Soeben hat mich der neuste Aussand von Zahner erreicht. Thema ist dabei ein Rückblick auf die beiden letzten Jahre, in denen zweimal Frost und dazu einmal Hagel massive Schäden anrichteten. Natürlich kann Zahner aus der Position des Etablierten schreiben, dennoch ist seine Aussage wohtuend: „Wir mögen uns nicht grämen über zwei kleinere Ernten nach 20 Jahren Milch und Honig. Vielmehr sehen wir sie als Ausgleich für „vorgezogene Erträge“ und blicken mit Vertrauen der kommenden Saison entgegen„. Und noch ein Bonmot aus dem gleichen Aussand: „Eine Frostversicherung gibt es so wenig wie eine Versicherung gegen Steuern oder Weltuntergang“.
Nun aber zum Thema: Ich war gestern an einem Anlass, an dem zuerst ein Weisswein gereicht wurde, der wenige Kilometer weit entfernt vom oben erwähnten Weingut von Zahner wächst. Dieser Müller Thurgau war absolut enttäuschend (genau so schlecht, wie ich den Riesling x Sylvaner von vor 30 Jahren in Erinnerung habe), so dass ich mit vollem Weissweinglas sofort zum Roten wechselte.
Und dieser hat mich dafür total begeistert. Ein Pinot noir der Stammheimer Winzergenossenschaft aus der Halbliterflasche, aber in einer Qualität, die für einen einfachen Wein mehr als erstaunlich ist: Auf der Homepage der Genossenschaft wird der Wein so beschrieben: Typische Pinot Noir Aromen nach Erdbeere, Himbeere, Rose und Zwetschge. Ein Rotwein mit gut strukturierter Fülle und harmonischer Trinkreife.
Dem ist nichts beifügen, ausser, dass dieser Wein einfach den ganzen Nachmittag und Abend mit jedem Schluck Freude machte. Und dass er – in der 75cl-Flasche – nur Fr. 11.30 kostet! Natürlich ist es kein grosser Wein, aber wenn ich die Wahl zwischen einem durchschnittlichen „Strassen-Burgunder“ (dieser Ausdruck besteht deshalb, weil diese Weine aus der Ebene östlich der grossen Weinbaudörfer der Côte d’Or, unten an der Landstrasse, stammen) dann ziehe ich den Pinot der Stammheimer Winzerbaugenossenschaft jederzeit klar vor.
Und das schreibe ich jetzt wirklich nicht aus Lokalpatrotismus – im Gegenteil, ich habe dabei festgestellt, wie erschreckend wenig ich über diese örtliche Genossenschaft weiss. Gleiches gilt für einige der Winzer im Tal – ich werde deshalb künftig in sehr loser Folge hier auch mal mit vertieftem Lokalkolorit darüber berichten.
Die Rede ist von der Familie Zahner in Truttikon im Zürcher Weinland, durch und durch anständige, staatstreue und bodenständige Leute. Sowohl Vater Waldemar als auch Sohn Niklaus, der heutige Betriebsleiter, dienten beispielsweise ihrer Wohngemeinde als Gemeinderäte (was auf dem Land eher Last denn Lust ist).
(K)ein Hort der Illegalität: Das Anwesen der Familie Zahner in Truttikon, Zürcher Weinland.
Zu einer illegalen Handlung, die aus heutiger Sicht unvorstellbar, ja schon fast kafkaesk anmutet, wurden sie durch die damalige Gesetzgebung gezwungen. Und dazu angestiftet durch einen der führenden Gastronomen. Die Geschichte ist nicht neu und war schon in der Presse zu lesen (online habe ich sie freilich nicht gefunden), aber sie ist zu schön, um nicht nochmals erzählt zu werden.
Am Anfang stand André Jäger, der grosse Gastronom, der jahrzehntelang die Fischerzunft in Schaffhausen zu einem Treffpunkt der Gourmets machte. Er sagte zu Zahner’s, er würde ja gerne auch Schweizer Weisswein auf die Karte nehmen, wenn denn die Winzer nur endlich etwas Gutes produzieren würden. Etwas so Gutes wie beispielsweise den Pinot blanc aus der Barrique von Franz Keller in Oberbergen im Kaiserstuhl. Vater und Sohn Zahner schauten sich an, und der Blick war klar: das machen wir! Also wurde Franz Keller besucht und sein Wein beschafft, degustiert und analysiert – und für gut befunden. Aber auch so befunden, dass Zahner’s sich sicher waren, einen solchen Wein auch herstellen zu können.
