Griechischer Wein – das rockt!

Mit Divo und Gerstl haben jüngst gleich zwei Weinhandlungen griechischen Wein ins Sortiment aufgenommen. Verkostungen zeigen, dass aus diesem Land mit uralter Weinbautradition tolle, teils sogar grossartige Weine importiert werden die „rocken“ – weit ab vom billigen Schlager-Gesöff, wie es der älteren Generation wohl noch in Erinnerung oder zumindest in den Ohren ist.

Santorini – allein der Name lässt in den Sommerferien träumen, auch wenn die pittoreske Insel umständehalber gerade weit weg zu liegen scheint. Auf der mit rund 80 km2 vergleichsweise kleinen Ferieninsel stehen immerhin rund 1’200 Hektar Reben, das entspricht ziemlich genau der Rebfläche des Tessins.

Gerstl hat mit Weinen der Estate Argyros aus Santorini erstmals Gewächse aus Griechenland angeboten. Dieses biologisch arbeitende, mehr als 100-jährige Familiengut verfügt über rund 10 % der Rebfläche der Insel, mit Schwergewicht auf Weissweinen (und Süssweinen) – rote Gewächse spielen eine untergeordnete Rolle. Die Weine überzeugen bzw. begeistern teilweise sogar, und man fragt sich eher, warum Schweizer Weinhändler nicht schon länger auf Griechenland setzten:

Estate Argyris, Cuvée Monsignori 2018 (weiss)
100 % Assyrtiko, Biowein
Dieser Weisswein soll von über 200 Jahre alten und damit logischerweise wurzelechten Reben stammen. Wenn man ihn trinkt, kann man das glauben: Zurückhaltende Nase mit Zitrusaromen und Anflügen von Hefe; im Mund enorme Mineralität und Frische, herrliche Extrakt“süsse“, die einen schönen Schmelz ergibt, wirkt enorm dicht und filigran gleichzeitig, fast nicht endender Abgang. Ein grossartiger, begeisternder Wein mit Alterungspotential. Blind hätte ich wohl auf einen der besten Grand Crus aus Chablis getippt. (CHF 36.00).

Estate Argyris, Assyrtiko Santorini, 2019 (weiss)
100 % Assyrtiko, Biowein, laut Etikette aus über 100-jährigen, wurzelechten Reben
Helles Gelb, verhaltene, leicht salzig wirkende Nase, Anflug von Mandarine und Nelken; im Mund ebenfalls mineralisch und enorm frisch, leichte Bitternote, Alkohol trotz 14 % kaum spürbar, toller Wein.
Dieser Wein so etwas wie die kleinere, schlankere und weniger intensive Ausgabe der Cuvée Monsignori, aber damit tut man ihm eigentlich Unrecht.  (CHF 26.00).

Estate Argyris, Atlantis white 2019 (weiss)
90 % Assyrtiko, 10 % Athiri und Aidani, Biowein
Helles Gelb, fruchtig, nach Bergamotte, Zitrone und Apfel duftend; im Mund überaus erfrischend, mineralisch, ausgewogen, erstaunlich langer Abgang. Ein gehobener Ferienwein, ohne hohe Ansprüche, aber frisch, süffig und erfreulich. (CHF 16.00)

 

gerstl-griechenland
Drei der von Gerstl angebotenen Weine aus Santorini. In der Mitte die geniale Cuvée Monsignori.

Bei Divo ist seit dem Eintritt den Rebforschers und Buchautors José Vouillamoz
(vgl. hier: https://victorswein.blog/2018/09/04/schweizer-weinbuch-des-jahres-schweizer-rebsorten-von-jose-vouillamoz/
ins Unternehmen in Bezug auf unbekannte Weine frischer Wind eingezogen. Freilich war ich in der Vergangenheit nicht immer überzeugt von seinen Selektionen. Als er noch als freier Berater für Coop arbeitete habe ich beispielsweise von ihm vorgeschlagene Naturweine aus dem Kaukausus gekauft – und ausser dem Umstand, mit einem georgischen Wein so etwas wie den „Urwein“ im Glas gehabt zu haben, blieb nur Frust, denn ich haben den teuren Wein als interessant aber untrinkbar weggekippt. Nun arbeitet Vouillamoz also für Divo und bot ein Probierpaket aus Griechenland an. Begonnen hat meine Probe schlecht, dem ersten Wein erging es nicht anders als jenem aus Georgien. Dann allerdings stellte sich die Vouillamoz-Selektion auch als äusserst spannend und qualitativ überzeugend heraus:

Divo-Griechenland
Und zwei der Divo-Weine. Auf dem Bild fehlt der Chiririotiko 2016 – da war ich leider zu schnell beim Altglasentsorgen.

