Refosco von Castello di Buttrio: Toller Botschafter für das Friaul.

Das Friaul ist eine jener Weingegenden, die chronisch unterschätzt werden. Das Gebiet im Nordosten Italiens hat aber ganz viel zu bieten, vor allem auch hervorragende autochthone Sorten.

Mit rund 20’000 Hektar Fläche ist das Friaul zwar ein recht grosses Weinbaugebiet, bekannt sind die Weine hierzulande aber nicht besonders (zum Vergleich: Die Pfalz weist eine um rund 1’000 Hektar höhere Fläche auf, die bestockte Fläche im Wallis ist rund viermal kleiner). Am ehesten noch finden sich Pinot Grigio in den Gestellen hiesiger Weinhändler, oder dann andere internationale Sorten wie Sauvignon Blanc und Merlot, wobei letzterer in dieser Ecke Italiens schon seit rund 170 Jahren kultiviert wird.

Tolle Landschaft gleich hinter dem Castello: friulanische Weingärten mit Blick auf Udine und die Alpen.

So richtig entdeckenswert sind aber die wirklich einheimischen Sorten wie die Ribolla Gialla und Friulano (weiss), die Schiopettino und die Pignolo (rot) oder eben die Refosco (mit vollem Namen „Refosco dal Peduncolo Rosso“). Die meisten dieser Sorten lassen sich im Friaul bis ins 13. bzw. 14. Jahrhundert zurückverfolgen und sind, abgesehen von Pflanzungen im direkt angrenzenden Gebiet von Goriska Brda in Slowenien, autochthon.

Wir genossen kürzlich ein paar Tage Ferien auf dem Castello di Buttrio, welches nicht nur einen Weinbaubetrieb, sondern auch ein Hotel und eine Osteria betreibt (beide sehr empfehlenswert, wenn auch nicht gerade billig). So hatte ich die Möglichkeit, die meisten Weine des Gutes in Ruhe zu probieren, sei es zum Apéro oder zum Nachtessen. Spätestens am zweiten Abend, nach dem Genuss einer Flasche Refosco dal Peduncolo rosso 2018 war auch klar, dass ich über das Gut schreiben würde.

Ein Paradestück des Gutes: Das „Amphitheater“ direkt neben dem Castello.

Mit diesem Wein schloss sich für mich persönlich auch ein wenig ein Kreis. Meinen ersten Schluck Refosco genoss ich vor über 30 Jahren an einer Einkaufsdegustation bei Divo, und der Wein „elektrisierte“ mich: etwas wild, aber ungemein spannend und enorm ausdrucksstark! Und jener Wein stammte aus Buttrio, von Girolamo Dorigo, der damals als Nebenerwerbswinzer Massstäbe setzte (und dessen Gut heute von Sohn Alessio geführt wird).

Zurück zu den Weinen des Castello: Das Sortiment weist ein hohes und gleichmässiges Qualitätsniveau auf. Bei etwas näherer Betrachtung wurde dann auch klar, weshalb. Die Eigentümerin des Castello ist Alessandra Felluga, und sie ist die Tochter von Marco Felluga, einer Legende des Weinbaus im Friaul. Nebst seinen Betrieben Azienda Marco Felluga und Russiz Superiore kaufte er 1994 auch das damals heruntergekommende Castello di Buttrio (das inzwischen sehr stilvoll restauriert wurde). Seit 2007 führt Tochter Alessandra das Gut (während für die beiden anderen Betriebe heute Marco’s Enkelin Ilaria verantwortlich ist, da Sohn Roberto im letzten Jahr viel zu früh verstarb). Der Rebbauzweig des Castello di Buttrio ist heute 26 Hektar gross.

Refosco dal Puduncolo Rosso 2018, Castello di Buttrio (DOC Friuli Colli Orientali)
Dunkles Purpur; dunkle Frucht nach Brombeer und Dörrzwetschgen, Tabak, würzige Anflüge von Korianderfrucht; im Mund mineralisch-frisch, kräftige Tannine und angepasste Säure, Alkohol kaum spürbar. Wirkt im Mund enorm präsent, stürmisch-kraftvoll und trotzdem ausgewogen. Charakterwein der tollen Art. 17 Punkte.

Und hier noch ein paar Hinweise auf weiter schöne Weine des Gutes (aus der Erinnerung und ohne spezielle Degustationsnotiz, ich hatte schliesslich Ferien vor Ort …):

Ribolla Gialla:
Sehr verhalten, aber tolle, dichte Struktur mit stützender Säure und viel Mineralik. Dürfte in 1-2 Jahren noch zulegen. 16,5 Punkte.

