Grenache aus 1200 m Höhe. Faszinierend!

Schnell: Wo liegt der höchste Rebberg Europas? Nein, auch wenn es aus Schweizer Sicht schön wäre, eben nicht im Wallis. Da wachsen die Reben auf stolzen 1’150 m, doch in Sizilien, an den Hängen des Ätna, wird diese Höhe noch getoppt, zum Beispiel von alten Grenache-Reben, die auf 1’200 m gedeihen. Und der Wein daraus ist vorzüglich und einzigartig!

Genau genommen halten aber auch diese Reben nicht den Europarekord. In den spanischen Pyrenäen und im Südtirol soll es Reben geben, die auf über 1’300 m gedeihen. Aber eigentlich geht es ja nicht um Rekorde, sondern um Qualität. Und die ist beim heute beschriebenen Wein vom Ätna aussergewöhnlich.

Hong Kong – Los Angeles – Randazzo am Ätna

Sehr speziell ist auch die Geschichte, die hinter diesem Wein steckt. Zwar ist ein grosser Teil der Reben schon jahrzehntealt – 60-100 Jahre. Grenache (bzw. Cannonau) ist am Ätna ohnehin keine seltene Sorte. Aber so richtig spannend wird es ab dem Jahr 2015, als Stef Yim das Gut mit den verstreuten Rebparzellen übernahm. Stef ist Amerikaner mit einer japanischen Mutter und wuchs in Hong Kong auf. In Kalifornien startete er seine Berufskarriere als Sommelier, bevor er eine Pause brauchte und nach Europa zog. Er arbeitete u.a. in Südfrankreich. Die Weine vom Ätna und generell aus vulkanischem Boden hatten ihn aber schon länger in vielen Degustationen begeistert, und so verliebte er sich auch in die Gegend und die vinologischen Möglichkeiten und blieb quasi am Ätna hängen. Er arbeitet biologisch und die Weine werden auf den Wildhefen vergoren und möglichst zurückhaltend geschwefelt.

Der Ätna aus der Perspektive der Weinberge. Tanz mit dem Feuer? (Bild ab Homepage von Sciara)

Bei Sciara werden die meisten Weine nach der Höhenlage bezeichnet, in der sie wachsen. So gibt es einen „760“ (Jahrgang 2020: sehr feine helle Frucht, feine Tannine und toller Säure, sehr elegant, 16,5 Punkte) und einen „980“ (Jahr 2020: dunklere Beeren, würzig, viel Tannin und sehr druckvoll mit viel Eleganz, 17 Punkte). Die beiden Weine werden grossmehrheitlich bzw. ganz aus der Sorte Nerello Mascalese hergestellt und bestechen durch eine eigenständige und sehr elegante Art. Zusätzlich produziert das Gut auch einen Wein aus wurzelechten Reben sowie einen Weisswein.

Tages- und Nachtunterschied: 35 Grad!

Der speziellste Wein (wobei ich die beiden letzten nicht probiert habe) ist aber der „1200 metri“. Das ist aufgrund der Aromen unverkennbar Grenache – aber im Mund würde man niemals auf diese Sorte tippen. Er wirkt wie ein „cool climate-Wein“ und überzeugt durch eine umwerfende Fruchtigkeit und Frische. Cool climate ist freilich hier nicht richtig. Zwar wird es auf dieser Höhe kühl bzw. im Winter kalt – aber in Sizilien wird es eben auch heiss. Es gibt zuweilen Tage in der Vegetation, in denen das Thermometer um 35 Grad schwankt!

1200 metri, 2020, IGT Etna Rosso, Sciara, 100 % Grenache spagnolo (Cannonau)
(kein DOC-Wein, da diese nur bis in eine Höhe von 800 m gilt)
Mittleres Rot; dezent würzig (u.a. Lorbeer und Wacholder), helle und dunkle Frucht, etwas Rhabarber; im Mund ganz anders, als man einen Grenache erwarten würde: eher schlank und sehr elegant, enorm fruchtbetont, extreme Frische, prägnante, aber gut eingebundene Säure, recht viel Tannin. Völlig untypischer, „cooler“, aber interessanter Grenache. Speziell, aber grossartig. 17,5 Punkte.

PS. Für alle mitlesenden Schweizer Weinhändlerinnen und Weinhändler: Sciara hat noch keine Vertretung. Das wäre doch eine Chance auf eine echte Rarität (vom „1200“ gibt es z.B. nur rund 1000 Flaschen)

Und noch ein PS für alle: Man kann auf dem Gut auch übernachten.

Home | mysite (sciaraetna.com)

Und hier ein spannender und ausführlicher Hintergrundartikel:
Stef Yim of Sciara: A Mount Etna Natural Wine Journey from Hong Kong via California (grapecollective.com)


Interessennachweis:
Der Wein wurde auf Einladung von Vinum im Rahmen von „Vini d’Italia von Gambero Rosso“ in Zürich zuerst an der Masterclass-Degustation und danach nochmals am Degustationstisch des Gutes in der „Walk around“-Degustation verkostet.