Es gab da freilich ein paar Probleme. Im Kanton Zürich waren damals nur gerade fünf Sorten zum Anbau zugelassen, wobei der rote Blauburgunder und der weisse Riesling x Sylvaner (heute aus rechtlichen Gründen: Müller Thurgau) zusammen fast die ganze Rebfläche bedeckten. Der Anbau von Pinot blanc war also verboten, und der damalige Rebbaukommissär Kurt Pfenninger ein zwar umgänglicher Mensch, aber in Sachen Rebsorten ein „scharfer Hund“. Es blieb also nur eine illegale Pflanzung, angesichts des Renommees von Zahner immerhin mit dem fast sicheren Wissen, dass später eine Ausnahmebewilligung erteilt werden würde, wenn der Wein nur gut gelänge.
(Dass der damalige Rebbaukommissär, bei allen sonstigen Verdiensten, dem Weinbau mit seiner Sturheit einen Bärendienst erwies, wäre eine andere Geschichte, zumal die Konsumenten den damaligen Riesling x Sylvaner schon längst nicht mehr mochten. Und dass dieser Wein, so wie er heute meistens produziert wird, zu Unrecht immer noch unter seinem damaligen Image leidet, ist gleich nochmals eine andere Story).
Nik Zahner jedenfalls begann zu recherchieren, und weil es damals noch kein Internet gab, war es schon ein Abenteuer, überhaupt zu Pinot blanc-Setzlingen zu kommen. In der Schweiz wurden logischerweise keine angeboten. Fündig wurde er schliesslich im Elsass – und wie die Setzlinge, da illegal, dann in die Schweiz gelangten, dürfen Sie sich gerne selbst ausmalen.
Die Fortsetzung der Geschichte in Kürze: Selbstverständlich wurde der Wein qualitativ hervorragend. André Jäger hatte seinen Schweizer Hauswein, und Zahner’s ein paar Jahre Vorsprung in Sachen Erfahrung mit neuen Sorten und mit Weisswein aus der Barrique. Und die Ausnahmebewilligung wurde tatsächlich auch noch erteilt, kurz bevor die Sortenwahl endlich generell gelockert wurde. Eine der Auflagen in der Ausnahmeerlaubnis war übrigens, dass jährlich ein paar Flaschen an die Forschungsanstalt Wädenswil zur Kontrolle hätten eingereicht werden müssen.
In Wädenswil werden sie sich ärgern, dass diese Auflage mit der Sortenfreigabe dahinfiel. Denn die Reben, inzwischen im besten Alter, liefern auch heute noch die Grundlage für einen hervorragenden Pinot blanc, der sich selbst im internationalen Vergleich nicht zu verstecken braucht. Zudem kann der Wein hervorragend altern. Der als Vergleich zum aktuellen Jahrgang 2015 geöffnete 2007 war noch in absoluter Hochform, und auch der etwa vor Jahresfrist geöffnete Jahrgang 2003 ein Hochgenuss.
2015: helles Gelb; Duft von Zitrusfrüchten, Aprikose, etwas Vanille; Im Mund mit mässiger Säure, spürbarem Süsskomplex, leichter, aber schön eingebundener Restsüsse, nur dezent spürbarem, toll eingebundenem Holz; eleganter, toller und typischer Pinot blanc. 2007: mittleres Gelb mit orangen Reflexen; intensiver Duft, Mirabellen, Mango, Pfeffer; im Mund mittlere Säure, leicht trocknend, rund. Top-lebendiger Wein, der einfach Freude macht. (Die beiden Weine begleiteten einen Wildlachs an einer leicht scharfen und mit dem ersten Bärlauch aus dem Garten veredelten Sauce, und der ältere passte fast besser als der jüngere).
Und die Moral von der Geschichte: Manchmal braucht es halt Pioniere, die etwas Neues anpacken, auch wenn ein gewisses Risiko damit verbunden ist!
Preis-/Leistungssieger bei Spitzenpinots!
Eine Geschichte über Zahner wäre nicht komplett ohne einen Hinweis auf seinen Pinot noir aus der Barrique: Waldemar Zahner war auch hier ein Pionier, und weit und breit der einzige, der Barriquewein anbot, was den guten Ruf der Familie schon von 30 und mehr Jahren begründete. Die Pinots aus der Barrique gehören auch heute noch zur qualitativen Spitze der Schweiz, wobei Zahner über all die Jahre seinem eigenständigen Stil treu geblieben ist (ausdrücklich eigenständig und nicht etwa eigenwillig!). Seine Pinots aus dem Holz springen einen in der Jugend nicht gerade an, es sind keine Chambolle-Musigny-Kopien, wohl deshalb bringt Zahner seine Barrique-Pinots immer später als andere auf den Markt. Wer auch danach noch die Gnade hat, etwas zuzuwarten (aktuell ist 2008 in toller Trinkreife), dem dankt es der Wein mit wunderschönen Pinot-Tönen, einem kräftigen und druckvollen, gleichzeitig aber auch runden und samtenen Auftreten im Mund, und mit Holznoten, die so dezent sind, dass sie kaum noch als solche wahrgenommen werden. Und, wie in meinem Blog schon einmal geschrieben, das Schönste daran ist, dass der Wein auch heute noch kaum mehr kostet als vor 20 Jahren. Die Fr. 22.– für den aktuell verkauften Jahrgang 2013 bedeuten mit Sicherheit das beste Preis-/Leistungsverhältnis unter den Spitzen-Pinots der Schweiz! (Der Pinot blanc kostet übrigens „nur“ Fr. 18.–)
Die neuste Idee: Gantenbein (kombiniert mit Becker) per Los zuteilen!
