Das Jahr des Winzers (16): Der Saisonhöhepunkt, der „Wümmet“.

Abschluss und Krönung: der „Wümmet“ (die Weinlese)

Im Herbst, wenn die Weinlese (bei uns in Ostschweizer Mundart „Wümmet“), ansteht, hat der Hobbywinzer plötzlich ganz viele Freunde, die auch gerne bei der Weinlese mithelfen würden! Dabei sind unsere 4 Aren in der Regel sehr schnell geerntet, und dazu genügt das bewährte Team:

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Drei Generationen am Werk: Grossmutter resp. Mutter (90), Sohn und Autor des Blogs (60) sowie Enkel (30)
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Werni, mein Rebberg-Compagnon seit 30 Jahren.
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Und die beiden für die Ernte unverzichtbaren „besseren Hälften“

 

Tatsächlich ist der „Wümmet“, also die Weinernte, ein Fest. Nach einem Rebjahr schöne und reife Trauben ernten zu können, entschädigt für alle Mühen im Verlauf des Jahres.

Allerdings ist auch die Weinlese in unseren Breitengraden nicht immer nur festlich. Wer reife Trauben will, riskiert oft auch Fäulnis. Und im Jahr 2018 waren die Wespen sehr aktiv, so dass jede einzelne Traube von den „Wümmerinnen und Wümmern“ sehr genau angesehen werden musste. Von Wespen angestochene Beeren sind gefährlich, da sie Essigbakterien in den Wein bringen können. Auch faule Beeren müssen einzeln entfernt werden. Um eine gute Qualität zu erreichen, werden bei uns alle Trauben beim Leeren der Kübel in grössere Behälter nochmals geprüft. (Profibetriebe lassen die Trauben bei der Anlieferung oft über ein Band laufen, wo erfahrene Personen schlechte Trauben und Beeren nochmals ausscheiden).

Am Abend, wenn alle Trauben im Fass sind – dann freilich stellt sich beim (Hobby-)Winzer eine grosse Zufriedenheit ein. Bei jenen, die von den Reben leben, sicher auch ein grosses Aufatmen!

Schluss der Serie „virtuelles Jahr des Winzers“

Mit diesem Beitrag endet „das virtuelle Jahr des Winzers“. Ich hoffe, die Serie hat einen kleinen Einblick in die tolle, aber oft auch harte Arbeit gegeben, die notwendig ist, um einen guten Wein zu erzeugen. Wer will, kann mit diesen Links alles nochmals nachlesen:
https://victorswein.blog/virtuelles-rebjahr/

Und im nächsten Februar startet glücklicherweise alles wieder von vorne: Wir beginnen mit dem Schneiden der Reben:
https://victorswein.blog/2018/02/11/virtuelles-weinjahr-folge-1-der-schnitt/

Und zum Schluss: 2018 war ein in jeder Hinsicht ver(-)rücktes Jahr. Noch nie haben wir in den 30 Jahren zuvor im September Pinot noir geerntet; es gab schon Jahre, da lag der „Wümmet“ im November – diesmal fand die Ernte schon am 22. September statt. Noch nie haben wir wie 2018 Trauben mit 106° Oechsle abgeliefert – und gleichzeitig (und dafür schäme ich mich eher) haben wir noch nie eine so grosse Menge geerntet (260 kg auf 4 Aren).

