Das Jahr des Winzers (9): Das Ausgeizen.

„Geiz ist geil“ ist erfreulicherweise nicht mehr ganz so „in“ wie auch schon. Im Rebbau freilich geht man sogar ganz gezielt gegen Geiz(e) vor.

Die Rede ist von sogenannten „Geiztrieben“, das sind Seitentriebe, die im Verlauf des Wachstums aus den „Blattachseln“ des Haupttriebes ausschiessen. Solche Geiztriebe entsprechen in der Funktion den Haupttrieben, sie bilden also ebenfalls Blätter und Blüten. Weil sie sich aber erst im Verlauf des Jahres entwickeln, haben sie einen Vegetationsrückstand, und die Trauben daran würden deshalb nicht reif.

Solche Geize sind nicht per se schädlich; im Gegenteil, sie können sogar zusätzliche Blattmasse bilden und somit zur Reife der Trauben beitragen. Im unteren Teil des Stocks, in der „Traubenzone“ (also dort, wo die Trauben hängen), sind sie aber unerwünscht und müssen entfernt werden. Blieben sie stehen, würde sich in dieser Zone ein Blatt-Dickicht bilden, was die Durchlüftung verhindert und somit die Fäulinisbildung der Trauben fördert. Dazu kommt, dass ein solches Blatt-Wirrwarr beim Spritzen von Pflanzenschutzmitteln die direkte Bespritzung der Trauben behindert, was wiederum Pilzkrankheiten grössere Chancen gibt  – zumindest dort, wo keine „systemischen“ Spitzmittel verwendet werden (mehr dazu in einem späteren Beitrag). Und ein letzter Grund für das Ausgeizen in den tieferen Zonen des Rebstocks liegt bereits in der Zukunft. Wir verwenden beim Rebschnitt im nächsten Jahr ja diesjährige Haupttriebe, und da wären Seitentriebe störend und müssten spätestens beim Rebschnitt weggeschnitten werden.

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Bild eines Geiztriebes. Rund markiert ist der Ort des Austriebes, immer in einer „Achsel“ zwischen Haupttrieb und Blatt. Der rote Strich markiert den Wachstumsverlauf des Triebes.
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Hier nun der gleiche Haupttrieb ohne den entfernten Geiztrieb. Markiert ist wiederum die ehemalige Auswuchsstelle. Geiztriebe, die höher am Stock wachsen, werden i.d.R. nicht entfernt.

Da geht das Ausgeizen im Sommer schon viel einfacher – sofern man diese Arbeit rechtzeitig erledigt. Ähnlich wie bei Tomaten, sind die Geiztriebe im jungen Stadium nur schwach mit dem Stock verwachsen; es genügt deshalb schon ein leichter Druck mit dem Finger, um sie auszubrechen. Der oben abgebildete Geiztrieb kann gerade noch so entfernt werden, ältere Triebe müssten mit der Schere weggeschnitten werden, was mühsam ist und zudem einen kleinen „Triebstummel“ hinterlassen würde.

Also auch hier: zeitgerecht zu erledigende, aufwändige Handarbeit pur! Guten Wein trinken ist toll – Winzer sein dagegen zuweilen sehr hart!


Der Winzer als Mutitasking-Talent

Ich stelle in dieser Serie typische Arbeiten im Rebberg vor. In der Praxis läuft es aber etwas anders, denn kaum ein Winzer wird seine Reben bearbeiten und dabei nur immer den gleichen Arbeitsschritt ausführen. Parallel zum Ausgeizen werden an einem Rebstock in der Praxis im gleichen Durchgang selbstverständlich gleichzeitig neue Geschosse vom Stamm entfernt, Triebe eingeschlauft, und wenn nötig angebunden, und Geschosse am Fuss der Reben entfernt. Gleichzeitig beginnen jetzt auch schon das Auslauben und die Ertragsregulierung – Arbeiten, die hier später noch vorgestellt werden, die aber „en passant“ jetzt schon teilweise erledigt werden. Das Winzerleben fordert also nicht nur den Körper, sondern auch das Gehirn (und das Gefühl)!

