Positive Reaktionen auf den Corona-Lockdown scheinen mir jetzt nur schon für die Psyche wichtig. Deshalb hier ein kleines, sympathisches Beispiel, wie man einen Betrieb wenigstens teilweise aufrecht erhalten kann:
„Wir haben gehofft und gebangt, doch COVID-19 hat den Bundesrat gestern zu drastischen Massnahmen gezwungen um unser aller Gesundheit zu schützen„, mit diesen Worten beginnt der Newsletter der Napa Grill und Napa Wine AG in Zürich. Aber man hat schon eine Teil-Antwort auf die Krise, und richtet eine „Whatsapp-Notfall-Nummer“ für einen Abholservice ein. Aber lesen Sie selbst:
Da wird nicht der Kopf in den Sand gestreckt sondern das Beste aus einer schwierigen Situation gemacht. Das gefällt mir, und deshalb hat ausnahmsweise auch eine solche Aktion Platz in meinem Blog! Pech für alle, die nicht in der Region Zürich wohnen, aber vielleicht finden sich ja andernorts ähnlich flexible Betriebe!
Die Degustation im Jahr 1976 in Paris war eine Sensation, welche die Weinhierarchie neu aufmischte: Sowohl bei den Weissweinen (Chardonnay) als auch den Rotweinen (Cabernet) obsiegten in einer Blindprobe die Gewächse aus Kalifornien über die Franzosen! Die Resultate sind hier nachzulesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Weinjury_von_Paris
Das Resultat wurde damals in Frankreich für schlicht unseriös und nicht zutreffend beurteilt oder dann totgeschwiegen, aber inzwischen wurden solche Proben mehrfach wiederholt, und jedes Mal schlugen sich die Weine aus Napa hervorragend. Zu einer Neuauflage lud vor einer Woche die NapaWine AG in Zürich. Zwar waren die ganz grossen Gewächse nicht dabei, Bordeaux stellte 6 klassierte Crus aus Pauillac und Napa war hauptsächlich mit Zweitweinen vertreten. Letzteres vor allem aus Gründen der Fairness, wurden doch preislich vergleichbare Weine gegenübergestellt. (Das allein spricht schon Bände, die Preise der USA-Weine sind ebenfalls sehr in die Höhe geschossen, so dass heute finanziell ein Zweitwein aus Napa einem Pontet Canet gleichgestellt ist).
2 x 6 Weine aus Pauillac und Napa: spannend und lehrreich.
Das Resultat war mehr als spannend. Massgebend waren die Bewertungen aller der rund 100 Teilnehmer – es handelte sich also um eine Publikumsbewertung. Vorab: Die Napa-Weine belegen nicht nur das „Podest“, sie schwingen auch gesamthaft obenauf. Allerdings muss das Resultat auch gleich sehr relativiert werden, denn alle Weine liegen in der Bewertung zwischen 93 und 96 Punkten! Klar wird damit aber auf jeden Fall, das die Cabernets aus Kalifornien jenen aus Frankreich auf diesem Niveau ebenbürtig sind – und es sich bestimmt lohnt, sich näher damit zu befassen!
Hier das Resultat der Gesamtbewertungen (bei gleicher Durschnittspunktzahl ergaben die Gesamtpunkte aller Teilnehmer die Rangliste):
Wein
Punkte
Rang
2015 Bulgheroni Lithology
Cabernet Sauvignon
96
1
2015 Brand Napa Valley
Brio
96
2
2015 Sinegal Estate Winery
Estate
96
3
2015 Barbour St. Helena
Cabernet Sauvignon
96
4
2015 Château
Pichon-Baron-Longueville, Pauillac
96
5
2015 Arkenstone Wines Estate
Red Wine
95
6
2015 Kelly Fleming Estate
Cabernet Sauvignon
95
7
2015 Château Pichon-Comtesse-de-Lalande
95
8
2015 Château Pontet-Canet,
Pauillac
95
9
2015 Château Lynch-Bages,
Pauillac
94
10
2015 Château Grand-Puy-Lacoste, Pauillac
94
11
2015 Château Clerc-Milon,
Pauillac
93
12
Meine persönliche Rangliste sah völlig anders aus. Gesamthaft hatte Bordeaux, wenn auch nur mit einem einzigen Punkt, die Nase vorne. Doch auch bei mir steht ein Napa-Wein zuoberst. Bloss der Sieger beim Gesamtpublikum liegt bei mir erst an neunter Stelle, dafür kommt der „Verlierer“ schon auf Rang 3.
