Alter Name – neue Dynamik: Ferraton in Tain l’Hermitage.

Ferraton Père et Fils, ein alt eingesessenes Gut in Hermitage, hat sich in den letzten Jahren gewandelt – von gut zu aussergewöhnlich. Syrah und Marsanne zum Wiederentdecken, auch in den kleineren Appellationen! Und alles bio-dynamisch.

Hermitagehügel
Der berühmte Hügel von Hermitage von Tournon aus gesehen (Aufnahme aus 1991)

Ich erinnere mich gut an einen Besuch bei Ferraton Père et Fils in der Altstadt von Tain l’Hermitage im Jahr 1991. Michel Ferraton empfing mich sehr zurückhaltend und taute erst etwas auf, nachdem ich seine Weine positiv kommentiert hatte. Er erzählte mir danach von seiner Frustration über eine in der Woche zuvor erschienene Publikation von Michel Bettane, in der die Weine vor Ferraton geradezu verrissen worden waren. Ich konnte das nicht nachvollziehen, auch wenn Ferratons Weine nicht wirklich Spitze waren, so hatten sie doch Charakter und waren sauber – im Gegensatz zu einigen anderen Weinen aus der nördlichen Rhone zu jener Zeit. Und selbst Parker himself benotete die Cuvée des Miaux der 80er-Jahre regelmässig mit 90 Punkten.

Allerdings war es damals auch nicht ganz so schwierig, beim Hermitage weit vorne im Ranking zu stehen. Chave war outstanding (ich habe allerdings im Parker-Buch „The Wines of the Rhône Valley“ nachgesehen, auch er schaffte in jenen Jahren nur 3 Parker-Punkte mehr), Paul Jaboulet Aîné war gerade daran, mit seiner „La Chapelle“ auf ein ähliches Niveau aufzusteigen und Guigal sowie Delas brachten schöne Hermitage in die Flasche. Aber sonst? Châpoutier, heute absolute Spitze, war qualitativ in einer tiefen Baisse und Sorrel pendelte zwischen genial und schwierig. Und Faurie, Grippat und Fayolle brachten jedenfalls keine besseren Weine hervor als Ferraton.

Genug der Erinnerungen: Bei Ferraton übernahm schon bald Sohn Samuel das Ruder, und heute gehören die Weine zum Allerbesten, was die nördliche Rhone zu bieten hat. Die Entwicklung hängt eng zusammen mit der Metamorphose, welche das Haus Châpoutier erlebt hat. Dort entschied sich der junge Michel Châpoutier voll für Qualität und bio-dynamischen Rebbau und setzte (und setzt) damit Qualitätsmassstäbe. Den Ferratons freundschaftlich verbunden, übernahm er den Betrieb um die Jahrtausendwende (je nach Quelle beteiligte er sich auch „nur“ finanziell), und auch die Reben von Ferraton wurden fortan bio-dynamisch bewirtschaftet. Das Gut blieb aber eigenständig und verstärkte sich in den Folgejahren auch zusätzlich mit hervorragenden Oenologen. Mit grossem Erfolg, das Haus gehört heute zu den angesehensten Betrieben der nördlichen Rhone – und erzielt leider auch entsprechende Preise für die Spitzenweine. Diese liegen in einer Grössenordnung, welche nicht zum Konzept meines Blogs passen und welche ich auch ganz privat nur in wenigen Ausnahmefällen zu bezahlen bereit bin.

Es war deshalb naheliegend, die „kleineren“ Weine des Betriebes zu probieren. Die Chance dazu bot sich, weil Gerstl neu einige Weine von Ferraton im Angebot hat. Also bestellte ich bei passender Gelegenheit je einen Syrah aus Crozes-Hermitage und einen Marsanne aus St. Joseph dazu. Beide Weine überzeugten vollauf:

crozes-hermitageCrozes-Hermitage Les Pichères 2015
Dunkles, sehr dichtes Purpur; Pfeffer, Cassis, Heidelbeeren; satte, leicht trocknende Tannine, prägnante, schön stützende Säure, „feurig“, gesamthaft sehr kraftvoll und doch mit schöner Eleganz und Harmonie, mittlerer Abgang. Toller Syrah, der jetzt schon grosse Freude macht, dem aber ein paar Jahre Langerung noch gut tun.