Zu früheren – und jetzt teils repetitiven – Arbeiten siehe hier:

https://victorswein.blog/2018/05/07/jahr-des-winzers-jetzt-beginnt-die-arbeitsreichste-zeit/
https://victorswein.blog/2018/05/14/jahr-des-winzers-die-handarbeit-geht-beim-einschlaufen-weiter/
https://victorswein.blog/2018/05/19/jahr-des-winzers-folge-6-das-anbinden/
https://victorswein.blog/2018/05/24/jahr-des-winzers-folge-7-zum-hinknien/

 

 

Oräntsch was? orange wine aus der Schweiz vom Feinsten!

Als ich vor rund 10 Jahren zum ersten Mal von „orange wines“ hörte, war meine Reaktion wohl so ziemlich: Oräntsch? Oräntsch was?

Inzwischen haben sich die orangen Weine zwar nicht etabliert, sind aber doch ins allgemeine Bewusstsein der Weinfreunde gelangt. Bloss gibt es gerade hier auch immer wieder Enttäuschungen, weil diese „vierte Weinfarbe“ wohl zu oft für Naturweine herhalten muss, denen nicht die notwendige Sorgfalt im Keller angedeiht. Orangewein als Vorwand, schlechten, manchmal gar stinkenden Wein zu verkaufen, „der halt so schmeckt, wenn man natürlich arbeitet“. Die Steigerung solcher Aussagen besteht dann noch darin, dass „sich die Konsumenten halt langsam umgewöhnen müssten“. Dass es auch anders geht, habe ich in diesem Blog auch schon einmal beschrieben:

https://victorswein.blog/2018/04/07/brda-in-slowenien-sollte-man-sich-merken/

Allen orangen Weinen gemeinsam ist eine Vergärung an der Maische (wie beim Rotwein also), und wenn es ein Naturwein sein soll, wird er auch nicht geschönt, nicht gefiltert und zurückhaltend oder gar nicht „geschwefelt“.

Dass Weine durchaus ohne Schwefelbeigabe hergestellt werden können und dabei nicht nur fehlerfrei, sondern sehr gut sein können, durfte ich gerade auf meinen kürzlichen Schweizer Weintouren in allen Landesteilen feststellen; immer mehr Winzer experimentieren erfolgreich damit.

Im Johaniterkeller in Twann, dem Weingut von Martin Hubacher und seiner Frau Michaela Gabriel traf ich den Schweizer Beweis an, dass orange wines sehr wohl absolut fehlerfrei auf die Flasche gebracht werden können. Wobei: was heisst hier „fehlerfrei“? Der Wein ist absolute Spitzenklasse! Der Beschreibung des Weins auf der Homepage ist eigentlich nichts beizufügen:

Ein an der Maische vergorener, nicht geschönter und ungefiltert abgefüllter Weisswein. Leicht ins Bernstein-Orange spielendes Gelb. Duft nach Rosinen und Zimt, leichte Botrytis-Noten. Balsamisch-laktischer Gaumen mit Kräutern und reifem Apfel. Straffe Säure. Noch recht wuchtige aber sehr runde Tannine.

Nichts beizufügen ausser: Das ist einer dieser Weine, welche die Seele berühren, ein richtiger „Philosophen-Wein“!

Und wenn ich schon am beifügen bin: Der Johaniterkeller weist ganz generell ein sehr hohes Qualitätsniveau auf, hier gibt es auch keinen einzigen Wein, der abfällt – eine absolut empfehlenswerte Adresse. Martin Hubacher führt den Betrieb seit über 20 Jahren, und es spricht für seinen Enthusiasmus, dass er auch nach so langer Zeit noch immer auf der Suche nach Neuem ist, und den Mut hat, sich auch an einen orangen Wein zu wagen! Sicher liegt genau in dieser Grundeinstellung der Unterschied zwischen einem guten und einen sehr guten Betrieb!

