Bodenständig, aber gut

Vom Reiz eines „einfachen“ Weins einer Genossenschaft

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Die Rebberge von Stammheim im vergangenen Herbst (Bild vl)

Der heutige Beitrag beginnt nochmals mit Niklaus Zahner aus Truttikon. Vgl.
https://victorswein.blog/2018/03/11/zur-illegalitaet-verfuehrt-zum-glueck/

Soeben hat mich der neuste Aussand von Zahner erreicht. Thema ist dabei ein Rückblick auf die beiden letzten Jahre, in denen zweimal Frost und dazu einmal Hagel massive Schäden anrichteten. Natürlich kann Zahner aus der Position des Etablierten schreiben, dennoch ist seine Aussage wohtuend:
„Wir mögen uns nicht grämen über zwei kleinere Ernten nach 20 Jahren Milch und Honig. Vielmehr sehen wir sie als Ausgleich für „vorgezogene Erträge“ und blicken mit Vertrauen der kommenden Saison entgegen„. Und noch ein Bonmot aus dem gleichen Aussand: „Eine Frostversicherung gibt es so wenig wie eine Versicherung gegen Steuern oder Weltuntergang“.

Nun aber zum Thema: Ich war gestern an einem Anlass, an dem zuerst ein Weisswein gereicht wurde, der wenige Kilometer weit entfernt vom oben erwähnten Weingut von Zahner wächst. Dieser Müller Thurgau war absolut enttäuschend (genau so schlecht, wie ich den Riesling x Sylvaner von vor 30 Jahren in Erinnerung habe), so dass ich mit vollem Weissweinglas sofort zum Roten wechselte.

Und dieser hat mich dafür total begeistert. Ein Pinot noir der Stammheimer Winzergenossenschaft aus der Halbliterflasche, aber in einer Qualität, die für einen einfachen Wein mehr als erstaunlich ist: Auf der Homepage der Genossenschaft wird der Wein so beschrieben:
Typische Pinot Noir Aromen nach Erdbeere, Himbeere, Rose und Zwetschge. Ein Rotwein mit gut strukturierter Fülle und harmonischer Trinkreife.

Dem ist nichts beifügen, ausser, dass dieser Wein einfach den ganzen Nachmittag und Abend mit jedem Schluck Freude machte. Und dass er – in der 75cl-Flasche – nur Fr. 11.30 kostet! Natürlich ist es kein grosser Wein, aber wenn ich die Wahl zwischen einem durchschnittlichen „Strassen-Burgunder“ (dieser Ausdruck besteht deshalb, weil diese Weine aus der Ebene östlich der grossen Weinbaudörfer der Côte d’Or, unten an der Landstrasse, stammen)  dann ziehe ich den Pinot der Stammheimer Winzerbaugenossenschaft jederzeit klar vor.

Und das schreibe ich jetzt wirklich nicht aus Lokalpatrotismus – im Gegenteil, ich habe dabei festgestellt, wie erschreckend wenig ich über diese örtliche Genossenschaft weiss. Gleiches gilt für einige der Winzer im Tal – ich werde deshalb künftig in sehr loser Folge hier auch mal mit vertieftem Lokalkolorit darüber berichten.

http://www.stammheimer-winzer.ch/home

 

Spitzenwein aus der Gluthitze!

Schnell: Welche Weine aus Andalusien kennen Sie?

Sherry, klar! Aber sonst? Jerez profitiert ja noch vom nahen, kühlen Meeresstrom. Aber im Hinterland, im Guadalquivir-Tal, dem spanischen Glutofen? Guter Wein, hier?

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Oliven, soweit das Auge reicht. Und hier soll Wein wachsen? (Bild vl)

Reisen bildet bekanntlich, und ein guter Kellner kann zur vinologischen Bildung beitragen. Schon die Erfahrungen mit den „Sherry-Doubles“ aus Montilla-Moriles waren eindrücklich. Nur, das ist eine spätere Geschichte.

Aber in der Region Jaén, etwa in der Mitte zwischen Cordoba und Granada gelegen, lernten wir auch Rotweine aus der Gegend kennen, die hervorragend waren. Rund um die Stadt erstreckt sich zwar über Dutzende von Kilometern ein Meer von Olivenbäumen, das grösste Anbaugebiet der Welt. Von hier stammt mehr Olivenöl als aus der ganzen übrigen EU zusammen.

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In der Sierra de Cazorla, bei Puerta de la Segura, wo der „enTreDicho“ wächst. (Bild il)

Aber mitten in diesem Meer gibt es kleine Weinbauinseln, so zum Beispiel in La Puerta de Segura, einem Eingangstor zum Nationalpark Sierre de Cazorla, in einer Höhe von 800 m über Meer und rund 150 Km südöstlich von Jaén. Von hier stammte der empfohlene Wein „enTreDicho“ des Winzers Pedro Olivares aus dem Jahr 2013, eine Cuvée aus Monastrell, Syrah und der lokalen Sorte Jaén Negro.

Entredicho heisst Verbot, Bann. Leider wird auf der Homepage des Gutes nicht erklärt, weshalb der Wein so heisst. Einen Hinweis gibt immerhin die Einleitung, gemäss der in der Region niemand nachvollziehen konnte, wie jemand auf die hirnrissige Idee kommen kann, mitten im Olivenmeer Wein anzupflanzen. Aber wenn man den Beschreibungen auf der Homepage Glauben schenkt, dann ist dieser Pedro Olivares, eigentlich ein „flying winemaker“, eben ein Weinverrückter im besten Sinne!

Wir waren von diesem Wein total begeistert! Vielleicht hat uns die Überraschung, einen so guten lokalen Wein zu finden, ja überpositiv urteilen lassen. Oder der brühmte Ferieneffekt stellte sich ein. Aber eigentlich bin ich sicher, dass ich den Wein auch zuhause so gut empfinden würde:

Tiefes Purpurrot, feine Aromen mit Anflügen von sowohl roten als auch dunklen Beeren, etwas Schokolade und frisches Gras (das von der Wiese!). Im Mund noch jugendlich, sehr dicht, prägnante, aber sanfte Tannine, gute Säure (!), mit einem eleganten, langen Abgang. Rundum toller Wein mit dem gewissen, so unbeschreiblichen Etwas!

Und zum Schluss: Der Wein stammt aus biologischem Anbau. Aber das merkte ich erst im Hotelzimmer beim Studium der Homepage des Gutes!

www.vinosbiodepedroolivares.com

Ein anderes Weingut liegt in Alcalá la Real, etwa 70 Km südwestlich von Jaén, ebenfalls mitten im „Olivenmeer“: Marcelino Serrano. Getrunken haben wir einen „Entretorres“, eine Mischung aus 80 % Syrah und 20 % Tempranillo. Extrem kraftvoll und gleichzeitig elegant, da muss manch ein grosser Rhônewein hinten anstehen.

www.marcelinoserrano.com

 

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Und sonst „nur“ Oliven