Domaine Léandre-Chevalier: Die letzten Weine von der Insel. Und ein herrlicher Weisswein voller Rätsel.

Kürzlich durfte ich einen Weisswein der Domaine Léandre-Chevalier geniessen, von dem ich behaupte, dass ein Weingenie ist wer errät, aus welcher Traubensorte er gekeltert wurde (und blind, woher er kommt). Der Wein ist noch erhältlich, genau wie die letzten Rotweine des „Insel-Abenteuers“ des Dominique Léandre-Chevalier!

Das Gut liegt mir, seit ich vor ein paar Jahren die ersten Weine probiert und „Pferdemann“ Dominique kennengelernt habe, am Herzen. Mehrfach habe ich in meinem Blog schon über die Domaine Léandre-Chevalier geschrieben, zuletzt über die wundersame Wiederauferstehung dank des Kaufs durch den Schweizer „Pferdemann“ Reto Erdin:
Domaine Léandre Chevalier: Die märchenhafte Rettung eines Ausnahmegutes in Bordeaux! – Victor’s Weinblog

Aus der „Vor-Konkurs-Phase“ gibt es auf dem Markt noch einige Weine, u.a. bei der Weinhandlung Gerstl. Der neue Besitzer des Gutes, Reto Erdin, hat aber mit dem Kauf auch noch einige spannende Weine übernehmen können, die nun auf der Website des Gutes angeboten werden. Zwei davon wird es leider nie mehr geben, denn auf die Herstellung der „Insel-Weine“ (vgl. Infos unter dem Link oben) muss aufgrund des ungewöhnlichen Aufwandes künftig verzichtet werden. Es gibt aber noch ein paar Flaschen aus den Jahrgängen 2014 und 2016, die als echte Raritäten jetzt erhältlich sind. Beide Weine, sowohl die im Holz ausgebaute Variante „Bois flotté“ als auch der im Stahltank produzierte „Equinoxe“ sind zwar keine wirklich grossen Bordeaux. Aber beide sind auf ihre Art aussergewöhnlich, vielschichtig und spannend, und angesichts des bescheidenen Preises auf jeden Fall eine Empfehlung wert. Beide sind trinkreif, werden sich aver noch lange halten, und während der „Bois flotté“ eher auf der filigranen Seite punktet, überrascht der „Equinoxe“ mit mit seiner druckvollen, an einen Rhônewein erinnernden Art:

Das schwarze Schaf des Bordelais. Diese Rücketikette der „Inselweine“ brachte DCL nicht nur Freunde ein – und sogar eine juristische Auseinandersetzung … (mit wem auch immer 🙂 )

Bois flotté, AOC Bordeaux, 2014 (angebaut auf der Gironde-Insel Patiras)
Dunkles, fast ins Violett kippendes Rot; dunkle Früchte (Heidelbeer, Brombeer), würzig, etwas Kaffee. Im Mund schöne Säure, feine, aber zurückhaltende Tannine, kaum spürbarer Alkohol, eher schlanker, filigraner Wein, mittlerer Abgang. 16 Punkte (= am oberen Ende gut).

Equinoxe, AOC Bordeaux, 2016, (angebaut auf der Gironde-Insel Patiras)
Dunkles Rubin; Duft nach Casssis und Brombeeren, aber auch helle Fruchtnoten, würzig mit Thymian und Oregano; im Mund rund und „saftig“, spürbare Säure und Tannine, enorme Frische, im mittleren Abgang etwas Alkohol merkbar. Spannender Wein, den ich blind für einen gelungenen Grenache aus Gigondas gehalten hätte (dabei besteht er aus 90 % Merlot)! 16 Punkte, und je länger ich den Wein genossen habe, wohl sogar mehr. Unglaublich viel Wein für nicht einmal CHF 15.00.

Ein Weisswein zum Rätseln
Nebst den „Inselweinen“ finden sich auch noch einige wenige weitere Tropfen von der eigentlichen, und nun erfreulicherweise geretteten Domaine Léandre Chevalier aus den Côtes de Blaye selbst im Angebot. Dabei ein rätselhafter Weisswein, der nur die Herkunft „Vin de France“ tragen darf. Was denken Sie, wenn Sie die nachfolgende Degustationsnotiz lesen? Um welche Traubensorte handelt es sich?

Parole à mon père, („Vin de France“), 2015
Mittleres Gelb, dezenter Duft nach Birne, weissem Pfirsich und Quitte, leichter Holzton mit Vanille-Touch; im Mund äusserst elegant und gleichzeit sehr dicht, Alkohol kaum spürbar, dafür ein wenig Tannin, eher tiefe Säure, aber trotzdem sehr frisch wirkend, sehr langer Abgang. Toller, spannungsvoller Wein, der entfernt an einen weissen Burgunder erinnert. 17 Punkte (= sehr gut).

