„Alter Landnobler“ – grandiose, rare Spezialität aus dem Wallis!

Zugegeben, der Titel ist journalistisch verdreht, die Rede ist vom Cornalin, der früher „alter Landroter“ genannt wurde. Aber gelungene Weine aus dieser Sorte sind so nobel, dass sich das Wortspiel geradezu aufdrängt. Und zudem weisen Cornalin’s ein erstaunliches Alterungspotential auf, wie eine Weinprobe von der Domaine Denis Mercier beweist.

Ich weiss, ich wiederhole mich, aber die Weine aus dem Wallis sind nach wie vor unterschätzt und unterbewertet, dabei gedeihen hier Tropfen auf ganz hohem Niveau und in kaum andernorts gesehener sortenmässiger Vielfalt. Seit Stephan Reinhardt für die Schweiz zuständig ist, hat das auch Parker gemerkt. Erst kürzlich wurde gar ein Walliser Wein – ein süsser Petite Arvine der Grande Dame des Walliser Weinbaus, Marie-Thérèse Chappaz – mit 100 Punkten bewertet. Was als kleine Sensation aufgenommen wurde, ist eigentlich nur die Bestätigung dafür, dass Weinfreunde und -freundinnen sich vermehrt mit den Weinen dieses schönen Alpentals befassen sollten.

Herrliche Kulisse für die Walliser Reben, hier in der Nähe von Sierre, wo sich der Sitz der Domaine Denis Mercier befindet.

Dabei wurden im Wallis schon vor Jahrzehnten teils ganz hervorragende Gewächse produziert – bloss merkte es keiner, und schon gar nicht Parker. Ein Beweis für diese These lieferte im vergangenen Jahr eine Masterclass-Veranstaltung der „Mémoire des Vins Suisses“, an welcher auch vier gereifte, bis zu 20 Jahre alte Jahrgänge des Cornalin’s von Denis Mercier gereicht wurden.

Alle Weine gefielen ausserordentlich, selbst der älteste, 20-jährige Cornalin war noch genussvoll trinkbar. Geradezu überwältigend war aber der Jahrgang 2005, der ja auch schon 17 Jahre grereift war. Was da an Duftnuancen aus dem Glas strömte, war schon toll. Und im Mund diese Frische, diese noch jugendlich anmutende Saftigkeit, diese Fruchtigkeit – ganz einfach grossartig!

Cornalin aus dem Wallis ist nicht gleich Cornalin aus dem Aostatal

Der Cornalin ist eine Kreuzung zwischen den zwei aus dem italienischen Aostatal stammenden Sorten Mayolet und Petit Rouge – und sie gelangte wohl auch aus dem Aostatal ins benachbarte Wallis. Sie darf aber inzwischen durchaus als waschechte Walliserin gelten, wird sie doch schon seit etwa 700 Jahren hier angebaut (wobei diese Aussage umstritten ist, es könnte sein bzw. wird je nach Quelle als wahrscheinlich angesehen, dass es sich bei einer Nennung aus dem Jahr 1313 nicht um den Cornalin, sondern die Humagne rouge gehandelt hat). Der Cornalin gilt allerdings im Anbau als etwas kapriziös und war deshalb Mitte des letzten Jahrhunderts fast verschwunden. Glücklicherweise wurde aber die Qualität der Rebe wieder erkannt, und heute sind wieder rund 150 Hektar bestockt, was den Cornalin aber immer noch zur raren Spezialität macht.

Die Rebe war früher unter dem Namen „alter Landroter“ bekannt und wird erst seit der „Wiederentdeckung“ in den 1970er-Jahren als Cornalin bezeichnet. Lustigerweise erfolgte damit eine Namensverwirrung. Cornalin gibt es nämlich schon länger auch im Aostatal, der vermuteten Herkunft des alten Landroten. Bloss handelt es sich bei den beiden Cornalin’s nicht um die gleiche Rebsorte – jene im Aostatal ist nämlich mit der Humagne rouge aus dem Wallis identisch.

Mercier und die Mémoire des Vins Suisses

Die Domaine Mercier – Anne-Catherine und Denis Mercier – produziert seit 1982 Weine, zuerst auf 3 Hektar rund um das Schloss Mercier in Sierre. Es ist einer jener Betriebe, die schon, wie die Degustation zeigt, seit längerer Zeit Weine von hoher Qualität liefert. Heute umfasst die Domaine rund 13 Hektar, und inzwischen ist auch Tochter Madeleine Mercier im Familienbetrieb tätig. So ganz nebenbei: Die Oenologin Madeleine Mercier ist seit 2019 auch Präsidentin der „Mémoire des Vins Suisses“, wobei anzufügen ist, dass der Cornalin des Betriebes schon viel länger Eingang in die „Mémoire“ gefunden hat und deshalb auch für die fasziniernde Degustation zur Verfügung stand.

