Toller Nero di Troia: kein Trojanisches Pferd – und keine Fruchtbombe.

Die sagenhafte Verbindung der Rebsorte Nero di Troia zum Trojanischen Pferd ist zu schön um wahr zu sein. Dafür ist der Wein der Azienda Antica Enotria wirklich toll – ein Tropfen für alle, die Kraft aus dem Süden mit Eleganz statt süssem Fruchtpower mögen.

Die Nero di Troia (oder Uva di Troia) ist eine autochthone Rebsorte aus Süditalien, insbesondere Apulien. Es handelt sich um eine tanninbetonte, vergleichsweise spät reifende und wenig ertragsreiche Sorte, mit der nur rund 3’000 Hektar bepflanzt sind.

Wirklich aus Troja?

Die Antwort ist zweifelsfrei ja, sofern man Troia ohne „j“ schreibt. Trotzdem ist sie zweideutig und spannend. Vermutlich ist die Sorte nach dem kleinen, 7000 Einwohner zählenden Ort Troia genannt, etwa 15 Kilometer westlich von Foggia gelegen. Der (natürlich unverifizierten, aber schönen) Legende nach soll indessen die Rebe mit dem geschichtlichen Troja zusammenhängen. Diomedes, eine wichtige Figur der griechischen Mythologie und einer der Hauptkämpfer im berühmten Trojanischen Pferd, soll nach der Rückkehr von Troja eine inzwischen untreu gewordene Ehefrau vorgefunden haben, die ihn gar vergiften wollte. Er verliess deshalb sein Heim, es zog in die Heimat seines Vaters zurück. Der Sturm verschlug ihn jedoch an die apulische Küste, wo er blieb und schliesslich mehrere Städte gründete. Auf diesem Weg soll auch die Troia-Rebe – bzw. ein Vorfahre davon – nach Apulien gelangt sein.

Se no è vero, è ben trovato! Die Nero di Troia ist eine natürliche Kreuzung zwischen der weissen Bombino bianco (auch Trebbiano d’Abruzzo) und der roten Quagliano. Beide Elternteile sind jedenfalls erst etwa seit 300 Jahren nachgewiesen. Und das mit der Städtegründung geht auch nicht auf. Das apulische Troia ist um das Jahr 1000 nachgewiesen, zwar auf den Ruinen der antiken Stadt Aecae, zu der sich aber keinerlei Hinweis auf eine Gründung durch Diomedes finden. (Quellen: Diverse, insbes. Wikipedia und Wein.Plus).

Eleganz aus dem Süden

Nun aber zum heutigen Wein: Wer angesichts seiner Herkunft auf einen süsslichen Kraftprotz à la vieler Primitivo tippt, liegt falsch! Zwar wurde auch der Nero di Troia der Azienda Antica Enotria, Agricola di Tuccio Raffaele – obwohl gesetzlich gesehen trocken – mit kleiner Restsüsse ausgebaut, aufgrund der schönen Säure passen aber die rund 4g sehr gut. Und vor allem weist der Wein bei aller Kraft eine wunderschöne Eleganz auf. Wer grundsätzlich Lust auf kräftige süditalienische Weine hat, aber die üblichen Fruchtbomben nicht mehr mag, der findet hier eine tolle Alternative! Wer diesen Wein in den Keller legt, muss jedenfalls kein Trojanisches Pferd befürchten!

In den Reben der Azienda, Raffaele und Luigi di Tuccio (Bild zvg)

Biologischer Vorreiter-Betrieb

Die Azienda Antica Enotria liegt in Cerignola, etwa 30 Km nördlich des Castel del Monte und rund 20 Km vom Meer entfernt. Sie wurde 1985 von Raffaele und Addolarata di Tuccio gegründet. Von Anfang an wurde nicht nur Weinbau betrieben, sondern auch Gemüse angepflanzt. Und fast von Beginn weg wurde das Gut nach biologischen Grundsätzen geführt – womit es eine Pionierrolle einnahm. Heute führen Sohn Luigi und seine Frau Valentina das Gut im Sinne der Gründergeneration – ganz offensichtlich erfolgreich, was z.B. eine Schnecke bei „Slow Wine 2023“ beweist.

Nero di Troia, IGT Puglia, Antica Enotria, Azienda Agricola di Tuccio Raffaele, 2018
Mittleres, glänzendes, schon leicht gereift wirkendes Rubin; in der Nase zuerst würzig (Thymian, Lorbeer), dann auch Anflüge von Dürrpflaumen und Rosinen, mit noch mehr Luft mit ausgeprägtem Himbeerduft; im Mund sehr fruchtbetont mit viel Fruchtsüsse, tolle Frische, schöne, gut eingebundene Säure, spürbares, aber sehr „mürbes“ Tannin, kraftvoll, aber sehr elegant. Toller Wein, der zwar die Kraft süditalienischer Weine aufweist, gleichzeitig aber auch sehr „nördlich-elegant“ daherkommt und trotz leicht spürbarer Restsüsse auf der trockenen Seite bleibt. 16,5 Punkte.

Homepage agricoltura biologica di Puglia – Antica Enotria

Bezugsquellen (u.a.):
Antica Enotria – amiata
Suche für: Troia IGT Puglia -9Weine (neunweine.de)


Interessennachweis:
Der Wein wurde im Weinhandel käuflich erworben. Die Anfrage bei der Azienda bezüglich einer Foto erfolgte erst nach dem Kauf und der Degustation.

Bordeaux 2015 – trau, schau, wem. (Vor allem dir selbst!)

