Es war ein Versehen: Der Winzer wollte eigentlich seine Reben gegen Mehltau schützen, erwischte aber das falsche Mittel und spritze den ganzen Rebberg braun. Man kann aber auch nach tiefer liegenden Ursachen suchen – ein paar Gedanken zu Herbizid im Rebbau.
Ort des Missgeschicks war Maisprach im Kanton Baselland. Den betroffenen Winzer nenne ich hier nicht (obwohl er mit vollem Namen in der Tageszeitung stand), denn es geht mir nicht um ein Bashing, und der Mann tut mir zudem aufrichtig leid – die ganze Ernte 2023 wegen einer dummen Verwechslung verloren, das schmerzt. Aber ein paar weitergehenden Gedanken zum Thema Herbizide im Rebbau lohnen sich meines Erachtens doch.
Fatal: Dunovum statt Dynali
Dynali wäre richtig gewesen. Mit diesem Mittel wollte der Winzer die Reben gegen Oidium (echter Mehltau) schützen. Statt dessen griff er irrtümlich zu Dunovum. Dies ist ein Herbizid mit dem Wirkstoff Pyraflufen-ethyl, welches in der konventionellen Landwirtschaft zum „Abbrennen“ von Kartoffelstauden verwendet wird (was eine ganz andere Geschichte wäre). Es findet aber auch im Reb- und Obstbau Verwendung gegen Stockausschläge (am Stock und am Stamm der Reben schlagen immer wieder Triebe aus, welche nicht nur unnötig sind, sondern einerseits die Reben schwächen und andererseits auch von den Spritzungen gegen Pilzkrankheiten nicht erfasst werden. Diese Triebe müssen deshalb entfernt werden).
Bloss: Weshalb greift ein Winzer zum Entfernen dieser Stockausschläge zu einem Herbizid? Ganz einfach, weil es billiger und bequemer ist, die Rebstämme zu besprühen als die Triebe manuell zu entfernen! Allerdings, und hier beginnt meine Kritik: Ist es eigentlich nicht ein bisschen pervers, natürliche Stockausschläge einer Pflanze mit Herbizid zu behandeln?
Man verstehe mich recht: Reben sind – sofern es sich nicht um Piwi handelt, aber zuweilen selbst dann – anfällige Pflanzen, und ganz ohne Pflanzenschutz, ob biologisch oder konventionell, geht im Rebbau nichts. Und mir ist auch bewusst, dass alles seine Vor- und Nachteile hat. So klagte mir kürzlich ein Winzer, er verbrauche viel mehr Diesel und stosse damit CO2 aus, seit er auf Glyphosat zum „Abbrennen“ des Grases unter den Stöcken verzichte (wobei die Notwendigkeit dazu ebenfalls eine eigene Geschichte wäre).
Längst bewiesen: Rebbau geht ohne Herbizide!
Die Mehrheit der Betriebe beweist aber inzwischen, dass Rebbau ohne Herbizide absolut möglich ist. Die Branchenorganisation „Graubünden Wein“ hatte sich beispielsweise schon 2016 zum Ziel gesetzt, dass 80 % der Rebflächen herbizidfrei bearbeitet werden. Man kann sich höchstens fragen, warum „nur“ 80 %. Und aus praktischer Sicht: Jeder Rebstock wird im Verlauf des Jahres mehrmals händisch bearbeitet. Der Mehraufwand, dabei auch die Stockausschläge zu entfernen, ist zwar mühsam, da man sich bücken muss, hält sich aber doch in Grenzen.
Harmlos – oder vielleicht doch nicht?
Beim Wirkstoff Pyraflufen-ethyl des verwendeten Mittels Dunovum handelt es sich um ein Kontaktmittel, das den Stoffwechsel zur Herstellung von Chlorophyll hemmt und Zellschäden verursacht, was zum Absterben der bespritzten Pfanzenteile führt (Quelle sinngemäss Wikipedia). Es ist seit etwas mehr als 20 Jahren zugelassen und ist nach aktuellem Wissensstand der Zulassungsbehörden umweltmässig vergleichsweise harmlos. Allerdings ist es giftig für höhere Wasserpflanzen, weshalb zu Gewässern ein Schutzabstand einzuhalten ist (Quelle: bvl.bund.de). Und Greenpeace führt das Mittel sogar auf einer schwarzen Liste bezüglich Karzinogenität.
Es gibt auf jeden Fall genug gute Gründe, um im Rebbau auf Herbizide ganz zu verzichten. Und wenn man keine solchen Mittel im Haus hat, kann es auch nicht zu Verwechslungen kommen…
Lichtblick, aber kein Happy End – auch wenn es so in der Zeitung steht.
Noch eine kleine Bemerkung am Rand: Für den Winzer gibt es einen Lichtblick, aber glauben Sie nicht immer alles, was in der Tageszeitung steht. Offenbar schlagen die Rebstöcke nach dem Abbrennen bereits wieder an einigen Stellen aus, was darauf schliessen lässt, dass die Pflanzen nicht ganz absterben. Dass – wie der Journalist schreibt – deshalb bereits im laufenden Jahr noch mit einem Ertrag gerechnet werden kann, gehört aber ins Reich der Märchen – dafür ist die benötigte Vegetationszeit bis zur Reife viel zu lang. Aber im nächsten Jahr darf der Winzer vielleicht wieder mit Ertrag rechnen – und dann hoffentlich auch ganz herbizidfrei bis zum Boden!
Links:
Dunovum – Abbrennmittel, Herbizide | Syngenta
Microsoft Word – Blacklist_II_2010_080110_final_2.docx (greenpeace.ch)