Guter, wirklicher „great wine“ aus England? Was vor ein paar Jahren noch undenkbar schien, ist heute tolle Realität!

Wenn meine Frau und ich auf Reisen sind, dann trinken wir, wenn immer möglich, lokalen Wein. Es überrascht kaum, dass das in England gar nicht so einfach war. Die meisten Hotels und Restaurants haben keine einheimische Gewächse auf der Weinkarte, und wenn, dann allenfalls einen „sparkling wine“. (Diesbezüglich durfte ich denn auch eine durchaus schöne Entdeckung machen mit dem Blanc de noirs von Exton Park aus Hampshire, der sich von keinem Schaumwein vom Festland zu verstecken braucht).

In einem tollen Hotel in Wales (siehe unten) wurden wir aber fündig. Die schon vor dem Brexit generell Commonwealth-lastige Karte umfasst drei englische Weissweine. Der Sommelier riet uns zu einem Pinot gris. Pinot gris aus England? Ja, das passt – und wie!
Der Wein schmeckt wie Pinot gris, ist aber gleichzeitig „outstanding“ in dem Sinne, als ich noch nie einen so frischen, knackigen und trotzdem dichten und komplexen trockenen Wein aus dieser Rebsorte gekostet habe.

Der Trauben wurden nach der Ernte während einem Tag mazeriert und erst danach abgepresst, und die Vergärung erfolgte mit Wildhefen. Das Resultat ist ein Pinot gris mit Duft nach Limetten und Reineclauden, überaus reintönig. Im Mund mit einer frischen, aber nicht übertriebenen Säure, einem erstaunlich dichtem Körper und einem leisen, schönen Touch Bitterkeit sowie einem fast unendlich langen Abgang! Kurz: ein absolut begeisternder, „anderer“ Pinot gris!
Das Weingut Sharpham befindet sich in Devon, im Südwesten von England, nur wenige Kilometer vom Meer entfernt. Das Gut begann schon vor 37 Jahren Wein zu produzieren – in einer Zeit also, in der wohl eine schöne Portion Verrücktheit notwendig war, um ein solches Abenteuer zu wagen. Ganz offensichtlich hat sich das Wagnis gelohnt! Da ich das Gut nicht selbst besucht habe, können Sie alles weitere Wissenswerte ebensogut selbst auf der Homepage des Weinguts nachlesen:
https://sharpham.com/
Zwei Schlussbemerkungen erlaube ich mir aber: Den Pinot noir, der als „cool-climat Pinot“ angepriesen wird, würde ich nur zu gerne versuchen, und ich werde dem Gut bei einer nächsten Südenglandreise auch sicher besuchen. Und: Wenn ich Weinhändler wäre, würde ich mir dieses Weingut mit Sicherheit näher ansehen. Der Pinot gris überzeugt schon völlig, und vielleicht liegt ja die Weinzukunft ganz generell in „cool-climats“! Und eigentlich braucht es heute gar keine Verrücktheit mehr, um englische Weine ins Sortiment aufzunehmen!
Auch wenn Südwest-Wales nicht gerade um die Ecke liegt: Falls Sie mal da sind, lege ich Ihnen einen Besuch im Hotel „The Grove“ in Narberth, nahe Pembroke, sehr ans Herzen. Das Haus ist äusserst geschmackvoll „very british“ eingerichtet, ein richtiges Bijou, in dem einfach alles stimmt. Und das Feinschmecker-Restaurant kann allerhöchsten Anprüchen genügen, wir haben selten feiner gegessen und würden das Lokal ohne Weiteres im Bereich von 16 bis 18 Gault-Millau-Punkten einstufen. Die Preise sind im Restaurant zwar gehoben, aber immer noch um die Hälfte tiefer als in vergleichbaren Lokalen in der Schweiz . Und ganz besonders überzeugt hat uns der Sommelier Moses, übrigens ein Italiener. Sein Wissen, seine Empfehlungen (auch, aber nicht nur den Pinot gris) und sein Umgang waren aussergewöhnlich.
http://www.thegrove-narberth.co.uk/