 

 

Das Jahr des Winzers (15): detailbesessene Qualitätspflege

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Wespen lieben süsse Trauben. Manuelle Arbeit bei der Entfernung von angefressenen Beeren hilft, die Weinqualität zu steigern (Bilder vl)
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Die von Wespen angefressene Beere (rechts, rot eingekreist) wird entfernt, damit wieder eine pefekte Traube zur Ernte bereit steht

Bald neigt sich das Weinjahr mit der Ernte dem Höhepunkt und Ende entgegen. Wie gut der Wein des Jahres dann wird, hängt weit gehend von den klimatischen Bedingungen, aber auch von der bisherigen Rebarbeit ab. Im Herbst kommt nun in qualitätsbewussten Betrieben noch das „Tüpfchen auf dem i“ dazu. Wer riesige Flächen zu bearbeiten hat, kann diese Detailarbeit nicht ausführen, aber wer wirkliche Spitzenweine herstellen will, kommt nicht um diese aufwändige Pflege umhin! Von Martha Gantenbein gibt es die – vermutlich wahre – Legende, dass sie im Herbst täglich alle Rebzeilen abschreitet und akribisch alle unerwünschten Trauben und Beeren entfernt.

Oben abgebildet ist die „Arbeit“ der frechen Wespen. Nicht entfernte, angefressene Beeren können die Bildung von Essigbakterien fördern, was zu Fehlgärungen, und im Extremfall zu ungeniessbarem Wein führen kann.

Es gibt aber auch Qualitätsarbeit im ganz kleinen Rahmen:

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Ein keines Detail: Eine Beere, die noch völlig unreif ist (links, rot eingekreist). In einem Durchschnittswein macht das nichts aus – für einen Spitzenwein kann das sich negativ auswirken, vor allem, wenn es viele Trauben mit solchen Beeren gibt.
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Ein anderes Beispiel einer in der Entwicklung zurückgebliebenen Beere. Solche Beeren beginnen häufig auch schneller zu faulen, das Entfernen dient also der Weinqualität gleich doppelt

 

Spitzenqualität beim Wein hat also immer auch mit – arbeitsintensiver – Detailpflege zu tun. Man wundere sich deshalb nicht, dass Qualität auch mehr kostet.

Es zieht sich wie ein roter Faden durch „das Jahr des Winzers“: Ohne Handarbeit geht wenig, und dort, wo eine Mechanisierung oder Automatisierung möglich ist, ersetzt sie trotzdem nur bedingt die qualitätsbewusste Handarbeit.

Das, was ich in diesem Beitrag schildere, wird nur von qualitätsbesessenen „Freaks“ wirklich ausgeführt – aber genau das macht u.a. den Unterschied zwischen einem nur guten und einem herausragenden Wein aus.

Es lebe die qualitätsbewusste Handarbeit!

 

 

 

Jahr des Winzers (13): Die Ertragsregulierung

Eigentlich verhält sich die Rebe wie ein „Unkraut“, sie wächst und wächst, und sie produziert Trauben in grossen Mengen. Ein Freund von mir erntete kürzlich von einem einzigen Rebstock 40 Kg Trauben! Diese Menge lässt zwar das Herz jedes „Mengenproduzenten“ steigen, nicht aber das eines qualitätsbewussten Winzers. Es ist eine Binsenwahrheit, dass gute Weinqualität nur durch eine rigorose Mengenbeschränkung möglich wird.

Diese Mengenbeschränkung beginnt schon beim Schnitt der Reben
https://victorswein.blog/2018/02/11/virtuelles-weinjahr-folge-1-der-schnitt/

Aber auch ein kurzer Schnitt bringt noch nicht immer die gewünschte geringe Ertragsmenge. In vielen Weinregionen gibt es dazu sogar gesetzliche Vorschriften. So darf etwa für einen Chambertin nur 35 hl/ha geerntet werden, für einen Pomerol 40 und für einen Barolo 55. In der Schweiz, Deutschland und Oesterreich, aber auch im Elsass, liegen die entsprechenden Zahlen eher bei 70 oder 80, aber auch hier ist unbestritten, dass Qualität nur über eine Beschränkung der Quantität gesteigert werden kann.