Sauvignon blanc kann es nicht sein, dafür hat er zu wenig Säure und die „falschen“ Düfte. Semillon erst recht nicht, da sind die Düfte und Aromen viel zu weit weg. Was dann? Hat ja jemand im Bordelais Chardonnay angepflanzt? Oder vielleicht gar Marsanne? Oder? Oder?

Reto Erdin hatte mir bei unserem Treffen den Wein zur Begrüssung gereicht. Ich hatte absolut keine Ahnung, auf was ich tippen soll, ich wusste nur, dass das ein toller Wein ist. Und die Auflösung ist schon sehr aussergewöhnlich, ja – mit etwas Enthusiasmus – sogar sensationell: Es handelt sich um einen weiss gekelterten Cabernet-Sauvignon, der den biologischen Säureabbau gemacht hat!

Hommage an den viel zu früh gestorbenen Vater: DLC lässt ihn durch einen genialen und ganz speziellen Weisswein nochmals sprechen!

Dominique Léandre-Chevalier nannte diesen weissen Cabernet „Parole à mon père“. Dazu muss man wissen, dass sein Vater 1986 im Weinkeller aufgrund einer Kohlendioxid-Vergiftung ums Leben gekommen ist, was Dominique damals zwang, in jungen Jahren das Weingut zu übernehmen. Wenn er nun einen Wein so benannt hat, dann muss dieser ja etwas Spezielles sein. Kommt dazu, dass Léandre-Chevalier ein Bewunderer der Weine aus dem Burgund ist. Da ist es auch nicht erstaunlich, dass er einen Wein keltert, der blind durchaus für einen solchen gehalten werden könnte!

Der „Parole à mon père“ zeigt aber vor allem eines: Der Schöpfergeist und der Drang, Neues und Spannendes auszuprobieren, liegt sozusagen in den Genen von Dominique Léandre-Chevalier. Wir dürfen uns auf die Weine freuen, die in den nächsten Jahren entstehen werden!

Die Weine können hier bestellt werden:
Unsere Weine – Hommecheval

Ferner sind einige andere ältere Weine der DCL auch noch bei der Weinhandlung Gerstl und in Deutschland bei Lobenberg vorrätig:
Domaine Léandre-Chevalier – Weingüter (gerstl.ch)
Le Queyroux Dominique Leandre-Chevalier – Lobenbergs Gute Weine (gute-weine.de)

Provokation gelungen! Zu 100 %. Mit Petit Verdot.

Nach so vielen Weinen aus der Schweiz und aus Österreich wieder einmal ein Abstecher nach Frankreich. Ich komme auf die beiden Alpenländer zurück, versprochen, denn es lohnt sich!

Dass ich die Weine von Dominique Léandre-Chevalier mag, kann man schon der Startseite meines Blogs entnehmen. Oder dem Beitrag über den Merlot aus einer Bestockung mit 33’000 Rebstöcken pro Hektar.
https://victorswein.blog/2018/01/06/je-savais-que-cetait-impossible-alors-je-lai-fait/

Diesen Merlot, diesmal vom Jahrgang 2015, konnte ich kürzlich an einer Veranstaltung Arrivage Bordeaux 2015, vgl.
https://victorswein.blog/2018/04/26/bordeaux-2015-trau-schau-wem-vor-allem-dir-selbst/
erneut probieren, und mein Urteil ist auch für diesen Jahrgang: überwältigend! Und so viel filigraner und präziser als einige hochgelobte „Merlot-Fruchtbomben“ aus dem Libournais!

100%Fast noch eine Nuance faszinierender fand ich aber den gleichen Jahrgang des „100 % Provocateur“: Ein Wein, fast ausschliesslich aus der Rebsorte Petit Verdot, welche zwar zum Bordeaux-Blend gehören kann, aber, wenn überhaupt, fast immer ein Mauerblümchendasein fristet.

Dominique Léandre-Chevalier hingegen provoziert auch damit. Nicht genug, dass er an den „Côtes de Blaye“, also auf der nördlichen, „falschen“ Seite der Gironde Spitzenweine herstellt. Nein, er bringt auch noch einen Petit Verdot von wurzelechten Reben auf die Flasche. Und wie!

Es gibt nur rund 600 Flaschen pro Jahr von diesem Wein, der aus 0,3 Hektar stammt, die zum Teil auch mit 33’000 Stücken, also extrem dicht, bepflanzt sind. Wenn der erwähnte Merlot trotz Finesse eher „rund“ auftritt, dann bietet der Petit Verdot sozusagen das Gegenstück: elegant, gleichzeitig frisch und saftig, aber auch wild und ungestüm; in dieser Hinsicht fast wie ein Syrah. Und bei allem hat auch dieser Wein eine unglaubliche Länge, der Abgang will fast nicht enden!

Angesichts dieses Weines fragt man sich nur, warum Petit Verdot eine so marginale Bedeutung aufweist? Vielleicht braucht es halt eine Provokation, damit das ändert?