1) Barbour St. Helena Cabernet Sauvignon 2) Château Pichon-Baron-Longueville, Pauillac 3) Château Clerc-Milon, Pauillac 4) Sinegal Estate Winery Estate 5) Château Lynch-Bages, Pauillac 6) Brand Napa Valley Brio 7) Château Pontet-Canet, Pauillac 8) Château Grand-Puy-Lacoste, Pauillac 9) Bulgheroni Lithology Cabernet Sauvignon 10) Kelly Fleming Estate Cabernet Sauvignon 11) Château Pichon-Comtesse-de-Lalande 12) Arkenstone Wines Estate Red Wine
So spannend dieser Anlass war, so sehr hat er mir auch die eigene Unzulänglichkeit aufgezeigt. Zwar war ich beim Ratespiel „was ist Bordeaux, was ist Napa“ mit 10 Treffern bei 12 Weinen nicht so schlecht. (Ein rundes Dutzend der Teilnehmer lag immer richtig – châpeau!). Aber ich hätte schon erwartet, dass ich wenigstens die doch so eigenständigen Pontet Canet, Pichon-Comtesse und Grandy-Puy-Lacoste blind erkennen würde – leider Fehlanzeige. Allerdings zeigten sich auch alle drei in totaler Unterform. Bei der Arrivage vor einem Jahr waren sie noch offen und fruchtig, Vgl. hier: https://victorswein.blog/2018/04/26/bordeaux-2015-trau-schau-wem-vor-allem-dir-selbst/ jetzt unzugänglich und teils gar spröd und fast dünn wirkend. Trotzdem hätte es durchaus Hinweise gegeben, sie zu erkennen, und im Nachhinein ist man ja immer klüger. So notierte ich beim GPL, den ich für einen Napawein hielt, u.a. „sehr verhalten, adstingierende Tannine; bin etwas ratlos, aber vielleicht wird er gross“ und beim Pichon-Comtesse schrieb ich gar „total zurückhaltend, spröde; enttäuschend – aber vielleicht ist es ein Langstreckenläufer“. Und definitv erkennbar wäre Pontet-Canet gewesen: „dunkle Töne, würzig, mit etwas Boskoop-Apfel fast etwas oxydativ wirkend, hat Potential“.
Das generelle Niveau der Weine ist, nicht nur, wenn man das Potential der drei beschriebenen Bordeaux „hochrechnet“, indessen grossartig – beidseits des Ozeans. Persönlich eher weniger gefallen hat mir der Arkenstone. Mit seinen Noten von grünen Peperoni und Schokolade und seiner eher tiefen Säure wirkte er für mich etwas „bluffig“, aber das ist natürlich Geschmacksache. Umgekehrt fand ich den von den Profis eher tiefer eingeschätzten Barbour St. Helena dank seiner Eleganz und Länge, verbunden mit einem spürbaren, aber nicht übertriebenen Süsskomplex, einfach grossartig. Und schliesslich breche ich gerne auch eine Lanze für den beim Gesamtpublikum letztplatzierten Clerc-Milon: Mir hat er mit seiner eleganten, filigranen Art und seinen feinen Tanninen mit guter Säure sehr behagt, auch wenn ich ihn – da noch in einer „fruchtigen Phase“ – vielleicht etwas zu generös beuteilt habe. Das Fazit ist aber: Auch der „Verlierer“ (ich hüte mich, „der schlechteste Wein“ zu schreiben), war noch ausseroderdentlich gut
Die Weine für die Degustation wurden von zwei ausgewiesenen „Profis“ ausgewählt, René Gabriel, der „Bordeaux-Papst“ war für die Europäer verantwortlich, während Baschi Schwander die USA-Fraktion bestimmte. Die Auswahl war hervorragend; schade nur, dass die beiden – in Tat und Wahrheit befreundet – in ihren Kommentaren vor allem kompetitiv auftraten, denn beide hätten fachlich viel mehr Interessantes zu sagen gehabt.
Zwei Koryphäen unter sich: René Gabriel, links (bxtotal.com) und Baschi Schwander (mybestwine.ch)
Anlässe dieser Art sind, selbst wenn sie etwas am eigenen Ego kratzen, extrem spannend. Ich würde mir wünschen, und mich heute gegen Vorzahlung schon anmelden, dass die gleiche Degustation in 10 Jahren wiederholt würde. Und ich werde mich jetzt hüten zu behaupten, dass dann Bordeaux die Nase vorne hätte. Selbst dann, wenn man das heute nicht ausgeschöpfte Potetial der Spitzen-Pauillacs berücksichtigt: Die Napa-Weine waren so gut, und scheinen so langlebig, dass ich keine Wetten über das Resultat in 10 Jahren abgeben würde.
Mindestens ebenso spannend, und hier würde ich schon fast auf einen Boredaux-Sieg wetten, wäre ein Vergleich von Weinen im Bereich von 15 – 25 Franken. Wenn ich da an Bordeaux wie Moulin Haut-Laroque oder Cambon-La-Pelouse denke … Aber vielleicht irre ich mich auch da, vielleicht würde Napa auch in diesem Preissegment mithalten? Affaire à suivre!