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Martin Hubacher und Michaela Gabriel im Degustationsraum des Spitzenweingutes Johaniterkeller in Twann (Bild vl)

Im Übrigen erzählte uns Michaela Gabriel schmunzelnd, dass es ihren Mann fast etwas Überwindung gekostet habe, bei der Kelterung einfach alles dem natürlichen Gang zu überlassen. Dass aber seine akribische und saubere Arbeitsweise sich auch bei solchen Weinen auszahlt, ist unverkennbar, und hier liegt wohl auch der Unterschied zu Weinen, an „die sich die Konsumenten halt gewöhnen müss(t)en“.

Die Wermutstropfen kommen zum Schluss: Der orange wine 2016 ist leider inzwischen schon ausverkauft. Und ob es diesen Wein wieder gibt, ist nicht sicher, der Erstling wurde aus der Sorte Nobling und aus Trauben hergestellt, welche der Johaniterkeller von einem anderen Winzer übernehmen konnte. Es wäre aber jammerschade, wenn auf den genialen Erstling nichts mehr folgen würde – vielleicht helfen diese Zeilen mit, Martin Hubacher zu einer Fortsetzung zu überzeugen!

Und, ach ja: Der Wein heisst ORÄNTSCH, und das Ende meines Beitrags nicht Oräntsch was?, sondern ORÄNTSCH, bitte mehr davon!

http://www.johanniterkeller.ch/

 

Zur Illegalität verführt – zum Glück!

Die Rede ist von der Familie Zahner in Truttikon im Zürcher Weinland, durch und durch anständige, staatstreue und bodenständige Leute. Sowohl Vater Waldemar als auch Sohn Niklaus, der heutige Betriebsleiter, dienten beispielsweise ihrer Wohngemeinde als Gemeinderäte (was auf dem Land eher Last denn Lust ist).

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(K)ein Hort der Illegalität: Das Anwesen der Familie Zahner in Truttikon, Zürcher Weinland.

Zu einer illegalen Handlung, die aus heutiger Sicht unvorstellbar, ja schon fast kafkaesk anmutet, wurden sie durch die damalige Gesetzgebung gezwungen. Und dazu angestiftet durch einen der führenden Gastronomen. Die Geschichte ist nicht neu und war schon in der Presse zu lesen (online habe ich sie freilich nicht gefunden), aber sie ist zu schön, um nicht nochmals erzählt zu werden.

Am Anfang stand André Jäger, der grosse Gastronom, der jahrzehntelang die Fischerzunft in Schaffhausen zu einem Treffpunkt der Gourmets machte. Er sagte zu Zahner’s, er würde ja gerne auch Schweizer Weisswein auf die Karte nehmen, wenn denn die Winzer nur endlich etwas Gutes produzieren würden. Etwas so Gutes wie beispielsweise den Pinot blanc aus der Barrique von Franz Keller in Oberbergen im Kaiserstuhl. Vater und Sohn Zahner schauten sich an, und der Blick war klar: das machen wir! Also wurde Franz Keller besucht und sein Wein beschafft, degustiert und analysiert – und für gut befunden. Aber auch so befunden, dass Zahner’s sich sicher waren, einen solchen Wein auch herstellen zu können.

Es gab da freilich ein paar Probleme. Im Kanton Zürich waren damals nur gerade fünf Sorten zum Anbau zugelassen, wobei der rote Blauburgunder und der weisse Riesling x Sylvaner (heute aus rechtlichen Gründen: Müller Thurgau) zusammen fast die ganze Rebfläche bedeckten. Der Anbau von Pinot blanc war also verboten, und der damalige Rebbaukommissär Kurt Pfenninger ein zwar umgänglicher Mensch, aber in Sachen Rebsorten ein „scharfer Hund“. Es blieb also nur eine illegale Pflanzung, angesichts des Renommees von Zahner immerhin mit dem fast sicheren Wissen, dass später eine Ausnahmebewilligung erteilt werden würde, wenn der Wein nur gut gelänge.

(Dass der damalige Rebbaukommissär, bei allen sonstigen Verdiensten, dem Weinbau mit seiner Sturheit einen Bärendienst erwies, wäre eine andere Geschichte, zumal die Konsumenten den damaligen Riesling x Sylvaner schon längst nicht mehr mochten. Und dass dieser Wein, so wie er heute meistens produziert wird, zu Unrecht immer noch unter seinem damaligen Image leidet, ist gleich nochmals eine andere Story).