Diese Woche hatte ich Gelegenheit, an der spannenden Arrivage-Degustation der Bordeaux des Jahrgangs 2015 bei Gerstl (www. gerstl.ch) teilzunehmen. Was zuerst auffiel: Es hatte viel mehr Teilnehmer als ein Jahr zuvor bei der Ankunft des Jahrgangs 2014. Auch Weinfreunde sind offenbar Herdentiere; wenn einige rufen, „Jahrhundertjahrgang“, dann, und nur dann, rennen sie. Schade, denn es gab sogar einige Güter, bei denen mir der unterschätzte 14er besser gefallen hatte!

Obwohl die ganz „Grossen“ nicht vertreten waren (keine Premiers und fast keine Super-Seconds) gab die Degustation einen sehr guten Überblick. Ganz generell halte ich den Hype um das Jahr 2015 für übertrieben. Zwar ist es sicher ein grosser Jahrgang, aber bekanntlich sind ja immer die noch nicht verkauften Jahre die allerbesten!

Es gibt sie aber durchaus, die Weine aus dem Jahr 2015, die bewegen und die das Zeug haben, zu Legenden zu werden. Das trifft durchwegs auf Güter zu, die trotz der Kraft des Jahrgangs auf Eleganz und Finesse Wert legten. Ein Musterbeispiel für solche herausragende Gewächse ist Pichon-Lalande: das ist ganz grosses Kino, was hier in die Flasche gebracht wurde (wobei gerade hier anzumerken ist, dass ich den 14er fast ebenso hoch einstufe).

pichon
Schon immer gut und speziell, in den letzten Jahren ganz an der Spitze: Pichon-Lalande (Pichon-Longueville Comtesse de Lalande).

Weitere tolle Beispiele sind Grand Puy Lacoste (zum Ausflippen schön, filigran und kraftvoll zugleich, und ich bin nicht sicher, ob er nicht sogar auf der gleichen Stufe wie Pichon-Lalande steht), Malartic-Lagravière, Clos Dubreuil, Beauregard, Léoville-Poyferré, du Tertre, Lagrange, Calon-Ségur, oder auch, etwas üppiger, Giscours. Auch bei den etwas günstigeren Gewächsen gibt es sehr positive Erwähnungen; Monbrison (wobei: sind 36 Franken noch günstig?), Moulin Haut-Laroque, Léandre-Chevalier, Meney, Le Bosque, Gaillard und Cambon La Pelouse, letzterer in Sachen Preis-/Leistung wohl der Allerbeste (wunderbar, wie sich dieses früher unbekannte, schon fast in den Vororten von Bordeaux gelegene Gut entwickelt hat)!

pontet canet
Pontet-Canet: Mit Bio-Dynamie zum grossen Erfolg!

„Outstandig“ in jeder Hinsicht ist Pontet-Canet. Die Entwicklung dieses Gutes ist unglaublich. Ich habe in meinen Notizen von der Primeurverkostung des Jahrgangs 1989 in Bordeaux nachgesehen. Damals lag das Gut bei mir von allen verkosteten Weinen am Schluss, Freude machte der Wein keine, ich notierte „peinlich, dass ein klassiertes Gut so schlechten Wein machen kann“. Und heute (wie schon seit einigen Jahren), unter anderen Besitzern und nach der Umstellung auf bio-dynamischen Weinbau im Jahr 2004: Was für ein Wein! Welche Wucht, welche Üppigkeit – und, auch wenn es paradox tönt – gleichzeitig welche Weichheit, Eleganz und Finesse! Pontet-Canet hat seinen ganz eigenen Bordeaux-Stil gefunden und ist zwar teuer geworden, in Relation gesetzt, aber noch preiswert geblieben!

Negativ aufgefallen ist hingegen, dass zu viele Weine auf „Fruchtbombe“ gemacht sind. Da stellt sich ernsthaft die Frage, ob man nicht besser gleich das (meist billigere) „Original“ aus Australien, Spanien, Süditalien oder den USA kaufen soll. Und bei einigen dieser für mich untypischen Bordeaux kommt noch dazu, dass die Säure tief liegt. Auffällig ist, dass dieser Weintyp im Libournais häufiger vorkommt als im Médoc. Vollreifer Merlot war 2015 vielleicht kein Vorteil. Es wird spannend sein, die Entwicklung dieser Weine zu beobachten und in 10 oder 20 Jahren abschliessend zu urteilen.

Vertreter dieser Fruchtbomben-Weine, die mir persönlich nicht gefallen haben sind u.a. Pape-Clément (für mich auch sonst  enttäuschend), Troplong-Mondot, Faugères und Lascombes.

Auf allerdings sehr hohem Niveau eher enttäuschend fand ich zudem Cos, dem es an Säure mangelt, Haut-Bailly, der vielleicht gross wird, mich aber im Moment ratlos lässt, de Chevalier, und auf tieferem Niveau Sociando-Mallet, der ein Schatten frühere Jahre ist.

Trau, schau – dir

Es gilt also auch im „Jahrhundertjahrgang“ 2015, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Ich komme ohnehin je länger je mehr dazu, dass ich nur noch kaufe, was ich selbst probiert und für gut befunden habe. Denn letztlich zählt nur der eigene Geschmack, und dass der unterschiedlich sein kann, wurde mir beim Lesen eines Facebook-Eintrags eines anderen Teilnehmers an der Degustation bewusst: Dieser lobte nämlich ausgerechnet Cos und Troplong-Mondot. Immerhin: Pichon-Lalande war auch auf seiner Favoritenliste!