „Katzentisch“ halten qualitativ ohne Weiteres mit den grossen Weingütern mit. Deshalb stellt sich schon die Frage, ob sie künftig nicht einfach in die Ausstellung gehörten und dort allenfalls als Mitglied von „Junge Schweiz – neue Winzer“ gekennzeichnet werden könnten.

Dezent in der Beschriftung, gross im Auftritt: die jungen Winzerinnen und Winzer (hier das Eingangstor zur Cave Caloz in Miège).

Wie auch immer: Was die acht am Gemeinschaftsstand vertretenen Güter zeigten, ist Spitzenklasse:

Bechtel-Weine, Eglisau, Mathias Bechtel
Ein holzbetonter, aber schöner Chardonnay 2017 und ein herrlicher Pinot noir 2017, mit dem Bechtel zeigt, dass er während seiner Jahre als Kellermeister von Pircher viel Pinot-Klasse verinnerlicht, sich aber gleichzeitig auch mit einem etwas weniger filigranen Stil emanzipiert hat.

Schott-Weine, Twann, Anne-Claire Schott
Spannender, dichter, aber auch etwas gewöhnungsbedürftiger „Blanc orange“ 2018 aus vier Traubensorten und ein charaktervoller, kräftiger Pinot noir 2018 (Mon vieux Pinot noir) ohne Schwefelzugabe.

Javet + Javet, Lugnorre, Etienne Javet
Ein filigraner Pinot noir 2017 (aimetere de la Chamba) und ein unglaublich gehaltvoller und frischer „orange Chasselas“ 2018 (Or du temps) – orange wine vom Feinsten!

Cave de l’Orlaya, Fully, Mathilde Roux
Ein Bilderbuch-Gamay 2017 (vieilles vignes), fruchtig und mit Tiefe sowie ein schöner Petite Arvine 2018, der mir persönlich ohne die – freilich dezente – Restsüsse noch besser gemundet hätte.

Cave Corbassière, Saillon, Nicolas Cheseaux
Herausragender, frischer und fruchtiger Petite Arvine 2017 (Saillon Grand Cru) mit Tiefgang und der wohl beste Diolinoir (2016), den ich je gekostet habe und der zeigt, was in dieser Sorte steckt: dicht und gleichzeitig elegant, fruchtig, würzig und mit einer unglaubliche Frische (ohne Schwefelzusatz!).

Sélection Comby, Chamoson, Yann Comby
Ein sehr schöner, salzbenonter Petite Arvine 2018 (La Tsoume) und ein typischer Cornalin 2018 (La Crête) mit Potential.

Cave Caloz, Miège, Sandrine Caloz
Sehr schöner Marsanne Blanche 2018 (Vieilles Vignes Les Clives) mit Restsüsse und ein ungemein saftiger, fruchtiger, mit viel Tannin unterlegter, herrlicher Humagne Rouge 2018 (Les Bernunes).

Weingut Cipolla, Raron, Romain Cipolla
Ein saftiger, sortentypischer und für Walliser Verhältnisse sehr frischer Sauvignon blanc 2018 (Heidnischbiel) und ein schöner, zarter Pinot noir 2018 (Bieltin), der mit ein bisschen mehr Säure noch bemerkenswerter wäre.

16 präsentierte Weine, keine einzige Enttäuschung, sieben absolute Spitzenweine und ein ganz generell sehr hohes Niveau: Genial, was die Jungen hier zeigten. So wild, wie sie benannt wurden, sind sie aber nicht. Wohl suchen sie teils neue Wege – Anne-Claire Schott wäre da vorab zu nennen -, aber letztlich sind es einfach aussergewöhnliche Winzer(innen)-Talente, die beim nächsten Mal definitiv allesamt mit in die Präsentation der Etablierten gehören.

Nicolas Cheseaux – Primus inter pares?
Auch wenn es etwas unfair ist, dann hebe ich jetzt trotz allem einen Winzer besonders hervor: Nicolas Cheseaux von der Cave Corbassière. Die beiden präsentierten Weine waren eindrücklich, aber ich konnte bei ihm auch schon mal das ganze Sortiment probieren und empfehle Ihnen, sich diesen Namen speziell zu merken: hier zeigt sich das Talent eines Spitzenwinzers, der das Zeug hat, international für Furore zu sorgen.

Nicolas Cheseaux, Cave Corbassière, Saillon: Merken Sie sich alle Namen der jungen Winzer, und diesen ganz besonders!
http://www.corbassiere.ch/

Hier der Verweis auf die Homepage von „Junge Schweiz – neue Winzer“. Die Links zu den einzelnen Mitgliedern finden Sie auf dieser Seite unter „Winzer“.

https://www.jsnw.ch/home/

Oräntsch was? orange wine aus der Schweiz vom Feinsten!