Mein Beitrag „Online-Sofahändler“ hat jene Wirkung entfaltet, die ich mir von meinem Blog u.a. auch erhoffe: Er hat einen Kommentar ausgelöst und „hinter den Kulissen“ für mehrere Mails gesorgt. Eine Diskussion anstossen, wie schön! https://victorswein.blog/2018/01/13/die-online-sofahaendler/
Ich bin mir bewusst, dass ich hier jetzt schon zum dritten Mal Gantenbein’s erwähne, dabei hatte ich geschrieben, dass dieser Blog weit weg von Snob-Weinen sein werde. Aber sind denn die Gantenbein-Weine versnobt? Sicher nicht (vielleicht aber einige der Konsumenten?).
Vorerst einmal steht ganz viel Engagement und wohl seinerzeit auch Mut dahinter – ein eigentliches Lebenswerk. Zwar gab es schon einen Donatsch im nahen Malans, aber „Burgunderweine“ in der Schweiz herstellen zu wollen, brauchte ja eine gute Portion Optimismus. Und deshalb ernten Gantenbein’s den Erfolg jetzt auch zurecht (wie Vater und Sohn Donatsch auch).
Aber ist denn ein Gantenbein seinen Preis in Snob-Sphären wert? Das ist nun wirklich Ansichtssache, und auch eine Frage des Massstabes (vielleicht auch des Portemonnaies). Vergleicht man mit einem Burgunder aus einer sehr guten Premier-Cru-Lage (auf dieser Höhe sehe ich Gantenbein, wie auch diverse andere Schweizer Pinots), dann ist er jeden Franken mehrfach wert. Vergleicht man mit einem Broger, Baumann und vor allem Zahner, oder vor Ort mit dem Eichholz von Grünenfelder oder Pelizzatti, dann ist er zu teuer. Aber was soll’s, der Markt macht die Preise, und wer einen Gantenbein erhalten kann und es sich leisten kann, tut gut daran, einzukaufen.
Aber eben, wie kommt man zu einem Gantenbein? Der beste Weg wäre jener gewesen, schon vor 30 Jahren direkt einzukaufen. Denn Gantenbeins sind, und das finde ich extrem sympathisch, auch wenn ich nicht bei den davon Profitierenden bin, total treu: Seit den frühen Jahren bestehende Kunden bekommen auch heute jedes Jahr ihren Wein – genau wie frühe Weinhändler. Aber neue Kunden können einfach nicht mehr berücksichtigt werden.
Bleibt der Handel: Fast jeder mir bekannte Händler mit einem Kontingent macht es gleich: er teilt zu. Und dass ein Händler jene Kunden bevorzugt, die auch sonst regelmässig einkaufen, leuchtet ja auch ein! Wer also hier nicht zum Zug kommt, dem bleiben dann noch Ricardo oder Ebay, mit echten Snob-Preisen…
Oder ganz aktuell, das Hoffen auf das Glück: Das Weinhaus Gerstl bietet noch bis am 5. Februar verschiedene Sortimentsboxen mit je drei Flaschen Gantenbein (teils auch mit einem der noch viel rareren Weissen) und drei Flaschen Becker an. Zu Becker aus Schweigen in der Pfalz, direkt an der Grenze zum Elsass, schreibe ich ein anderes Mal, für heute nur: auch diese Weine sind Klasse.
Der Clou an der Sache: Nach Bestelleingang werden die zur Verfügung stehenden Pakete unter den Bestellern verlost! Vielleicht ist es für einen Weinhändler die beste Methode, sich dem Dilemma der Zuteilung mit entsprechend unzufriedenen Kunden zu entziehen?
(Hinweis, weil victorswein.blog noch jung ist und das „über“ sicher nur wenige gelesen haben: Ich habe absolut keine kommerziellen Interessen, und Gerstl weiss nicht einmal, dass ich hier einen Hinweis platziere. Diese völlige Unabhängigkeit werde ich mir auch auch bewahren, weil ich ausschliesslich aus Spass schreibe und empfehle).