
Manchmal braucht es einfach einige Zufälle – und die sanfte Mithilfe der Ehefrau, um Aussergewöhnliches zu entdecken:
Wir hatten Ferien, es war Ende Mai 2017, und eigentlich wollten wir in den Süden an die Sonne. Aber dann waren die Prognosen für Mitteleuropa so gut, dass wir uns für eine Deutschlandreise entschieden. Ziele waren unter anderem die Pfalz und der Rheingau, ersteres aus schöner Erinnerung, letzteres, weil wir da noch nie waren.
Während einer ziellosen Fahrt durch Rheinhessen nach Norden fanden wir uns plötzlich wenige Kilometer von Nierstein entfernt. Da waren wir auch noch nie, also nichts wie hin. Die Ankunft unten am Rhein, mit einer Schnellstrasse und der Bahn, dazu noch bei schlechtem Wetter, war wenig einladend. Das Städtchen hinter der Bahnlinie hat dann schon viel mehr zu bieten, und eine Wanderung im resp. über dem berühmten roten Hang hat es dann erst recht in sich! Es lohnt sich, hierher zu fahren!
Während der Wanderung fielen uns schon einige Parzellen auf, die grüner waren als andere, sozusagen grünrot statt rot, was aber keine politische Aussage sein soll. Einige waren beschriftet, und der Name „Wedekind“ hat sicher Vorteile in der Memorisierung.
Am Schluss des Spaziergangs passierten wir den Marktplatz von Nierstein, und da war einladend die Vinothek von Philipp und Esther Wedekind. Mir aber stand der Sinn mehr nach Kaffee und Kuchen, ein Bedürfnis, das auf der anderen Platzseite sympathisch erfüllt wurde. Ich weiss nicht, welcher siebte Sinn nach dem Verlassen des Lokals meine Frau dazu trieb zu sagen „probieren wir jetzt noch Wein bei Wedekind“? Normalerweise leidet sie eher unter meinen ständigen Degustationswünschen und Winzerbesuchen, und es kommt schon mal vor, dass sie einfach lesend im Auto sitzen bleibt. Aber hier: „gehen wir noch in die Vinothek“?
Schon fast widerwillig ging ich mit, und die Weinauswahl machte meine Stimmung anfangs auch nicht besser, denn auf den ersten Blick gab es fast nur Weine mit Restsüsse. Ich kann zwar rational nachvollziehen, dass Menschen das mögen können, aber ich gehöre nicht zu jener Sorte. Auf Nachfrage fanden wir dann aber auch trockene Weine, die Anordnung ganz logisch – auf der einen Seite die mit viel Restsüsse, auf der anderen die ganz trockenen.
Den Mund noch voller Kaffeegeschmack hatte ich aber noch immer keine Lust zu degustieren, und so kaufte ich – völlig entgegen meiner Gewohnheit – einige Flaschen, ohne sie probiert zu haben. Die Auswahl war einfach – von den drei trockensten Rieslingen je zwei Flaschen.
Wieder zuhause dann das Probieren – und die Erleuchtung: Da strahlte ein fruchtiger, „stählerner“, wundervoll klarer Duft aus dem Glas, und im Mund war der Riesling dicht und gleichzeitig elegant. Ein Wein, der berührt! Gleiche Erlebnisse hatten wir etwas später mit den beiden anderen Flaschen; selbst der „rote Hang“, in dem sich – für süsseempfindliche Gaumen wie dem meinen – ein klein wenig Süsse bemerkbar macht, mundete wunderbar.
Diese Erlebnisse verlangten natürlich danach, zu diesem Winzerehepaar zu recherchieren. Und ja gut, es haben offensichtlich vor mir schon andere die Qualität dieses Gutes entdeckt. U.a. hat es auch schon Aufnahme in den „Eichelmann“ gefunden, und das schon mit drei Sternen. Beim Suchen kommt da etwa zu Tage, dass Philpp das Hobby seines Vaters mit ein paar Aaren Reben übernahm, zu seinem Beruf machte, und inwischen rund 10 ha bewirtschaftet, alles biologisch und mit Spontanvergärung der Säfte. Oder, dass sowohl er als auch seine Ehefrau Esther in Geisenheim studiert haben, und bei diversen Biowinzern ihr Handwerk weiter erlernt.
Trotzdem, diese Geschichte zeigt schön, dass es sich lohnt, ausserhalb der ausgetrampten Pfade zu gehen und auch einfach einmal etwas zu probieren – selbst dann, wenn dazu der sanfte Druck der Ehefrau notwendig ist!
Und zumindest in der Schweiz wäre Wedekind immer noch ein Geheimtipp, offenbar gibt es noch keinen Importeur. Aber eben, eine Reise nach Nierstein lohnt sich, vor allem auch für mehr als nur 6 Flaschen….
Sagt auch meine Frau!
Degustationsnotiz Riesling trocken, Heiligenbaum, 2015 (12/2017)
helles, glänzendes grüngelb; vielschichtige Frucht, grüner Apfel und mit einem Anflug von exotischen Früchten, fein und klar in der Nase; im Mund extrem elegant und finessenreich, mineralisch, und dabei trotzdem dicht und präsent vom Antrunk bis zum Abgang. Herrlicher, finessenreicher Wein!
http://www.weingut-wedekind.de