Wenig erstaunlich ist, dass der Wein des Jahrgangs 2015 angesichts der bescheidenen Gesamtproduktion bereits ausverkauft ist. (Erfeulich hingegen, dass ich dank rechtzeitiger Bestellung demnächst ein Prozent der Produktion zugestellt erhalte!).

Fazit: Möge Léandre-Chevalier noch lange provozieren!

Klicke, um auf 13%20%20petit%20Verdot%20Allemand.pdf zuzugreifen

https://www.gerstl.ch/de/rotwein/frankreich/bordeaux/vin-francais/leandre-chevalier-le-queyroux-petit-vin-francais-product-1256.html
(Vom Jahrgang 2014, den ich aber nicht probiert habe, gibt es Stand heute Abend noch genau 5 Flaschen ……)

 

 

 

Je savais que c’était impossible … alors je l’ai fait!

dlc
„l’homme cheval“ – Dominique Léandre-Chevalier und sein Pferd (Bild: http://www.lhommecheval.com)

33’333 x 3 = das Maximum!

Quizfrage: Wie viele Stöcke Reben stehen in einem üblichen, modernen Weingarten? 5’000? Oder gar 7’000? Die Reben der Domaine Léandre-Chevalier (kurz: DLC) stehen viel dichter, rund 10’000 Stöcke pro Hektar. Das bedeutet, dass für den gleichen Ertrag pro Stock nur rund die Hälfte der Trauben am Stock hängen muss. Dichter setzen ist generell wieder aktuell geworden, und mit 10’000 Stöcken steht die DLR längst nicht mehr allein da. Aber Dominique Léandre-Chevalier setzte noch einen drauf: 33’333 Stöcke pro Hektar! Auf seiner Homepage wird man empfangen mit den im Titel zitierten Worten: „Ich wusste, dass es unmöglich war … also habe ich es gemacht“!

Das Weinhaus Gerstl machte es vor ein paar Monaten im Rahmen der Bordeaux-Arrivage möglich, den so gewonnenen Wein im Beisein von Dominique Léandre-Chevalier in der Schweiz zu probieren. Gegenübergestellt (und so auch zum Verkauf angeboten) wurden zwei sortenreine Merlots des Jahrgangs 2014, die unter völlig identischen Bedingungen gewachsen waren und vinifiziert wurden. Der einzige Unterschied: Im ersten Fall stammten die Trauben aus einer Pflanzung mit einer Dichte von 11’111 Stöcken, im zweiten mit 33’333 (mit nur noch etwa drei Trauben an jedem Stock). Die Degustation war ein Erlebnis: Während schon der 11’111 sehr überzeugte, zeigte sich der 33’333 schlicht umwerfend: Konzentrierte Aromen von dunklen Früchten, und im Mund fein und gleichzeitig unendlich kraftvoll, dicht und lang; eigentlich fast ein Wein zum Abbeissen! Für mich, selbst aus dem – freilich unterschätzten – Jahrgang 2014, einer der besten Merlots der Welt. Und vor allem ein Wein zum Meditieren.

Das Verrückte daran: Der 11’111 ist ebenfalls ein ganz toller Merlot auf Augenhöhe mit vielen höherpreisigen Weinen aus der gleichen Sorte. Aber neben dem 33’333 fällt er geradezu ab. Der Beweis scheint erbracht: Dicht pflanzen und dabei den Ertrag pro Stock reduzieren ist der Schlüssel zu grossen Weinen.

Noch ein paar Worte zum Weingut und dessen Inhaber: Letzterer scheint vor Kraft zu strotzen, und seine Ausstrahlung und Überzeugungskraft beeindruckten; bestimmt, engagiert und trotzdem bescheiden im Auftreten. Presse und Weinhandel pflegen gerne das Image des „homme cheval“, der seine Reben in Persona mit dem Pferd bewirtschaftet.

Auch er selbst wirbt auf diese Weise (vgl. Foto ganz oben), ist aber ehrlich genug, auf seiner Homepage darauf hinzuweisen, dass er durchaus auch moderne Technik und Fahrzeuge einsetzt, aber mit Augenmass und Erfindergeist. Das Sortiment der Domaine (AOC Blaye Côtes de Bordeaux) ist reichhaltig und umfasst auch weisse Weine. In der Schweiz und Deutschland erhältlich sind allerdings vom Normalsortiment in der Regel „nur“ der Le Joyau de Château le Queyroux und der 100% ProVocateur, ein sortenreiner Petit Verdot . Beide sind eine Entdeckung wert, auch – oder gerade – weil sie vom „falschen“ Ufer der Gironde stammen!

http://www.lhommecheval.com

Bezugsquelle Schweiz:
http://www.gerstl.ch

Bezugsquelle Deutschland:
http://www.gute-weine.de

pauillac
Welches ist die falsche Seite der Gironde? Die grossen Massen strömen ins Médoc (hier bei Pauillac). Dabei hat die andere, die „falsche“, Seite in der Nähe von Blaye Spannendes zu bieten. (Bild vl)