Monemvasia Vinery, Peleponnes, Laconia IGP, 2009 (rot)
50 % Mavroudi, 50 % Agiorgitiko
Mittleres Rot ohne Alterstöne; fruchtig-würzig, fast ein wenig an Pinot erinnernd, Himbeeren, Johannisbeeren, Waldpilze, Anflug von  Gewürznelken, dezenter Holzton; im Mund erstaunlich jugendlich, feine, prägnante Tannine, elegant und ausgewogen, feiner Wein! (CHF 20.00).

Methymnaeos Wines, Lesbos, Chidiriotiko 2016 (rot)
100 % Chidiriotiko, Biowein
Helles, ins Ocker tendierendes Rot; verhalten, Duft von Veilchen und Himbeeren; spürbare, leicht trocknende Tannine, schöne Säure, entwickelt sich im langen Abgang sehr intensiv. Spannender Wein, weit ab der Norm; eine Entdeckung wert. (CHF 21.00).

divo-best-of-balcansMonemvasia Vinery, Peleponnes, Tsimbido 2018 (weiss)
100 % Kydonitsa
Sehr helles, glänzendes Strohgelb; Flieder, Orange, Quitte; wirkt im Mund erstaunlich tanninhaltig, schöne, stützende Säure, erstaunlich dicht und langer Abgang. Vor allem auch angesichts des Preises (rund CHF 16.00) toller Wein!
Griechenland hat eine uralte Weinbautradition, der weltweit zweitälteste bekannte Fund, der auf die Verarbeitung von Trauben zu Wein schliessen lässt, soll in der Nähe von Philippi liegen. Lange Zeit stagnierte aber der Weinbau, und erst mit dem Ende der Militärdiktatur 1974 begann ein qualitativer Aufschwung (Quelle Wikipedia). Zumindest wer die hier erwähnten Weine probiert hat, wird sich in Zukunft sicher mehr mit griechischen Wein beschäftigen wollen, das rockt. Und gute Weine könnten ja auch zu einem Schlager werden!

https://www.gerstl.ch/de/sortiment/italien-griechenland/griechenland-rubric-5616.html
(Vor allem die absoluten Spitzenweine sind schon ausverkauft, u.a. der beschriebene „Monsignori“)
https://estateargyros.com/

http://divo.ch/de/weinauswahl?f%5B0%5D=provenance%3A26199
http://www.malvasiawines.gr/default.aspx
https://www.methymnaeos.com/

 

 

 

 

Das Jahr des Winzers (16): Der Saisonhöhepunkt, der „Wümmet“.

Abschluss und Krönung: der „Wümmet“ (die Weinlese)

Im Herbst, wenn die Weinlese (bei uns in Ostschweizer Mundart „Wümmet“), ansteht, hat der Hobbywinzer plötzlich ganz viele Freunde, die auch gerne bei der Weinlese mithelfen würden! Dabei sind unsere 4 Aren in der Regel sehr schnell geerntet, und dazu genügt das bewährte Team:

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Drei Generationen am Werk: Grossmutter resp. Mutter (90), Sohn und Autor des Blogs (60) sowie Enkel (30)
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Werni, mein Rebberg-Compagnon seit 30 Jahren.
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Und die beiden für die Ernte unverzichtbaren „besseren Hälften“

 

Tatsächlich ist der „Wümmet“, also die Weinernte, ein Fest. Nach einem Rebjahr schöne und reife Trauben ernten zu können, entschädigt für alle Mühen im Verlauf des Jahres.

Allerdings ist auch die Weinlese in unseren Breitengraden nicht immer nur festlich. Wer reife Trauben will, riskiert oft auch Fäulnis. Und im Jahr 2018 waren die Wespen sehr aktiv, so dass jede einzelne Traube von den „Wümmerinnen und Wümmern“ sehr genau angesehen werden musste. Von Wespen angestochene Beeren sind gefährlich, da sie Essigbakterien in den Wein bringen können. Auch faule Beeren müssen einzeln entfernt werden. Um eine gute Qualität zu erreichen, werden bei uns alle Trauben beim Leeren der Kübel in grössere Behälter nochmals geprüft. (Profibetriebe lassen die Trauben bei der Anlieferung oft über ein Band laufen, wo erfahrene Personen schlechte Trauben und Beeren nochmals ausscheiden).

Am Abend, wenn alle Trauben im Fass sind – dann freilich stellt sich beim (Hobby-)Winzer eine grosse Zufriedenheit ein. Bei jenen, die von den Reben leben, sicher auch ein grosses Aufatmen!