St. Joseph La Source 2016 (weiss)
Mittleres Strohgelb; Mirabellen, weisse Pflaumen, grüne Töne; sehr dicht im Mund, spürbarer Süsskomplex bei eher tiefer Säure, dafür sehr mineralisch, mundfüllend und rund, sehr langer Abgang. Schöner, sehr typischer Marsanne, der mit einer Nuance mehr Säure noch spannender wäre. (Im Gegensatz zu Gerstl, der ihn als idealen Sommerwein sieht, würde ich ihn an kühlen Herbsttagen hervorholen. Dafür gibt ihm Gerstl auch „nur“ 17,5 Punkte. Ich würde 16,5 Punkte verteilen, was dann relativ gesehen aufgrund der Notenskala von Gerstl aber eigentlich höher liegt – schön, wenn ein Weinhändler nicht übertreibt!).

Rundum: Zwei sehr gelungene, empfehlenswerte Weine aus kleineren Appellationen der nördlichen Rhone, welche noch bezahlbar sind (rund CHF 30.00). Sie machen Lust auf die grossen Weine von Ferraton – wären da nur nicht die Preise um CHF 100.00 (was ja immerhin, verglichen mit einigen anderen, immer noch „günstig“ ist).

Und Michel Bettane? Er scheint Ferraton auch wieder zu mögen. Er gibt, bzw. Bettane + Desseauve geben, dem Pichères 2015 auf den ersten Blick bescheidene 15 Punkte. Das ist aber eine wirklich gute Note; die beiden französischen Weinkritiker haben sich nie der „Punkteinflation“ angeschlossen. Zum Vergleich: Die Domaine de Thalabert 2014, eine Referenz für die Appellation Crozes-Hermitage von Jaboulet Aîné, bekommt 14,5 Punkte – Parker gibt dem gleichen Wein 91!

http://www.ferraton.fr/
https://www.gerstl.ch/de/sortiment/weisswein/frankreich/rhone/rhone-nord/ferraton-pere-fils-la-source-product-15528.html (der Syrah ist nicht mehr im Angebot)
https://www.gute-weine.de/frankreich/rhone/nordrhone/ferraton-pere-et-fils/

https://www.chapoutier.com/fr/


Infos zu den Weinbaugebieten:

Crozes-Hermitage: Diese Appellation liegt am linken Ufer der Rhone und ist das grösste Gebiet der nördlichen Rhone mit rund 1’400 Hektar Reben, wobei mehr als 90 % der Produktion auf Rotwein aus Syrah entfällt. Für Weisswein sind Marsanne und Roussanne zugelassen. Das Zentrum des Gebietes ist eigentlich Tain l’Hermitage, das Anbaugebiet befindet sich nördlich, südlich und östlich des Städtchens. Je teurer und gefragter die Weine vom Hermitagehügel werden, desto mehr verlangert sich das Interesse auf dieses Gebiet, das in den beiden letzten Jahrzehnten auch enorme qualitative Fortschritte gemacht hat.

Hermitage: Direkt überhalb von Tain l’Hermitage liegt der Hermitage-Hügel (siehe Bild), der je nach Lage von Granit, Lehm, Sand oder Sandstein geprägt ist. Auf diese Appellation entfallen nur 136 Hektar Rebfläche, und entsprechend rar sind die Weine. Hermitage gilt in der nördlichen Rhone, etwas konkurrenziert durch die nördlich am anderen Rhoneufer gelegene Appellation Côte Rôtie, als die Paradelage für Weltklasse-Syrah (und ein wenig Weisswein aus den gleichen Sorten wie in Crozes-Hermitage).

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Blick von ganz oben. Die „Chapelle“ auf dem Hermitagehügel. Unten Tain l’Hermitage und auf der anderen Seite der Rhone Tournon (und ein Teil des Anbaugebietes von St. Joseph).

St. Joseph: Diese Appellation befindet sich auf der rechten Seite der Rhone und erstreckt sich über rund 50 Kilometer Länge – teils direkt gegenüber von Hermitage bzw. Crozes Hermitage. Es sind rund 1’100 Hektar bepflanzt, und die Traubensorten sind die gleichen wie auf der anderen Rhoneseite. Praktisch gleich wie Crozes-Hermitage hat sich auch St. Joseph zu einem ernst zu nehmenden Gebiet entwickelt.

 

Ein 28-jähriger Hermitage: chamäleonal!

Trotz Vorurteilen: „Monier de la Sizeranne“ 1990 phänomenal gut

Hermitage anfangs der 1990er-Jahre, das waren Jean-Louis Chave und die beiden Handelshäuser Jaboulet Aîné und Chapoutier. Vielleicht noch Sorrel und Faurie, aber die waren damals etwas unregelmässig. Und Ferraton, heute hoch gelobt, war im besten Fall Mittelmass. Allerdings hatte in jener Zeit auch das Haus Chapoutier nicht den allerbesten Ruf.