Nik Zahner jedenfalls begann zu recherchieren, und weil es damals noch kein Internet gab, war es schon ein Abenteuer, überhaupt zu Pinot blanc-Setzlingen zu kommen. In der Schweiz wurden logischerweise keine angeboten. Fündig wurde er schliesslich im Elsass – und wie die Setzlinge, da illegal, dann in die Schweiz gelangten, dürfen Sie sich gerne selbst ausmalen.

Die Fortsetzung der Geschichte in Kürze: Selbstverständlich wurde der Wein qualitativ hervorragend. André Jäger hatte seinen Schweizer Hauswein, und Zahner’s ein paar Jahre Vorsprung in Sachen Erfahrung mit neuen Sorten und mit Weisswein aus der Barrique. Und die Ausnahmebewilligung wurde tatsächlich auch noch erteilt, kurz bevor die Sortenwahl endlich generell gelockert wurde. Eine der Auflagen in der Ausnahmeerlaubnis war übrigens, dass jährlich ein paar Flaschen an die Forschungsanstalt Wädenswil zur Kontrolle hätten eingereicht werden müssen.

In Wädenswil werden sie sich ärgern, dass diese Auflage mit der Sortenfreigabe dahinfiel. Denn die Reben, inzwischen im besten Alter, liefern auch heute noch die Grundlage für einen hervorragenden Pinot blanc, der sich selbst im internationalen Vergleich nicht zu verstecken braucht. Zudem kann der Wein hervorragend altern. Der als Vergleich zum aktuellen Jahrgang 2015 geöffnete 2007 war noch in absoluter Hochform, und auch der etwa vor Jahresfrist geöffnete Jahrgang 2003 ein Hochgenuss.

 

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2015: helles Gelb; Duft von Zitrusfrüchten, Aprikose, etwas Vanille; Im Mund mit mässiger Säure, spürbarem Süsskomplex, leichter, aber schön eingebundener Restsüsse, nur dezent spürbarem, toll eingebundenem Holz; eleganter, toller und typischer Pinot blanc. 2007: mittleres Gelb mit orangen Reflexen; intensiver Duft, Mirabellen, Mango, Pfeffer; im Mund mittlere Säure, leicht trocknend, rund. Top-lebendiger Wein, der einfach Freude macht. (Die beiden Weine begleiteten einen Wildlachs an einer leicht scharfen und mit dem ersten Bärlauch aus dem Garten veredelten Sauce, und der ältere passte fast besser als der jüngere).

Und die Moral von der Geschichte: Manchmal braucht es halt Pioniere, die etwas Neues anpacken, auch wenn ein gewisses Risiko damit verbunden ist!


Preis-/Leistungssieger bei Spitzenpinots!

Eine Geschichte über Zahner wäre nicht komplett ohne einen Hinweis auf seinen Pinot noir aus der Barrique: Waldemar Zahner war auch hier ein Pionier, und weit und breit der einzige, der Barriquewein anbot, was den guten Ruf der Familie schon von 30 und mehr Jahren begründete. Die Pinots aus der Barrique gehören auch heute noch zur qualitativen Spitze der Schweiz, wobei Zahner über all die Jahre seinem eigenständigen Stil treu geblieben ist (ausdrücklich eigenständig und nicht etwa eigenwillig!). Seine Pinots aus dem Holz springen einen in der Jugend nicht gerade an, es sind keine Chambolle-Musigny-Kopien, wohl deshalb bringt Zahner seine Barrique-Pinots immer später als andere auf den Markt. Wer auch danach noch die Gnade hat, etwas zuzuwarten (aktuell ist 2008 in toller Trinkreife), dem dankt es der Wein mit wunderschönen Pinot-Tönen, einem kräftigen und druckvollen, gleichzeitig aber auch runden und samtenen Auftreten im Mund, und mit Holznoten, die so dezent sind, dass sie kaum noch als solche wahrgenommen werden. Und, wie in meinem Blog schon einmal geschrieben, das Schönste daran ist, dass der Wein auch heute noch kaum mehr kostet als vor 20 Jahren. Die Fr. 22.– für den aktuell verkauften Jahrgang 2013 bedeuten mit Sicherheit das beste Preis-/Leistungsverhältnis unter den Spitzen-Pinots der Schweiz! (Der Pinot blanc kostet übrigens „nur“ Fr. 18.–)

http://www.zahner.biz/index.html

 

 

Einfach eine Wucht!