Grundsätzlich ist das angewandte Mass (Menge pro Fläche) sicher nicht das bestmögliche, aber es ist eines, das mit vernünftigem Aufwand messbar ist. Wer wirklich guten Wein produzieren will, wird vor allem auf den Ertrag pro Stock achten. Die Formel ist klar: je weniger Trauben an einem Stock, desto konzentrierter wird der Wein. Deshalb gibt es ja auch „verrückte“ Winzer, die 33’333 Stöcke pro Hektar pflanzen!
https://victorswein.blog/2018/01/06/je-savais-que-cetait-impossible-alors-je-lai-fait/

Wir lassen beim Schnitt der Reben (siehe oben), 5-6 „Augen“ stehen, dazu eine Reserve. Das bedeutet also, dass zwischen 11 und 13 Rebtriebe entstehen. An vielen davon wachsen aber von Natur aus 2 bis gar 3 Trauben. Würden wir alle wachsen lassen, ergäben sich also bis zu 39 Trauben pro Stock, was beim Pinot noir einen Ertrag von 2,5 bis 3 Kg pro Stock ergeben würde. Das ist für einen qualitativ guten Wein viel zu viel.

Wir müssen also die überzähligen Trauben rigoros herausschneiden. Grundsätzlich gilt die Regel, dass pro Trieb nur eine Traube stehen sollte.

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Diese Bild zeigt einen typischen „Trieb“, an dem gleich drei Trauben wachsen. Vegetationsedingt ist die dritte – oberste – auch rund eine Woche später in der Entwicklung. Es bleibt nur eine Traube am Stock – die beiden rot bezeichneten werden herausgeschnitten.
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Hier der gleiche Trieb, nachdem zwei Trauben weggeschnitten wurden.

So ganz am Rand: Auch dieser Arbeitsgang ist reine Handarbeit und bedingt zudem viel Erfahrung, denn nicht jeder Stock ist gleich, und manchmal lohnt es sich, an einem starken Trieb zwei Trauben stehen zu lassen und dafür an einem schwachen gar keine.

Es würde – ich schildere ja hier nur die Arbeitsgänge im Rebberg – zu weit führen, um auch noch fundiert über den richtigen Zeitpunkt für diese Arbeit zu berichten. Das ist eine Wissenschaft für sich. Während die einen möglichst früh, also kurz nach der Blüte, diese Arbeit ausführen, schwören die anderen darauf, den Hauptteil erst nach dem Farbumschlag zu bearbeiten. Der Vorteil der ersten Variante ist, dass sich die Rebe von Anfang an auf einen geringen Ertrag „einstellen“ kann, also die wenigen Trauben von Beginn weg gut „versorgt“, jener der letzteren, dass man die zeitlich zurückgebliebenen Trauben wegschneiden kann, also jene, die noch grün sind, während andere in der Reife schon viel weiter gediehen sind. Meine ganz persönliche Erfahrung ist, dass eine Kombination der beiden Theorien die beste Lösung ist: im Juni schon viele Trauben (in jenem  Blütenstadium „Gescheine“ genannt) wegschneiden, und im Herbst noch nachbessern, indem die zurückkgebliebenen, grünen Trauben entfernt werden.

Ein arbeitsintensives Detail sei noch erwähnt: Viele Trauben bilden auch sogenannte „Schultern“, d.h. Nebentriebe. In den meisten Fällen entwickeln sich diese langsamer als die Haupttraube und sind qualitativ damit minderwertig – sie werden deshalb auch weggeschnitten.

 

 

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Eine Traube (die gleiche wie auf den Bildern oben) mit einer „Schulter“ (links) Achten Sie auf die Grösse der Beeren, sie sind in der Entwicklung eindeutig zurückgeblieben.

 

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… und hier nach dem Wegschneiden dieses Teils der Traube. Handarbeit pur!

Jahr des Winzers (12): Das Auslauben

Oder, für Nicht-Schweizer besser verständlich: Das Entblättern

Mit der Sprache ist das ja so eine Sache: Ich wurde kürzlich in einem anderen Medium für einen falschen Sprachgebrauch ausgelacht, dabei hatte ich nur das schweizerische „Auslauben“ statt dem hochdeutschen „Entblättern“ für den nachfolgend beschriebenen Arbeitsgang verwendet. Meine Antwort, wir Schweizer würden uns eben nicht in den Reben entblättern, sorgte dann immerhin für Heiterkeit.