Schluss der Serie „virtuelles Jahr des Winzers“

Mit diesem Beitrag endet „das virtuelle Jahr des Winzers“. Ich hoffe, die Serie hat einen kleinen Einblick in die tolle, aber oft auch harte Arbeit gegeben, die notwendig ist, um einen guten Wein zu erzeugen. Wer will, kann mit diesen Links alles nochmals nachlesen:
https://victorswein.blog/virtuelles-rebjahr/

Und im nächsten Februar startet glücklicherweise alles wieder von vorne: Wir beginnen mit dem Schneiden der Reben:
https://victorswein.blog/2018/02/11/virtuelles-weinjahr-folge-1-der-schnitt/

Und zum Schluss: 2018 war ein in jeder Hinsicht ver(-)rücktes Jahr. Noch nie haben wir in den 30 Jahren zuvor im September Pinot noir geerntet; es gab schon Jahre, da lag der „Wümmet“ im November – diesmal fand die Ernte schon am 22. September statt. Noch nie haben wir wie 2018 Trauben mit 106° Oechsle abgeliefert – und gleichzeitig (und dafür schäme ich mich eher) haben wir noch nie eine so grosse Menge geerntet (260 kg auf 4 Aren).

 

 

Roter Pinot noir im Juli: frühester Farbumschlag seit Menschengedenken …

.. und vermutlich gab es das überhaupt noch nie in der Geschichte des Schweizer Weinbaus.

farbumschlag-pinot
31.7.2018, Pinot noir (Burgunder Klon 115): so früh war der Farbumschlag seit Menschengedenken noch nie! (Immerhin sei angefügt: Der Hauptteil unseres Rebberges ist mit dem Klon Mariafeld bestockt, und dort sind erst einzelne Beeren farbig, aber dieser Klon ist immer später)

Ich weiss, jedermann merkt, dass wir ein klimatisch extremes Jahr haben. Aber vermutlich haben wir, seit es in der Schweiz Weinbau gibt, tatsächlich noch nie ein so frühes Jahr erlebt. Vergleicht man die Temperaturtabellen seit Messbeginn in der Mitte des vorletzten Jahrhunderts, war zumindest in dieser Zeit sicher nie ein Rebjahr so früh dran:

https://www.meteoschweiz.admin.ch/home/klima/klimawandel-schweiz/temperatur-und-niederschlagsentwicklung.html

Natürlich: 2003 war ähnlich, 2009 auch, und 2015 war ebenfalls warm. Aber noch nie in 30 Jahren als Hobbywinzer habe ich einen Farbumschlag (also der Moment, in dem die Trauben farbig, d.h. blau resp. am Anfang rosa werden) im Juli erlebt. Es gab sogar Jahre, in denen wir erst anfangs September die ersten Farbspuren sahen, und beispielsweise im Jahr 2003 war der Umschlag auch erst um den 20. August sichtbar.

Aber 2018 ist anders: Kurz nach Ostern stellte das Wetter auf „Sommer“ um, entsprechend verzeichnen wir seit April über vergleichsweise zu warmes Wetter. Obwohl die Reben aufgrund des kalten März eher spät austrieben, haben sie danach aufgeholt, und schon die Blüte war um zwei bis drei Wochen früher als üblich. Und seither war es einfach nur schön und warm. Diese stabile „Sommerwetterlage“ seit April führte also zu einem vielleicht, trotz Klimaerwärmung, einmaligen Ereignis – Farbumschlag beim spät reifenden Pinot noir schon im Juli!

Niemand kann heute seriöse Prognosen darüber abgeben, was das für die Weinqualität bedeutet. Aufgrund der Wettervorhersagen für die nächsten zwei Wochen dürfte zwar die Hitze und Trockenheit weitergehen. Aber ein verregneter Herbst, und alles kann anders sein. Oder Dürre bis in den September hinein, und dann kann es auch für die Reben zu trocken werden.

Vor allem aber: Ein guter Pinot noir braucht das Wechselspiel zwischen kalten Nächten und warmen Tagen, um seine Aromen entwickeln zu können. Nicht zufällig gibt es aus südlichen Gegenden praktisch keinen Pinot. Es kann also sein, dass 2018 ganz einfach zu heiss für guten Pinot wird. Aber vielleicht gibt es auch ein Happy-End: Ein paar Tage Landregen Mitte August und danach kühlere Nächte und weiterhin schöne Tage – dann, und nur dann, darf die Presse wieder von einem Jahrhunderjahrgang schreiben.

Aber wetten, sie tut das ohnehin schon in den nächsten Wochen?

Und zum Schluss noch dieses aktuelle Foto: Andalusien? Provence?

2018-andalusien-fragezeichen
Nein, Schweizer Mittelland, zwischen Winterthur und Stein am Rhein!