Madiran – wuchtige Eleganz, die reifen muss.

Nach meinem Beitrag von gestern musste das ja einfach sein; nach einem weissen Pacherenc du Vic Bilh war ein Madiran aus dem genau gleichen Gebiet sozusagen gesetzt.

Das Menu – drei Stunden wie ein Braten in Rotwein schonend geschmorter Hohrücken – verlangte geradezu nach einem kräftigen Wein, also müsste ein Madiran sicher passen. Und Château Bouscassé Vieilles Vignes 2004 schien mir so langsam in Trinkreife.

(Kleine Klammer: Ich kaufte vor vielen Jahren einmal 12 Flaschen Château Montus aus den frühen 1990-er Jahren, und ab etwa fünf Jahren nach der Ernte probierte ich jährlich eine Flasche, in der Meinung, er müsste endlich trinkreif sein – und als er es dann endlich war, hatte es keine Flaschen mehr ….).

Aber ein 14-jähriger Bouscassé (ausgerechnet übrigens aus einem Jahr, das meteorologisch nicht so toll war, und in dem vor allem zu befürchten war, dass Alain Brumont aufgeben müsste, weil er bei einem Investment vermutlich über’s Ohr gehauen wurde), das war keine schlechte Idee.

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14 Jahre alt – und erst in beginnender Trinkreife! Gute Weine aus Madiran erinnern an so etwas wie eine „gute alte (Wein-)Zeit“. (Bild vl)

Nur wenig gereiftes, tiefes Bordeaux-Rot, in der Nase intensive Düfte von Dörrpflaumen und anderen dunklen Früchten, Anflug von Pfeffer und – warum nur rieche ich das immer wieder in Tannat-Weinen – Liebstöckel („Maggikraut“). Im Mund umwerfend wuchtig, knackige, aber sehr gut eingebundene Säure, noch sehr jugendliche, prägnante Tannine, im besten Sinne mundfüllend. Wuchtiger Wein, der trotzdem elegant daherkommt. Ist jetzt trinkreif, kann aber noch einige Jahre reifen! Und auch das ist so ein Wein, der beim Essen nie verleidet, sondern immer noch besser zu werden scheint.

Südwestfrankreich – das ist definitiv mehr als eine vernachlässigbare Weingegend – das ist – von guten Produzenten – sinnliche Weinqualität pur!

http://www.brumont.fr/

 

Goldloch von Diel! Mehr Gold als Loch! Und viele persönliche Erinnerungen.

Manchmal trinkt man einen Wein, und man (oder zumindest ich) möchte sein Glück mit der ganzen Welt teilen. Das ist mir heute so ergangen mit einem Riesling des Schlossguts goldlochDiel, dem Grossen Gewächs Dorsheim Goldloch 2011. Vielleicht bin ich ja auch einfach nicht ganz objektiv, aber dazu später.

Gekauft habe ich den Wein in einem Outlet eines Schweizer Detailhändlers, der auch Wein verkauft (und nicht das schlechteste Sortiment hat!). Warum dieses Grosse Gewächs seinen Weg ins Outlet gefunden hatte, und dort für unter Fr. 20.– erhältlich war, bleibt aber das Geheimnis von Globus. Heute habe ich eine der drei gekauften Flaschen geöffnet, und der Wein war eine Offenbarung! Wobei: direkt nach dem Öffnen war ich gar nicht so begeistert, das Goldloch roch eher ein wenig nach „Loch“, und ich fand, dekantieren könnte helfen. Und tatsächlich: nach einer Stunde offenbarte sich ein wundervoller Wein mit allen Nuancen, die ein schon etwas gereifter Riesling so haben sollte. Auch in diesem Alter noch erstaunliche, helle Fruchtnoten, ein – obwohl der Wein trocken ist – ausgeprägter Süsskomplex und eine unglaubliche Dichte und Länge; das Goldloch will gar nicht aufhören, nachzuklingen. Mag sein, dass dieses GG fast zu opulent und somit zu wenig filigran ausfiel – aber ich war berührt von diesem Wein!