Sauvignon blanc:
Enorm fruchtiger Wein, ohne irgendwelche exotischen Exzesse, schöner Trinkfluss; sehr sortentypisch. 16 Punkte

Friulano:
Schöne Frucht, im Mund ausgeprägt mineralisch und fast ein wenig asketisch. Nicht jedermann’s Sache, meine schon. 16,5 Punkte.

Chardonnay:
Aus dem Stahltank, aber lange auf der Feinhefe gelagert. Enorm fruchtbetont (u.a. mit Ananas, aber ohne exotisch zu wirken), sehr dicht, rund, schöne Säure. Toller Chardonnay; Man könnte sich diesen Wein auch gut vorstellen, wenn er in der Barrique gewesen wäre. 16,5 Punkte.

Ebenfalls gut sind der Pinot Grigio und der Merlot, wobei es hier spannendere Weine gibt. Nicht degustiert habe ich die Riservas des Hauses.

Homepage | Castello di Buttrio

Das Castello aus der Ebene. Tolles Anwesen. Leider beginnt gleich links des Fotos die Industriezone, die man optisch besser ausblendet, wenn man hier logiert und geniesst.

Hier noch Links auf frühere Beiträge zum Friaul und zu Slowenien:
Viva l’Italia! Pignolo – aber kein bisschen kleinlich! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
Brda in Slowenien: Sollte man sich merken! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)


Interessennachweis:
Alle Weine wurden zu normalen Konditionen vor Ort bestellt und bezahlt.

Viva l’Italia! Pignolo – aber kein bisschen kleinlich!

Italien kann ja gerade etwas gute Presse brauchen! Und wenn ich hier einen Wein aus einer speziellen Sorte, der Pignolo, von Torre Rosazza beschreibe, dann fällt es auch ganz leicht, gut über das Land bzw. dessen Weine zu berichten!

Pignolo – übersetzt heisst das „kleinlich“ oder „pingeling“. Warum die Sorte so heisst, habe ich nicht verbindlich rechercherien können, aber der Verdacht liegt nahe, dass ihre bescheidenen Erträge ihr diesen Namen verliehen haben. Andere Erklärungen sehen allerdings ihre Traubenform als Namensgeber, „pigna“ = Tannzapfen.

Wie auch immer, die Sorte ist im Friaul seit rund 700 Jahren dokumentiert, war aber praktisch ausgestorben, bevor sie in den 1970er Jahren aus über hundert Jahre alten Ablegern von wenigen wiederentdeckten Stöcken (in der Abtei von Rosazza) wieder vermehrt wurde. Inzwischen sind schon über 100 Hektar im Friaul mit dieser Sorte bepflanzt – Tendenz steigend.

Wenn man den Pignolo 2014 des Weingutes Torre Rosazza probiert, dann weiss man auch warum! Mag die Sorte schwierig zu pflegen und anfällig auf den echten Mehtau sein – qualitativ ist sie hervorragend.

Dunkles, dichtes Violett; reife, schwarze Kirschen, Brombeeren, Heidelbeeren, leichte Holznote; im Mund mit enorm vielen, aber sehr feinen Tanninen vollbepackt, trotz Adstringenz sehr ausgewogen, schöne Säure, spürbarer, feiner Holzton, sehr dicht, fast endloser Abgang. Spannender und sehr eigenständiger Wein, der auch im Alter von 6 Jahren noch sehr frisch und jugendlich wirkt!

Der Wein ist eigentlich unvergleichlich, aber wer sich trotzdem gedanklich annähern will, der stelle sich eine Mischung zwischen einem nach Kirschen duftenden Chianti classico und einem satten, tanninbetonen aber runden Merlot vor – das geht so ungefähr in die Richtung des Pignolo!

Dieser Wein ist so etwas wie der Inbegriff für Gewächse, wie ich sie in meinem Blog am liebsten beschreibe: qualitativ hervorragend, weit abseits des vereinheitlichten internationalen Stils und (vorliegend mit Fr. 32.00 halbwegs) bezahlbar. Eine echte Trouvaille, die ich immer wieder kaufen werde – das einzig Negative wird sein, dass ich dabei immer an Corona werde denken müssen! Aber gerade deshalb: Viva l’Italia!

http://www.torrerosazza.com
https://www.bindella.ch/de/torre-rosazza-produzent-produkte.html?producer=Torre+Rosazza

Brda in Slowenien: Sollte man sich merken!

Gesucht: agent für orange

Reisen bildet – auch bezüglich Wein. Venedig ist nicht nur eine ganz spezielle Stadt (hier ist es nie wirklich laut), sondern offensichtlich auch eine weltoffene Metropole. Deshalb sind auch in vielen Restaurants nicht nur italienische, sondern auch Weine aus dem benachbarten Ausland erhältlich.