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Am Hügel von Hermitage vor dreissig Jahren wie ein Sinnbild: Chapoutier damals weit unter Jaboulet Aîné. (Bild vl, 1991)

Ein bisschen zeigte sich das schon bei Besuchen der beiden Häuser: Bei Chapoutier in einem dunklen, alten Kontor – bei Jaboulet etwas ausserhalb von Tain in einem hellen, stolzen und modernen Neubau.

Die damalige Wertschätzung zeigte sich auch später: Frustriert davon, dass Weine, die ich für rund Fr. 30.– eingekauft hatte, plötzlich mehr als den zehnfachen Wert aufwiesen, und neue Jahrgänge weit über meinen finanziellen Möglickeiten kosteten, wollte ich vor etwa 10 Jahren einige Flaschen verkaufen. Während für den 90er „La Chapelle“ von Jaboulet ein Phantasiepreis bezahlt wurde, wollte der renommierte Ankäufer von Chapoutiers „Monier de la Sizeranne“ des gleichen Jahres schon gar nichts wissen. So lagerte diese Flasche eben weiterhin in meinem Keller, und jedes Mal, wenn ich mit dem Gedanken spielte ihn zu öffnen, verwarf ich die Idee, weil ich eine Enttäuschung erwartete.

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Wunderschöne Landschaft, herrlicher Wein: Der Hermitagehügel über der Rhone, von unten und von oben. (Bilder vl, 1991)

Die qualitative Wiedergeburt des Hauses Chapoutier

Gerade im Jahr 1990 sollte aber auch in der langen Geschichte des Hauses Chapoutier (es wurde schon 1808 gegründet) ein neues, erfolgreiches Kapitel aufgeschlagen werden. Michel Chapoutier übernahm die Leitung von seinem Vater Max, und der Sohn war sich bewusst, dass sein Unternehmen nur mit Qualitätsarbeit eine Zukunft hat. Vor allem aber stellte er nach und nach auf biodynamische Produktion um. Heute geniesst das Haus Chapoutier zu recht wieder einen hervorragenden Ruf, und ich bin sicher, dass ein Raritätenhändler in 15 Jahren noch so gerne einen „Monier de la Sizeranne“ aus der aktuellen Zeit aufkaufen würde.

Und trotzdem: auch der 1990er war phänomenal gut

hermitag-chapoutirKürzlich obsiegte dann doch die Neugierde in Bezug auf den Zustand des Jahrgangs 1990. Schon die ersten Aromen in der Nase zeigten, dass der Wein sicher noch trinkbar war. Vorherrschend waren Liebstöckel und Thymian. Auch ein erster Schluck überzeugte, ein zwar eher filigraner Wein, aber noch jung wirkend, mit präsenten Tanninen und vor allem auch Säure. Auch die Farbe war noch erstaunlich jugendlich.

Nach etwa einer Stunde Luftkontakt hatte sich der Wein verändert, als wäre er ein Chamäleon. Nun duftete er auch wie ein junger Wein, und zwar eher wie ein Pinot als wie ein Syrah: helle Beeren und Anflug von Waldpilzen. Das Trinken des Weines war ein Hochgenuss, auch im Mund war er runder und ausgewogener geworden – einfach phänomenal gut! Und der Beweis, dass Chapoutier auch in den eher mageren Jahren sehr guten Wein machen konnte.

Das Finale folgte aber erst noch: Ich liess ganz bewusst etwas von dem Wein stehen und probierte ihn andertags nochmals: Erneut hatte er sich total verändert, jetzt überwogen dunkle Beerenaromen, Cassis und Lakritze. Vor allem aber war der Wein noch immer voll präsent und genussvoll zu trinken. Ich bin überzeugt, dass er auch in nochmals 10 Jahren noch Freude machen würde.

Also, liebe Raritätenhändler, wenn euch jemand eine solche Flasche anbietet: zugreifen! (Oder vielleicht auch besser nicht – der verhinderte Verkäufer soll ihn ruhig selber trinken, das macht richtig Spass!)

https://www.chapoutier.com/

https://www.delinat.com/chapoutier.html

http://www.jaboulet.com/Website/site/fra_prehome.htm

http://hermite.fr/domaine-jean-louis-chave/

http://www.marcsorrel.fr/

http://www.ferraton.fr/

Und hier noch der erwähnte Händler, ihn habe ich als sehr offen und fair erlebt:

http://www.cavebb.ch/de/