Die Weine von der Loire haben es hierzulande schon grundsätzlich nicht einfach. Ja, sie sind, Sancerre einmal ausgenommen, so gut wie unbekannt. Wenn sie dann aber gar vom Unterlauf des Flusses stammen und „Muscadet“ heissen, dann wird es noch viel schwieriger. Zu Unrecht, wie zwei tolle Weine zeigen!
Nur schon der Name: Muscadet Sèvre et Maine AC. Sèvre und Maine sind Flüsschen, die linksufrig der Loire zusammenfliessen und schliesslich gemeinsam Mitten in der Stadt Nantes in den grossen Fluss münden. Sie durchfliessen in der Nähe der Stadt ein grosses, oft flaches Weinbaugebiet (knapp 9’000 ha), in dem die Muscadet vorherrscht. Aber eben, was heisst schon Muscadet? Mit der Muscat-Traube hat sie keine Gemeinsamkeit, es handelt sich vielmehr um die „Melon de Bourgogne“, die zwar dort kaum mehr angepflanzt wird, aber mit hoher Sicherheit im Burgund entstanden ist. DNA-Analysen haben ergeben, dass es sich um eine Kreuzung zwischen Pinot blanc und der „Ursorte“ Gouais handelt. Die Muscadet weist somit einen gleichen bzw. ähnlichen Entstehungsweg auf wie etwa Chardonnay, Gamay und Aligoté.
Mehr zur Gouais siehe hier: Faszination pur: Guter Wein aus der ältesten benannten Rebsorte der Welt! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)
Nun eilt dem Muscadet aus dem Nantais das Vorurteil voraus, dünn und nichtssagend auszufallen. So ganz falsch ist das nicht einmal, es gibt viele sehr einfache Zechweine. Aber es gibt eben Ausnahmen, und solche habe ich kürzlich bei einer kleinen Schweizer Weinhandlung entdeckt.
Die beiden degustierten Weine stammen von der Domaine Haut Févrie, die in Maisdon sur Sèvre, 20 Kilometer südöstlich von Nantes, rund 26 Hektar Reben bearbeitet. Das Gut zeichnet sich nicht nur durch eine in dieser flachen Gegend eher seltene Handernte aus, sondern auch durch einen schonenden Umgang mit der Natur – ein schöner Teil der Weine trägt bereits das Bio-Label (die beiden beschriebenen Weine allerdings nicht).

Für die Region recht typisch ist indessen der Ausbau der Weine auf der Feinhefe (sur lie). Beide Weine lagerten monate- bzw. jahrlang auf der Hefe, was ihnen augenscheinlich zusätzliche Struktur verleiht. So darf ich hier zwei Muscadet’s vorstellen, die mehr als eine Entdeckung wert sind. Vielleicht war ich ja sozusagen ferienmässig beeinflusst, aber beim Trinken des „Gras Moutons“ fehlten mir plötzlich begleitende Austern – das wäre eine herrliche Kombination gewesen. Und der Monnières Saint Fiacre (er heisst so, weil er von einer besonders guten Parzelle mit alten Reben zwischen den zwei Dörfern mit diesen Namen stammt) ist so gehaltvoll, dass er ohne Weiteres auch helles Fleisch gut begleiten würde (Austern natürlich auch!). Beide Weine weisen übrigens eine leichte „Salznote“ auf, was in der Werbung gerne auf die Meeresnähe zurückgeführt wird. Es wäre natürlich spannend, dem nachzugehen, aber daran glauben mag ich nicht. Erstens liegt das Meer dann doch noch etwa 60 Kilometer entfernt und zweitens gibt es diese Erscheinung ja auch im Wallis, wo die Petit Arvine oft auch einen leicht salzig wirkenden Touch aufweist. Und mit der Logik der Meeresnähe müssten ja dann auch alle Bordeaux salzig ausfallen …

Gras Moutons 2018
Mittleres Gelb; zurückhaltender Duft nach Melonen und Mirabellen; erstaunlich dichter Körper, schöne, aber nicht übertriebene Säure, „salzig“, frisch, ganz leichter, auch erfrischender Bittertouch, im langen Abgang sehr fruchtbetont. 15,5 Punkte (= gut)
Monnières – Saint Fiacre 2016
Mittleres Strohgelb; fruchtbetonte Nase mit Zuckermelonen und Papaya; wirkt im Antrunk eher schlank, wird dann aber plötzlich sehr kraftvoll, gehaltvoll und schön rund ohne anzubiedern. Angepasste, schöne Säure, trotz tiefem Alkoholgehalt „feurig“ (nicht brandig!), enorm langer Abgang. Ausgesprochen schöner Muscadet! 16,5 Punkte (= sehr gut).
Bezugsquelle Schweiz:
Monnières-Saint Fiacre, Muscadet Sèvre et Maine AC, Haute Févrie, südhang AG, Zürich/Rüschlikon (suedhang.com)