Gefühlvolle Weinbereitung? Fragen Sie einen Mathematiker!

Der einzige isländische Winzer! Hoss Haukson stammt aus Island, stellt aber seit ein paar Jahren im Kanton Aargau Weine her. Er arbeitet bio-dynamisch und vinifiziert einige Weine auch mit viel Feingefühl in Richtung „Naturwein“. Hier ein total gelungenes Beispiel!

Als wäre es gestern gewesen, erinnere ich mich an ein Gespräch von anfangs der 1990er-Jahre mit dem Chef-Kellermeister eines der wichtigsten Weinverarbeiters der Deutschschweiz. Er äusserte sich damals allen Ernstes so, dass praktisch nur in der Schweiz wirklich fehlerfreie Weine produziert würden, und dass er insbesondere in jedem Bordeaux einen Weinfehler feststelle. So war das Denken damals in der Schweizer Weinszene: Ein Wein muss weder ausdrucksstark noch eigenständig sein – aber bitte fehlerfrei. Und so wurden damals nichtssagende Weine produziert, zu Tode filtriert und geschönt und zu Kopfschmerzen „geschwefelt“.

Zum Glück hat sich in dreissig Jahren in der Schweizer Weinszene fast alles zum Besseren gewendet. Und erfreulicherweise gibt es auch immer wieder junge oder neue Winzer, die nach besseren Wegen suchen. So Hoss Hauksson aus dem Kanton Aargau.

Der Mann aus Reykjavik hat Mathematik studiert – „genauer“ kann man wohl als Wissenschaftler kaum arbeiten. In die Schweiz kam er aber als Banker, und das war ihm irgendwann nicht naturverbunden genug. Also wandte er sich dem Weinbau zu, und seit 2017 betreibt er sein eigenes Weingut, seit 2018 in bio-dynamischer Bewirtschaftung. Nun ist er der einzige isländische Winzer der Welt!

Ich habe bei ihm ein 6er-Probierset gekauft und hatte die Absicht, über alle Weine gemeinsam zu schreiben, falls sie mir schmecken. Nun ziehe ich nach dem ersten Wein alles etwas vor und berichte „nur“ darüber. Mehr – auch zum Winzer – folgt bestimmt, wenn die anderen Weine gleich überzeugend sind.

Der degustierte Wein heisst „Horn“, und zuerst dachte ich, dass das eine Anspielung auf bio-dynamische Hilfsmittel darstelle. Da lag ich aber falsch, denn Horn ist eine Südlage in Remingen bei Brugg!

Kerner ist eine 1929 als Kreuzung zwischen Trollinger und Riesling entstandene Sorte, und sie ist letzterem tatsächlich ziemlich ähnlich. Eine grosse Bedeutung hat sie mengenmässig nicht, aber sie kann wunderbare Weine hervorbringen vgl. z.B. hier: Cantina Barbengo: Grossartige Weissweine aus dem Tessin! – Victor’s Weinblog (victorswein.blog)

Hoss Hauksson geht indessen in der Vinifikation ganz andere Wege, er vinifizierte diesen Wein, auch wenn er Sulfite enthält, stilistisch in Richtung Naturwein. Aufgrund der spürbaren Tannine muss er fast sicher etwas an der Maische gelegen haben, und gemäss Rücketikette wurde er weder filtriert noch geschönt.

Dieser Wein ist eine Offenbarung!

Horn, Kerner 2019, Hoss Hauksson
Mittleres Gelb mit leichten Rot-Reflexen, nicht klar, sondern etwas „naturtrüb“; süsslicher Blütenduft in der Nase (Rebenblüten!, Perserklee), intensiv würzige Aromen; im Mund mit reichem Körper, fruchtig, trocken, aber sehr rund wirkend, spürbare Tannine, langer Abgang, in dem ein ausgeprägtes Aroma von Korianderkörnern wunderbar mitschwingt. Eigenständiger, für mich toller Weine weit abseits des Mainstreams. Wird nicht allen gefallen – mir aber sehr! 17 Punkte (= sehr gut).

Und, um den Einstieg in den Artikel mit dem Volg-Kellermeister von 1991 zu verwenden: Der Wein ist fehlerfrei, aber nicht platt vinifiziert :-), dafür richtig berührend.

Hauksson Weine | Aargauer Weine | Biodynamische Anbau und Naturweine

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s