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Brda – die direkte Fortsetzung des Collio in Slowenien (Bild: Medienservice Weingut Ferdinand)

Wir bestellten dank der Empfehlung des Kellners einen Wein aus Slowenien. Eigentlich bildet das wichtigste Weinbaugebiet Sloweniens nichts anders als die nahtlose Fortsetzung des „Collio“ des Friauls. Die Qualität der Weine im Collio ist unbestritten. Aber schon aus dieser Region finden leider nur wenige Weine den Weg nach Mitteleuropa. Das direkt angrenzende Gebiet von Brda in Slowenien hat es da noch viel schwerer. Suchen Sie einmal eine Weinhandlung, die solche Weine führt!

Dabei gibt es offensichtlich viel zu entdecken! Klimatisch und geologisch gibt es die gleichen Voraussetzungen wie im Friaul (es ist im Gelände auch keine Grenze sichtbar, die Weingärten gehen praktisch nahtlos ineinander über). Und seit dem Ende Jugoslawiens ist auch genug Zeit ins Land gezogen, um innovativen Winzern einen Sprung nach vorne zu ermöglichen. Vielleicht erweist sich die Vergangenheit dereinst sogar als Vorteil, weil alle unbelastet neu beginnen konnten oder mussten.

Der Wein, den wir in Venedig genossen, bewies das wunderschön. Dabei war es kein „normaler“ Wein, sondern ein Vertreter der „orange wines“.*  Andernorts habe ich gelesen, dass in Slowenien schon oranges wines hergestellt wurden, als im Rest von Europa noch gar niemand wusste, dass es so etwas gibt. Es erstaunt deshalb nicht, dass uns der Wein begeistert hat: Die Farbe war wirklich fast orange, in der Nase intensiv nach gedörrten Früchten, reifen Aprikosen, Orangenschalen (!) und Honig duftend, im Mund mit stützender Säure, dicht, tanninbetont und extrem lang. Frisch und ohne die geringste oxydative Note. Schlicht und einfach ein Traumwein!

Wir waren begeistert oder gar berührt. Dabei hatten wir nichts Gutes erwartet und uns auch nur vom Kellner überzeugen lassen. Kurz zuvor hatten wir nämlich die Gelegenheit, einen ähnlich hergestellten Wein aus der Traubensorte Ribolla der friaulischen Legende Josko Gravner zu probieren. Hier wird nicht nur lange mazeriert, sondern auch in Amphoren vergoren. Nun, dieser Wein, so berühmt und teuer er ist, überzeugte uns nicht; im besten Fall kann man sagen „spannend und eigenwillig“.

Der Wein, von dem ich nun schon die ganze Zeit schreibe, heisst „Brutus“, ein Ribolla gialla (Rebula in Slowenien) vom Weingut Ferdinand (Familie Matjaž Četrtič).  Dieser faszinierender Wein wird während rund einem Jahr im Holzfass – nein, nicht ausgebaut, sondern mazeriert – und erst dann abgepresst und danach nochmals im Holz weiter ausgebaut.

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Matjaž und Jasmina Četrtič vom Weingut Ferdinand (Bild: Medienservice Weingut Ferdinand)

Überhaupt: Ribolla ist eine faszinierende Traubensorte mit viel Potential. Ich freue mich auf den Moment, in dem man solche Weine – und speziell solche aus Slowenien – in unseren Breitegraden kaufen kann. Gesucht wäre der entsprechende „agent“, nicht nur für „orange“, denn fast alle Weine im Sortiment von Ferdinand sind „normal“ hergestellt. Vorerst bleibt aber offenbar nur eine Reise in die Gegend!

http://www.ferdinand.si/index.php?id=12&L=3

* Bei einem orangen Wein, auch im deutschen Sprachgebrauch häufig Orange Wine, handelt es sich um einen Weißwein, der wie ein Rotwein hergestellt wird. Die Weißweintrauben werden mit den Beerenschalen (Maische) vergoren und extrahieren dadurch mehr Tannine und Farbstoffe aus den Beerenschalen. Oranger Wein ist gekennzeichnet durch eine dunkelgelbe bis orange Farbe. Gelegentlich wird er als vierte Weinfarbe neben Rot, Weiß und Rosé bezeichnet. (Quelle: Wikipedia)

Matjaž Četrtič vom Weingut Ferdinand gab mir auf Anfrage bekannt, dass er in der Schweiz von der Weinhandlung Sersa in Wettingen vertreten wird. Diese führt drei seiner Weine, leider aber nicht den beschriebenen Brutus und überhaupt keinen Ribolla.

http://slovina.com/557.html

 

 

 

Valpolicella? Valpolicella! Valpolicella? dal Forno!

Für Snobs? Für Snobs! (preislich). Für Snobs? (nein, dal Forno!)