Wenn ein Nebbiolo del Langhe mehr Freude macht als …

Das Piemont hat abseits von Barolo und Barbaresco immer wieder wunderschöne Entdeckungen bereit. Ein tolles Beispiel ist der Nebbiolo del Langhe Roccardo von Rocche Costamagna, ein Wein, der zwar nicht zu den Grossen zählt, aber in seiner unkapriziösen Art ungemein gefällt.

Klar, man kann wie ich kürzlich, auch mal im Supermarkt dem Irrtum verfallen, ein grosser Produzenten-Name und die Aufschrift „Barolo“ garantiere für ein schönes Trinkerlebnis, auch wenn der Preis mit knapp über CHF 30.00 „tief“ erscheint. Oder man kann, wie ebenfalls ich kürzlich, sich von einem seriösen Weinhändler beraten lassen und mit einem einfachen Nebbiolo für CHF 22.00 aus dem Piemont nach Hause kommen.

Das erste erwähnte Weingut, das wir hier aber gleich wieder vergessen, hat ein grosses Renommée und steht mit Baroli’s aus der Lage Bussia oder mit einem Barbaresco Bric Turot recht weit oben auf der Hitliste der besten Weine aus der Langhe. Leider ist aber der einfache Barolo doch wirklich nur einfach und enttäuschend und wohl eher ein Marketing-Produkt.

Ebenfalls „einfach“, aber alles andere als enttäuschend ist demgegenüber der 2017 Rocche Costamagna Langhe Nebbiolo Roccardo. Der Wein will nichts Grosses sein, aber er ist ein ehrlicher Kumpel, ein Freund mit Ecken und Kanten, aber ein mehr als nur gefälliger Begleiter für eine ganze Mahlzeit und einen ganzen Abend.

Mittleres Purpur; Sandelholz, weisse Sultaninen, rote Jahannisbeeren, Brombeeren, leichter Rauchton; prägnante, aber sehr feine Tannine, gut eingebundene Säure, eher schlanker Körper, mittlerer Abgang, in dem sich erstmals auch der moderate Alkohol etwas bemerkbar macht. „Burgundisch“-eleganter, schöner Nebbiolo.

Das Weingut selbst befindet sich mitten in La Morra. Die Trauben für diesen Wein stammen aus zusammen rund 1,5 Hektar Reben (das Gut verfügt gesamthaft über rund 14 Hektar), hauptsächlich aus Verduno, teils auch aus La Morra selbst – beides also eigentlich Barolo-Lagen. Nach einer relativ kurzen Maischestandzeit von 8 Tagen ruhen sie danach zu einem kleinen Teil in Barriques, vor allem aber in Fudern aus slowenischer Eiche.

Alessandro Locatelli, der das Gut leitet und entwickelt.

Auch wenn das Gut von der internationalen Presse nicht gerade zu den „In-Weingütern“ des Piemont gezählt wird, erzielt das Flaggschiff des Gutes, der Barolo Roche dell’Annunziata doch regelmässig 2,5 von 3 möglichen Punkten im Gambero Rosso. Aber eigentlich spielt das gar keine Rolle, der Nebbiolo Roccardo will auch gar keinen bestbenoteten Barolo konkurrenzieren, sondern einfach ein einfacher Piemonteser sein, der nie langweilig, aber doch unendlich trinkfreudig ist, der kein Ausbund an Konzentration und Dichte, aber doch nicht oberflächlich sein will. Kurzum: Ein Nebbiolo, der den ganzen Abend Freude macht! (Sofern denn eine Flasche für den ganzen Abend genügt, denn verleiden tut einem der Wein nicht).

Das ist ein Wein in der Art, die ich mag: Genussvoll und, trotz Einfachheit, mit einer gewissen Komplexität und Ausstrahlung. Und – Entschuldigung, das muss jetzt sein – besser als gewisse Baroli aus gutem Hause! Damit steht der Roccardo vor allem auch als Beispiel dafür, dass es sich auch im Piemont lohnt, nach Weinen abseits der grossen Namen zu suchen!

http://www.rocchecostamagna.it/RoccheCostamagna/index.asp
Man kann auf dem Gut auch übernachten, ich kenne es nicht, aber die Zimmer machen einen sehr guten Eindruck.

Bezugsquelle in der CH: http://www.vinotti.ch (zu diesem Wein einfach nachfragen, vielleicht hat es noch ein paar Flaschen, er ist nicht im Shop aufgeschaltet).
Vinotti führt aktuell auch noch den Barolo Rocche dell’Annunziata, den Barolo Bricco Francesco und den Barbera d’Alba Superiore Rocche delle Rocche.