Zehn volle Jahre war der Wein praktisch untrinkbar – ein verschlossenes Tannin-Monster. Aber heute zeigt er sich plötzlich nahbar und von erstaunlicher Sanftheit. Wie vom Verkäufer vorausgesagt, brauchte dieser Loire-Wein Geduld!

Es war 2012 in einer Vinothek direkt beim Eingang zum sehenswerten Loire-Schloss Château d’Ussé. Ich liess mich beraten und empfohlen wurde mir der Clos de Turpenay von Château de Coulaine aus Beaumont-en-Véron nahe Chinon. Gewarnt war ich: Der biologisch hergestellte Wein brauche Zeit, der Produzent, Etienne de Bonnaventure, lege keinen Wert auf Fruchtbomben und kurzlebige Weine, sondern produziere echte „vins de garde“.
Dass gute rote Weine von der Loire – in der Touraine immer ausschliesslich aus Cabernet Franc hergestellt – lange reifen können, ist an sich bekannt. Und deshalb erntete ich damals auch ein mitleidiges Lächeln, als ich im Café de la Place in Saumur (sehr empfehlenswert) einen 15-jährigen Château de Villeneuve bestellte und fragte, ob er denn auch sicher noch trinkbar sei. Er war es, und wie!
Und das gilt ganz augenscheinich auch für den Clos de Turpenay. Der Clos, ganz in der Nähe des Château de Coulaine, liegt in leichter südlicher Hanglage und misst rund 1,5 Hektar. Auf lehmig-kalkhaltigem, in einem Teil auch Kieselboden, wachsen hier Reben, die etwa zur Hälfte noch aus den 1960-er Jahren stammen und dannzumal mit massaler Selektion gepflanzt wurden.
Das Gut befindet sich seit langem in Familienbesitz. Den Weg (zurück) zum ernst zu nehmenden Weingut begann Etienne de Bonnaventure, der zusammen mit seiner Frau Pascale das Gut 1988 (zertifiziert seit 1997) auf biologischen Anbau umstellte und die Rebfläche auch laufend erweiterte. Heute führt bereits der Sohn, Jean de Bonnaventure, das inzwischen 19 Hektar grosse Château (der Sitz ist übrigens wirklich ein schönes Schloss).
Es werden verschiedene Weine hergestellt, auch Weisse, die bemerkenswert und in ihrere Art sehr authentisch sein sollen. Die beiden Flaggschiffe sind aber „Les Picasses“ (vielleicht die renommierteste Lage in Chinon) und eben „Clos de Turpenay“. Dieser wird – bei sehr langer Mazeration – mit Wildhefen vergoren, nicht filtriert, nicht geschönt und nur bei der Abfüllung leicht „geschwefelt“. Er reift während einem Jahr in Barriques, wovon 10 % neu sind.
Ich habe den Wein, trotz Warnung des Verkäufers, kurz nach der Heimkehr probiert. Es war, als würde man mit Salbeitee und Zitronensaft den Mund spülen. Tannin und Säure ohne Ende, und dazu keine Fruchtaromen. Ganz einfach ein Monster. So alle zwei Jahre habe ich es wieder versucht, aber das Resultat war jedesmal das Gleiche: ein untrinkbarer Wein. Aber dann, anfangs 2020, mit 10 Jahren Reife: Nach einer richtigen Metamorphose zeigt sich der Clos de Turpenay sanft, fruchtig, fast schmeichlerisch – wunderbar. Zum Glück bleiben mir noch acht Flaschen. Geduld zahlt sich aus!

Degustationsnotiz:
Dunkles Rot mit violetten Reflexen, keine Spur von Brauntönen; schwarze Johannisbeeren, Thymian, Nelken, eine Spur von Vanille; noch immer prägnante Säure, enorm viel Tannin, das aber fein gewoben und sanft wirkt, Holz spürbar und gut eingebunden, kraftvoll aber auch elegant und frisch, mittlerer Abgang. Hat noch viel Reserven, ist aber jetzt in der ersten Trinkreife.
Da hat sich das warten gelohnt!
Grüsse Martin
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