 

Hier noch ein paar weitere Links zum Wetter 2018:

https://www.watson.ch/schweiz/wetter/716040055-hallo-sommer-der-april-2018-war-der-zweitwaermste-seit-messbeginn
https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Die-waermste-AprilJuliPeriode-seit-Messbeginn-1864/story/30812580
http://www.meteozurich.ch/?tag=hitzesommer

Jahr des Winzers (12): Das Auslauben

Oder, für Nicht-Schweizer besser verständlich: Das Entblättern

Mit der Sprache ist das ja so eine Sache: Ich wurde kürzlich in einem anderen Medium für einen falschen Sprachgebrauch ausgelacht, dabei hatte ich nur das schweizerische „Auslauben“ statt dem hochdeutschen „Entblättern“ für den nachfolgend beschriebenen Arbeitsgang verwendet. Meine Antwort, wir Schweizer würden uns eben nicht in den Reben entblättern, sorgte dann immerhin für Heiterkeit.

Auslauben (= Entfernen des Reb-Laubes) oder Entblättern (= Entfernen der Reb-Blätter), die Arbeit ist – meistens – zu tun. Weil die Blätter für die Assimilation wichtig sind, beschränkt sich der Winzer dabei freilich auf die „Traubenzone“, also auf jenen Bereich der Pflanze, in dem die Trauben hängen. Der Arbeitsvorgang lässt sich gut anhand der nachfolgenden Bilder aufzeigen:

bbb-auslauben-vorher
Die „Traubenzone“ der Rebe vor dem Auslauben
bbb-auslauben-nachher
Und die gleichen zwei Rebstöcke, nun entblättert.

Auch bei diesem Arbeitsschritt handelt es sich um reine Handarbeit, jedes einzelne Blatt wird manuell entfernt. Immerhin geht das einfach, das Blatt kann einfach „abgezupft“ werden.

Warum aber führt man diese Arbeit überhaupt aus?
Einer der Vorteile liegt auf der Hand: Die Trauben hängen danach frei, was die Durchlüftung fördert und damit zu weniger Feuchtigkeit in der Traubenzone führt. Damit wird das Risiko eines Pilzbefalls deutlich verringert. Ganz abgesehen davon wird die weitere Pflege der Trauben bis zur  Ernte im Herbst auf diese Weise auch einfacher. Seit einigen Jahren gibt es aber noch ein weiteres Argument für diesen Arbeitsgang: Nach dem Auftauchen der Kirschessigfliege, einem eingeschleppten Schädling, der die ganze Ernte zerstören kann, werden die Trauben im Herbst wenn nötig zusätzlich gespritzt. Und gerade das harmloseste Mittel – Kalk – muss gut auf die Trauben verteilt werden können, was nur ohne Blätter möglich ist.

Das Auslauben hat aber auch Nachteile. Zuerst einmal muss man aufpassen, wann man die Blätter entfernt. Starke Sonneneinstrahlung kann nämlich zu Verbrennungen an den Trauben führen. Die direkte Besonnung hat ohnehin einen Einfluss auf die Qualität und die Beschaffenheit der Trauben.
Es gibt deshalb Winzer, die bewusst auf ein Auslauben verzichten. Vor allem bei Rebsorten, deren Wein von der Frische lebt (etwa Sauvignon blanc), werden die Blätter von einigen Winzern als natürliche Beschattung ganz bewusst nicht entfernt.

Letztlich ist es somit eine Frage der Winzer-Philosophie, ob entlaubt wird oder nicht. Abgesehen davon befassen sich aber auch Naturwissenschaftler mit der Frage, welche Auswirkungen diese Arbeit hat.
Hier stellvertretend eine entsprechende Schrift, die sich vor allem auch mit dem richtigen Zeitpunkt für das Auslauben befasst, „leider“ in französischer Sprache:

Klicke, um auf 2013_03_f_350.pdf zuzugreifen

Wachau: Ideal für Smaragde (-idechsen)

terrassen-wachau
Steinterrassen hoch über der Donau: Ideal für Smaragd-Weine und für deren Namensgeber, die Smaragd-Eidechsen (Bild vl)

Eine Nachlese aus Ferien, die (eigentlich) nicht dem Wein gewidmet waren

Es war Zufall – dem guten Wetter geschuldet -, dass wir in die Wachau reisten, und zudem war es ein reiner Ferienanlass ohne bewussten Weinbezug. Die beiden Post’s
https://victorswein.blog/2018/05/29/flash-aus-der-wachau-federspiel-von-rudi-pichler/
https://victorswein.blog/2018/05/30/flash-aus-der-wachau-ii-hier-gibt-es-auch-tolle-rotweine/
entstanden denn auch nur spontan aufgrund von tollen Erlebnissen während des Essens.

