Wildwest am Ottenberg: Broger’s PetNat-Abenteuer. Spannend wie die Weine selbst!

Wer Neues wagt, muss manchmal auch Rückschläge in Kauf nehmen. In einem Beitrag zu PetNat’s schrieb ich schon mal, dass es offenbar Fälle gab, in denen die Flaschen explodierten. Dass das nicht einfach angelesenes „Winzerlatein“ war, bestätigt Michael Broger mit seiner Erfahrung und seiner offenen Kommunikation.

Ein heisser Tag im Frühsommer 2018. High noon: Plötzlich tönt es auf dem Hof von Michael Broger, als würde geschossen. Und wenig später rinnt rote Flüssigkeit über den Hofplatz. Ein Bild wie aus einem Western! Aber es ist nicht Blut, nur einige PetNat’s hatten zuviel Druck und waren explodiert (ab 10 bar bersten die Flaschen).

Dabei hatte alles so gut angefangen: Broger’s Partnerin stammt aus dem Beaujolais, und auf einer Reise in dieses Gebiet lernte Michael die in Teilen Frankreich’s schon lange bekannten PetNat’s kennen. Interessiert wie er ist, wollte er mehr erfahren und das dann auch daheim probieren. Das Prinzip ist eigentlich einfach, vgl. hier
https://victorswein.blog/2020/05/13/pet-nat-zuruck-in-die-zukunft-mit-marco-casanova/)
aber es kommt auf den richtigen Moment des Abfüllens in Flaschen an. Zu spät fehlt es an Perlage, zu früh und mit Hitze kombiniert … siehe oben.

Der Erstling 2016 von Broger war aber ein voller Erfolg, qualitativ und auch verkaufsmässig. Aber dann kam eben das Hitzejahr 2018 und der Druck in den frisch gefüllten 17er-Flaschen wurde zu hoch. Nun, Broger stürtzte sich in sichere Kleidung und schützte sich mit einem Forsthelm, drang in den Lagerraum ein und sicherte die Flaschen mit Schrumpffolie. Danach wurden diese „Pakete“ mit dem Hubstapler in den Kühraum transportiert, wonach die intakten Flaschen geöffnet und der Inhalt gerettet werden konnten. Ein Western mit Happy-End.

Auch der Nachfolgejahrgang war nicht vom Glück begleitet, der PetNat genügte Brogers eigenen qualitativen Ansprüchen nicht, weshalb er nicht unter seinem Namen auf dem Markt kam. Ein Gastronom sah das aber ganz anders, fand den Wein sehr interessant und verkaufte ihn ohne Hinweis auf den Produzenten offenbar bestens. Damit dürften sich nun alle „PetNat-Lästerer“ bestätigt sehen, offenbar trinken die Leute alles, wenn es nur „In“ ist …

Broger wäre aber nicht Broger, wenn er sich von zwei Rückschlägen hätte entmutigen lassen! Als er mir die obigen Geschichten erzählte, war der Jahrgang 2019 längst auf der Flasche und auch längst ausverkauft. Aber ich hatte das Privileg, eine Flasche aus seinem „Archiv“ probieren zu dürfen. Und nun, alle „PetNat-Lästerer“ aufgepasst: Der Wein schmeckt herrlich, da war ein Könner am Werk – und einer, der aus den Vorjahren gelernt hat!

Es stimmt alles, was auf der Etikette steht: einfach frisch, prickelnd, naturbelassen, lebendig, frech und unbeschwert! Ein PetNat zum Umdenken.

Nun, natürlich ist auch dieser PetNat kein grosser Wein. Eben, Broger schreibt es gar auf die Etikette, er ist „einfach“. Aber halt einfach frisch, prickelnd usw. … – siehe Etikette.

Im Gegensatz zu vielen anderen PetNat’s, auch jenen von Casanova, wirkt Brogers 2019er kühl genossen überhaupt nicht hefig, sondern sehr fruchtbetont, äusserst „weinig“ und einfach süffig. Es spricht für Michael, dass er selbst mich „anwies“, den Wein stehen und warm werden zu lassen. Also stellte ich das Glas an die Sonne, und vor lauter spannender Gespräche mit ihm und seiner Partnerin vergass ich es fast. Mit wohl gegen 30 Grad zeigte sich dann der PetNat durchaus in einem anderen Bild: Sehr hefebetont, erdige bis leicht muffige Töne – aber trotzdem noch immer sauber und spannend – und mit Genuss trinkbar – abgesehen von der Temperatur natürlich.

Ich bleibe dabei, PetNat’s sind, wenn sie mit so viel Können gemacht werden wie der 2019er von Broger, eine spassige, spannende und erfrischende Alternative – und einem mittelmässigen Prosecco ziehe ich den Broger PetNat 2019 jederzeit vor.

https://www.broger-weinbau.ch/
(Der PetNat 2019 ist wie erwähnt ausverkauft).


Keine Angst vor dem Öffnen!
Immer wieder liest man, dass PetNat’s beim Öffnen zwangsläufig überschäumen. Ich selbst habe dieses Vorurteil in meinem verlinkten Blogbeitrag weiterverbreitet, weil ich offenbar viel zu ängstlich ans Entfernen des Kronkorkens gegangen bin.
Michael Broger machte es mir vor: Einfach mutig, aber sorgfältig den Korken entfernen und abwarten – der Wein überschiesst nicht. Und wenn doch, dann muss man einfach ein Glas griffbereit haben. Es ist fast wie beim Bier!

2 Gedanken zu “Wildwest am Ottenberg: Broger’s PetNat-Abenteuer. Spannend wie die Weine selbst!

  1. Pingback: Die „alte Rebe“ 2016 von Michael Broger: umwerfend gut! Vielleicht ist es das, was andere mit „vibrierendem Wein“ meinen? – Victor's Weinblog

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