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Im Valpolicella, nördlich von Verona (das Bild, vl, zeigt nicht das Gut von dal Forno)

Valpolicella, das war jener Offenwein, den wir in jungen Jahren jeweils in der Pizzeria auswählten, ganz einfach, weil er am billigsten war, und weil der Name nach Italianità klang. Es waren saure, ungehobelte, im besten Fall leicht fruchtige, oft aber eher nach Essig schmeckende Weine, die aus heutiger Sicht eigentlich nur das Prädikat „ungeniessbar“ verdienten.

Das Vorurteil hielt sich lange, auch wenn Namen wie Tedeschi oder Masi schon bald für richtig gute Weine aus dem Gebiet nördlich von Verona standen. Aber trotz schönen Amarone und zuweilen auch respektablen Ripasso, so ganz zu den grossen Weinbaugebieten habe ich Valpolicella lange nicht gezählt. Geändert hat sich das etwas später, an einem lauen Vorsommerabend am Gardasee, wo wir einen Wein von Quintarelli tranken. Dieses Erlebnis bewog mich, endlich etwas mehr über das Gebiet zu lesen. Das Weinbuch Venetien/Friaul von Walter Filiputti, mit vielen Portraits von Winzern, war da sehr hilfreich. Filiputti, eine Kapazität für die Weinregion, damals noch selbst sehr angesehener Winzer im Friaul und Uniprofessor für Wein in Udine (letzteres, Irrtum vorbehalten, noch heute), schwärmte darin überschwänglich über Quintarelli und vor allem dal Forno. Wenn ein Winzerkollege zwei aus seiner Gilde so hoch lobt, dann muss ja etwas daran sein.

Spannend an der Geschichte ist, dass es die Weine von Romano dal Forno in der heutigen Art ohne jene von Quintarelli vermutlich gar nicht gäbe. Der junge dal Forno war so begeistert von Quintarelli, dass ihn dies zu höchster Qualitätsbessenheit antrieb (vgl. Link unten, palatepress.com). Ist das nicht eine wundervolle Geschichte? Qualitätsarbeit fördert Qualitätsarbeit!

Kürzlich konnte mein Portemonnaie mich nicht zurückhalten, und ich habe eine Flasche Monte Lodoletta, Valpolicella Superiore 2008 von dal Forno gekauft. Sie war mit Fr. 78.– etwas teurer als die seinerzeitigen Valpolicella’s aus der Pizzeria. Aber was ist das für ein Wein! Zuerst einmal würde man, blind degustiert, nie auf diese Herkunft tippen. Bordeaux würde man schon eher vermuten, aber irgendwie eben doch nicht, und wenn doch, von wo denn im Bordelais? (sicher nicht aus dem Libournais). Ist es also ein Valpolicella? Es ist ein Valpolicella! Aber ist es ein typischer Valpolicella? Das dann doch nicht!

dalforno

Dunkles, noch jugendliches Rot; Brombeeren, Kirschen, Pfeffer, Pinienduft; gut eingebundene Säure, feine Tannine, ausgewogen, lang, immer noch absolut jugendlich. Fazit: Einfach ein ganz grosser Wein, der noch lange reifen könnte.

Wohl vermerkt, es handelt sich hier um einen „normalen“ Valpolicella Superiore, nicht also um einen der Amarone von dal Forno, die geradezu umwerfend sind, aber auch etwa den 4-fachen Preis kosten. Allerdings werden bei dal Forno auch bei diesem Wein die Trauben etwas angetrocknet, es handelt sich also sozusagen um einen „kleinen Amarone“.

Die Zukunft des Weingutes scheint gesichert. Romano dal Forno ist inzwischen kurz vor dem Pensionsalter, aber seine drei Söhne sind führend mit im Betrieb tätig. Die Arbeitsaufteilung lässt hoffen, dass kein Kompetenzgerangel entstehen wird. Marco ist für die Reben, Luca für den Keller und Michele für das Marketing verantwortlich.

Und das Fazit: Normalerweise liegt der Preis dieses Weines weit über der Grenze, die ich noch bereit bin, für einen Wein auszugeben. Hier hat es sich aber sicher gelohnt. Dieser dal Forno zeigt exemplarisch, dass kompromissloses Qualitätsstreben zu wundervollen Resultaten führen kann. In diesem Sinne mag es snobistisch sein, solchen Wein zu kaufen. Aber das sinnliche Erlebnis, die Erkenntnis, dass Valpolicella so viel mehr sein kann als das, war ich in der Jugend davon ahnte, lohnt den Kauf einer solchen Flasche allemal!

http://www.dalfornoromano.it/

http://palatepress.com/2011/10/wine/a-valpolicella-legend-an-interview-with-romano-dal-forno/

https://www.schweizerische-weinzeitung.ch/quintarelli-dal-forno/

Walter Filiputti, die grossen Weine der Welt, Venetien und Friaul, ISBN 3426272148 (ISBN-13: 9783426272145)