Auslauben (= Entfernen des Reb-Laubes) oder Entblättern (= Entfernen der Reb-Blätter), die Arbeit ist – meistens – zu tun. Weil die Blätter für die Assimilation wichtig sind, beschränkt sich der Winzer dabei freilich auf die „Traubenzone“, also auf jenen Bereich der Pflanze, in dem die Trauben hängen. Der Arbeitsvorgang lässt sich gut anhand der nachfolgenden Bilder aufzeigen:

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Die „Traubenzone“ der Rebe vor dem Auslauben
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Und die gleichen zwei Rebstöcke, nun entblättert.

Auch bei diesem Arbeitsschritt handelt es sich um reine Handarbeit, jedes einzelne Blatt wird manuell entfernt. Immerhin geht das einfach, das Blatt kann einfach „abgezupft“ werden.

Warum aber führt man diese Arbeit überhaupt aus?
Einer der Vorteile liegt auf der Hand: Die Trauben hängen danach frei, was die Durchlüftung fördert und damit zu weniger Feuchtigkeit in der Traubenzone führt. Damit wird das Risiko eines Pilzbefalls deutlich verringert. Ganz abgesehen davon wird die weitere Pflege der Trauben bis zur  Ernte im Herbst auf diese Weise auch einfacher. Seit einigen Jahren gibt es aber noch ein weiteres Argument für diesen Arbeitsgang: Nach dem Auftauchen der Kirschessigfliege, einem eingeschleppten Schädling, der die ganze Ernte zerstören kann, werden die Trauben im Herbst wenn nötig zusätzlich gespritzt. Und gerade das harmloseste Mittel – Kalk – muss gut auf die Trauben verteilt werden können, was nur ohne Blätter möglich ist.

Das Auslauben hat aber auch Nachteile. Zuerst einmal muss man aufpassen, wann man die Blätter entfernt. Starke Sonneneinstrahlung kann nämlich zu Verbrennungen an den Trauben führen. Die direkte Besonnung hat ohnehin einen Einfluss auf die Qualität und die Beschaffenheit der Trauben.
Es gibt deshalb Winzer, die bewusst auf ein Auslauben verzichten. Vor allem bei Rebsorten, deren Wein von der Frische lebt (etwa Sauvignon blanc), werden die Blätter von einigen Winzern als natürliche Beschattung ganz bewusst nicht entfernt.

Letztlich ist es somit eine Frage der Winzer-Philosophie, ob entlaubt wird oder nicht. Abgesehen davon befassen sich aber auch Naturwissenschaftler mit der Frage, welche Auswirkungen diese Arbeit hat.
Hier stellvertretend eine entsprechende Schrift, die sich vor allem auch mit dem richtigen Zeitpunkt für das Auslauben befasst, „leider“ in französischer Sprache:

Klicke, um auf 2013_03_f_350.pdf zuzugreifen

Der Jahr des Winzers (11): Das Spritzen, unromantisch, aber notwendig.

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Der Autor beim Spritzen seiner Reben. (Die Situation ist authentisch, aber insofern „gefaked“, als seit rund 10 Jahren unser Rebnachbar für den Pflanzenschutz sorgt und hier deshalb auch nur Wasser verspritzt wird)

Wieso nur findet man in keinem Hochglanzprospekt und auf keiner Homepage von Winzern solche Bilder? Für das Image scheint das Spritzen jedenfalls nicht förderlich zu sein.