Als ich vor rund 10 Jahren zum ersten Mal von „orange wines“ hörte, war meine Reaktion wohl so ziemlich: Oräntsch? Oräntsch was?

Inzwischen haben sich die orangen Weine zwar nicht etabliert, sind aber doch ins allgemeine Bewusstsein der Weinfreunde gelangt. Bloss gibt es gerade hier auch immer wieder Enttäuschungen, weil diese „vierte Weinfarbe“ wohl zu oft für Naturweine herhalten muss, denen nicht die notwendige Sorgfalt im Keller angedeiht. Orangewein als Vorwand, schlechten, manchmal gar stinkenden Wein zu verkaufen, „der halt so schmeckt, wenn man natürlich arbeitet“. Die Steigerung solcher Aussagen besteht dann noch darin, dass „sich die Konsumenten halt langsam umgewöhnen müssten“. Dass es auch anders geht, habe ich in diesem Blog auch schon einmal beschrieben:

https://victorswein.blog/2018/04/07/brda-in-slowenien-sollte-man-sich-merken/

Allen orangen Weinen gemeinsam ist eine Vergärung an der Maische (wie beim Rotwein also), und wenn es ein Naturwein sein soll, wird er auch nicht geschönt, nicht gefiltert und zurückhaltend oder gar nicht „geschwefelt“.

Dass Weine durchaus ohne Schwefelbeigabe hergestellt werden können und dabei nicht nur fehlerfrei, sondern sehr gut sein können, durfte ich gerade auf meinen kürzlichen Schweizer Weintouren in allen Landesteilen feststellen; immer mehr Winzer experimentieren erfolgreich damit.

Im Johaniterkeller in Twann, dem Weingut von Martin Hubacher und seiner Frau Michaela Gabriel traf ich den Schweizer Beweis an, dass orange wines sehr wohl absolut fehlerfrei auf die Flasche gebracht werden können. Wobei: was heisst hier „fehlerfrei“? Der Wein ist absolute Spitzenklasse! Der Beschreibung des Weins auf der Homepage ist eigentlich nichts beizufügen:

Ein an der Maische vergorener, nicht geschönter und ungefiltert abgefüllter Weisswein. Leicht ins Bernstein-Orange spielendes Gelb. Duft nach Rosinen und Zimt, leichte Botrytis-Noten. Balsamisch-laktischer Gaumen mit Kräutern und reifem Apfel. Straffe Säure. Noch recht wuchtige aber sehr runde Tannine.

Nichts beizufügen ausser: Das ist einer dieser Weine, welche die Seele berühren, ein richtiger „Philosophen-Wein“!

Und wenn ich schon am beifügen bin: Der Johaniterkeller weist ganz generell ein sehr hohes Qualitätsniveau auf, hier gibt es auch keinen einzigen Wein, der abfällt – eine absolut empfehlenswerte Adresse. Martin Hubacher führt den Betrieb seit über 20 Jahren, und es spricht für seinen Enthusiasmus, dass er auch nach so langer Zeit noch immer auf der Suche nach Neuem ist, und den Mut hat, sich auch an einen orangen Wein zu wagen! Sicher liegt genau in dieser Grundeinstellung der Unterschied zwischen einem guten und einen sehr guten Betrieb!

hubacher
Martin Hubacher und Michaela Gabriel im Degustationsraum des Spitzenweingutes Johaniterkeller in Twann (Bild vl)

Im Übrigen erzählte uns Michaela Gabriel schmunzelnd, dass es ihren Mann fast etwas Überwindung gekostet habe, bei der Kelterung einfach alles dem natürlichen Gang zu überlassen. Dass aber seine akribische und saubere Arbeitsweise sich auch bei solchen Weinen auszahlt, ist unverkennbar, und hier liegt wohl auch der Unterschied zu Weinen, an „die sich die Konsumenten halt gewöhnen müss(t)en“.

Die Wermutstropfen kommen zum Schluss: Der orange wine 2016 ist leider inzwischen schon ausverkauft. Und ob es diesen Wein wieder gibt, ist nicht sicher, der Erstling wurde aus der Sorte Nobling und aus Trauben hergestellt, welche der Johaniterkeller von einem anderen Winzer übernehmen konnte. Es wäre aber jammerschade, wenn auf den genialen Erstling nichts mehr folgen würde – vielleicht helfen diese Zeilen mit, Martin Hubacher zu einer Fortsetzung zu überzeugen!

Und, ach ja: Der Wein heisst ORÄNTSCH, und das Ende meines Beitrags nicht Oräntsch was?, sondern ORÄNTSCH, bitte mehr davon!

http://www.johanniterkeller.ch/

 

Brda in Slowenien: Sollte man sich merken!