Aber wie das Leben so spielt, manchmal wird man auch zum Glück animiert. Auf die beiden Blogbeiträge erhielt ich die Frage, ob denn auch über die „Smaragde“ noch etwas folgen werde. Die Wachau kennt eine etwas spezielle, aber irgendwie sympathische Klassierung der Weine in drei Qualitätskategorien (vielleicht wäre der Ausdruck „Stil-Kategorien“ besser). Die Smaragde, benannt nach den gleichnamigen Eidechsen, die sich auf den Steinterrassen der Weinberge sonnen, stellen dabei die oberste Stufe dar. Details siehe:
https://www.vinea-wachau.at/vinea-wachau/die-vinea-marken/

Eigentlich hatte ich nicht geplant, noch mehr über die Wachau zu schreiben, aber die Idee reizte mich auch aus eigenem Interesse, obwohl die Zeit zu knapp war, um selbst seriös zu recherchieren. Was tun?

Im Hotel erhielt ich den Tipp, doch die Vinothek Fohringer zu besuchen. Hubert Fohringer, früher Top-Sommelier, verwirklichte sich in Spitz an der Donau einen Traum und eröffnete zusammen mit seiner Frau die Vinothek Fohringer, die sich perfekt mit seinem Dienstleistungsangebot der Weinberatung kombinieren liess.

Die direkt an der Donau in einem alten „Schiffmeisterhaus“ eingerichtete Vinothek ist allein optisch schon einen Besuch wert. Es gibt hier nicht nur Wein, sondern auch vieles rund um die Weinkultur, und zwar in einer sehr geschmackvollen Präsentation. Und der eigentliche Weinteil hat es in sich – hier gibt es, auch international, alles, was Rang und Namen hat. Und für Oesterreich, und noch spezieller die Wachau, gilt diese Feststellung erst recht! Mir stand der Sinn aber nicht nach den grossen Namen wie Knoll, Prager, Hirtzberger, Pichler(s) oder Veyder-Malberg , sondern nach Produzenten, die ich noch nicht kannte. Also liess ich mich beraten mit dem Wunsch: guter Grüner Veltliner in der Smaragd-Qualität von eher unbekannten Winzern.

Die Beratung – wie ich erst später feststellte – durch Stefanie, die Tochter von Hubert Fohringer, welche inzwischen zusammen mit ihrem Lebenspartner die Geschicke der Vinothek mit bestimmt – war der Zielsetzung entsprechend perfekt: Ich bekam den Wein von Stefan Gebetsberger (2017 Ried Steinporz) als elegant, und jenen von Josef + Herta Donabaum (2017, Ried Zornberg) als üppiger und runder, empfohlen. Beides Weine, die auch preislich mit 13 bis 14 Euro sehr vernünftig geblieben sind.

Wieder daheim, habe ich die beiden Smaragd-GV’s blind probiert, und sie fielen genau so aus, wie sie von Stefanie Fohringer beschrieben worden waren:

Gebetsberger:
Verhaltene Nase, süssfruchtig, dezenter Bergamottenduft, im Mund finessenreich, sehr mineralisch, elegant, filigran, aber mit langem Abgang. Toller GV der leichten, aber doch intensiven Art.
Donabaum:
Feine Aromen von Quitten und Mirabellen, im Mund füllig, dicht und rund, spürbarer, aber sehr gut eingebundener Alkohol, absolut trocken aber mit spürbarem Süsskomplex. Ebenfalls toller Wein der runden und üppigen Art.

fohringer
Elegant (links) und üppig (rechts) – sehr gut empfohlen von Fohringer! (Bild vl)

Zusammengefasst: Was mir hier für wenig Geld empfohlen wurde, ist grosse Klasse und zeigt, welch hohes Niveau die ganze Region Wachau hat. Geärgert habe ich mich daheim nur darüber, dass ich nicht auch ein paar Flaschen von Winzern mit grossen Namen aus dem gleichen Jahrgang gekauft habe. Dass die beiden beschriebenen sehr gut sind, steht ausser Zweifel, aber ein Vergleich mit der Elite wäre noch spannender gewesen.