Dabei würden wir in den meisten Jahren keinen Schluck Pinot noir, Chardonnay oder Riesling aus Mitteleuropa trinken können, wenn keine Pflanzenschutzmittel versprüht würden. Seit in der zweiten Hälfe des vorletzten Jahrhunderts die Pilzkrankheiten Peronospora und Oidium (falscher und echter Mehltau) aus Amerika eingeschleppt wurden, gedeihen die klassischen, europäischen Rebsorten nur noch dank Pflanzenschutz.

Was freilich versprüht wird, ist eine andere Sache. Es gibt Mittel, die „systemisch“ wirken, also von der Pflanze aufgenommen und darin transportiert werden, allenfalls sogar mit Depotwirkung. Das nennt sich dann heute „konventioneller Rebbau“….
Es gibt „halbsystemische“ Mittel und es gibt solche, die nur als „Kontaktmittel“ wirken, d.h. auf der Pflanze aufgetragen, aber beim nächsten Regen abgewaschen werden. Besser als ich wissen da Wikipedia oder auch Agroscope Bescheid:
https://de.wikipedia.org/wiki/Fungizid#Systemische_Xylem-Verteilung_in_der_Pflanze
https://www.agroscope.admin.ch/agroscope/de/home/themen/pflanzenbau/weinbau/pflanzenschutz-rebbau/recommandations-pv-viticulture.html

Ich enthalte mich hier einer Wertung, weil es ja in meiner Serie „nur“ um die Arbeiten im Weinjahr geht. Immerhin soviel: Klar ist, dass bei der Anwendung von systemischem Mitteln weniger oft gespritzt werden muss als beim Einsatz von reinen „Kontaktmitteln“. Dass von letzteren weniger Rückstände im Wein nachweisbar sind, erscheint aber auch logisch. Je nach Wahl der Mittel muss ein Winzer in unseren Breitengraden aber sicher 6 bis 10 mal pro Rebbjahr mit der Spritze ausrücken. Unromantisch, aufwändig, aber unabdingbar.

(Es sei denn, ein Winzer setzt auf pilzresistente Sorten, aber das ist wieder ein anderes Thema, auf das ich hier sicher auch noch zurückkommen werde, genau wie auf die Problematik des Einsatzes von Fungiziden, Akaraziden und vor allem Herbiziden.)

Zur frühen, und vermutlich den Rebbau in Europa rettenden Entdeckung von Pflanzenschutzmitteln siehe auch hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bordeauxbrühe

 

Das Jahr des Winzers (10): Das „Gipfeln“

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Der Autor am Schneiden der Reben – dem „Gipfeln“. Was hier im kleinen Rebberg unterhalb des Schloss Schwandegg Handarbeit ist, wird im Ertragsrebbau wo möglich maschinell ausgeführt.  (nur sechs Reihen im Vordergrund gehören zum kleinen Rebberg des Autors)

Um diese Jahreszeit wachsen die Reben sehr schnell. Ein Trieb könnte ohne Weiteres 5 m oder länger werden. Deshalb werden sie jetzt oben abgeschnitten.

Einer Legende nach wurde mit dieser Arbeit, dem sogenannten „Gipfeln“, in früheren Jahrhunderten aus der Not heraus begonnen, nämlich um zusätzliches Futter für die Kühe zu gewinnen; die abgeschnittenen Rebtriebe wurden also im Stall weiterverwertet.

Ob wahr oder nicht, ausgeführt wird diese Arbeit noch heute. Die Reben brauchen zwar viele grüne Blätter, um genügend „assimilieren“ zu können (Photosynthese). Ein wilder Urwald von Trieben und Blättern hingegen würde die Pflanze eher schwächen; deshalb wird sie unter der Schere gehalten. Der zweite Grund für das „Gipfeln“ liegt darin, dass die höher wachsenden Pflanzenteile beim Spritzen der Reben mit Pflanzenschutzmitteln nicht mehr erreicht werden und somit die Gefahr von Pilzkrankheiten massiv steigt. Dies gilt zumindest dort, wo keine „systemisch“ wirkenden Spritzmittel verwendet werden (mehr zu diesem Thema im nächsten Beitrag).

