Roter Pinot noir im Juli: frühester Farbumschlag seit Menschengedenken …

.. und vermutlich gab es das überhaupt noch nie in der Geschichte des Schweizer Weinbaus.

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31.7.2018, Pinot noir (Burgunder Klon 115): so früh war der Farbumschlag seit Menschengedenken noch nie! (Immerhin sei angefügt: Der Hauptteil unseres Rebberges ist mit dem Klon Mariafeld bestockt, und dort sind erst einzelne Beeren farbig, aber dieser Klon ist immer später)

Ich weiss, jedermann merkt, dass wir ein klimatisch extremes Jahr haben. Aber vermutlich haben wir, seit es in der Schweiz Weinbau gibt, tatsächlich noch nie ein so frühes Jahr erlebt. Vergleicht man die Temperaturtabellen seit Messbeginn in der Mitte des vorletzten Jahrhunderts, war zumindest in dieser Zeit sicher nie ein Rebjahr so früh dran:

https://www.meteoschweiz.admin.ch/home/klima/klimawandel-schweiz/temperatur-und-niederschlagsentwicklung.html

Natürlich: 2003 war ähnlich, 2009 auch, und 2015 war ebenfalls warm. Aber noch nie in 30 Jahren als Hobbywinzer habe ich einen Farbumschlag (also der Moment, in dem die Trauben farbig, d.h. blau resp. am Anfang rosa werden) im Juli erlebt. Es gab sogar Jahre, in denen wir erst anfangs September die ersten Farbspuren sahen, und beispielsweise im Jahr 2003 war der Umschlag auch erst um den 20. August sichtbar.

Aber 2018 ist anders: Kurz nach Ostern stellte das Wetter auf „Sommer“ um, entsprechend verzeichnen wir seit April über vergleichsweise zu warmes Wetter. Obwohl die Reben aufgrund des kalten März eher spät austrieben, haben sie danach aufgeholt, und schon die Blüte war um zwei bis drei Wochen früher als üblich. Und seither war es einfach nur schön und warm. Diese stabile „Sommerwetterlage“ seit April führte also zu einem vielleicht, trotz Klimaerwärmung, einmaligen Ereignis – Farbumschlag beim spät reifenden Pinot noir schon im Juli!

Niemand kann heute seriöse Prognosen darüber abgeben, was das für die Weinqualität bedeutet. Aufgrund der Wettervorhersagen für die nächsten zwei Wochen dürfte zwar die Hitze und Trockenheit weitergehen. Aber ein verregneter Herbst, und alles kann anders sein. Oder Dürre bis in den September hinein, und dann kann es auch für die Reben zu trocken werden.

Vor allem aber: Ein guter Pinot noir braucht das Wechselspiel zwischen kalten Nächten und warmen Tagen, um seine Aromen entwickeln zu können. Nicht zufällig gibt es aus südlichen Gegenden praktisch keinen Pinot. Es kann also sein, dass 2018 ganz einfach zu heiss für guten Pinot wird. Aber vielleicht gibt es auch ein Happy-End: Ein paar Tage Landregen Mitte August und danach kühlere Nächte und weiterhin schöne Tage – dann, und nur dann, darf die Presse wieder von einem Jahrhunderjahrgang schreiben.

Aber wetten, sie tut das ohnehin schon in den nächsten Wochen?

Und zum Schluss noch dieses aktuelle Foto: Andalusien? Provence?

2018-andalusien-fragezeichen
Nein, Schweizer Mittelland, zwischen Winterthur und Stein am Rhein!

 

Hier noch ein paar weitere Links zum Wetter 2018:

https://www.watson.ch/schweiz/wetter/716040055-hallo-sommer-der-april-2018-war-der-zweitwaermste-seit-messbeginn
https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Die-waermste-AprilJuliPeriode-seit-Messbeginn-1864/story/30812580
http://www.meteozurich.ch/?tag=hitzesommer

Welch ein Weinjahr (bisher)!

Farbumschlag schon in der ersten Julihälfte! Ein verrücktes Jahr!

farbumschlag
12. Juli 2018 in der Schweiz: Die ersten Trauben werden farbig!

Zugegeben: Es handelt sich hier um eine Rebsorte, die wir für Tafeltrauben an der Hauswand ziehen. Aber die Muscat bleu wird durchaus auch zum Weinherstellung verwendet.

Bisher fanden wir es aussergewöhnlich, wenn der Farbumschlag hier in den letzten Julitagen erfolgte. Ein verrücktes Klima, ein aussergewöhnliches Weinjahr, mit rund 3 Wochen Entwicklungsvorsprung!

Hoffen wir, dass das Wetter es weiterhin gut meint, und hoffen wir, dass die Winzer und Weinmacher mit dieser aussergewöhnlichen Situation zurecht kommen. So stellt sich beispielsweise die Frage, ob ein Auslauben der Traubenzone in diesem Jahr Sinn macht. Mehr dazu in einem bald folgenden Beitrag in der Serie „virtuelles Rebjahr“.

https://victorswein.blog/virtuelles-rebjahr/