Der Trost (und die Info für Schweizer Leser): Dies lässt sich noch nachholen, denn die Vinothek Fohringer liefert einmal monatlich auch in die Schweiz.

https://www.fohringer.at/

http://www.weingut-gebetsberger.at/startseite.htm

http://www.weindonabaum.at/

 

Das Jahr des Winzers (10): Das „Gipfeln“

aaa-gipfeln
Der Autor am Schneiden der Reben – dem „Gipfeln“. Was hier im kleinen Rebberg unterhalb des Schloss Schwandegg Handarbeit ist, wird im Ertragsrebbau wo möglich maschinell ausgeführt.  (nur sechs Reihen im Vordergrund gehören zum kleinen Rebberg des Autors)

Um diese Jahreszeit wachsen die Reben sehr schnell. Ein Trieb könnte ohne Weiteres 5 m oder länger werden. Deshalb werden sie jetzt oben abgeschnitten.

Einer Legende nach wurde mit dieser Arbeit, dem sogenannten „Gipfeln“, in früheren Jahrhunderten aus der Not heraus begonnen, nämlich um zusätzliches Futter für die Kühe zu gewinnen; die abgeschnittenen Rebtriebe wurden also im Stall weiterverwertet.

Ob wahr oder nicht, ausgeführt wird diese Arbeit noch heute. Die Reben brauchen zwar viele grüne Blätter, um genügend „assimilieren“ zu können (Photosynthese). Ein wilder Urwald von Trieben und Blättern hingegen würde die Pflanze eher schwächen; deshalb wird sie unter der Schere gehalten. Der zweite Grund für das „Gipfeln“ liegt darin, dass die höher wachsenden Pflanzenteile beim Spritzen der Reben mit Pflanzenschutzmitteln nicht mehr erreicht werden und somit die Gefahr von Pilzkrankheiten massiv steigt. Dies gilt zumindest dort, wo keine „systemisch“ wirkenden Spritzmittel verwendet werden (mehr zu diesem Thema im nächsten Beitrag).

aaa-gipflen-vorher
Rebstöcke vor dem Schnitt…
aaa-gipfeln-nachher
… und die gleichen Stöcke danach.

 

 

 

Das Jahr des Winzers (9): Das Ausgeizen.

„Geiz ist geil“ ist erfreulicherweise nicht mehr ganz so „in“ wie auch schon. Im Rebbau freilich geht man sogar ganz gezielt gegen Geiz(e) vor.

Die Rede ist von sogenannten „Geiztrieben“, das sind Seitentriebe, die im Verlauf des Wachstums aus den „Blattachseln“ des Haupttriebes ausschiessen. Solche Geiztriebe entsprechen in der Funktion den Haupttrieben, sie bilden also ebenfalls Blätter und Blüten. Weil sie sich aber erst im Verlauf des Jahres entwickeln, haben sie einen Vegetationsrückstand, und die Trauben daran würden deshalb nicht reif.

Solche Geize sind nicht per se schädlich; im Gegenteil, sie können sogar zusätzliche Blattmasse bilden und somit zur Reife der Trauben beitragen. Im unteren Teil des Stocks, in der „Traubenzone“ (also dort, wo die Trauben hängen), sind sie aber unerwünscht und müssen entfernt werden. Blieben sie stehen, würde sich in dieser Zone ein Blatt-Dickicht bilden, was die Durchlüftung verhindert und somit die Fäulinisbildung der Trauben fördert. Dazu kommt, dass ein solches Blatt-Wirrwarr beim Spritzen von Pflanzenschutzmitteln die direkte Bespritzung der Trauben behindert, was wiederum Pilzkrankheiten grössere Chancen gibt  – zumindest dort, wo keine „systemischen“ Spitzmittel verwendet werden (mehr dazu in einem späteren Beitrag). Und ein letzter Grund für das Ausgeizen in den tieferen Zonen des Rebstocks liegt bereits in der Zukunft. Wir verwenden beim Rebschnitt im nächsten Jahr ja diesjährige Haupttriebe, und da wären Seitentriebe störend und müssten spätestens beim Rebschnitt weggeschnitten werden.

ausgeizen-1
Bild eines Geiztriebes. Rund markiert ist der Ort des Austriebes, immer in einer „Achsel“ zwischen Haupttrieb und Blatt. Der rote Strich markiert den Wachstumsverlauf des Triebes.
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Hier nun der gleiche Haupttrieb ohne den entfernten Geiztrieb. Markiert ist wiederum die ehemalige Auswuchsstelle. Geiztriebe, die höher am Stock wachsen, werden i.d.R. nicht entfernt.

Da geht das Ausgeizen im Sommer schon viel einfacher – sofern man diese Arbeit rechtzeitig erledigt. Ähnlich wie bei Tomaten, sind die Geiztriebe im jungen Stadium nur schwach mit dem Stock verwachsen; es genügt deshalb schon ein leichter Druck mit dem Finger, um sie auszubrechen. Der oben abgebildete Geiztrieb kann gerade noch so entfernt werden, ältere Triebe müssten mit der Schere weggeschnitten werden, was mühsam ist und zudem einen kleinen „Triebstummel“ hinterlassen würde.