Faszinierende, gereifte Cornalin’s zum Verlieben!

Degustationsnotizen Cornalin, Domaine Denis Mercier

2011
Dunkles, noch jugendliches, glänzendes Purpur; würzig, rote Frucht, reife schwarze Kirschen; im Mund tolle Säure, sehr „satftig“, fruchtbetont, eher filigran, langer Abgang. Sehr schöner Cornalin. 17 Punkte.

2008
Dunkles, gereifts Purpur; Duft nach getrockneten Früchten und Bergheu; im Mund deutlich dichter als 2011, viel feines Tannin, gut stützende, aber zurückhaltende Säure, immer noch fruchtbetont, mittlerer Abgang. Anders im Styl, aber ebenso schöner Wein. 17 Punkte.

2005
Mittleres, glänzendes Purpur; feiner Duft nach einem Gewürzladen, unterlegt mit schönen, dunklen Früchten; im Mund sehr frisch, „saftige Säure“, viel, aber „mürbes“ Tannin, ganz leicht trocknend, füllig und rund mit viel Trinkfluss, immer noch fruchtig, mittlerer Abgang. Wunderbarer Wein noch voll „im Saft“ – Trinkgenuss pur auf sehr hohem Niveau. 18 Punkte.

2002
Eher helles Rot; Liebstöckel, leicht oxydative Töne (angeschnittener Boskoop-Apfel), dahinter etwas kandierte Frucht; im Mund etwas spröde geworden, gute Säure, eher filigran, mittlerer Abgang. Dieser Wein hat seinen Höhepunkt überschritten, ist aber durchaus noch genussvoll zu trinken. 16 Punkte.

Denis Mercier, Vigneron Encaveur, Vin, Sierre, Valais, Suisse

Am 21. April 2023 auf nach Lugano, um gereifte Schweizer Weine zu probieren!

In wenigen Tagen haben Sie in Lugano selbst die Gelegenheit, sich vom Altersungspotential von Schweizer Weinen selbst zu überzeugen:

Events | Mémoire des Vins Suisses (memoire.wine)


Interessennachweis:
Die Teilnahme an der Masterclass-Veranstaltung wurde zum normalen Eintrittspreis bezahlt.


Domaine Trong der Cave du Rhodan: (bio-)dynamisch an die Spitze!

Seit 2006 wird die Domaine Trong in Salgesch biodynamisch bewirtschaftet. Das Resultat ist mehr als bemerkenswert. Olivier und Sandra Mounir von der Cave du Rhodan setzen damit Massstäbe!

Die Cave du Rhodan ist natürlich keine Unbekannte. 2017 etwa gewann ihr Petite Arvine 2015 den Grand Prix des Vins Suisse von Vinum in der Kategorie sortenreine Weissweine. Persönlich verfolge ich das Gut seit einiger Zeit, und definitiv fasziniert hat mich ein Besuch auf der Domaine vor zwei Jahren. Das ganze Sortiment ist auf einem enorm hohen Niveau. Vollkommen „outstanding“ fand ich damals den bio-dynamisch produzierten Cornalin von der Domaine Trong, die sich im Besitz der Cave du Rhodan befindet.
Vgl. hier: https://victorswein.blog/2018/05/13/walliser-weine-spitzenklasse/

Sandra und Olivier Mounir von der Cave du Rhodan: „in search of excellence!“

Kürzlich habe ich mir einen Spezialkarton des Gutes („Parkweine“) mit je zwei Flaschen Marsanne, Cornalin und Pinot noir bestellt. Letzerer, Jahrgang 2018, wird hier nicht weiter beschrieben, ist aber von enormer Dichte sowie Finesse, und ohne die sonst so oft gespürte „Brandigkeit“ von Walliser Pinots. Man muss weit suchen, bis man einen besseren „holzlosen“ Pinot aus der Schweiz findet! Persönlich finde ich es freilich fast schade, dass es keine Barrique-Version gibt, das wäre noch eine Dimension mehr!

Die beiden anderen Weine des Paketes, die Marsanne blanche und der Cornalin aus der Domaine Trong, sind nicht nur sehr gut, sondern ganz einfach genial. Den Cornalin habe ich soeben neben einem Maître de Chais von Provins probiert. Dieser ist wahrlich ein toller und sehr empfehlenswerter Wein, aber der Cornalin von der Domaine Trong hat einfach noch eine Dimension mehr – mehr Finesse, mehr Ausdruck, mehr Eigenständigkeit. Es gibt nach wie vor auch eher mässige, rustikale Weine aus dieser Sorte, die dann schon eher an ihren früheren Namen „alter Landroter“ erinnern. Aber Beispiele wie die beiden genannten würden dafür sprechen, den Cornalin zu forcieren – er hätte bestimmt auch im Export grosse Chancen!