Verwunderlich ist das ja nicht, denn Armin Diel – und jetzt auch seine Tochter Caroline – gehören zum Besten, was Deutschland zu bieten hat. (Übrigens: Gemessen an der Rebfläche scheint mir, das kleine und an sich nicht so renommierte Gebiet der Nahe weise die höchste Dichte an Spitzenweingütern auf!)

Man verzeihe mir nun eine persönliche Rückblende. Armin Diel habe ich 1991 in Bordeaux kennengelernt. Er war schon damals nicht „nur“ Winzer, sondern auch Weinjournalist und Verkoster. Zusammen mit Joël Payne bildete er ein tolles Gespann, welches danach fast zwei Dekaden hochklassiger und fairer deutscher Weinkritik begründete (eine Zusammenarbeit, die vor knapp zehn Jahren an der Kleinkariertheit der Kritiker der Kritiker endete, aber das ist eine andere, wenn auch traurige Geschichte).

Wir waren damals eine Woche unterwegs, um die jungen Bordeaux des Jahrgangs 1990 zu degustieren. Alles, was in der Weinszene Rang und Namen hatte, war auf der gleichen Tour, Serena Sutcliff etwa, Michel Bettane, oder Michael Broadbent.

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Journalisten-Degustation Bordeaux 1990. Hier in Sauternes. Von Armin Diel gibt es leider kein Bild. Rechts (sitzend) Rolf Bichsel, damals Neuling, heute Bordeaux-„Professor“ (Bild vl)

Nur Parker war sich dafür schon damals zu schön, er tourte allein durch Bordeaux (und dafür entstand die Legende der „Parker-Barrique“. Die degustierten Weine waren ja im Frühling des Folgejahres nicht fertig assembliert, und gerüchteweise wurde Parker bei seinen Privatbesuchen auf den Châteaus jeweils bewusst eine Assemblage aus Barriquen gereicht, die seinem – voluminösen und holzbetonten – Geschmack am besten entsprach).

Zurück zu Armin Diel: es war toll mit ihm. Er war schon arrivierter Winzer und anerkannter Degustator – ich selbst ein blutiger Neuling. Zudem waren wir eigentlich Konkurrenten. Aber keine Spur von Überheblichkeit, im Gegenteil, wir tauschten Eindrücke und Notizen, und seine Unterhaltungskünste am Abend in der Unterkunft waren auch nicht ohne. (Und sein mitgebrachter eigener Wein, als Kontrast zu den „Tanninbomben“, die wir tagsüber verkosteten, auch nicht).

Und sein Journalisten-Partner (oder wie böse Zunge manchmal sagten „siamesischer Zwilling“), Joël Payne, verhielt sich genau gleich. Ihm habe ich, das war schon ein Jahr zuvor, auch ein wirkliches persönliches Highlight zu verdanken. Am Rande der „Vosne-Romanée Millesime“, einer Präsentation des damals aktuellen Jahrgangs 1989, nahm er mich mit auf einen privaten Besuch bei der Winzerlegende Henri Jayer. Ich sehe mich noch heute ehrfürchtig in der Stube von Jayer sitzen und seinen Ausführungen lauschen. Zum Glück führte Joël das Gespräch, ich wäre dazu gar nicht in der Lage gewesen! Es mag verklärt erscheinen, aber ich bin Joël heute noch verbunden dafür, dass er mich Neuling mitnahm und mir diese Begegnung ermöglichte!