Also auch hier: zeitgerecht zu erledigende, aufwändige Handarbeit pur! Guten Wein trinken ist toll – Winzer sein dagegen zuweilen sehr hart!


Der Winzer als Mutitasking-Talent

Ich stelle in dieser Serie typische Arbeiten im Rebberg vor. In der Praxis läuft es aber etwas anders, denn kaum ein Winzer wird seine Reben bearbeiten und dabei nur immer den gleichen Arbeitsschritt ausführen. Parallel zum Ausgeizen werden an einem Rebstock in der Praxis im gleichen Durchgang selbstverständlich gleichzeitig neue Geschosse vom Stamm entfernt, Triebe eingeschlauft, und wenn nötig angebunden, und Geschosse am Fuss der Reben entfernt. Gleichzeitig beginnen jetzt auch schon das Auslauben und die Ertragsregulierung – Arbeiten, die hier später noch vorgestellt werden, die aber „en passant“ jetzt schon teilweise erledigt werden. Das Winzerleben fordert also nicht nur den Körper, sondern auch das Gehirn (und das Gefühl)!

Zu früheren – und jetzt teils repetitiven – Arbeiten siehe hier:

https://victorswein.blog/2018/05/07/jahr-des-winzers-jetzt-beginnt-die-arbeitsreichste-zeit/
https://victorswein.blog/2018/05/14/jahr-des-winzers-die-handarbeit-geht-beim-einschlaufen-weiter/
https://victorswein.blog/2018/05/19/jahr-des-winzers-folge-6-das-anbinden/
https://victorswein.blog/2018/05/24/jahr-des-winzers-folge-7-zum-hinknien/

 

 

Wenn ein 15-Punkte-Wein plötzlich 18,25 erreicht.

Wie ernst darf man die Noten in Chandra Kurt’s Weinseller nehmen?

Dass ich „Weinseller“ aus dem Supermarkt in der Regel nicht so toll finde, geht schon aus dem Text auf meiner Startseite hervor. Mich ärgert, wenn Weine angeboten werden, die nur etwa viermal mehr kosten, als die Verpackung (Flasche, Verschluss, Etikette), in der sie stecken. Da kann für einen redlich arbeitenden Winzer, egal wo auf dieser Welt, einfach kein vernünftiger Ertrag mehr drin liegen. Das ist eine ökonomische, ethische, gesellschaftliche und vermutlich auch ökologische Zumutung!

(Natürlich gibt es auch im Supermarkt, oder jedenfalls in einigen davon, wirklich gute Weine zu ethisch verantwortbaren Konditionen. Ich kaufe selbst zuweilen auch dort ein, aber ein Wein zu 2.79 [so viel kostet der billigste Wein im Weinseller], 4 oder 5 Franken – das kann einfach nicht mit anständigen Dingen zugehen).

Nun gibt es eben diesen jährlich erscheinenden „Weinseller“, der sich den Angeboten aus den Grossverteilern annimmt. Und diese Woche bin ich selbst wieder mal darauf hereingefallen! 18,25 Punkte erreichte dort der bestbenotete Wein, ein Amarone aus dem Jahrgang 2014. Zufällig war dieser gerade noch in Aktion zu Fr. 22.50 erhältlich, also habe ich eine Flasche gekauft.

Die Degustation? Ernüchternd!

Mittleres Rot mit orangen Reflexen; Dörrpflaumen- und Brombeerduft, altes Holz, etwas brandig in der Nase; im Mund schon erstaunlich gereift, schlank, zurückhaltende, aber trocknende Tannine, mässige Säure, prägnant alkoholischer Abgang.

Der Wein ist nicht schlecht, er ist soweit korrekt gemacht, ausser dem alkoholischen Touch ohne Fehler, aber er hat nicht das Geringste mit einem spannenden Amarone zu tun. Es fehlt jeder Spassfaktor – meine Familie meinte, zu einer Pizza oder einem Pesto würde er gerade so knapp durchgehen (wobei ich dann trotzdem einen Ripasso oder gar einen „normalen“ Valpolicella eines guten Produzenten bevorzugen würde, was erst noch günstiger wäre). Im Normalfall kostet dieser Amarone Fr. 27.50. Für fünf bis zehn Franken mehr bekommt man im Fachhandel einen (Basis)-Amarone von Tedeschi, Degani oder Masi – Weine, die dann frisch und kräftig daherkommen und dieses Aufgeld mehr als wert sind.

Bleibt die Frage, wie Chandra Kurt dazu kommt, einen solchen Wein mit 18,25 Punkten zu bewerten? Und die Anschlussfrage, wie ein Wein, den sie mit 14,75 Punkten bewertet, munden muss?