Die Marsanne blanche habe ich ohne direkten „Konkurrenten“ probiert, aber natürlich drängt sich ein Vergleich mit einem Wein von der französischen Rhone auf. Und da punktet die Marsanne der Domaine Trong mit Typizität, aber vor allem mit Frisch und Finesse. Dieser Wein spielt definitiv an der Weltspitze mit!

Marsanne blanche 2016, Domaine Trong, Cave du Rhodan
Mittleres Strohgelb; Dörraprikosen, Lindenblüten, frisches Gras, Salbei, Honig; unglaubliche Finesse, dicht, mineralisch, alles in grosser Harmonie, enorme Frische, fast nicht endender Abgang. Genialer Wein, an einen Hermitage erinnernd, aber viel frischer und weniger „fett“.

Cornalin 2015, Domaine Trong, Cave du Rhodan
Mittleres Rot, glänzend; Heidelbeeren, Brombeeren, Kirschen, Boskoop-Apfel, würzig; sehr ausgewogen, mittlere Säure, die feinen Tannine und der kaum spürbare Alkohol bringen das Ganze in ein wunderbares Gleichgewicht. Sehr langer Abgang. In der Nase typisch, im Mund eher untypisch für Cornalin, aber finessenreich und elegant!

Betriebswirte werden zu enthusiastischen Winzern!

Sandra und Olvier Mounir übernahmen das Gut 2007, nach einer kurzen Zeit, in der ein familienfremder Gerant die Cave führte. Beide sind ausgebildete Betriebswirte und entschieden sich zur Aufgabe des ursprünglichen Berufes, weil sie überzeugt waren, dass es mit der Cave du Rhodan besser geht, wenn sie mit familiärem Herzblut geführt wird. Und es geht besser, und wie! Wie Mounir’s „ticken“, geht sehr schön aus einer Beschreibung hervor, welche Olivier in einem lesenwerten Bericht über die Entwicklung des bio-dynamischen Rebbaus auf der Domaine Trong geschrieben hat:
„Bei vielen Spitzenweingütern kommt irgendeinmal die Frage, was man noch verbessern kann. Gerne vergleiche ich das mit Spitzensport. Es kommt der Punkt, da es nicht mehr um Sekunden geht, sondern um Bruchteile. Wie sehen diese im Wein aus? Welche Schritte machen den Bruchteil aus? Es ist das vielzitierte Terroir, das man sucht. Die Seele im Weine, unvergessliche Momente in der Degustation. Aber auch Hardfacts wie das Zusammenbringen der phenolischen Reife und Zuckerreife, ein gesunder Boden – eine enkeltaugliche Landwirtschaft. Und vielleicht den Reiz, sich auch im Weinbau weiter zu entwickeln. Nicht zuletzt auch die Frage, wie man sich abheben kann in der Flut von guten Winzern.“

Herrliche Steillage in Salgesch: Domaine Trong

Das Quäntchen mehr Qualität (wobei man im Fall der Domaine Trong nicht nur von einem Quäntchen sprechen sollte!), das sich Mounir’s vom bio-dynamischen Rebbau erhofften, hat auch sehr viel Einsatz benötigt und blieb nicht ganz ohne Rückschläge. Heute aber zählen die Weine von der Domaine Trong zum Allerbesten, was die Walliser Weinberge zu bieten haben! Und die wirklich guten Weine aus dem Wallis wie diese, gehören für mich zur absoluten Weltklasse!

Einer der kleinen Rückschläge: In den ersten Jahren wurde die Domaine Trong mit einem Pferd bewirtschaftet – und es ersetzte auch gleich den Mäher 🙂 . Aktuell ist dies leider nicht mehr der Fall, es findet sich im Wallis kein Unternehmer, der diesen Service anbietet.

Die Cave du Rhodan hat übrigens im Jahr 2014 für diesen Einsatz auch den Sonderpreis der Zürcher Kantonalbank ZKB für Nachhaltigkeit erhalten. Wenn Zürcher einen Preis ins Wallis vergeben, dann will das etwas heissen!

Den erwähnten Bericht von Olivier Mounir können Sie mit freundlicher Genehmigung der Cave du Rhodan hier einsehen. Es handelt sich nicht um einen wissenschaftlichen Abriss über Biodynamie (soweit das nach heutigem Stand der Wissenschaft überhaupt möglich wäre), sondern um einen höchstpersönlichen Erfahrungsbericht, der gerade deshalb so sehr lesenswert ist!

erfahrung_biodynamik_cave_du_rhodan (1)

Und der Link zum Weingut:
https://rhodan.ch/