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Rebstöcke vor dem Schnitt…
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… und die gleichen Stöcke danach.

 

 

 

Das Jahr des Winzers (9): Das Ausgeizen.

„Geiz ist geil“ ist erfreulicherweise nicht mehr ganz so „in“ wie auch schon. Im Rebbau freilich geht man sogar ganz gezielt gegen Geiz(e) vor.

Die Rede ist von sogenannten „Geiztrieben“, das sind Seitentriebe, die im Verlauf des Wachstums aus den „Blattachseln“ des Haupttriebes ausschiessen. Solche Geiztriebe entsprechen in der Funktion den Haupttrieben, sie bilden also ebenfalls Blätter und Blüten. Weil sie sich aber erst im Verlauf des Jahres entwickeln, haben sie einen Vegetationsrückstand, und die Trauben daran würden deshalb nicht reif.

Solche Geize sind nicht per se schädlich; im Gegenteil, sie können sogar zusätzliche Blattmasse bilden und somit zur Reife der Trauben beitragen. Im unteren Teil des Stocks, in der „Traubenzone“ (also dort, wo die Trauben hängen), sind sie aber unerwünscht und müssen entfernt werden. Blieben sie stehen, würde sich in dieser Zone ein Blatt-Dickicht bilden, was die Durchlüftung verhindert und somit die Fäulinisbildung der Trauben fördert. Dazu kommt, dass ein solches Blatt-Wirrwarr beim Spritzen von Pflanzenschutzmitteln die direkte Bespritzung der Trauben behindert, was wiederum Pilzkrankheiten grössere Chancen gibt  – zumindest dort, wo keine „systemischen“ Spitzmittel verwendet werden (mehr dazu in einem späteren Beitrag). Und ein letzter Grund für das Ausgeizen in den tieferen Zonen des Rebstocks liegt bereits in der Zukunft. Wir verwenden beim Rebschnitt im nächsten Jahr ja diesjährige Haupttriebe, und da wären Seitentriebe störend und müssten spätestens beim Rebschnitt weggeschnitten werden.

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Bild eines Geiztriebes. Rund markiert ist der Ort des Austriebes, immer in einer „Achsel“ zwischen Haupttrieb und Blatt. Der rote Strich markiert den Wachstumsverlauf des Triebes.
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Hier nun der gleiche Haupttrieb ohne den entfernten Geiztrieb. Markiert ist wiederum die ehemalige Auswuchsstelle. Geiztriebe, die höher am Stock wachsen, werden i.d.R. nicht entfernt.

Da geht das Ausgeizen im Sommer schon viel einfacher – sofern man diese Arbeit rechtzeitig erledigt. Ähnlich wie bei Tomaten, sind die Geiztriebe im jungen Stadium nur schwach mit dem Stock verwachsen; es genügt deshalb schon ein leichter Druck mit dem Finger, um sie auszubrechen. Der oben abgebildete Geiztrieb kann gerade noch so entfernt werden, ältere Triebe müssten mit der Schere weggeschnitten werden, was mühsam ist und zudem einen kleinen „Triebstummel“ hinterlassen würde.

Also auch hier: zeitgerecht zu erledigende, aufwändige Handarbeit pur! Guten Wein trinken ist toll – Winzer sein dagegen zuweilen sehr hart!


Der Winzer als Mutitasking-Talent

Ich stelle in dieser Serie typische Arbeiten im Rebberg vor. In der Praxis läuft es aber etwas anders, denn kaum ein Winzer wird seine Reben bearbeiten und dabei nur immer den gleichen Arbeitsschritt ausführen. Parallel zum Ausgeizen werden an einem Rebstock in der Praxis im gleichen Durchgang selbstverständlich gleichzeitig neue Geschosse vom Stamm entfernt, Triebe eingeschlauft, und wenn nötig angebunden, und Geschosse am Fuss der Reben entfernt. Gleichzeitig beginnen jetzt auch schon das Auslauben und die Ertragsregulierung – Arbeiten, die hier später noch vorgestellt werden, die aber „en passant“ jetzt schon teilweise erledigt werden. Das Winzerleben fordert also nicht nur den Körper, sondern auch das Gehirn (und das Gefühl)!