Die Antwort auf die erste Frage dürfte wohl darin liegen, dass sich das Buch ja verkaufen soll, und wer kauft schon einen Weinführer, dessen bester Wein 15 Punkte bekommt? Vielleicht neigt man aber auch einfach während der „Strafaufgabe“, hunderte mässiger Weine zu degustieren dazu, einen, der ein wenig besser ist, in den 18,25-Punkte-Himmel zu heben?

Der Anschlussfrage, wie mundet ein 14,75-Punkte-Wein aus dem Weinseller, werde ich nach der heutigen Erfahrung sicher noch nachgehen. Affaire à suivre!

PS: Mich würde übrigens wundern, zu welcher Punktzahl Chandra Kurt beim Valpolicella Monte Lodoletta von dal Forno greifen würde (vgl. meinen letzten Blog-Beitrag)? Das müssten ja dann locker 22 von 20 Punkten sein 😉

 

Chandra Kurt’s Weinseller, ISBN 978-3-85932-759-7

Wenn der Geschmack des Weinbloggers vom eigenen abweicht.

Vor Kurzem stellte ich hier einen Wein vor, der mich in seiner charaktervollen, eigenständigen Art sehr begeisterte: den Odé d’Aydie 2015, ein Pacherenc du Vic Bilh aus Südwestfrankreich.

https://victorswein.blog/2018/02/24/etikettentrinker-der-anderen-art/

Ein Blogleser – „leider“ gleichzeitig ein guter Freund –  nahm das zum Anlass, um diesen Wein zu kaufen, allerdings den Jahrgang 2014. Und die Rückmeldung, die ich bekam, freute mich nicht: Der Wein schmecke extrem nach Ananas (resp. nach leerer Ananasdose, was Erinnerungen an alte Pfadfinderzeiten geweckt habe). Die Nachricht auf Whatsapp war untermauert mit 12 Ananas-Emoticons.

Die Enttäuschung war spürbar. Und ich war zuerst unzufrieden mit mir selbst, denn wer mag schon etwas empfehlen, das nicht gefällt (und erst recht einem Freund).

Ich habe diesen Jahrgang dann auch degustiert:
Mittleres, glänzendes Gelb; Duft nach eher knapp reifen Stachelbeeren, Limetten und – ja – Anflug von Ananas; spürbarer Süsskomplex, prägnante Säure, eher kurz im Abgang. Charaktervoller und eigenständiger Wein, mangelt etwas an Tiefe.

Der Jahrgang 2014 hat klar nicht die Klasse des Nachfolgejahrgangs, aber mir gefällt auch dieser Wein. Er ist so wunderbar weit weg vom uniformen Mainstream der Weissweine. Er ist das Gegenteil von langweilig. Und er fordert, wie der 2015er, Schluck für Schluck.

Was bedeutet nun aber diese Geschichte?

Zum Glück sind die Geschmäcker verschieden, und was mir gefällt, muss noch lange nicht anderen Leuten passen. Um diese alte Weisheit bestätigt zu haben, muss ich noch nicht einmal einen Fuss vor die Türe setzen, dazu genügt zuweilen das Urteil meiner Frau über einen Wein, den ich mag ….

Es bedeutet aber auch, dass ein verbaler Beschrieb eines Weines eigentlich nicht viel taugt. Es ist so etwas wie der hilflose Versuch eines rationalen Beschriebes – dabei geht es bei Wein um Emotionen und um Geschmäcker und persönliche Vorlieben. Und selbst dann, wenn der Beschrieb nicht rational ausfällt, sondern überschwänglich, hilft das nichts, denn die Faszination für einen Tropfen ist wiederum persönlich gefärbt.

Die Lehre aus diesem Umstand habe ich für mich selbst schon länger gezogen: Trau keinem ausser dir selbst! Tatsächlich ist es so, dass mir hochgelobte Weine oft nicht schmecken – 17, 18 oder gar 19 Punkte, von wem auch immer, sind da keine Garantie. Ich kaufe deshalb nur noch selten Weine, die ich nicht selbst probiert habe. Oder wenn, dann belasse ich es bei einem 6er-Karton.

Eigentlich hat die ganze Situation ja etwas Tröstliches: Selbst in unserer hochtechnologisierten Welt, in der alles bewert- und beschreibbar erscheint, gibt es so „gallische Dörfer“ wie den Wein, der sich jeder Logik entzieht und einfach gefällt – oder auch nicht.

PS: Und deshalb ist jedermann/-frau selbst schuld, der aufgrund meines Blogs einen Wein kauft 😉