Und nun zurück zum GG Goldloch von Diel: Ich habe jetzt gegen eine Stunde geschrieben, aber der Riesling klingt immer noch im Gaumen nach. Bilde ich mir jedenfalls ein!

https://diel.eu/

 

C’est bon. Ta gueule!

Château d’or et de gueules – das Wortspiel im Titel drängt sich halt auf. Aber den Mund

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halten kann ich hier nicht. Und der Name des Châteaus hat auch einen ganz anderen Ursprung. Das Familienwappen der Besitzer Puymorin besteht aus den Farben gold und rot. Und rot heisst offenbar in der französischen Heraldik „gueules“.

Aber der Reihe nach: Diesen Tipp verdanke ich einem weinbegeisterten Kollegen mit Ferienwohnsitz in Südfrankreich (er kennt ja so viele tolle Adressen in Südfrankreich – nur, dass auch Pinot aus unseren Breitegraden gut ist, muss er noch lernen!).

Er führte uns vor vier Jahren zu diesem Weingut, und ich gebe zu, dass ich mit jedem Kilometer, den wir uns von Avignon nach Süden entfernten, mehr zweifelte, ob das eine gute Erfahrung werden würde. Wir kamen schliesslich an, direkt am Rand der Camargue, und in dieser Gegend hatte ich vor allem Erinnerungen an eigenartigen „vin de sable“, ein gris de gris der sehr einfachen Art.

Die Vorurteile vergingen mir beim Degustieren. Während die Basisweine sauber und ehrlich waren, überzeugten die Spitzenweine allesamt. Das begann schon mit dem weissen „Tresagum“, einer Assemblage mit Roussanne und Grenache blanc aus dem Holzfass: gehaltvoll, fruchtig, kräftig, vielleicht etwas gar alkoholreich, aber eindrücklich und weit weg von einem Durchschnittswein. Und dann erst recht die Roten: ein reinsortiger Carignan, ein wuchtiger, hauptsächlich aus Mourvèdre vinifizierter „Super-Bandol“, nicht von ungefähr „La Bolida“ genannt.

Und der Castel Noù! Castel Noù? Die feine Anspielung auf Châteauneuf-du-Pape ist unverkennbar, und sie wird zu recht verwendet. Der hauptsächlich aus Grenache gekelterte Wein erinnert sehr wohl an einen Châteauneuf. Man muss sich nun nicht gleich den besten Grenache der Welt, Château Rayas, als Vergleich vorstellen. Dazu fehlt es dem Castel Noù dann doch an Finesse. Aber mit einem durchschnittlichen Châteauneuf (und der Durchschnitt ist inzwischen ziemlich hoch) kann er sich sehr wohl messen. Bringt man noch den Preis ins Spiel – 18.50 Euro – dass wird er zum südfranzösischen Preis-/Leistungssieger.

Eben getrunken Jahrgang 2010: dunkles, noch sehr präsentes Purpur, in der Nase Zwetschgen und Kirschen, im Mund feine Tannine, erstaunliche Säure, enorme Kraft und Fülle, lang. Einzige Kritik: Der hohe Alkoholgehalt nimmt dem Wein etwas an Finesse.

Wenn der Wein aus Châteauneuf stammen würde, hätte er vermutlich keine Aufnahme in meinen Blog bekommen. Aber dass man in einer für Spitzenwein unbekannten Gegend (AOC Costières de Nîmes) einen so hochklassigen Wein herstellen kann, verdient höchste Anerkennung.

Und zum Schluss, es wird fast zum „runnnig gag“: Vor ein paar Wochen bekam ich einen Werbeaussand des Gutes, und was lese ich da? „Le choix de l’agriculture biologique reflète notre engagement à préserver notre terroir“.

Dem ist eigentlich nichts beizufügen.

Ausser: Biologisch bewirtschaftete Reben bringen in der Regel tiefere Alkoholgehalte. Das würde dann bedeuten, dass mein einziger Kritikpunkt, der spürbar hohe Alkoholgehalt, künftig tiefer liegen wird. Man braucht nun nicht gerade an Château Rayas zu denken, aber ….

http://www.chateau-or-et-gueules.com