Zu früheren – und jetzt teils repetitiven – Arbeiten siehe hier:

https://victorswein.blog/2018/05/07/jahr-des-winzers-jetzt-beginnt-die-arbeitsreichste-zeit/
https://victorswein.blog/2018/05/14/jahr-des-winzers-die-handarbeit-geht-beim-einschlaufen-weiter/
https://victorswein.blog/2018/05/19/jahr-des-winzers-folge-6-das-anbinden/
https://victorswein.blog/2018/05/24/jahr-des-winzers-folge-7-zum-hinknien/

 

 

Das Jahr des Winzers, Folge 8: Mähen

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Schweisstreibende, anstrengende Arbeit: Der Autor beim Mähen mit der Sense. (Bild rl)

Begrünte Rebberge müssen natürlich auch regelmässig gemäht werden. Glücklicherweise ist dabei aber nicht alles nur Handarbeit:

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Das Gras ist in diesem Jahr sehr schnell gewachsen und steht mehr als kniehoch, höchste Zeit für einen ersten Schnitt, damit die Rebblätter wieder frei liegen.

Ich darf den Motormäher unseres benachbarten Winzers nutzen. Ohne diesen motorisierten Einsatz wäre das Mähen sehr aufwändig. Der Mäher gelangt in der Regel alternierend zum Einsatz, d.h. es wird nur jede zweite „Gasse“ gemäht, damit Nützlinge weiterhin ungemähtes Gras vorfinden.

Allerdings verbleibt trotzdem noch viel Handarbeit, denn unter den Rebzeilen – und erst recht rund um den Rebstock – kann nur mit der Sense gearbeitet werden. (Möglich wäre natürlich auch der Einsatz einer Motorsense, aber diese lärmigen Dinger sind nicht meine Sache). Die Arbeit mit der Sense zwischen den Rebstöcken verlangt Fingerspitzengefühl, aber auch Kraft. Aber das ersetzt gleich das Fitnesscenter!

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Das Mähen ist abgeschlossen, zuerst mit dem Motormäher, dann mit der Sense. Bis in wenigen Wochen beginnt „das Spiel“ von vorne.

Handarbeit oder Glyphosat?

Ein Hinweis bleibt: Längst nicht alle Winzer arbeiten so wie ich. Viele greifen zu Unkrautvertigungsmittel und spritzen dieses unter den Rebzeilen, damit dort kein Gras wächst. Damit wird diese Handarbeit umgangen. Ob das vernünftig ist, ist ein anderes Thema – und eines, zu dem ich mich hier in meinem Blog auch noch ausführlich und pointiert äussern werde!

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Tolle Kulisse zum Arbeiten im Rebberg, aber einfacher wird es trotzdem nicht: Das Schloss Schwandegg beherrscht die Szenerie. (Bild rl)

Jahr des Winzers, Folge 7: zum Hinknien!

Wein trinken ist genussvoll – Winzer sein oft auch, kann aber auch ganz schön anstrengend sein. Denn vieles geht immer noch nur mit grossem Arbeitseinsatz, und vieles in Sachen Qualität entscheidet sich im Detail. Ein solches zeige ich nachstehend.

Reben haben eine unglaubliche Wuchskraft. Ohne menschlichen Eingriff würde ein einzelner Stock viele Quadratmeter bedecken. Ein einziger Rebtrieb kann ohne Weiteres in einem Jahr rund 5 Meter wachsen. Das Resulat dieses  Wildwuchses wäre wohl schön anzusehen – wie bei einer Wildrebe – würde aber viel zu viel Ertrag und somit keinen trinkbaren Wein abliefern. Qualitätsrebbau ist deshalb nicht möglich ohne massive menschliche Eingriffe!