Gesucht: agent für orange

Reisen bildet – auch bezüglich Wein. Venedig ist nicht nur eine ganz spezielle Stadt (hier ist es nie wirklich laut), sondern offensichtlich auch eine weltoffene Metropole. Deshalb sind auch in vielen Restaurants nicht nur italienische, sondern auch Weine aus dem benachbarten Ausland erhältlich.

brda
Brda – die direkte Fortsetzung des Collio in Slowenien (Bild: Medienservice Weingut Ferdinand)

Wir bestellten dank der Empfehlung des Kellners einen Wein aus Slowenien. Eigentlich bildet das wichtigste Weinbaugebiet Sloweniens nichts anders als die nahtlose Fortsetzung des „Collio“ des Friauls. Die Qualität der Weine im Collio ist unbestritten. Aber schon aus dieser Region finden leider nur wenige Weine den Weg nach Mitteleuropa. Das direkt angrenzende Gebiet von Brda in Slowenien hat es da noch viel schwerer. Suchen Sie einmal eine Weinhandlung, die solche Weine führt!

Dabei gibt es offensichtlich viel zu entdecken! Klimatisch und geologisch gibt es die gleichen Voraussetzungen wie im Friaul (es ist im Gelände auch keine Grenze sichtbar, die Weingärten gehen praktisch nahtlos ineinander über). Und seit dem Ende Jugoslawiens ist auch genug Zeit ins Land gezogen, um innovativen Winzern einen Sprung nach vorne zu ermöglichen. Vielleicht erweist sich die Vergangenheit dereinst sogar als Vorteil, weil alle unbelastet neu beginnen konnten oder mussten.

Der Wein, den wir in Venedig genossen, bewies das wunderschön. Dabei war es kein „normaler“ Wein, sondern ein Vertreter der „orange wines“.*  Andernorts habe ich gelesen, dass in Slowenien schon oranges wines hergestellt wurden, als im Rest von Europa noch gar niemand wusste, dass es so etwas gibt. Es erstaunt deshalb nicht, dass uns der Wein begeistert hat: Die Farbe war wirklich fast orange, in der Nase intensiv nach gedörrten Früchten, reifen Aprikosen, Orangenschalen (!) und Honig duftend, im Mund mit stützender Säure, dicht, tanninbetont und extrem lang. Frisch und ohne die geringste oxydative Note. Schlicht und einfach ein Traumwein!

Wir waren begeistert oder gar berührt. Dabei hatten wir nichts Gutes erwartet und uns auch nur vom Kellner überzeugen lassen. Kurz zuvor hatten wir nämlich die Gelegenheit, einen ähnlich hergestellten Wein aus der Traubensorte Ribolla der friaulischen Legende Josko Gravner zu probieren. Hier wird nicht nur lange mazeriert, sondern auch in Amphoren vergoren. Nun, dieser Wein, so berühmt und teuer er ist, überzeugte uns nicht; im besten Fall kann man sagen „spannend und eigenwillig“.

Der Wein, von dem ich nun schon die ganze Zeit schreibe, heisst „Brutus“, ein Ribolla gialla (Rebula in Slowenien) vom Weingut Ferdinand (Familie Matjaž Četrtič).  Dieser faszinierender Wein wird während rund einem Jahr im Holzfass – nein, nicht ausgebaut, sondern mazeriert – und erst dann abgepresst und danach nochmals im Holz weiter ausgebaut.

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Matjaž und Jasmina Četrtič vom Weingut Ferdinand (Bild: Medienservice Weingut Ferdinand)

Überhaupt: Ribolla ist eine faszinierende Traubensorte mit viel Potential. Ich freue mich auf den Moment, in dem man solche Weine – und speziell solche aus Slowenien – in unseren Breitegraden kaufen kann. Gesucht wäre der entsprechende „agent“, nicht nur für „orange“, denn fast alle Weine im Sortiment von Ferdinand sind „normal“ hergestellt. Vorerst bleibt aber offenbar nur eine Reise in die Gegend!

http://www.ferdinand.si/index.php?id=12&L=3

* Bei einem orangen Wein, auch im deutschen Sprachgebrauch häufig Orange Wine, handelt es sich um einen Weißwein, der wie ein Rotwein hergestellt wird. Die Weißweintrauben werden mit den Beerenschalen (Maische) vergoren und extrahieren dadurch mehr Tannine und Farbstoffe aus den Beerenschalen. Oranger Wein ist gekennzeichnet durch eine dunkelgelbe bis orange Farbe. Gelegentlich wird er als vierte Weinfarbe neben Rot, Weiß und Rosé bezeichnet. (Quelle: Wikipedia)

Matjaž Četrtič vom Weingut Ferdinand gab mir auf Anfrage bekannt, dass er in der Schweiz von der Weinhandlung Sersa in Wettingen vertreten wird. Diese führt drei seiner Weine, leider aber nicht den beschriebenen Brutus und überhaupt keinen Ribolla.

http://slovina.com/557.html