Fehlerhaft und stinkend – aber nicht NZZ-like. Eine Glosse.

Auch Top-Zeitungen und renommierte Journalisten sind nicht vor dem Verbreiten von Unsinn gefeiht. Peter Keller schrieb im NZZ am Sonntag-Magazin falsch und voreingenommen über Orange-Weine. Das kann ja vorkommen, sollte aber nicht, wenn man sein Wissen zuvor über jenes Anderer gestellt hatte!

Mag sein, dass mich mein weinmässiges Elephanten-Gedächtnis unfairerweise dazu drängt. Denn üblicherweise schreibe ich in meinem Blog nur über Positives, Verrisse kommen selten vor. Aber wenn, dann haben es sich die Betroffenen durch auffälliges Verhalten selbst zuzuschreiben.

Wer weiss mehr über Wein?

Im Fall des NZZ-Weinjournalisten Peter Keller erinnere ich mich an einen Artikel, der vor wenigen Jahren erschien und in dem sinngemäss stand, Weinblogger hätten keine Ahnung und könnten sich niemals mit der breiten und fundierten Wissensverbreitung einer NZZ bzw. eines Peter Keller messen. Ich fand – vielleicht etwas beleidigt -, Keller mache in der NZZ ja nicht so viel anderes als ich – nämlich einigermassen regelmässig meist über gerade mal einen Wein schreiben. Schon damals hat Adrian van Velsen in seinem Weinblog „vvwine“ auf humoristische Art reagiert. Den Link, mit dem man auch den seinerzeitigen Beitrag von Peter Keller lesen kann, finden Sie hier:

Unbedarfte Äusserungen.

Peter Keller für einmal nicht – nicht mal im zweiten Anlauf

Wer wie Peter Keller behauptet, er verstehe mehr von Wein als andere, setzt sich natürlich selbst unter Beobachtung. Und nun hat der NZZ-Journalist vor Kurzem einen Beitrag veröffentlicht, der nicht gerade für das Niveau dieses Medienhauses steht. Ich kann es aus den geschilderten Gründen nicht lassen, darauf einzugehen. Auf die Frage der Woche „Sind Orange-Weine nicht mehr sortentypisch und überbewertet?“ folgt diese Antwort:

„Orange-Weine werden wie rote Gewächse an der Maische vergoren, weder geschwefelt noch geschönt und filtriert. Viele sind fehlerhaft und stinken. In der Tat verschwinden in den meisten Fällen Sorten- und Herkunftstypizität. (….). Gewisse Sommelier-Kreise und Händler inszenieren einen Hype um Orange-Weine, obwohl dafür nur eine kleine Marktnische besteht. (…..).

Offenbar hat man an der Falkenstrasse zwar inzwischen festgestellt, dass da Unwissen verbreitet wird, denn Online lautet der Text inzwischen so:
Orange-Weine werden wie rote Gewächse für eine kürzere oder längere Zeit an der Maische vergoren. Dies ergibt die charakteristische Farbe. Die Weine werden so natürlich wie möglich produziert, weder geschwefelt noch geschönt und filtriert. Viele Beispiele sind meiner Meinung nach fehlerhaft, stinken und bereiten wenig Genuss. Das ist eine subjektive Wahrnehmung. Es gibt offenbar eine Schicht von Konsumenten und Konsumentinnen, die auf diese «neue» Farbe stehen.

https://bellevue.nzz.ch/kochen-geniessen/hype-um-orange-wines-sind-sie-ueberbewertet-ld.1732246

Trotz dieser Online-Korrektur, die ja übrigens sachlich noch immer nicht wirklich korrekt ist:

Benebeln stinkende Weine die Sinne?

Lieber Peter Keller. Ich schätze sonst ihr Fachwissen, ihre Texte und ihr degustatives Können sehr. Aber haben Sie sich wirklich noch nie mit Orange-Weinen ernsthaft auseinandergesetzt? Oder hatten Sie ganz einfach etwas zuviel Orange-Wein intus (kann ja vorkommen)? Oder waren Sie gar von den stinkenen Düften ganz einfach benebelt (wäre ja ein ernsthaftes Argument gegen unsaubere Naturweine, aber nicht zwingend gegen Organeweine)?
Und übrigens, war etwa auch der Lektor mit Ihnen zusammen auf Tour? Ein kurzes Nachsehen bei Wikipedia (googeln: oranger Wein) hätte sehr geholfen!

Wie auch immer, für einmal verstehen Sie etwas weniger von Wein als andere! Für alle Fälle, nebst Wikipedia hier noch zwei Tipps:

Vinum (die wissen was über Wein) oder Blogger als Nachhilfe

Lesen Sie zum Beispiel in Vinum 3/2023 (bei Vinum wissen sie ziemlich viel über Wein … sind ja auch keine Blogger), den Beitrag aus dem Elsass „denn sie wissen, was sie tun“, und geniessen Sie die Degustationsnotizen und auch den Text, aus dem ebenfalls hervorgeht, dass Orangeweine Naturweine sein können, aber nicht müssen. Die Serie der Orange- und Naturweine erzielte in der Degustation eine Durchschnittsnote von 17,1 und lag damit nur um einen Zehntelpunkt unter der hochkarätigen Serie mit klassisch produzierten Weinen:

https://www.vinum.eu/ch/magazin/reportagen/2023/elsass-klassisch-funky/

(Die Paywall wird ja die NZZ überwinden können)

Und selbstverständlich dürfen Sie notfalls auch in einem Blog nachlesen, auch wenn dessen Autor – und nun ernsthaft – gesamthaft sicher weniger weiss als Sie.

Oräntsch was? orange wine aus der Schweiz vom Feinsten! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Sie werden staunen, auch ich schreibe hier, dass oranger Naturwein stinken kann 🙂