Weil die Reben derart kräftig sind, „schiessen“ sie auch überall mit neuen Trieben aus. Besonders unter der Schere gehalten werden müssen die Rebstöcke am Fuss. Dort gibt es immer wieder neue „Geschosse“, und nicht selten entwickeln sich solche sogar aus der „Unterlage“ .
(Unsere Edelreben wachsen seit der Reblausplage nicht mehr natürlich, d.h mit den eigenen Wurzeln, sondern werden auf Unterlagen aufgepfropft, die von amerikanischen Reben abstammen, welche gegen die Reblaus resistent sind.).
Solche Triebe von unten stören, und können auch schnell Pilzkrankheiten verbreiten, weil sie beim Pflanzenschutz nicht erfasst werden. Solche Rebtriebe müssen also entfernt werden, was nichts anderes heisst, als sich bücken oder noch besser, sich hinzuknien. Eine gewisse Ehrbezeugung hat eine Rebe ja verdient! 🙂

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Eine Rebe mit ungewöhnlich vielen Trieben, die von unten her neu ausschiessen. Alle müssen entfernt werden.
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Der gleiche Rebstock danach, alle störenden Triebe sind entfernt. (Die Rebe hat übrigens schon einen stattlichen Stamm, sie ist 30-jährig, ist also im besten Alter)

 

Jahr des Winzers, Folge 6: Das Anbinden

Und noch mehr Handarbeit! Wobei gleich anzumerken ist, dass unsere Arbeit im kleinen Rebberg eher archaisch – oder zumindest um einige Jahrzehnte zurückversetzt – ausfällt. Im professionellen Rebbau ist zwar auch noch viel Handarbeit nötig, aber kaum mehr in dieser Art und Weise. Wir binden, wo nötig, die Triebe manuell und mit Bast. Profis erledigen diese Arbeit, wenn überhaupt, mit „Heftpistolen“ – das geht viel schneller und einfacher. Die nachfolgenden Beispiele geben aber einen guten Einblick ins Prinzip – und gleichzeitig in die vergangene Zeit, als auch in den Reben noch wirklich alles Handarbeit war.

Ob arachaisch, halb- oder vollautomatisch: In jedem Fall gibt es immer wieder Rebtriebe, die nicht in jene Richtung wachsen, die wir eigentlich für richtig hielten. Hier hilft nur sanfter oder klarer Druck, um sicherzustellen, dass die Reben so wachsen, wie wir uns das wünschen, was gleichzeitig Schäden bei Stürmen verhindert. In dieser Jahreszeit, wenn die Triebe noch jung sind, genügt oft schon ein sanfter Druck, um sie abzuknicken. Später im Jahr, wenn die Triebe von unten her „verholzen“, sind sie nicht mehr so empfindlich.

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Dieser Trieb (1) wächst ausserhalb der gespannten Drähte. Ohne Eingriff würde er mit zunehmender Länge immer mehr nach aussen wachsen und sich im Extremfall bis auf den Boden neigen – oder bei einem Gewitter gleich ganz abknicken.
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Der gleiche Trieb (1) ist hier am Draht angebunden und so in eine neue Wuchsrichtung gezwungen. Was jetzt etwas „gequält“ aussieht, wirkt schon in ein paar Tagen ganz natürlich – die Rebe passt sich an.

Hier noch ein weiteres Beispiel:

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Dieser Trieb (1) hat eine extreme Tendenz, vom Stock wegzuwachsen. Ohne Eingriff würde er ziemlich horizontal bis zum nächsten oder gar übernächsten Stock weiterwachsen und dort für ein zu dichtes Blätterwerk sorgen.
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Hier ist der gleiche Trieb (1) am Pfosten aufgebunden und so gezwungen, vertikal in die Höhe zu wachsen.