Weinlese – „Wümmet“ – am 19.9.2020: Noch nie so früh im Jahr. Aber so schön, trotz Wespen.

Für einmal vor lauter Freude in eigener Sache: Seit 33 Jahren pflege ich nun meinen eigenen kleinen Rebberg. In den ersten Jahren war es üblich, die Trauben ab dem 20. Oktober lesen zu können, der späteste Termin unseres Wümmet war der 1. November bei 4°. Und nun kommt 2020 ein neuer Rekord nach vorne: Weinlese am 19. September bei 27°!

2020 war wirklich ein spezielles Jahr, und wer noch nicht an den Klimawandel glaubt, könnte sich so langsam mit dem Gedanken befassen! Dabei war der Austrieb der Reben nicht einmal so früh, und es war auch kein aussergewöhnliches Hitzejahr. Aber es war einfach immer warm, und, obwohl es sehr trocken war, auch immer im für die Reben gerade richtigen Moment doch wieder mal mit Regen gesegnet. Einzig nicht so passend war die Blüte, da regnete es oft, was zu einem leichten „Verrieseln“ der Trauben führte.

Es war auch das erste Jahr, in dem ich allein für die 4 Aaren Reben verantwortlich war. Ich schätzte die neue Freiheit sehr und nutzte sie, um eine seit Langem erwünschte rigorose Ertragsbeschränkung vorzunehmen. In fünf Durchgängen von Ende Juni bis Ende August entfernte ich zurückgebliebene Trauben, und schliesslich konnte ich einen Ertrag ernten, der nicht einmal halb so gross war wie früher – obwohl wir auch zuvor nach gängigen Massstäben nie hohe Mengen einfuhren.

Massiv reduzierter Ertrag für hohe Qualität.
Ich erntete 60 Kg auf 400 m2 bzw. ca. 330 g pro Stock.

Ich gehe davon aus und hoffe, dass sich dies auch in der Qualität des Weins niederschlagen wird, auch wenn ich in diesem Jahr aus den Blauburgunder-Trauben „nur“ einen Blanc de Noirs herstellen lasse. Eigenen Rotwein habe ich noch zur Genüge (man will ja nicht immer nur den gleichen Wein trinken ….)

Die Ernte war auch deshalb speziell, weil es an diesem 19. September 2020 27° warm wurde. Erstmals überhaupt begann ich deshalb schon am frühen Morgen mit der Ernte (normalerweise muss man die Sonne abwarten, damit sie die Feuchtigkeit des Nebels trocknet). Diesmal war es anders, denn zu hohe Temperaturen tun dem Traubengut nicht gut. Das Timing war perfekt, kurz nach Mittag war die Ernte beendet, und genau da schaffte es die Sonne durch den Hochnebel.

Das wunderbare Herbstwetter der letzten Wochen erlaubte es aber auch, absolut gesunde Trauben ohne jegliche Fäulnis zu ernten – ein Traum für unsere Breitengrade! Trotzdem war die Lese herausfordernd: Die Wespen hatten auch Freude am guten Wetter und leider auch an den Traubenbeeren. Es gab fast keine Traube, die nicht ein oder mehrere angefressene Beere(n) aufwies. Und so war die Lesearbeit doppelt sinnlich: Jede Traube musste begutachtet und angefressene Beeren entfernt werden, weil sonst unerwünsche Essig-Bakterien in den Wein gelangten könnten. Dabei spielt natürlich das Auge eine wichtige Rolle, aber ebenso die Finger, welche mit einem Abtasten der Trauben so manche ausgehöhlte Beere spüren, die von blossem Auge unentdeckt bliebe.

Ganze Arbeit der Wespen: Eine Beere ist völlig ausgehöhlt!

Kurzum: Die Ernte 2020: Friedlich, stresslos, sinnlich! Einfach ein tolles Erlebnis. Wenn da nur nicht die Frage wäre, was mit dem Klima und uns passiert.

Das Jahr des Winzers (16): Der Saisonhöhepunkt, der „Wümmet“.

Abschluss und Krönung: der „Wümmet“ (die Weinlese)

Im Herbst, wenn die Weinlese (bei uns in Ostschweizer Mundart „Wümmet“), ansteht, hat der Hobbywinzer plötzlich ganz viele Freunde, die auch gerne bei der Weinlese mithelfen würden! Dabei sind unsere 4 Aren in der Regel sehr schnell geerntet, und dazu genügt das bewährte Team:

1a-generation
Drei Generationen am Werk: Grossmutter resp. Mutter (90), Sohn und Autor des Blogs (60) sowie Enkel (30)

1-a-werni
Werni, mein Rebberg-Compagnon seit 30 Jahren.

1a-frauen
Und die beiden für die Ernte unverzichtbaren „besseren Hälften“

 

Tatsächlich ist der „Wümmet“, also die Weinernte, ein Fest. Nach einem Rebjahr schöne und reife Trauben ernten zu können, entschädigt für alle Mühen im Verlauf des Jahres.

Allerdings ist auch die Weinlese in unseren Breitengraden nicht immer nur festlich. Wer reife Trauben will, riskiert oft auch Fäulnis. Und im Jahr 2018 waren die Wespen sehr aktiv, so dass jede einzelne Traube von den „Wümmerinnen und Wümmern“ sehr genau angesehen werden musste. Von Wespen angestochene Beeren sind gefährlich, da sie Essigbakterien in den Wein bringen können. Auch faule Beeren müssen einzeln entfernt werden. Um eine gute Qualität zu erreichen, werden bei uns alle Trauben beim Leeren der Kübel in grössere Behälter nochmals geprüft. (Profibetriebe lassen die Trauben bei der Anlieferung oft über ein Band laufen, wo erfahrene Personen schlechte Trauben und Beeren nochmals ausscheiden).

Am Abend, wenn alle Trauben im Fass sind – dann freilich stellt sich beim (Hobby-)Winzer eine grosse Zufriedenheit ein. Bei jenen, die von den Reben leben, sicher auch ein grosses Aufatmen!

Schluss der Serie „virtuelles Jahr des Winzers“

Mit diesem Beitrag endet „das virtuelle Jahr des Winzers“. Ich hoffe, die Serie hat einen kleinen Einblick in die tolle, aber oft auch harte Arbeit gegeben, die notwendig ist, um einen guten Wein zu erzeugen. Wer will, kann mit diesen Links alles nochmals nachlesen:
https://victorswein.blog/virtuelles-rebjahr/

Und im nächsten Februar startet glücklicherweise alles wieder von vorne: Wir beginnen mit dem Schneiden der Reben:
https://victorswein.blog/2018/02/11/virtuelles-weinjahr-folge-1-der-schnitt/

Und zum Schluss: 2018 war ein in jeder Hinsicht ver(-)rücktes Jahr. Noch nie haben wir in den 30 Jahren zuvor im September Pinot noir geerntet; es gab schon Jahre, da lag der „Wümmet“ im November – diesmal fand die Ernte schon am 22. September statt. Noch nie haben wir wie 2018 Trauben mit 106° Oechsle abgeliefert – und gleichzeitig (und dafür schäme ich mich eher) haben wir noch nie eine so grosse Menge geerntet (260 kg auf 4 Aren).