Jahr des Winzers: Die Handarbeit geht beim Einschlaufen weiter

Im Moment wachsen die Reben fast schneller, als man als (Hobby-)Winzer arbeiten kann. Kaum ist das Erlesen im ersten Durchgang fertig, gilt es schon, die Reb-Triebe einzuschlaufen. Zumindest in unseren Breitegraden werden oft Drähte fix gespannt, die den Reben links und rechts sozusagen eine Wachstumsgrenze vorgeben. Nur muss bei vielen der Triebe manuell nachgeholfen werden. Wenn man das nicht tut, wachsen sie quer durch die ganze „Gasse“ (Platz zwischen zwei Rebzeilen), behindern so die Spritz- und Mäharbeiten – und knicken oft sogar ab, insbesondere bei Gewitterstürmen.

Also gilt es, jetzt alle Triebe „einzuschlaufen“:

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Die Reben vor der Arbeit des Einschlaufens. Hier würde insbesondere der mit 1 bezeichnete Trieb immer weiter von der Reihe weg wachsen, die ganze „Gasse“ überqueren und bei einem heftigen Sturm auch abknicken.
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Der gleiche Bereich nach dem Einschlaufen. Die Triebe im Vordergrund werden jetzt vom Draht gestützt, und insbesondere der Trieb 1 wird nun innerhalb des Drahtes in die Vertikale gebracht.

Im Profi-Rebbau gibt es inzwischen Systeme, die Handarbeit erübrigen (z.B. maschinelles Spannen von Schnüren entlang der Rebzeilen). Für kleinere Betriebe – und für Hobbywinzer erst recht – bleibt aber nur die Handarbeit. Das Einschlaufen bedingt übrigens ziemlich viel Gefühl: geht man zu schnell und ruckartig vor, können die Triebe beim Einschlaufen auch abbrechen.

Sie sehen auch hier: Winzer sein mag spannend tönen, ist aber kein Zuckerschlecken.

Jahr des Winzers: Jetzt beginnt die arbeitsreichste Zeit.

Dieser Frühling, der eigentlich schon ein Sommer ist, hat dazu geführt, dass sich die Reben in einem kaum je gesehenen Tempo entwickeln. Vor zwei Wochen erst sich öffnende Knospen, und heute schon 20 cm lange Triebe. Besser könnte es gar nicht sein. Aber das heisst jetzt auch, „alle Arbeit auf einmal“!
Und weil die Langfristprognosen von lauen Nachtemperaturen ausgehen, kann man es zudem wagen, auch schon die Frostreserven zu entfernen.

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Das „Erlesen“ – reine Handarbeit! (Der Autor in Aktion).

Die Reben haben eine unglaubliche Wuchskraft. Im Frühling spriessen immer weit mehr Triebe, als für einen qualitätsbewussten Weinbau sinnvoll ist. Es heisst also, jeden Stock einzeln zu bearbeiten und überzählige, schwache oder falsch platzierte Geschosse zu entfernen. So maschinell, wie im Rebberg schon vieles geht – das ist auch bei Profis noch reine Handarbeit! Das Erlesen verlangt sehr viel „Fingerspitzengefühl“, und das auch schon im Hinblick auf das kommende Jahr, denn man muss jetzt schon daran denken, welche Triebe beim Schnitt im nächsten Jahr verwendet werden können.

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Ein Stock vor dem Erlesen und dem Entfernen der „Frostruten“

Wie erwähnt, ist jetzt auch die Zeit, die stehen gelassenen Frostruten
zu entfernen. Siehe dazu: https://victorswein.blog/2018/02/11/virtuelles-weinjahr-folge-1-der-schnitt/
Zwar ist die Frostgefahr noch nicht ganz vorbei (nach dem Volksmund ist dies erst nach den „Eisheiligen“ mit dem Höhepunkt der „kalten Sophie“, 2018 am 15. Mai, der Fall), aber die Reben sind so schnell gewachsen, dass überzählige Ruten jetzt entfernt werden müssen. Zudem tönen die Wetterprognosen vielversprechend.

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Und der gleiche Stock danach, es stehen nur noch 10-12 Geschosse, an denen dereinst die Trauben heranwachsen werden.

Deshalb kann das Erlesen und das Entfernen der „Frostruten“ gleich in einem Arbeitsgang durchgeführt werden. Um es allerdings vorweg zu nehmen: Das Erlesen wird noch in  einem zweiten oder gar dritten Durchgang wiederholt werden müssen. Die Reben sind nämlich mit so viel Wuchskraft versehen, dass in den nächsten Wochen immer wieder neue Triebe direkt aus dem alten Holz austreiben werden. Auch diese müssen noch entfernt werden, weil sie die Rebe sonst Kraft kosten und zudem für ein dichteres Laubwerk und damit für mehr Fäulnisanfälligkeit sorgen würden.

Sie sehen, Rebarbeit ist weiterhin viel Handarbeit. Mir macht es Spass – aber stellen Sie sich vor, wie das für Berufswinzer ist: wochenlang nichts anderes, und erst noch bei jedem Wetter!


Unser Sonderfall mit Hagenschäden – die Frostrute wird zur „Hagelrute“

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Die eigentlich für den Ertrag vorgesehene, auf den Draht gebundene Rute (1) ist vom Hagel komplett zerstört, ebenso die eigentlich als Reserve vorgesehene Rute (2). Ziemlich unversehrt ist aber eine weitere Reserve (3), die man in normalen Jahren nicht stehen gelassen hätte. Diese kommt nur als Ersatz zum Zuge.

Im Sommer 2017 zerstörte eine sogenannte „Superzelle“ mit Sturm und Hagel so ziemlich alle Kulturen in der Region. Wir hatten letztes Jahr zum ersten Mal überhaupt in 30 Jahren keinen Ertrag. Selbst das Rebholz sah so jämmerlich zerfetzt aus, dass man sich die Frage stellte, ob 2018 überhaupt etwas wachsen würde.

Nun, die Rebe ist eine unglaublich vitale Pflanze, und das Bild, das sich jetzt beim Austrieb zeigt, ist sehr beruhigend. Dennoch sind die Schäden unübersehbar. Es gibt kaum eine Rute, an der alle „Augen“ auch tatsächlich ausgeschlagen haben, und viele der Geschosse weisen einen Rückstand im Wachstum aus. Weil wir diese Situation erwartet hatten, haben wir beim Rebschnitt viel mehr stehen gelassen als üblich. Das zahlt sich nun aus. Dank der deshalb möglichen Verwendung weiterer Ruten kommen wir an den meisten Stöcken doch auf die gewünschte Anzahl an kräftigen Geschossen.

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Hier ist nun die Rute 3 vom vorherigen Bild auf den Draht gebunden und wird den gewünschten Ertrag bringen.

Allerdings bedeutet dieses Vorgehen künftig auch mehr Arbeit. Die Geschosse wachsen nun nach dem Biegen der Rute in eine falsche Richtung. Vieles wird die Natur zwar von selbst neu richten, aber Handarbeit beim Anbinden und in die richtige Richtung weisen wird hier unabdingbar sein.